Weltschmerz
Unsere liebsten Doom-Perlen, Teil 2

Special

BLACK SABBATH – „Black Sabbath“ (Vertigo, 1970)

BLACK SABBATH - "Black Sabbath"

Geboren am Freitag, dem 13. Februar 1970

Dem ersten Album der Band BLACK SABBATH wird immer wieder nachgesagt, es habe den Heavy Metal und den Doom zur Welt gebracht. Das Wort Doom bedeutet Verhängnis, schweres Schicksal, drohendes Unheil. 1970 gab es Doom als Musikrichtung natürlich noch gar nicht, aber das drohende Unheil konnte man auf dieser Platte förmlich spüren.

Ich erinnere mich noch genau: Wir schrieben das Jahr 1974, die Hippie-Bewegung ging dem Ende zu und die berühmtesten Hippies – JANIS JOPLIN, JIMI HENDRIX, JIM MORRISON – waren schon tot. Eine Langspielplatte kostete damals viel Geld, es gab aber auch 1974 schon Möglichkeiten, kostenlos an Mucke zu kommen und deshalb hatte man entweder einen Kassettenrecorder oder ein Tonbandgerät.

Auf einem meiner Tonbänder tummelten sich DEEP PURPLE, JOHN MAYALL, PROCOL HARUM, EMERSON, LAKE AND PALMER, aber auch NEIL YOUNG und LEONARD COHEN. Und dazwischen lag ein mysteriöser Song, der mir einfach nicht verraten wollte, von wem er stammte. Geheimnisse haben ja immer etwas Faszinierendes an sich.

Das ist anders als der Rest

Das war nämlich anders als alles, was wir jemals gehört hatten! Es war kein Rock, denn es rockte nicht. Es war kein Blues, denn es jammerte nicht. Es schepperte nicht, also war es kein Jazz. Klebrig war es auch nicht, also kein Schlager oder Pop. Gesellschaftskritisch ebenso wenig, also kein Singer/Songwriter. Nein, dieses Lied war anders: Es SCHLEPPTE. Es war SCHWER. Und es war DÜSTER. BÖSE. FURCHTERREGEND. Es wirkte über seine ATMOSPHÄRE.

Keiner aus meiner Clique konnte mir weiterhelfen, Shazam gab’s noch nicht und meine Freundin und ich versuchten, das Rätsel auf unsere Weise zu lösen: Wir legten uns im Dunkeln auf den Boden, die Beine gerade ausgestreckt, die Arme ausgebreitet (wie ein Kreuz!) und ließen immer wieder dieses pechschwarze Lava-Lied auf uns wirken:

1. „Black Sabbath“

Regen. Eine gespenstische Kirchenglocke beginnt äußerst langsam zu schlagen. Donner grollt – man fühlt sich sofort auf einen unheimlichen Friedhof versetzt. Dann bricht ein ganz böser, ganz langsamer Riff über uns herein, der immer wieder wiederholt wird. Die Kirchenglocke schlägt monoton weiter, bis der erste Gesang ertönt. Das Ganze ist so minimalistisch instrumentiert und sooo langsam, schleichend, schwer und dunkel, dass man schon kalte Füße hat, bevor der Sänger mit klagender Stimme fragt:

„What is this that stands before me?
Figure in black, that points at me
Turn around quick and start to run
Find out I’m the chosen one
Oh noooo!“

Schon hier drängt sich einem förmlich der Teufel vors innere Auge. Der Riff unterstreicht die unheilvolle Stimmung noch zusätzlich mit einem „Tritonus“: einem Intervall, das drei ganze Töne umfasst und in der westlichen Musik als dissonant und böse empfunden wird. Früher nannte man es tatsächlich das „Teufelsintervall“. Zwischen den einzelnen Tönen ist noch jede Menge Luft, was der Düsternis noch mehr Raum gibt, um sich auszubreiten.

„Big black shape with eyes of fire
Telling people their desire
Satan’s sitting there, he’s smiling
Watches those flames go higher and higher.“

Es ist also wirklich der Teufel. Von den Schreien des Sängers bekommt man das kalte Grausen:

„Oh no, no, please God help me!“

Die Moll-Akkorde, das Teufelsintervall, die äußerst sparsame Instrumentierung, die meditativen Wiederholungen und vor allem das Schwere, Zähe, Schleppende erzeugen eine böse, geheimnisvolle Stimmung. Jetzt setzt ein treibender – man kann schon fast sagen galoppierender – Riff ein, der die Geschichte nach vorne bringt.

„Is it the end, my friend?
Satan’s coming ‚round the bend
People running ‚cause they’re scared
The people better go and beware!
No, no, please, no!“

Dann kommt ein treibendes, komplexes Gitarrensolo, das die Stimmung zum Höhepunkt bringt. Man erfährt nicht, wie die Geschichte ausgeht, aber eines ist klar: Da steht einer wie angewachsen, er erkennt den Teufel, aber er bewegt sich nicht. Er wehrt sich nicht, er rennt nicht weg. Er fleht nur Gott um Hilfe an. Dunkle Riffs, denen man nicht ausweichen kann und die sich nicht stoppen lassen, weil sie so zäh und schwer sind. Da nimmt das Unheil seinen Lauf und zwar ganz langsam und unaufhaltsam.

Uns standen jedenfalls die Haare zu Berge, wie wir da so im Dunkeln auf dem Boden lagen. In langen Diskussionen mussten wir uns gegenseitig davon überzeugen, dass der Protagonist ja wohl kein Satanist sein konnte, wenn er Gott um Hilfe anflehte. (Wir waren fünfzehn und frisch konfirmiert). Es dauerte Monate, bis wir ein anderes Lied von BLACK SABBATH hörten und über Ozzy Osbournes Stimme endlich Rückschlüsse ziehen konnten.

1974 hatten BLACK SABBATH schon fünf Alben auf den Markt gebracht und gehörten bereits zu den Bad Boys der Rockmusik. Die Begriffe Heavy Metal oder Doom gab es wie gesagt noch nicht, für uns war das Rockmusik oder Hardrock. Trotzdem spürten wir schon, dass das hier etwas Neues, etwas Eigenes war. Nichts konnte mich nunmehr vom Kauf des vier Jahre alten Debütalbums von BLACK SABBATH abhalten – obwohl ich nicht einmal einen eigenen Plattenspieler besaß (aber ein Überspielkabel).
Nun konnte ich also tiefer in die dunkle Welt von BLACK SABBATH eintauchen.

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08.11.2018

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