Weltschmerz
Unsere liebsten Doom-Perlen, Teil 2

Special

Im Namen der Langsamkeit, hier kommt der zweite Teil unserer Lieblingsplatten des Genres. Völlig subjektiv, aber von bestechendem Geschmack geleitet. Nach Funeral, Death, Sludge und Stoner unter dem dunklen Dach des Doom geht es nun um um den klassischen, den traditionellen und bisweilen epischen Stoff.

Damit es schnell (!) zur Sache geht, statt einer pathetischen Einleitung vorweg nur noch kurz zwei Hinweise:

  1. Obacht: Erst am Ende dieses Artikels, ab Seite 11, wird der größten Band des Genres monumental Tribut gezollt.
  2. Dies hier:

COUNT RAVEN – „Destruction Of The Void“ (Hellhound Records, 1992)

„Das zweite Album ist immer das beste!“ (METALLICA)

„Exakt.“ (OBITUARY)

„Fuck it.“ (SEX PISTOLS)

„Mit ‚Destruction Of The Void‘ da vergess‘ i die Zoid.“ (Nicki)

„Keyboard-Instrumentals? Hallo? M-E-T-A-L?!“ (rivet-rant.blogspot.org)

„Türlich.“ (metal.de)

„Und eins heißt ‚Europa‘?!“ (Boris Johnson)

„Yep! Ist doch der Burner!“ (Joey Tempest)

„Bei ‚Destruction Of The Void‘ hätten selbst wir fast nochmal in die Leere gehen können.“ (Iommi, Butler, Osbourne, Ward)

„Na ja, jetzt kommt mal wieder runter.“ (Chritus Lindersson)

„Denkt auch mal jemand an die Dunkelheit? Vielleicht?“ (WATAIN)

„Alter, Hellhound Records nun wieder. Wie geil war bitte Berlin damals?“ (David Bowie)

„Dass COUNT RAVEN unantastbar sind und „Destruction Of The Void“ ein Juwel, das haben wir schon immer gesagt. Das kann nachgelesen werden. (metal.de)

„This is a hippie’s triumph.“ (Amen)

CANDLEMASS – „Epicus Doomicus Metallicus“ (Black Dragon Records, 1986)

Einen passenderen Titel hätte Leif Edling dem Debütalbum von CANDLEMASS wahrscheinlich nicht geben können: „Epicus Doomicus Metallicus„, diese im verballhornten Latein formulierte dreiteilige Wortfolge, die das Album so prägnant auf den Punkt brachte und immer noch bringt. „Epicus Doomicus Metallicus“ ist reiner Doom Metal bezeihungsweise Epic Doom Metal, und wenn von Doom Metal die Rede ist, wird das Debüt der Schweden mit dem ersten Atemzug genannt.

Natürlich: CANDLEMASS hatten Vorläufer und ihre Vorbilder. Trotzdem war die musikalische Mischung aus Langsamkeit, schweren Gitarren und opernhaftem Gesang zum damaligen Zeitpunkt einmalig. Die Folge: Das Album war bei Erscheinen ein mittlerer Flop, und die Band wurde kurz nach Veröffentlichung von der französischen Plattenfirma Black Dragon Records gedroppt. Wer hätte da ahnen können, dass das Album in den nächsten dreißig Jahren genreprägend sein und zahlreiche Gleichgesinnte inspirieren würde?

„Epicus Doomicus Metallicus“ birgt Klassiker im halben Dutzend

Die sechs enthaltenen Lieder sind jedenfalls unglaublich gut, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass CANDLEMASS auf ihrem 1990er Livealbum gleich fünf davon spielen – obwohl sie da schon vier hervorragende Alben veröffentlicht haben und bevor es so etwas wie Album-Jubiläumstouren gibt. Allen voran das von gezupften Gitarren eingeleitete, tieftraurige „Solitude“ steht wie kein weiteres Stück für CANDLEMASS. Aber auch die epischen Tracks „A Sorcerer’s Pledge“ und „Demon’s Gate“ sind längst in den Klassikerstatus entrückt. Komplettiert wird die Scheibe von „Crystall Ball“, das auch in schnellere Regionen vorstößt, vom mitreißenden Midtempotrack „Black Stone Wielder“ und von „Under The Oak“. Der Song wurde für Album Nummer vier, „Tales Of Creation“, gleich noch einmal aufgenommen: Das Stück war natürlich so gut, war aber eben auch Teil des textlichen Konzepts.

Die Gitarrenriffs sind eher einfach gehalten – man merkt, dass Leif Edling sie vor allem auf dem Bass geschrieben hat. Aber natürlich konnte er eine noch weitgehend weiße Landkarte neu beschreiben, und das hat er mit Bravour gelöst. Die Gitarren sind sehr stark auf die Rollen des Rhythmus- und des Lead- beziehungsweise Sologitarristen aufgeteilt, wobei Mappe Björkman an der Rhythmusaxt einen recht fetten Sound hat. Und auch wenn Lars Johansson sicherlich der bessere Sologitarrist ist, hat sich sein Vorgänger Klas Bergwall doch mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Das Schlagzeug klingt sehr nach 80er-Jahre-Metal, aber was Mats Ekström hinterm Kit veranstaltet, ist nicht von schlechten Eltern. Und Johan Längquist steht ein wenig zu Unrecht im Schatten des in jeder Hinsicht großen Messiah Marcolin: Sein Gesang ist tiefer, nicht ganz so voluminös, dafür etwas zerbrechlicher – was natürlich ebenfalls bestens zu einer doomigen Atmosphäre passt.

CANDLEMASS ziehen ihr Ding eiskalt durch

Wenn man über das „Erfolgsgeheimnis“ dieses Albums sinniert, muss natürlich an erster Stelle das songschreiberische Talent von Bassist und Bandkopf Leif Edling genannt werden. Er ist einer der ganz Großen, nicht nur innerhalb des Doom-Genres. Dann stehen aber auch die Fähigkeit zu pragmatischen Entscheidungen, Leidenschaft und Spaß an der Sache auf der Habenseite der Schweden.

Dass die Band 1984 den Namen von NEMESIS zu CANDLEMASS ändern musste, hat sie ebensowenig aus der Bahn geworfen wie die langwierige Suche nach einem passenden Sänger: Anfangs hatte Leif Edling noch den Gesang übernommen (mehr schlecht als recht), aber für „Epicus Doomicus Metallicus“ konnte wenigstens mit Johan Längquist ein richtiger Sänger verpflichtet werden – wenngleich nur für die Aufnahmen, denn fest in die Band einsteigen wollte er nicht. Dass die Aufnahmen in den Thunderload Studios im Februar 1986 (und damit im tiefsten Winter) stattfanden, darf dann unter Leidenschaft verbucht werden – im wörtlichen Sinne.

Es war arschkalt im Studio, das nur über einen Bahnsteig der Stockholmer Metro zu erreichen war, und Leif Edling rekapituliert, dass alle Bandmitglieder Handschuhe und Thermounterwäsche tragen mussten und Johan Längquist bei seinen Gesangsaufnahmen Eis geatmet habe. Dennoch: Sie haben die Aufnahmen durchgezogen, und das Ergebnis ist auch heute noch beeindruckend. Sicherlich ist der Klang nicht zeitlos und noch nicht so durchgedoomt, wie man das heute in diesem Genre erwarten würde. Aber die Musiker waren mit Leidenschaft und Finesse dabei.

Und der Rest ist Geschichte

Was danach kam, ist weithin bekannt: CANDLEMASS verpflichteten den damals unbekannten Messiah Marcolin als Sänger und nahmen das ebenfalls legendäre Zweitwerk „Nightfall“ auf – das an dieser Stelle vielleicht nur nicht wegen des weniger prägenden und prägnanten Titels steht, vielleicht auch wegen der etwas statischen Produktion. Aber wer behauptet, sich im Doom Metal auszukennen, sollte sowieso alle frühen CANDLEMASS-Alben besitzen. „Epicus Doomicus Metallicus“ jedoch gehört darüber hinaus in jede Plattensammlung.

(Eckart Maronde)

SAINT VITUS – „Born Too Late“ (SST Records, 1986)

SAINT VITUS waren auch schon zuvor zwischen Zombies und hinterher unter Trollen super. Aber mit ihrem dritten Album sind sie die Besten. Mit ihrer Klage „Born Too Late“ platzieren sie sich stoisch außerhalb des Mainstreams, mit den Jeans von gestern zur Frisur von vorgestern. Im Blick, vernebelt und doch messerscharf, haben sie die 60er bzw. die 70er – des 20. und nicht des 13. Jahrhunderts. SAINT VITUS sehnen sich nicht nach dem Mittelalter und seinen Drachen und Dämonen.

Die von Scott Weinrich besungenen sind die eigenen. Der Teufel, der ihn und seinen Doom-Hippie Dave Chandler an der Gitarre umtreibt, hat keine Hörner, sondern Prozent. Ihre Band ist sozusagen die staubtrockene Rocker-Variante des Doom, die lakonisch davon kündet, es eben nicht auf die Reihe zu bekommen, trocken zu werden. Eskapismus ist nicht das Ziel der Stücke des SAINT VITUS, vielmehr verarbeiten seine Protagonisten in ihrer Musik all ihre ganz schmerzhaft realen und qualvoll-selbstzerstörerischen Versuche, dem eigenen Alltag zu entkommen, um ihn zu überstehen.

Every time I’m on the street people laugh and point at me

Konkret geht es immer direkt in der Ich-Perspektive um die eigenen Unzulänglichkeiten und (vor allem inneren) Konflikte. Diese lyrische Bloßstellung des eigenen Selbst gibt den Songs eine Eindringlichkeit, die ihresgleichen sucht. Und wir reden hier nicht von der selbstgerechten Zurschaustellung pubertärer Teenage Angst, wir reden von offenen Karten statt unangenehmem Selbstmitleid. Wie Mr. Weinrich in „Dying Inside“ den desillusionierenden Kampf eines Alkoholikers gegen seine Sucht schildert, gellend den schleichenden Verlust jeglicher Kontakte, jeglicher Werte beschreibt, das zum Beispiel ist geradezu schmerzlich intensiv – zumal eben davon ausgegangen werden kann, dass lyrisches Ich und reale Person des Sängers nicht wirklich zu trennen sind. Seien es Alkohol, andere Drogen, Depressionen, das Außenseitertum als solches – angelesen ist bei SAINT VITUS nichts.

Doch mag Wino auch noch so beeindruckend röhren, klagen, singen, flüstern und damit seinen schon großen Vorgänger Scott Reagers schrumpfen lassen – ein Sänger allein macht noch keinen Klassiker. Zu einem solchen wird „Born Too Late“ selbstverständlich erst durch seine, es muss einfach mal gesagt werden, unfassbaren Songs. Hauptverantwortliche für die musikalische Klasse von „Born Too Late“ sind Dave Chandler, diese – und das ist hochachtungsvoll gemeint – abgefuckte Doom-Version von Hendrix und seine Gitarre. Dass Wino ebenso und gleichsam wuchtig zur Gitarre greift, steht dem nicht entgegen.

Wer „Doom“ sagt, meint „Born Too Late“

Trocken, krachend und doch voluminös und mächtig werden die Stücke auf „Born Too Late“ durch meist natürlich langsames, aber bei Bedarf auch beschleunigtes Riffing vorangetrieben, werden sie zu dunklen, ehrfurchtgebietenden Giganten gemacht. Ohne die Leistung von Schlagzeug und Bass zu schmälern – wer sich einmal vom Eingangsriff der Platte und ihres Titelstücks hat niederstrecken lassen, weiß, dass der Kniefall vor den eigenen Boxen keine Metapher bleiben muss, keine solche bleiben kann. Zumal Chandler und SAINT VITUS (fast) genau so ergreifend weitermachen: „Clear Windowpane“, das genannte „Dying Inside“, „The War Starter“ etc. – auf „Born Too Late“ finden sich keine durchschnittlichen, keine überhörbaren, keine zu ignorierenden Songs.

Kurzum: Wegen all des Gesagten und nicht zuletzt wegen Chandlers quietschend-kreativer Chaos-Soli als dunkle Kirsche auf dem Kuchen geht an SAINT VITUS ganz prinzipiell kein Weg vorbei. Und an „Born Too Late“ speziell schon mal gar nicht. Da kann man sich noch so lange durchs SABBATH-Dickicht schlagen, epische CANDLEMASS-Berge erklimmen, gar ellenlange Umwege durch andere Genres nehmen. Wer „Doom“ sagt, meint und lebt „Born Too Late“. (Ganz nah dran: „V“ von 1989.)

(Marek Protzak)T

TROUBLE – „Psalm 9“ (Metal Blade Records, 1984)

Eine der ganz großen Bands des klassischen Doom, TROUBLE, mussten sich damals zu Zeiten ihrer frühen Werke oft den Begriff „White Metal“ gefallen lassen, allen voran von ihrem eigenen Label Metal Blade Records. Ja, Eric Wagner ist christlich erzogen. Ja, das Debüt „Psalm 9“, welches damals noch unbenannt/selbstbetitelt war und erst nach der Entstehung des vierten, tatsächlich selbstbetitelten Albums in „Psalm 9“ umgetauft worden ist, enthält dazu Texte, die von der Bibel, speziell dem alten Testament, inspiriert worden sind. In einem Genre, das in der öffentlichen und oft genug auch seiner eigenen Selbstwahrnehmung generell mit Todes- und Teufelsverehrung gleichgestellt wird, sticht eine solche Band dann natürlich hervor wie ein bunter Hund, was sicherlich auch die Absicht auf Labelseite gewesen sein dürfte.

„Psalm 9“ ist ein räudiges Biest

Andererseits fallen die Unterschiede zu Zeitgenossen wie SAINT VITUS gar nicht mal so drastisch aus, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert: die Musik. Und in dieser Hinsicht muss man einfach sagen, dass TROUBLE völlig zurecht zu den ganz Großen des Doom zählen. „Psalm 9“ ist ein räudiges Biest, das gleichsam zähe, Unheil verkündende, lavaartige Doom-Riffs und explosive Uptempo-Parts beinhaltet und zeigt, dass der Doom nur dann wirklich effektiv rumpelt, wenn seine Langsamkeit auch ins Verhältnis zu flotteren Tempi gesetzt wird.

Und natürlich hilft das rauchige Krächzen von Eric Wagner dabei, das raue Bild zu vervollständigen. Der Mann bewegt sich mit seinem Organ auf einer ganz anderen Ebene als all jene, die ihre Zeitlupenkost mit blitzblank poliertem Gesang versehen lassen. Nein, räudig, rauchig, böse und ganz und gar unchristlich klingend serviert Wagner hier ein paar raue Hooks, die mit klarem Falsett einfach nicht funktionieren würden. Eine Zeile wie „You Bastards, you’re gonna pay“ kann man sich schwer mit hellen Glocken überzeugend transportiert vorstellen.

TROUBLE = DOOM

Der Opener „The Tempter“ legt die Karten im Grunde schon auf den Tisch und stellt das Album und seine Qualitäten gekonnt vor. Die träge Schwere der Doom-Riffs, die den Track eröffnen, kommt so richtig zur Geltung, wenn sie mit den aggressiven, flotten Parts hintereinander geschaltet werden. Diese flotten Parts sind stark vom klassischen Heavy Metal der damaligen Zeit beeinflusst und sicher auch von diesem abgeleitet. Das tut der Souveränität, mit der TROUBLE beide Aspekte ihres Sounds jonglieren, aber keinen Abbruch. Viel mehr kreieren TROUBLE so das Moment ihres Songs und verleihen ihm Gewicht. Indes peitscht Wagner den Drive des Songs weiter an, schön mit Hall versehen, wie es sich gehört.

„Assasin“ und „Bastards Will Pay“ sind da noch eine Stufe aggressiver und gehen direkt in die Vollen, vom Doom im Sinne von Langsamkeit ist kaum was zu spüren. Dennoch spürt man nach wie vor die Schwere in den Riffs, die das Duo Wartell/Franklin hier entfesselt. „Victim Of The Insane“ dagegen geht in die andere Richtung und könnte auch so etwas wie eine Schablone für angehende True-Doomster darstellen. Der Song hat diese wahnsinnig schweren Riffs frisch aus der Teergrube, dazu kommen dann diese flirrenden, unheimlichen Melodien. Atmosphäre pur und das, ohne irgendetwas an Rohheit oder Härte einzubüßen. Der abschließende Titeltrack glänzt indes durch sein markant groovendes Riffing.

Das Genre wird definiert

„Psalm 9“ ist vollkommen zurecht einer der ganz großen Klassiker des Doom, ein Album, das geholfen hat, dieses Genre zu definieren und zu formen. Und ja, TROUBLE mögen nicht die großen Innovatoren, sondern „nur“ treibende Kraft gewesen sein. Dennoch bleibt das Full-Length-Debüt der Chicagoer ein Meilenstein, an dem kein Zeitlupenfanatiker und keine Trauerweide vorbeikommen sollte. Und von dem „White Metal“-Dingens sollte man sich ohnehin nicht abschrecken lassen. Das lenkt nur ab. Und die Band hat sich im Laufe ihrer Karriere ohnehin davon distanziert. Gut so.

(Michael Klaas)

El Doom & The Born Electric – El Doom & The Born Electric (Rune Grammofon 2012)

EL DOOM & THE BORN ELECTRIC stellen den Hörer vor eine interessante Frage: Darf der Doom auch progressiv sein? Ich meine jetzt mal so richtig progressiv. Also richtiger Prog-Sex, nicht nur Neo-Prog-Petting. Also mal so richtig schmutzig drauf los frickeln, die Genres jonglieren, die Takte durch- und ineinanderwerfen, das Tempo und den Härtegrad variieren und gerne auch mal ein paar schöne, atmosphärische Verschnaufpausen einbauen. Einfach mal die eigene Musik voranbringen und nicht immer im gleichen Sumpf waten. Darf er durchaus. Natürlich ist ein amtlicher Hirnfick der Marke CONFESSOR reine Geschmackssache. Beeindruckend ist das in jedem Falle und deren Klassiker „Condemned“ sollte man zumindest mal gehört haben. Aber für all jene, welche die Sinnlichkeit dem reinen, technischen Gefummel vorziehen, denen sei hiermit das selbstbetitelte und bislang einzige Werk in voller Länge von EL DOOM & THE BORN ELECTRIC ans Herz gelegt.

Die Kunst der sinnlichen Doom-Prog-Kost

Die Herren um Ole Petter Andreassen, der die Band nach einem seiner Bühnenpseudonyme benannt hat, haben über 50 Minuten Programm für den willigen Hörer bereit gelegt. Kommen wir deshalb schnell zur Frage: Was genau spielen EL DOOM & THE BORN ELECTRIC eigentlich? Zugegeben geht es hier nicht ausschließlich im Zeitlupen-Tempo voran, aber die Band rockt sich dennoch zumeist gemächlich durch sämtliche Teergruben und zieht die Gitarren richtig schön durch den Dreck. Es gibt also schon durchaus Doom auf die Ohren.

Der Sound zeigt sich klar von klassischem Rock und Heavy Metal beeinflusst, trägt eine Menge Blues und Psychedelik in sich und die Melodien kommen gerne ein bisschen schepp und fuzzy daher – es wird also auch ein bisschen gestonert. In Sachen Geschwindigkeit fährt man die klassische Schiene und lässt wie eben angedeutet auch gerne mal flottere Rhythmen spielen, welche die langsamen, groovenden Downtempo-Parts dann umso schwerer klingen lassen – der alte Trick, funktioniert immer wieder. Das Album ist also im gewissen Sinne retro und steht damit natürlich in einer reichhaltigen Tradition, welche dieser Tage nach wie vor gepflegt wird.

Keine Angst vor Mathe!

Das alles wird von den Musikern aber dank markanter Math-Rock-Einflüsse gekonnt ins Hier und Jetzt transportiert. Die Gitarren fliegen einem jedoch nicht non-stop um die Ohren im Sinne eines THE DILLINGER ESCAPE PLAN. Vielmehr herrscht ein Gleichgewicht zwischen songorientierten und technischen Passagen, bei dem gerne auch mal die Abgrenzungen verschwimmen. Es wirkt ein bisschen so als würden sich die Instrumente für die Gesangspassagen zurücknehmen, um dann in den Instrumentalparts von der Leine gelassen zu werden und auf die Frickel-Balz zu gehen.

Apropos Gesang: Andreassens markante Stimme erklingt stets durch Effekte verfremdet und nistet sich von der Stimmfarbe her irgendwo zwischen Michael Poulsen und Scott Walker ein. Wichtiger jedoch: Man hört dem Mann jede transportierte Emotion an, gerade in den dramatischen Hooks. Und diese sind immerzu ein Genuss, gerade in Kombination mit der sehr geschäftigen Instrumentierung.

EL DOOM & THE BORN ELECTRIC zwischen klimaktischen Ohrwürmern und wildem Gefrickel

Es ist wahnsinn, wie EL DOOM & THE BORN ELECTRIC in der Lage sind, überlange Songs dieser Art dank einprägsamer, verquerer Melodien, einer zünftigen Portion Rock und natürlich den einschlägigen, geilen Hooks in die Gehörgänge zu zwängen. „Fire Don’t Know“ eröffnet und macht’s vor. Ein neunminütiges, vielschichtiges Bollwerk steht den übrigen Songs voran und doch scheint sich jede Wendung, jeder Stimmungs- und jeder Tempowechsel ganz natürlich zu ereignen.

Und dann ist da natürlich der Refrain, der sich unbarmherzig in die Hirnwindungen hineinbohrt. Die Norweger bringen den eleganten Flow ihres Songwritings mit diesen rauen, animalisch rockenden Kanten in Einklang und es ist ein Fest. Aber auch der gediegene Doom gibt sich mit „With Full Force“ natürlich die Ehre, der wohl geradlinigste Song des Albums. Und mit sechs Minuten auch einer der kürzeren. Langsam und zäh fließt der Rhythmus dahin, der Song baut zum die Spannung zum Refrain hin auf. Und diese entlädt sich dann in fulminanter Manier.

Diese Band hat an alles gedacht

„The Lights“ ist dagegen ein echter Ausreißer, der den Sound der Norweger zeitweise fast schon ein bisschen in Richtung Shoegaze rückt, inklusive verträumter Atmosphäre und flirrenden Melodiebögen. Das wiederum schwer und langsam groovende „Subtle As A Shithouse“ folgt auf dem Fuße, um die Heaviness wieder zurückzubringen – und macht mit seinem übergroßen, treibenden Refrain dem Songtitel alle Ehre.

Es gibt Abwechslung, es gibt Melodien, es gibt Gefrickel, es gibt Dynamik, es gibt Doom – EL DOOM & THE BORN ELECTRIC haben an nahezu alles gedacht. Dass die Platte dennoch so fokussiert klingt, zeugt nur von der hohen Qualität des Songwritings. Nicht ein Moment wirkt deplaziert oder überstrapaziert. Tatsächlich fühlt sich das Album selbst mit seiner Spielzeit von über 50 Minuten schon sehr straff an. Da möchte man gar nicht wissen, was bei den Sessions alles dem Rotstift zum Opfer gefallen ist. Was die Leistung der Norweger umso beeindruckender macht. Zu dieser Platte kann man der Band eigentlich nur gratulieren.

(Michael Klaas)

ELECTRIC WIZARD – „Come My Fanatics“ (Rise Above Records, 1997)

ELECTRIC WIZARD bringen mit „Come My Fanatics….“ den schweren, rituellen Charakter, der im Doom-Metal so oft zu finden ist, in fünfzig Minuten Spielzeit auf den Punkt. Auf diesem Album passt einfach alles: Herausragende Ideen, eine krude Stimmung zwischen verstörendem Psychedelic und brutaler Heavyness sowie eine Band in spielerischer Höchstform zeichnen diesen Klassiker von 1997 aus.

„Come My Fanatics….“ – traditionell, aber frisch und zeitgemäß

Dabei ist „Come My Fanatics….“ so etwas wie der kleine, unterschätzte Bruder des Nachfolgealbums „Dopethrone“ – der zwar völlig zurecht als Meilenstein des sludgigen Doom-Metal gilt, aber dennoch nicht zwangsläufig als das Opus Magnum von ELECTRIC WIZARD gelten muss. Während „Dopethrone“ sich in seinem drogengeschwängerten, psychedelischen Universum verliert, ist „Come My Fanatics“ spannend, unglaublich Heavy und trotz allen Ausflügen in die HAWKWIND-Space-Ecke bemerkenswert direkt.

Natürlich driftet man allzu gern in sphärische Welten ab – „Ivixor B/Phase Inducer“ und „Solarian 13“ sprechen Bände – aber „Come My Fanatics“ ist trotz allem ein angenehm erdiges und traditionsbewusstes Doom-Metal-Album, das Elemente des BLACK-SABBATH-Traditional-Doom mit dronig-fuzzigen Elementen zu einem wunderschönen, düsteren Bastard vereint. Dabei bauen sich oftmals jam-Session-artige Strukturen um einige wenige zentrale Ideen herum: Doom-Metal für eine Generation, die beim Release von „Black Sabbath“ 1970 noch nicht auf Welt war und das folgende Jahrzehnt bestenfalls in Windeln verbracht hat. Und mal ehrlich: Wer einmal „Wizard In Black“ gehört hat, der weiß, was Doom-Metal wirklich ist – keine weiteren Worte nötig, oder?

ELECTRIC WIZARD in Höchstform

Was „Come My Fanatics….“ darüber hinaus so attraktiv macht, ist die ungeschliffene Abmischung des Albums: Glatt oder überproduziert ist hier mal überhaupt gar nichts. Als Hörer hat man vielmehr das Gefühl, in einem schäbigen Londoner Nachtclub direkt neben der aufspielenden Band am Tresen zu stehen. „Come My Fanatics….“ ist ein ungeschliffener Diamant und die abgefuckte, dronige Bratzigkeit dieses Albums wird auf Generationen hinaus nicht zu überbieten sein: Hier atmet wirklich alles den Geist von Vergänglichkeit und Schwermut.

ELECTRIC WIZARD haben auf „Come My Fanatics….“ zudem ihren typischen Sound gefunden: morbide Samples, schwere Verzerrer und markante Riffs, die ihresgleichen suchen. Die Band um Mastermind Jus Osborne schleift diesen Sound auf den späteren Alben zwar zunehmend glatt und entwickelt ihn fort, aber diese Unbekümmerheit und den natürlichen Fluss, der „Come My Fanatics….“ ausmacht, haben ELECTRIC WIZARD später nicht mehr erreichen können.

Die musikalischen Einflüsse sind ansonsten vielfältig und allgegenwärtig, besonders zu finden in den Frühwerken der britischen Doom-Legenden CATHEDRAL und dem rockigen Spirit von PENTAGRAM – und selbstverständlich ist „Come My Fanatics….“ nicht zuletzt tief beeinflusst von traditionellem Doom-Metal der Marke SAINT VITUS und CANDLEMASS. All dies wird Zusammengeführt in einem okkulten Ritual zwischen bewusstseinserweiternden Drogen und Horror-B-Movies.

In diesem Sinne: Sammelt euch, Eiferer, zu Ehren des elektrischen Zauberers!

(Sven Lattemann)

SOLITUDE AETURNUS – „Adagio“ (Massacre Records 1998)

Adagio ist eine Tempobezeichnung in der Musik. Auf einem Metronom liegt dieser Bereich bei 66-76 Anschlägen pro Minute. Das ist, passend zu unserem Special, ziemlich langsam oder wie die italienische Wortbedeutung besagt „bequem und behaglich“.

Ein Platz auf dem Olymp

„Adagio“ heißt auch das fünfte Album der texanischen Doom Metaller SOLITUDE AETURNUS, ein Album, welches auf dem Olymp der zehn besten Doom bzw. Metal-Alben einen festen Platz einnimmt. „Adagio“ ist musikalische Perfektion und ein Gesamtkunstwerk angefangen vom Cover-Artwork bis zu den Texten und den einzelnen Stücken in ihrem inneren Zusammenhalt. Dabei gelingt Solitude Aeturnus der Spagat zwischen Heaviness, Melancholie, treibender Rhythmik und punktgenauen Melodien.

„Split by the forever
The Dance is between in nowhere
An essence of nothing
god has broken my wings
And set me to drift.“

Der Erfolg von „Adagio“ beruht im Wesentlichen auf zwei tragenden Säulen. Zunächst haben wir den Gesang von Robert Lowe (Ex-CANDLEMASS), welcher perfekt die Stimmung des Albums transportiert. Daneben steht die schier überwältigende Gitarrenarbeit, die treibend, vertrackt und melodisch zugleich ist. Die Qualität der einzelnen Stücke ist herausragend. Dennoch stechen einzelne Stücke hervor, zu nennen sind „Days of Prayer“ (Jahrhundert-Riff), „Believe“ (Jahrhundert-Melodie) oder „Mental Pictures“.

Ironischerweise wird man, entgegen des Titels, kaum einen Song zwischen 66 und 76 Beats per Minute auf dem Album finden. Es gibt zwar viele doomige Passagen, allerdings ist der Ansatz von SOLITUDE AETURNUS eher schwermetallig ausgelegt. Den Faktor Doom und Weltschmerz repräsentieren die Melodien und der Gesang, weniger eine überragend langsame Geschwindigkeit.

Darüber muss man schweigen

Ludwig Wittgenstein schreibt in seinem „Tractatus logico-philosophicus“:

„Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.“

Klar ist, dass „Adagio“ als Meilenstein zwischen Metal und Doom, zwischen Melancholie und Härte zeitlos ist. Über alles andere werden wir nun schweigen.

(Stefan Arthur Wolfsbrunn)

LORD VICAR – „Fear No Pain“ (The Church Within Records, 2008)

Kimi Kärki lehrt Geschichte an der Universität von Turku, das liegt in Finnland. Des Weiteren lehrt Kimi Kärki Doom Metal an der Spitze von allen, das liegt auf der Hand. Nach REVEREND BIZARRE erschafft der Gitarrist als Medium die mindestens ebenso wirkungsvollen LORD VICAR. „Fear No Pain“ ist deren Debüt und eine Dekade nach Erscheinen ein mächtig lodernder Klassiker, vielleicht der jüngste im Reigen der ganz großen.

Peter Inverted erschafft LORD VICAR

Damals noch unter dem Pseudonym Peter Inverted gelingt es dem Chef, Riffberge zu Song-Gebirgen zusammenzufügen, die es schaffen, gleichzeitig für weiche Knie und Euphorie zu sorgen, die sowohl Melancholie als auch Tatendrang provozieren. Wenn Kärki zur Gitarre greift, dann treffen seine Tonfolgen genau den elektrisierenden Punkt, an dem sich Ergriffenheit und Entschlossenheit begegnen.

Hört man die sieben Stücke von „Fear No Pain“, tut sich vor dem inneren Auge eine weite, erhabene, meinetwegen ganz dezent mystisch glitzernde Landschaft auf, die aber so weit von akustischem Öl-Kitsch oder Aquarell-Idyll entfernt ist wie der Doom als solcher von Hektik oder irgendeinem zweitbesten aller Metal-Genres. Die Epik von CANDLEMASS wird geerdet durch den Schmutz des SAINT VITUS, alles natürlich in Ehrfurcht vor dem Allmächtigen Iommi und dessen linker Hand. Und unterhalb der ganz großen (religiösen) Fragen bewegt man sich hier sowieso nicht.

Chritus Lindersson veredelt „Fear No Pain“

Zweiter wichtiger Faktor bei LORD VICAR und „Fear No Pain“ ist Christian „Chritus“ resp. „Christus“ Lindersson. Der Mann ist eine der zentralen Figuren des Genres und hat unter anderem schon „“C.O.D.“ von SAINT VITUS, „Storm Warning“ von COUNT RAVEN und die beiden exquisiten Scheiben von GOATESS veredelt. Und göttliche Referenzen hin oder her: Auch Chritus Lindersson ist einzigartig. Er klingt zwar wie Ozzy mit einem Schuss mehr Volumen in der Stimme, aber doch unverwechselbar und ist exakt der Richtige, wenn es um das Vertonen schwermütig-aufrechter Doom-Epen geht.

Aus den glorreichen Sieben, die „Fear No Pain“ bilden, einzelne herauszuheben, erübrigt sich. Diese Songmonumente werfen exakt den gleichen Schatten. Hinzuweisen ist auf Details: das akustisch-leise Ende von „The Spartan“ oder den CATHEDRAL-Swing von „A Man Called Horse“. Oder auf den eindringlich-klagenden Rahmen des abschließenden „The Funeral Pyre“, das sich mit seinen beinahe schmerzhaft intensiven gut vierzehn Minuten und seiner permanenten Steigerung vielleicht doch ein wenig über die übrigen Kleinode erhebt. Wie gesagt: groß.

(Die einleitend behauptete Spitzenstellung von Herrn Kärki ist natürlich trotzdem fraglich. Fragt mal, Fodde, Wino oder eben Toni. Aber Relativierungen sind letztlich ja auch keine Lösung.)

(Marek Protzak)

WARNING – „Watching From A Distance“ (The Miskatonic Foundation, 2006)

„Dieses Album kann man nicht verstehen, man kann es nur erleben.“

Bereits unter einem eingeschworenen Kreis von Doomfans als Klassiker geltend, ist das Zweitalbum „Watching from a Distance“ der Briten WARNING bei uns bislang noch nicht mit einem entsprechenden Review gewürdigt worden. Zeit also, das zu ändern. Nach ein paar Demos und dem Erstwerk „The Strength To Dream“ (1999) kam „Watching from a Distance“ sieben Jahre später (2006) heraus, 2009 löste sich die Band bereits wieder auf. Also perfekte Voraussetzungen, so etwas wie einen Legendenstatus mit ebenfalls spärlich gesäten Liveauftritten aufzubauen.
WARNING sind ein pures Destillat: Es kommt nur Doom auf den Teller, nix anderes!

Ähnlich grau, schwer auszumachen und verwaschen wie das Albumcover stellt sich die Musik von WARNING dar. Das Cover zeigt eine Person, die etwas Schweres auf dem Rücken trägt und eine Schräge aufwärts geht. Geht in die Sisyphus-Richtung. Denn die Last, die Schwere, das „Kreuz“, was ein jeder Mensch mit sich trägt, drücken sich wahrscheinlich in wenig anderen Musikgenres so gut aus wie im Doom.

Wer findet, dass andere Doom-Bands wie PALLBEARER oder WHILE HEAVEN WEPT verdammt langsam, episch und todtraurig daherkommen, sollte definitiv mal schauen, wie WARNING sich so anstellen. Hier sind die melancholischen Melodien sehr viel hintergründiger und nicht so sehr „in your face“. Anstatt noch Einflüsse aus Epic/Heavy Metal oder wahlweise auch Sludge mit hinein zu nehmen wie die Amerikaner, halten sich die Briten an ein pures Destillat: Die Riffs ziehen sich zäh und klebend wie Teer, simple, aber effektiv operierende Drums und der Bass bilden das Fundament und die einzigartige Stimme Pat Walkers (der später noch die ebenfalls hochkarätigen 40 WATT SUN aufziehen sollte) hält den Rest zusammen.

Gewohnungsbedüftige Stimme von Pat Walker

Entweder man liebt sie oder hasst sie, etwas dazwischen gibt es, glaube ich, nicht. Im Gegensatz zu den meisten Metal-Sängern in dieser Spielart, die entweder auf Falsett-Höhen, theatralischen Operngesang oder aggressive Vocals setzen, erinnert er mit seiner beinahe nasalen Tonalität fast an Indie-Bands wie OASIS oder PLACEBO, was einen großen Kontrastpunkt zur Musik darstellt. Trotzdem ist die gewisse Traurigkeit, Verzweiflung und Verletzlichkeit in der Stimme zu fühlen, die zum Doom gehört wie ein zünftiger Leichenschmaus zu jeder Beerdigung. Dazu gesellt sich die wirklich fantastische, raumgreifende Produktion: Ob das die mit besonders viel Hall versehenen Drums sind, die dreckigen und knarzigen Gitarren, die trotzdem gut hörbar und dick über dem Geschehen hängen wie Staub in einem seit Jahren nicht mehr betretenen Zimmer. Der Bass stützt den tiefen Frequenzbereich und bringt die nötige Erdung mit hinein.

„Watching from a distance“ ist objektiv wahrscheinlich wirklich nur aus der Ferne betrachtbar

Erste Hördurchgänge werden das Album mehr wie einen durchgängigen Song wirken lassen, was vielleicht sogar beabsichtigt ist. Zum Sich-drin-Verlieren gedacht, denn so etwas wie einen Chorus oder markante Songparts vernimmt man fast gar nicht. Der Aufbau der Songs verändert sich nur minimal, wenn überhaupt, es wird mit einer Stoik musiziert, die wahrscheinlich gleichzeitig Stärke und Achillesverse ist: Während ein Großteil der Menschen mit dieser Platte nichts anfangen können wird, da zu wenig passiert und die Musik zu langweilig ist, wird ein anderer, wahrscheinlich sehr kleiner Teil bleiben, der die Authentizität und die Intensität der Riff-Monolithen „versteht“. Für diese ausgewählte kleine Zahl Doom-Nerds werden WARNING auf ewig Götter bleiben, die in einer mikroskopisch kleinen Schiene innerhalb des großen „Ausdrucks“ Musiks, den Menschen für sich haben erschaffen können, existieren.

(Alexander Santel)

WHILE HEAVEN WEPT – „Sorrow Of The Angels“ (Eibon Records, 1998)

Es ist der Sommer des Jahres 2006: Der Autor dieser Zeilen schmiedet eifrig Pläne, endlich bei seinen Eltern auszuziehen, geht hin und wieder zur Uni, pflegt das Leben eines Müßiggängers. Die Musik bleibt dabei ironischerweise ein bisschen auf der Strecke. Nicht, dass die Anlage nicht immer noch den ganzen Tag und die halbe Nacht brummen würde. Aber neuer Stoff hat sich schon lange nicht mehr in das mit einem Chuck-Schuldiner-Gedenk-Poster leidlich aufgehübschte Jungenzimmer verirrt.

Und auf einmal tritt der Doom Metal in dein Leben

Dies ändert sich, als plötzlich der Doom am Fenster erscheint und über die komplette schöne Jahreszeit auch nicht mehr weichen will. Zahlreiche Perlen des Genres befinden sich auf einmal in Dauerrotation und entschleunigen die Semesterferien. Darunter auch WHILE HEAVEN WEPT mit „Sorrow of the Angels“, ein anfangs eher ungewöhnlicher Bestand in einer von Nu- und Death Metal geprägten Musik-Sammlung.

Ungewöhnlich ist bereits der Einstieg, sowohl musikalisch als auch lyrisch. Langsam und melodisch baut sich „Thus With A Kiss I Die“ auf, wirkt beinahe zerbrechlich. Der Verstand realisiert: Dies ist keine Musik zum Nebenbei-Hören, sondern zum Versinken. Plötzlich wird die Aufmerksamkeitsspanne gefordert, die Neugier auf den Text geweckt. Zum Glück ist der Teenie-Herzschmerz längst überwunden – ist er es? – sonst würden Tränen fließen.
Der Opener widmet sich in insgesamt 17 Minuten der Verzweiflung, die ein Liebender verspürt, der verlassen wurde.

Was eine ansonsten einsame Seele vorher noch als Verbindung für die Ewigkeit betrachtete, ist aufgelöst worden, ist nun zerbrochen und damit eigentlich unwert. Doch der Geschmähte liebt immer noch, kann die Abweisung nicht überwinden und schwört ewige Liebe. Leben und Energien durchwehen den Song danach nur noch musikalisch. Knapp drei Minuten beleben ihn überraschend progressive Gitarren und Keyboards, bis schließlich doch wieder das schleppende Hauptriff erklingt und „Thus With A Kiss I Die“ abschließt.

WHILE HEAVEN WEPT begeben sich an den Quell der Trauer

„Into The Wells of Sorrow“ beginnt leicht holprig mit einem etwas ziellosen Intro. Stimmungsvoll ist es dennoch, ohne Frage. Es leitet den Gesang eines Menschen ein, der von der Welt insgesamt enttäuscht ist, sich resignierend von ihr abwendet. Zuflucht findet er im Tod, den er als untrennbaren Teil des Lebens begreift. Aus dieser Erkenntnis gewinnt er Kraft, akzeptiert sein ansonsten trostloses Schicksal erhobenen Hauptes, weil er weiß, dass der Tod „absence of pain“ ist. Entsprechend steigert sich der Song von einem melodischen Zeitlupen-Riff hin zu einem kraftvollen Zusammenspiel von Gitarre und Keyboard. Zwar bricht er danach für wenige Sekunden wieder in das anfängliche Intro über, aber aufgrund seiner Kürze bleibt es nicht mehr als eine abschließende Randbemerkung.

„The Death of Love“ reiht sich mit seinen zehn Minuten bei seinen beiden Vorgängern ein, ist aber vielleicht der musikalisch ausgereifteste Song auf dem Album. Lyrisch wird in ihm nicht nur die Liebe zu Grabe getragen, sondern die Lebensfreude an sich. Zeilen „every promise ever born now lay broken“ sprechen eine deutliche Sprache. Es geht um Enttäuschung, so grundlegend und umfassend, dass kein anderer Umgang mit ihr sinnvoll erscheint, als diese Erkenntnis in Kraft umzuwandeln. „September“ schließlich, der letzte Song, ist ein kurzes Instrumental, das klanglich an manches vorhergegangene Akustik-Gitarren-mit-Regen-im-Hintergrund-Zwischenstück anknüpft. Kein Glanzstück, sondern ein verhaltener letzte Gruß und schöner Abschluss dieses Albums.

Musik zum Träumen, zerbrechlich und kraftvoll

Die Flucht vor der trüben, nein: bitteren und gnadenlosen Realität ist das Hauptthema auf „Sorrow of the Angels“. Dennoch ist sie trotz des Schmerzes, den sie manchmal verursacht, eine Voraussetzung für die lindernde Erkenntnis. Die Offenbarung, dass Leben und Leiden zwei Seiten einer Münze sind, spendet Kraft, vermittelt das Gefühl, ein Eingeweihter zu sein, der hinter den Schleier der Banalitäten blickt.

Eingebettet wird diese Botschaft in traumhaft schöne Musik, die den Zuhörer verharren lässt. Insbesondere das Zusammenspiel von Keyboard und Gitarre funktioniert auf diesem Album prächtig. Die Kraft des gitarrenlastigen Doom Metal im Stil von SOLITUDE AETURNUS trifft hier auf die britisch-romantische Stimmung von Bands wie MY DYING BRIDE. Bandkopf Tom Phillips, der kurz nach Release erst einmal von seinen beiden Mitmusikern verlassen wird, gelingt ein wunderbares Werk. Tieftraurig, aber zugleich nie versiegender ein Quell der Kraft.

„Sorrow of the Angels“ – Die Trauer über verlorene Unschuld

Letztlich auch ein Ende der Unschuld, denn schließlich ist es, so der Titel, auch die Trauer von Engeln, die einst voll von naiver Hoffnung auf die Welt blickten, bis sie der Taten der Menschen gewahr wurden. Ein passender Soundtrack also für einen jungen Mann, der schließlich, einige Monate später im Winter, in seiner tristen ersten Wohnung sitzt, an einer kahlen Wand ein einsames Chuck-Schuldiner-Gedenk-Plakat. Irgendwie frei, aber irgendwie auch enttäuscht, doch wieder mit gebrochenem Herzen – aber immerhin mit dem passenden Soundtrack.

(Marc Thorbrügge)

BLACK SABBATH – „Black Sabbath“ (Vertigo, 1970)

Geboren am Freitag, dem 13. Februar 1970

Dem ersten Album der Band BLACK SABBATH wird immer wieder nachgesagt, es habe den Heavy Metal und den Doom zur Welt gebracht. Das Wort Doom bedeutet Verhängnis, schweres Schicksal, drohendes Unheil. 1970 gab es Doom als Musikrichtung natürlich noch gar nicht, aber das drohende Unheil konnte man auf dieser Platte förmlich spüren.

Ich erinnere mich noch genau: Wir schrieben das Jahr 1974, die Hippie-Bewegung ging dem Ende zu und die berühmtesten Hippies – JANIS JOPLIN, JIMI HENDRIX, JIM MORRISON – waren schon tot. Eine Langspielplatte kostete damals viel Geld, es gab aber auch 1974 schon Möglichkeiten, kostenlos an Mucke zu kommen und deshalb hatte man entweder einen Kassettenrecorder oder ein Tonbandgerät.

Auf einem meiner Tonbänder tummelten sich DEEP PURPLE, JOHN MAYALL, PROCOL HARUM, EMERSON, LAKE AND PALMER, aber auch NEIL YOUNG und LEONARD COHEN. Und dazwischen lag ein mysteriöser Song, der mir einfach nicht verraten wollte, von wem er stammte. Geheimnisse haben ja immer etwas Faszinierendes an sich.

Das ist anders als der Rest

Das war nämlich anders als alles, was wir jemals gehört hatten! Es war kein Rock, denn es rockte nicht. Es war kein Blues, denn es jammerte nicht. Es schepperte nicht, also war es kein Jazz. Klebrig war es auch nicht, also kein Schlager oder Pop. Gesellschaftskritisch ebenso wenig, also kein Singer/Songwriter. Nein, dieses Lied war anders: Es SCHLEPPTE. Es war SCHWER. Und es war DÜSTER. BÖSE. FURCHTERREGEND. Es wirkte über seine ATMOSPHÄRE.

Keiner aus meiner Clique konnte mir weiterhelfen, Shazam gab’s noch nicht und meine Freundin und ich versuchten, das Rätsel auf unsere Weise zu lösen: Wir legten uns im Dunkeln auf den Boden, die Beine gerade ausgestreckt, die Arme ausgebreitet (wie ein Kreuz!) und ließen immer wieder dieses pechschwarze Lava-Lied auf uns wirken:

1. „Black Sabbath“

Regen. Eine gespenstische Kirchenglocke beginnt äußerst langsam zu schlagen. Donner grollt – man fühlt sich sofort auf einen unheimlichen Friedhof versetzt. Dann bricht ein ganz böser, ganz langsamer Riff über uns herein, der immer wieder wiederholt wird. Die Kirchenglocke schlägt monoton weiter, bis der erste Gesang ertönt. Das Ganze ist so minimalistisch instrumentiert und sooo langsam, schleichend, schwer und dunkel, dass man schon kalte Füße hat, bevor der Sänger mit klagender Stimme fragt:

„What is this that stands before me?
Figure in black, that points at me
Turn around quick and start to run
Find out I’m the chosen one
Oh noooo!“

Schon hier drängt sich einem förmlich der Teufel vors innere Auge. Der Riff unterstreicht die unheilvolle Stimmung noch zusätzlich mit einem „Tritonus“: einem Intervall, das drei ganze Töne umfasst und in der westlichen Musik als dissonant und böse empfunden wird. Früher nannte man es tatsächlich das „Teufelsintervall“. Zwischen den einzelnen Tönen ist noch jede Menge Luft, was der Düsternis noch mehr Raum gibt, um sich auszubreiten.

„Big black shape with eyes of fire
Telling people their desire
Satan’s sitting there, he’s smiling
Watches those flames go higher and higher.“

Es ist also wirklich der Teufel. Von den Schreien des Sängers bekommt man das kalte Grausen:

„Oh no, no, please God help me!“

Die Moll-Akkorde, das Teufelsintervall, die äußerst sparsame Instrumentierung, die meditativen Wiederholungen und vor allem das Schwere, Zähe, Schleppende erzeugen eine böse, geheimnisvolle Stimmung. Jetzt setzt ein treibender – man kann schon fast sagen galoppierender – Riff ein, der die Geschichte nach vorne bringt.

„Is it the end, my friend?
Satan’s coming ‚round the bend
People running ‚cause they’re scared
The people better go and beware!
No, no, please, no!“

Dann kommt ein treibendes, komplexes Gitarrensolo, das die Stimmung zum Höhepunkt bringt. Man erfährt nicht, wie die Geschichte ausgeht, aber eines ist klar: Da steht einer wie angewachsen, er erkennt den Teufel, aber er bewegt sich nicht. Er wehrt sich nicht, er rennt nicht weg. Er fleht nur Gott um Hilfe an. Dunkle Riffs, denen man nicht ausweichen kann und die sich nicht stoppen lassen, weil sie so zäh und schwer sind. Da nimmt das Unheil seinen Lauf und zwar ganz langsam und unaufhaltsam.

Uns standen jedenfalls die Haare zu Berge, wie wir da so im Dunkeln auf dem Boden lagen. In langen Diskussionen mussten wir uns gegenseitig davon überzeugen, dass der Protagonist ja wohl kein Satanist sein konnte, wenn er Gott um Hilfe anflehte. (Wir waren fünfzehn und frisch konfirmiert). Es dauerte Monate, bis wir ein anderes Lied von BLACK SABBATH hörten und über Ozzy Osbournes Stimme endlich Rückschlüsse ziehen konnten.

1974 hatten BLACK SABBATH schon fünf Alben auf den Markt gebracht und gehörten bereits zu den Bad Boys der Rockmusik. Die Begriffe Heavy Metal oder Doom gab es wie gesagt noch nicht, für uns war das Rockmusik oder Hardrock. Trotzdem spürten wir schon, dass das hier etwas Neues, etwas Eigenes war. Nichts konnte mich nunmehr vom Kauf des vier Jahre alten Debütalbums von BLACK SABBATH abhalten – obwohl ich nicht einmal einen eigenen Plattenspieler besaß (aber ein Überspielkabel).
Nun konnte ich also tiefer in die dunkle Welt von BLACK SABBATH eintauchen.

2. „The Wizard“

Das zweite Lied auf der LP „Black Sabbath“ beginnt mit einem Mundharmonika-Intro, danach setzen erst die anderen Instrumente ein. Im Bluesrock war die Mundharmonika ein wichtiges Stilmittel, auch wenn man sie heute mehr mit Lagerfeuerromantik assoziiert. „The Wizard“ ist zwar noch langsam und düster, aber doch nicht ganz so gruselig wie „Black Sabbath“.

„Evil powers disappear
Demons worry, when the wizard is near
He turns tears into joy
Everybody´s happy, when the wizard is here.“

Laut Interviews geht es im zweiten Lied um Gandalf, den guten Zauberer aus „Der Herr der Ringe“. Hier ist das Spannende eher die Diskrepanz zwischen Text und Instrumentierung: warum so düstere Musik für den lieben, netten Zauberer? Ist er gar nicht so harmlos? So wie es Spekulationen um „Lucy In The Sky With Diamonds“ (abgekürzt LSD) von den BEATLES gegeben hatte, gab es auch welche um „The Wizard“: Gerüchten nach war es der Drogendealer, der jedem ein fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert hatte.

„Left all the people feeling so fine
Never talking
Just keeps walking
Spreading his magic.“

3. „Behind The Wall Of Sleep“ (das Intro heißt „Wasp“)

Auch hier gilt wieder: das Lied ist sparsam instrumentiert und spielt mit (damals noch recht neuen) Stereo-Effekten. Es beginnt mit einem rockigen Riff und man weiß zu jeder Zeit, welches Instrument sich wo befindet, aber Ozzy kommt überdeutlich mal von links und mal von rechts. Für heutige Verhältnisse ist das völlig ohne Finesse, aber damals fanden wir es megacool. In den Strophen finden wir wieder die dunklen Riffs und lange nachhallende Töne. Nach der letzten Strophe klopft das Schlagzeug im Alleingang und dann klingt das Lied mit einem Bass-Solo aus.
Der Text greift eine Geschichte des Horror-Schriftstellers H. P. Lovecraft auf. Ein Mann lebt im Schlaf in einer Traumwelt und wird dadurch zum Mörder. Was ist realer: Traum oder Leben am Tage? Letztendlich stirbt der Mann an seiner Traumwelt.

4. „N.I.B.“ (das Intro heißt „Bassically“)

N.I.B. beginnt mit einem Bass-Solo (deshalb auch der Name „Bassically“) von Geezer Butler und der Hauptriff erinnert an CREAM, eine Supergroup der 60er Jahre. Häufig kann man lesen, dass N.I.B. „Nativity In Black“ bedeute, aber Geezer Butler, der den Text geschrieben hat, behauptet, das heiße einfach nur „nib“ (eine bestimmte Bart-Form) und beziehe sich auf den Bart des Drummers Bill Ward.
Im Lied erzählt Luzifer in Ich-Form, dass er sich in eine Frau verliebt hat und ihr Sonne, Mond und Sterne zu Füßen legen will. Allerdings stellt er Bedingungen:

„Your love for me has just got to be real
Before you know the way I´m going to feel.“

Butler hat in einem Interview gesagt, dass Luzifer sich durch die Liebe verändert hat und plötzlich ein gutes Wesen wird. Aus den Zeilen geht das aber nicht unmittelbar hervor.

„Now I have you with me, under my power
Our love grows stronger now with every hour
Look into my eyes, you will see who I am
My name is Lucifer, please take my hand.“

Und auch hier gilt: Wenn der Teufel so ein netter Kerl wird, warum ist dann die Musik so bedrohlich?

5. „Evil Woman“ / „Don’t Play Your Games With Me“

„Evil Woman“ ist ein Coversong der Blues-Rock-Band CROW und BLACK SABBATH können hier ihre Blues-Wurzeln nicht verleugnen. Aber ihre Version ist doch deutlich düsterer als das Original. Es geht um eine Frau, die ihren Mann betrogen hat und ihm nun ein Kind unterschieben will. BLACK SABBATH wollten dieses Lied ursprünglich gar nicht einspielen, die Plattenfirma nötigte sie dazu. Trotzdem fügt es sich hier nahtlos ein und ist mindestens genauso creepy wie das Original.

6. „Sleeping Village“ (das Outro heißt „A Bit Of Finger“)

„Red sun rising in the sky
Sleeping village, cockerels cry
Soft breeze blowing in the trees
peace of mind, feel at ease.“

Das ist der ganze Text zu „Sleeping Villages“, Musik und Text wirken wie ein sanftes Gedicht über einen idyllischen Morgen auf dem Lande und man hört tatsächlich das „Doing, Doing“ einer Maultrommel (falls heute noch jemand weiß, was das ist). Bereits nach weniger als einer Minute bricht dann ein absoluter Heavy-Metal-Riff über uns herein und zerstört die Idylle.
„Sleeping Villages“ und das nächste Lied „Warning“ gehen nahtlos ineinander über. Es ist schwierig auszumachen, wann das eine aufhört und das andere anfängt. Nach rund dreieinhalb Minuten sind wir dann auf jeden Fall bei „Warning“.

7. „Warning“

„Warning“ ist die zweite Coverversion dieser Schallplatte, das Original war von AYNSLEY DUNBAR RETALIATION.
Ein Mann klagt, dass sich seine Freundin von ihm trennt.

„You never said you love me
And I don´t believe you can.“

Was hier die Warnung ist, ergibt sich weniger aus dem Text, sondern viel mehr aus dem, was nicht gesagt wird und aus der Beklemmung, die der lange Instrumentalteil erzeugt.

„The whole wide world is movin‘
‚Cause there’s iron in my heart

A love I´ve never known
I was born without you, baby
But my feelings were a little bit too strong
Just a little bit too long.“

Also, wenn ich gerade mit meinem Freund Schluss gemacht hätte und er würde mir so bedrohliche Musik zum Abschied schreiben – vor allem mit der Überschrift „Warnung“ – dann würde es mir vermutlich kalt den Rücken herunterlaufen. Von daher passt dieser Coversong nicht nur durch seine musikalische Umsetzung hervorragend auf dieses Album, das ja immerzu mit der Furcht des Hörers spielt.
Was machte jetzt diese Langspielplatte so besonders? Und vor allem so anders?

„Black Sabbath“ ist als Erste böse und schwer

Da sind zum einen die Themen. Düster, okkult, mystisch, böse ist der Grundtenor. BLACK SABBATH erklärten später, dass sie ihren Proberaum gegenüber von einem Kino hatten und ihnen aufgefallen war, dass bei Horrorfilmen besonders viele Besucher ins Kino gingen. Das fanden sie spannend und beschlossen, es auf ihre Lieder zu übertragen, vor allem, da sie sich gerne mit solchen Themen beschäftigten. Spritzendes Blut und Zombies sucht man aber vergebens, die Furcht wird hier subtil geschürt.

Das andere Trademark von BLACK SABBATHs erstem Album ist die Schwere, die Langsamkeit, das Schleppende in der Musik. Das war so noch nicht dagewesen und brachte die dunkle Thematik musikalisch auf den Punkt.
Tony Iommi hatte seit einem Arbeitsunfall zwei Fingerkuppen weniger und musste sein Gitarrenspiel diesen Umständen anpassen: Er stimmte die Gitarre drei Halbtöne tiefer, um die Saitenspannung zu reduzieren, und bevorzugte vielleicht deshalb zeitweise langsame Riffs. (Ich verstehe bis heute nicht, wie er dann diese schnellen Soli spielen konnte?)

Nun ist es nicht nur die Langsamkeit, die die Düsternis ausmacht. Man hat oft den Eindruck, dass man auf jeden einzelnen Ton wartet und dass selbiger dem eigentlichen Rhythmus immer für den Bruchteil einer Millisekunde hinterher hinkt. Das gibt dem Ganzen dieses schleppende Element.

BLACK SABBATH setzen den Doom-Zug in Bewegung

BLACK SABBATH wollten Furcht und Beklemmung auslösen und es gelang ihnen hier auf großartige Weise, das in Text und Musik umzusetzen. Dass dabei etwas so Neues, Aufregendes entstand, war gleich zu spüren. Wir waren fasziniert; und dass BLACK SABBATH schon in den 70ern Millionen von Tonträgern verkauften, beweist, dass es nicht nur uns so ging.

Womit keiner gerechnet hatte, war, dass damit ein neuer Musikstil geboren werden sollte: der kalte, schwere Heavy Metal. Das war ein Zug, der sich flott in Bewegung setzte und auf den viele aufsprangen, Bands und Fans. Ein weiterer Zug, der sich an diesem Freitag, dem 13. vor 47 Jahren in Bewegung setzte, war der Doom-Zug. Der war viel langsamer, schwerer und fuhr nur durch dunkle Gefilde. Da sprangen nie viele auf, aber er fährt immer noch durch den Untergrund und gewinnt immer wieder mal Passagiere. Und so fährt er noch heute unaufhaltsam durch die Dunkelheit.

(Dagmar Geiger)

08.11.2018
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