Various Artists
Schwedischer Death Metal
Special
„Schwedischer Death Metal“ erschien vor gut zwei Jahren das erste Mal in englischer Sprache und wurde damals dankbar aufgenommen. Dadurch dass es sich ausschließlich mit dem Boom der schwedischen Death-Metal-Szene Anfang der Neunziger Jahre beschäftigt, stellt es eine willkommene Ergänzung von „Choosing Death“ von Albert Mudrian dar, das sich mit der Blütezeit des Grindcore und des Death Metals im englischsprachigen Raum sowie mit dem Aufstieg von Earache Records beschäftigt. Anders als Mudrian hat Daniel Ekeroth aber die beschriebenen Bands und Ereignisse als Fan und somit zumindest indirekt Beteiligter miterlebt: Im Vorwort gibt er daher zu bedenken, dass er seine persönliche Geschichte der frühen Jahre des schwedischen Death Metal schildert, die subjektiv gefärbt ist und vor Wertungen nach dem persönlichen Geschmack des Autors nicht halt macht.
Dennoch hat Ekeroth einen nicht unerheblichen Aufwand gefahren, um dieses Buch zu schreiben: Was mit dem Durchforsten seiner Tape- und Fanzine-Sammlung begann, weitete sich rasch aus, als er Freunde bat, ihre eigenen Sammlungen hervorzukramen. Schließlich machte er sich daran, prominente Musiker und andere Mitwirkende der schwedischen Death-Metal-Szene der frühen Neunziger zu interviewen, zu befragen und zu allen möglichen Details auszuhorchen. Er lässt in seinem Buch alle zu Wort kommen, weswegen sich auf gut 300 Seiten ein facettenreiches Bild einer Szene ergibt, die jeder einen Ticken anders erlebt hat. Ekeroth geht in seinem Werk grundsätzlich chronologisch vor, muss jedoch immer wieder Schwerpunkte setzen und Rückgriffe vornehmen: Durchaus logisch bei einer Szene, die sich nicht komplett linear entwickelt und im Kern von einer nicht kleinen Gruppe hyperagiler Jugendlicher gebildet wird.
Ekeroth blickt aber zunächst zurück und zeigt in einem kurzen historischen Exkurs die Wurzeln der schwedischen Death-Metal-Szene auf, die er in Bands wie BATHORY, OBSCURITY und MEFISTO sieht. Eigentlich recht wenig – Hardcore, Punk und Thrash Metal waren zunächst einfach angesagter. Offenbar waren externe Einflüsse nötig, um den Death Metal nach Schweden zu bringen, und diese identifiziert der Autor in der ersten Schweden-Tour von NAPALM DEATH und der Veröffentlichung von MORBID ANGELs Debüt-LP. Danach begann das Treiben einer Handvoll Stockholmer Jugendlicher das Ausmaß einer unaufhaltsamen Flutwelle anzunehmen. Bands wie MERCILESS, MORBID, NIHILIST und – außerhalb von Stockholm – GRAVE und GROTESQUE nahmen Demos auf und entwickelten so langsam eine eigene Version vom Death Metal. Und wenn sie nicht im Proberaum über neuen Stücken brüteten, trafen sie sich in einem Stockholmer Plattenladen oder zogen mit reichlich Bier bewaffnet durch die U-Bahn-Stationen der schwedischen Hauptstadt. Death Metal war für die Beteiligten in der sogenannten Bajsligan, der „Armee der Exkremente“ somit direkt erlebbar.
Ausführlich geht der Autor auf die ersten Albumveröffentlichungen ein, auf die zahlreichen Singleveröffentlichungen und auf den folgenden Demo-Boom. Damit einhergehend skizziert er den Aufstieg des Sunlight Studios von Tomas Skogsberg als Hausstudio der Death-Metal-Bands, die facettenreiche Fanzine-Bewegung, aus der das bekannte Close-Up-Magazin hervorgehen sollte, sowie die rasante Entwicklung im Bereich der Auftrittsmöglichkeiten und Festivals. Hier fallen Namen wie Robban Becirovic (Close-Up), Peter Ahlqvist (Promoter und Label-Operator) und Fredrik Holmgren (Chickenbrain Records), und sie alle kommen ausführlich zu Wort. Schließlich weitet sich die schwedische Death-Metal-Szene landesweit aus, weswegen der Autor hier regionale Schwerpunkte setzt und auf die einzelnen regional begrenzten Subszenen eingeht. Zuletzt beschreibt Ekeroth die Übersättigung der Death-Metal-Szene Mitte der Neunziger Jahre und den Umstand, dass nunmehr Black Metal die angesagteste Musikrichtung ist – nicht ohne Bedauern und Parteinahme: Seine Musik ist das nicht, und nicht ohne Befriedigung vermerkt der Autor, dass Death Metal schwedischer Prägung weiterhin existiert: „Die Toten leben weiter“, wie er das letzte Kapitel nennt, zwar eher im Untergrund, aber nicht lautlos.
Den Abschluss des Buches bildet ein Anhang von fast 200 Seiten, in dem Ekeroth schwedische Death-Metal-Bands von A bis Z auflistet, mit Bandmitgliedern, Veröffentlichungen und persönlichen Wertungen. Das mag zwar in Zeiten von metal-archives.com überkommen wirken, leidet auch etwas an der fehlenden Aktualität, hält aber in einigen Fällen durchaus Überraschungen parat. Zuletzt listet der Autor die schwedischen Fanzines auf, jedes mit einer Abbildung einer Ausgabe.
Insgesamt ist „Schwedischer Death Metal“ ein umfangreiches und dabei flott geschriebenes Werk, das jeden begeistern sollte, der jemals Spaß an dieser Musikszene hatte. Für den Autor mag es eine Mischung aus erlebter Geschichte und Archäologie gewesen sein, weshalb das Buch keineswegs verkopft erscheint, sondern stets eine gute Mischung aus Nähe und Distanz bietet. Durch die zahlreich eingeflochtenen Zitate der Protagonisten der Szene ist das Buch zugleich eine farbenreiche und unterhaltsame Geschichte, die niemals langweilig wird und für jeden Leser neue Erkenntnisse bereithält.
„Schwedischer Death Metal“ ist im Index-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro. Als Bundle mit der 3CD-Compilation „Swedish Death Metal“ (mit insgesamt 52 Tracks) und einem Poster erscheint das Buch als sogenannte Luxus Edition zum Preis von 44,95 Euro.