Weltschmerz
Unsere liebsten Doom-Perlen, Teil 2

Special

CANDLEMASS – „Epicus Doomicus Metallicus“ (Black Dragon Records, 1986)

CANDLEMASS - "Epicus Doomicus Metallicus"

Einen passenderen Titel hätte Leif Edling dem Debütalbum von CANDLEMASS wahrscheinlich nicht geben können: „Epicus Doomicus Metallicus„, diese im verballhornten Latein formulierte dreiteilige Wortfolge, die das Album so prägnant auf den Punkt brachte und immer noch bringt. „Epicus Doomicus Metallicus“ ist reiner Doom Metal bezeihungsweise Epic Doom Metal, und wenn von Doom Metal die Rede ist, wird das Debüt der Schweden mit dem ersten Atemzug genannt.

Natürlich: CANDLEMASS hatten Vorläufer und ihre Vorbilder. Trotzdem war die musikalische Mischung aus Langsamkeit, schweren Gitarren und opernhaftem Gesang zum damaligen Zeitpunkt einmalig. Die Folge: Das Album war bei Erscheinen ein mittlerer Flop, und die Band wurde kurz nach Veröffentlichung von der französischen Plattenfirma Black Dragon Records gedroppt. Wer hätte da ahnen können, dass das Album in den nächsten dreißig Jahren genreprägend sein und zahlreiche Gleichgesinnte inspirieren würde?

„Epicus Doomicus Metallicus“ birgt Klassiker im halben Dutzend

Die sechs enthaltenen Lieder sind jedenfalls unglaublich gut, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass CANDLEMASS auf ihrem 1990er Livealbum gleich fünf davon spielen – obwohl sie da schon vier hervorragende Alben veröffentlicht haben und bevor es so etwas wie Album-Jubiläumstouren gibt. Allen voran das von gezupften Gitarren eingeleitete, tieftraurige „Solitude“ steht wie kein weiteres Stück für CANDLEMASS. Aber auch die epischen Tracks „A Sorcerer’s Pledge“ und „Demon’s Gate“ sind längst in den Klassikerstatus entrückt. Komplettiert wird die Scheibe von „Crystall Ball“, das auch in schnellere Regionen vorstößt, vom mitreißenden Midtempotrack „Black Stone Wielder“ und von „Under The Oak“. Der Song wurde für Album Nummer vier, „Tales Of Creation“, gleich noch einmal aufgenommen: Das Stück war natürlich so gut, war aber eben auch Teil des textlichen Konzepts.

Die Gitarrenriffs sind eher einfach gehalten – man merkt, dass Leif Edling sie vor allem auf dem Bass geschrieben hat. Aber natürlich konnte er eine noch weitgehend weiße Landkarte neu beschreiben, und das hat er mit Bravour gelöst. Die Gitarren sind sehr stark auf die Rollen des Rhythmus- und des Lead- beziehungsweise Sologitarristen aufgeteilt, wobei Mappe Björkman an der Rhythmusaxt einen recht fetten Sound hat. Und auch wenn Lars Johansson sicherlich der bessere Sologitarrist ist, hat sich sein Vorgänger Klas Bergwall doch mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Das Schlagzeug klingt sehr nach 80er-Jahre-Metal, aber was Mats Ekström hinterm Kit veranstaltet, ist nicht von schlechten Eltern. Und Johan Längquist steht ein wenig zu Unrecht im Schatten des in jeder Hinsicht großen Messiah Marcolin: Sein Gesang ist tiefer, nicht ganz so voluminös, dafür etwas zerbrechlicher – was natürlich ebenfalls bestens zu einer doomigen Atmosphäre passt.

CANDLEMASS ziehen ihr Ding eiskalt durch

Wenn man über das „Erfolgsgeheimnis“ dieses Albums sinniert, muss natürlich an erster Stelle das songschreiberische Talent von Bassist und Bandkopf Leif Edling genannt werden. Er ist einer der ganz Großen, nicht nur innerhalb des Doom-Genres. Dann stehen aber auch die Fähigkeit zu pragmatischen Entscheidungen, Leidenschaft und Spaß an der Sache auf der Habenseite der Schweden.

Dass die Band 1984 den Namen von NEMESIS zu CANDLEMASS ändern musste, hat sie ebensowenig aus der Bahn geworfen wie die langwierige Suche nach einem passenden Sänger: Anfangs hatte Leif Edling noch den Gesang übernommen (mehr schlecht als recht), aber für „Epicus Doomicus Metallicus“ konnte wenigstens mit Johan Längquist ein richtiger Sänger verpflichtet werden – wenngleich nur für die Aufnahmen, denn fest in die Band einsteigen wollte er nicht. Dass die Aufnahmen in den Thunderload Studios im Februar 1986 (und damit im tiefsten Winter) stattfanden, darf dann unter Leidenschaft verbucht werden – im wörtlichen Sinne.

Es war arschkalt im Studio, das nur über einen Bahnsteig der Stockholmer Metro zu erreichen war, und Leif Edling rekapituliert, dass alle Bandmitglieder Handschuhe und Thermounterwäsche tragen mussten und Johan Längquist bei seinen Gesangsaufnahmen Eis geatmet habe. Dennoch: Sie haben die Aufnahmen durchgezogen, und das Ergebnis ist auch heute noch beeindruckend. Sicherlich ist der Klang nicht zeitlos und noch nicht so durchgedoomt, wie man das heute in diesem Genre erwarten würde. Aber die Musiker waren mit Leidenschaft und Finesse dabei.

Und der Rest ist Geschichte

Was danach kam, ist weithin bekannt: CANDLEMASS verpflichteten den damals unbekannten Messiah Marcolin als Sänger und nahmen das ebenfalls legendäre Zweitwerk „Nightfall“ auf – das an dieser Stelle vielleicht nur nicht wegen des weniger prägenden und prägnanten Titels steht, vielleicht auch wegen der etwas statischen Produktion. Aber wer behauptet, sich im Doom Metal auszukennen, sollte sowieso alle frühen CANDLEMASS-Alben besitzen. „Epicus Doomicus Metallicus“ jedoch gehört darüber hinaus in jede Plattensammlung.

(Eckart Maronde)

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08.11.2018

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