Am Tisch mit Amorphis, Soilwork, Jinjer und Nailed To Obscurity
Wir wollen uns nicht blamieren

Special

Markthalle, Hamburg. Die Plakate auf dem Weg hierher lassen unschwer erkennen, heute Abend gibt es hier die volle Packung abzuholen. Die alten Hasen AMORPHIS und SOILWORK geben sich eine geteilte Headliner-Show mit freundlicher Unterstützung von JINJER und NAILED TO OBSCURITY. Ich nutze diese Chance, um die Köpfe dieser Bands zu einem kleinen Round-Table-Gespräch zu bitten. Ein kleiner Raum im Backstage, vier graue Plastikstühle in einer Reihe. Die letzten Töne von SOILWORKs Soundcheck noch in der Luft, geht die Tür auf, und NAILED TO OBSCURITY-Sänger Raimund Ennengas kommt vorsichtig herein: „Bin ich hier richtig? Bin ich der Erste? Wow, ich bin echt überpünktlich heute.“ Kurz darauf füllt sich der kleine Raum mit weiteren Menschen.

Tatiana Shmaylyuk (JINJER), Björn Strid (SOILWORK) und Tomi Joutsen (AMORPHIS) schlendern sehr entspannt herein, begrüßen sich gegenseitig und daraufhin mich. Ein kleines Durcheinander mit Umarmungen. Tatiana zeigt grinsend auf die Reihe der Stühle: „Das ist ein sehr unrunder Round-Table.“ Ja, ich widerspreche ungern. Wir haben weder einen Sitzkreis noch einen Tisch in der Mitte. Aber wir sind zur selben Zeit am selben Ort.

Hallo zusammen. Ich hoffe es geht euch gut. Es ist der dritte Termin der Tour hier in Hamburg. Wie gut kennt ihr euch eigentlich untereinander?

Tatiana grinst mit großen Augen und flüstert: Wir kennen uns gar nicht.

Raimund nickt bestätigend: Also eigentlich haben wir uns alle gerade das erste Mal so wirklich getroffen und uns gegenseitig vorgestellt.

Björn und Tomi schauen sich an, Björn daraufhin lächelnd: Wir kennen uns schon etwas länger. Waren, ich glaube 2008, schon einmal zusammen auf Tour. Und natürlich kennen wir die Musik der anderen.

Tatiana: Ja, genau, die Musik ja, aber die Personen bisher noch nicht so wirklich.

Hattet ihr heute Zeit euch etwas im regnerischen Hamburg umzusehen?

Björn grinsend: Weißt du, ich esse immer eine Currywurst in Hamburg. Nur heute geht das nicht, weil Sonntag und irgendwie alles geschlossen ist. Aber ansonsten ist eine Currywurst in jeder Stadt, die ich besuche, immer mein Pflichtprogramm.

Auf der Suche nach der perfekten Currywurst – Björn Strid von Soilwork

Seht ihr euch gegenseitig bei den Shows vom Bühnenrand zu? Bleibt euch die Zeit zu schauen, was die anderen machen?

Tatiana: Wegen des straffen Zeitplanes hab ich das bisher nie geschafft. Aber ich mag das sehr und würde mir gerne öfter anschauen, was da so läuft.

Raimund: Wir eröffnen abends ja immer, haben also als erstes quasi Feierabend und somit das Glück hintenraus etwas Zeit zu haben und dann gucken wir gerne mal am Bühnenrand zu.

Tatiana: Oh Mann, du Glücklicher.

Im Interview mit metal.de erwähnte Björn, wie wichtig es ist, der Herr seiner eigenen Gedanken zu sein.

Björn: Jaaa, ich erinnere mich.

Was schießt euch allen denn kurz vor der Show durch den Kopf?

Tomi: Dass ich es nicht verkacke!

Daraufhin müssen alle erstmal lachen.

Vor Gigs hypernervös – Tatiana Shmaylyuk von Jinjer

Erklär mir das, du müsstest doch mittlerweile genug Erfahrung haben.

Tomi: Trotz der Erfahrung, bin ich immer noch total angespannt, bevor ich auf die Bühne gehe.

Tatiana: Frag mich mal. Ich bin so unfassbar nervös jedes verdammte Mal. Das ist echt krass (sie rutscht wie zum Beweis nervös auf ihrem Stuhl hin und her).

Tomi: Ja und dann stehst du da, Sekunden bevor es losgeht und hoffst einfach nur, dass alles gut geht, dass du das Set gut ablieferst, dass nichts auf der Bühne passiert. Ich will es einfach nicht vermasseln.

Björn: Ja, genau. Man will sich ja nicht blamieren. Keiner von uns will sich blamieren (lacht).

Als nächstes hätte ich zwei Zitate,die ich gerne mit euch diskutieren würde.

  1. Richard Kruspe von RAMMSTEIN: „Rock ist tot.“
  2. Caleb Shomo von BEARTOOTH: „Metal hat einen Schaden erlitten.“

Tomi: Um ehrlich zu sein, verstehe ich diese Aussagen nicht und bin absolut nicht derselben Meinung. Rock und Metal waren für mich immer irgendwie ein Underground-Genre. Metal war immer irgendwie anders und gleichzeitig aber immer präsent. Damals wie heute und deshalb ist es mir ehrlich gesagt auch egal, was andere sagen und ich ziehe mit der Band einfach weiter das durch, was ich liebe. Metal und Rock dürfen gerne weiterhin eine Außenseiterrolle haben. Das macht aber auch den Reiz des Genres aus. Aber für mich ist Rock n`Roll alles andere als tot. Rock is still alive!

Björn: Dem kann ich nur zustimmen. Ich nehme das auch ganz anders wahr. Aber da hat natürlich jeder seine eigene Sichtweise. Das respektiere ich natürlich, wenn auch, das ich es nicht nachvollziehen kann. Aber wir empfinden das überhaupt nicht so.

Tatiana: Es ist nach wie vor einfach wichtig, nicht zu sehr rechts und links zu schauen und einfach das eigene Ding durchzuziehen.

In guter Gesellschaft – Raimund Ennenga von Nailed To Obscurity

Die Sätze klingen nach „Metal hat gerade eine schlechte Zeit“. Ist das so?

Tomi (lacht): Ich habe gerade eine sehr gut Zeit.

Raimund: Ja genau. Wir genießen die Zeit gerade total und ich finde nicht, dass Metal einen Schaden genommen hat. Inwieweit Metal jemals wirklich „In“ war ist sicherlich eine Frage. Aber Tomi hat Recht, Metal ist und bleibt einfach Underground.

Björn: Wir bleiben im Untergrund, da fühlen wir uns wohl (lacht).

Im Untergrund unterwegs: Amorphis,Soilwork und Nailed To Obscurity

Dabei gibt es aber immer wieder einen Aufschrei in der Fanmenge, wenn sich eine Band soundmässig ändert oder sich bei einem neuen Release nicht wie auf Vorgänger-Alben anhört. Kommt das an euch heran?

Tomi: Ganz klar,nein. Früher sicherlich, aber ich höre da nicht mehr drauf. Ich mache mein Ding.

Björn: Früher hat mich das auch viel mehr gestört und man hat dann eher versucht es allen recht machen zu wollen. Aber ich habe gelernt, dass das überhaupt nicht möglich ist. Es gibt immer jemanden, der etwas an einem Song oder einer Melodie auszusetzen hat. Du schaffst es niemals alle happy zumachen. Also habe ich mich davon frei gemacht.

Raimund (grinst): Unsere Fans sind entspannt. Oder ich bekomme das nicht so mit.

Wie politisch muss Musik eurer Meinung nach sein? 

Tomi: Musik darf alles. Auch politisch sein und sicherlich sollte es wichtig sein, über das Medium eine Meinung zu vertreten. Wenn das jetzt eine private Frage, auf mich bezogen wäre, da könnte ich dir so einiges zu dem Thema Trump und Co.und was mich aktuell politisch aufregt, sagen. Aber als Sänger von AMORPHIS oder generell als Band halte ich mich zurück. Wir sparen das Thema Politik in unseren Songs lieber aus.

Björn: Ja wir auch. Sicher ist sicher (grinst).

Tatiana: Nein, es ist schon wichtig aber wir versuchen das auch immer etwas zu umschiffen. Unabhängig davon, welche Meinung ich persönlich habe. Klar sage ich gerne meine Meinung. Aber man darf diese auch niemanden von der Bühne aus zwanghaft aufdrücken. Gerade weil man in der Öffentlichkeit steht, ist es sehr schwierig. Man lehnt sich da ungern zu weit aus dem Fenster.

Alle nicken bestätigend.

Von Mützen und Menschen – Tomi Joutsen von Amorphis

Politik beiseite, was macht für euch die perfekte Setlist aus?

Björn lacht: Ach was, es reicht doch, wenn du die letzten zwei Alben parat hast.

Tomi ruft dazwischen: Nein, komm, der Mix auf jedenfall. Schon auch die guten, alten Sachen. Wenn ich als Fan vorne stehe, dann will ich natürlich Songs vom neuen Album hören, aber auch die alten Songs. Die Evergreens!!

Raimund: Ja doch. Perfekt ist es doch erst, wenn es gut gemischt ist. Die Setlist macht unser Bassist und der hat das ziemlich gut im Griff.

Björn hebt sich ergebend die Hände: Ja ok, ok. Dann vielleicht doch NICHT NUR die letzten zwei Alben.

Plant seine Setlist gerade neu – Björn Strid von Soilwork

Wer von euch hat denn die ein oder andere nette Tourstory auf Lager?

Tatiana setzt sich auf, atmet durch und grinst: Ich denke, das ist mein Stichwort.

Björn: Yes. Holt das Popcorn heraus.

Tatiana: Wir und unser Bus sind bei einer Tour das letzte Mal an der Grenze von der Schweiz zu Deutschland etwas..naja…auseinander genommen worden und ich meine damit, das die Grenzkontrolleure echt alles durchsucht haben. Ich sag dir nur eins,wenn Beamten anfangen sich weiße Durchsuchungshandschuhe überzuziehen und die anfangen dich abzutasten.. Puh….Scheiße, da wird dir ganz anders. Und um ehrlich zu sein, auf Tour kannst du ja auch nie sicher sein, ob nicht vielleicht doch wer was dabei hat, was nicht über die Grenze darf. Aber uns passieren sowieso immer die merkwürdigsten Dinge.

Björn: Erzähl weiter!!!

Tatiana: Naja unser Drummer fällt mal eben in seiner Raucherpause aus dem Fenster im dritten Stock und verletzt sich so heftig, dass wir Shows canceln müssen.

Tomi: Offensichtlich sehr interessant mit euch zu touren.

Björn: Und wir sind erst bei Tag 3 (lacht). Mal sehen, was noch so passiert bei JINJER. Wir können das unmöglich toppen.

Raimund: Echt unmöglich.

Tomis: Wir sind da offensichtlich auch eher langweilig.

Tourbusdurchsuchungen mit Tatiana Shmaylyuk von Jinjer

Wenn auf Tour soviel passieren kann, welches Gadget darf dann niemals fehlen?

Raimund: Tape. Ob auf Tour oder Festival. Tape ist dein bester Freund.

Björn: Oh ja das ist gut. Auf jeden Fall.

Tomi: Meine Messer. Also ich habe Schweizer Taschenmesser. Die machen es mir allerdings manchmal schwer irgendwie unbedarft zu Veranstaltungen zu gehen, weil man manchmal vergisst sie abzubauen. Manchmal lasse ich mir mein Schweizer-Armee-Messer auch mit der Post hinterherschicken, wenn ich weiß, das ich es bei Flügen zum Beispiel nicht durch die Sicherheitskontrolle bekomme.

Tatiana: Ich brauche unbedingt einen Trockner. Also nicht nur eine Waschmaschine sondern auch einen Trockner. Unbedingt wichtig.

Und welche Songs begleiten euch auf Tour, wenn es nicht die eigenen sind?

Tatiana: Ich höre aktuell viel von OPETH.

Raimund: SUPERTRAMP ist auf meiner Roadtrip-Playlist.

Björn: GENESIS– Home By The Sea. Den habe ich immer dabei.

Tomi: Ich höre gar nicht soviel Musik auf Tour. Innerhalb der ersten Tage bin ich immer fies reisekrank und fühle mich nicht besonders gut, das nervt schon echt und ich versuche dann lieber viel zu schlafen.

So das war es auch schon. Ich danke euch sehr für eure Zeit. Habt ihr noch letzte Worte für die Leser?

Alle durcheinander: Ein großes Danke an alle und kommt uns besuchen, wenn wir in eurer Stadt sind.

Das obligatorische Gruppen-Posing

Daraufhin verschwindet Tatiana zu ihrem Soundcheck. Etwa eine Stunde später füllt sich die Markthalle langsam, und als NAILED TO OBSCURITY mit ihrem Set beginnen ist das quasi der Startschuss für einen mehr als runden Abend. Die vier Bands, die hier zusammengepackt sind, bieten ein buntes Potpourri, welches die haareschwingenden Metalheads im regennassen Hamburg heute ziemlich Feuer unter dem Hinter machen. Well done. Hut bzw. Mütze gezogen und bis zum nächsten Mal.

Quelle: Tomi Joutsen /Amorphis, Björn Strid / Soilwork, Tatiana Shmaylyuk/ Jinjer, Raimund Ennenga/ Nailed To Obscurity
31.01.2019

It`s all about the he said, she said bullshit.

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