Various Artists
Debemur Morti Labelspecial
Special
Das französische Extreme-Metal-Label hat in den letzten Jahren mit dem Signen großer Bands wie ARCKANUM deutlich aufgeholt und wurde somit zur ernsthaften Konkurrenz. Dies haben wir als Anlass genommen, einige der letzten Releases genauer zu beleuchten, um zu ergründen, ob der Name auch tatsächlich für Qualität steht.
ARCHGOAT – The Light-Devouring Darkness
Die Musik ARCHGOATs an dieser Stelle nun genau zu analysieren, wäre so spannend wie die Geruchsbeschreibung von Opas getragenen Socken. Bei den Finnen geht es nicht darum, virtuose Riffs herbeizuzaubern, progressive Songstrukturen zu verwenden oder generell bahnbrechende Musik zu spielen. ARCHGOAT entsagen sich jeglicher Trends und verweigerm sich mit Vehemenz einem der Zeit entsprechenden Erscheinungsbild. Ihre Tugend orientiert sich weiterhin am Old School Death Metal – pur und unverfälscht. Das sorgt dafür, dass sie bei den Verfechtern eben jenes Genres früher Jahre ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen, aber auch für rigoroses Kopfschütteln bei denjenigen sorgen, für die Musik in erster Linie eine melodische Kunstform bleibt. An dieser Stelle eine freundliche Aufforderung an die anspruchsvollen Hörer, weiterzuklicken und eine Rezension zu einem etwas passenderen Werk auszuwählen.
Drei Jahre nach der ersten Langrille „Whore Of Bethlehem“ bleibt man auch mit „The Light-Devouring Darkness“ konstant eine Band, die von Weiterentwicklung und sprudelnder Kreativität wenig hören will. Es werden gnadeslos profane Songs mit primitiven Riffs und kaum wahrnehmbar polterndem Bass dahergerotzt, die neben dem charakteristischen Merkmal von Lord Angelslayers würgendem Röcheln, wenig Platz für Abwechslung bietet. Song für Song driftet man im dumpfen Midtempo und schlägt dann mit plötzlichen Ausbrüchen in die schnellere Gangart ein. Im Vergleich zu „Whore Of Bethlehem“ fällt allerdings auf, dass sie rockiger („Worms Born Of Martyrdom“) und noch eingängiger (siehe Titeltrack) ans Werk gehen. Diese Unterschiede zu dem Vorgänger sind jedoch so gering, dass sie einem ungeübten ARCHGOAT-Hörer kaum auffallen werden. Das Endprodukt bei ARCHGOAT bleibt stets dasselbe. Kurz, prägnant und authentisch. Böse Zungen könnten nun behaupten: „Hat man ein Album, hat man alle.“ Was macht dann diese Band für viele so interessant, obwohl es musikalisch jedem ernstzunehmendem Künstler spotten würde?
Trotz perfektionierter Monotonie und Anspruchslosigkeit schaffen es ARCHGOAT mit wenig Mitteln maximale Dichte und schwarze Atmosphäre herbeizuführen, dem die Präsenz des Gehörnten selbst innewohnt und nicht selten die Vorstellung des Höllenschlunds vertont. Gerade durch die spartanischen Arrangements wirkt es, als ob man „The Light-Devouring Darkness“ mehrere Kilometer unter der Erde aufgenommen hat. Unbeirrt und intensiv holen ARCHGOAT das Verstörendste aus den Instrumenten heraus. Dass Musik auch ohne viel Pomp und aufpolierte Produktion glänzen kann, beweisen ARCHGOAT mit ihrer eigenen Form der Einzigartigkeit. Manchmal muss es auch einfach stumpf sein, um zu gefallen. Kaum zu überbietendes Underground-Feeling. Dennoch reicht es nicht ganz für eine hohe Punktzahl. Da geht noch mehr – auch bei ARCHGOAT, wie wir bei der m. E. nach besser ausgefallenen „Whore Of Bethlehem“ sehen konnten. Für Anhänger von BLASPHEMY und BLACK WITCHERY führt dennoch kaum ein Weg an „The Light-Devouring Darkness“ vorbei – schon alleine wegen dem obligatorischen Chris Moyen-Cover.
Punkte: 7/10
(Stahlschrulle)
INFESTUS – Chroniken des Ablebens
Seit ihrem letzten Lebenszeichen, einer Split-CD mit LOST LIFE, hat sich bei den Schwarzmetallern von INFESTUS einiges getan, denn mit dem Abgang von Gitarrist Harbarth agiert die Band nur noch als Duo. Die verbliebenen Mitglieder Dagon (Vocals) und Andras, der seitdem für die komplette Instrumentierung verantwortlich ist, haben die vergangenen zwei Jahre aber offenbar gut genutzt, denn ihr neues Album „Chroniken des Ablebens“ ist ihr bislang komplettestes Werk.
Die sieben teilweise überlangen Songs auf „Chroniken des Ablebens“ wurden in die drei Unterkapitel „Into Unexistence“, „Disunion“ und „Exitus“ aufgeteilt, ein Hinweis auf den thematischen Zusammenhang aller Stücke. Daneben steht aber auch der Ansatz, alle Stücke auf „Chroniken des Ablebens“ in einen musikalischen Zusammenhang zu setzen: INFESTUS versuchen, so atmosphärische Musik wie möglich zu kreieren. Demnach rückt die Instrumentierung der Songs deutlich in den Hintergrund – sie folgt den Erfordernissen der Songs, nicht umgekehrt. Dabei nimmt das Duo auch schon mal Längen in Kauf, wie z.B. im Intro „Sterbend“, das hauptsächlich auf einem auf der Gitarre gespielten Thema besteht, oder im Mittelteil von „Entfesselt – Der Todestrieb“. Stücke wie „Entering Eternal Oblivion“ oder „Des Untergangs Untertan“ hingegen sind spannender aufgebaut durch ein geschicktes Wechselspiel von Blastbeats, akustischen Einsprengseln und halbmelodischen Passagen. Und im Mittelteil von „Willinglessly Anticipating Death“ evozieren sparsem eingesetzte Leads sogar Momente der Erhabenheit.
Erwähnenswert ist, dass INFESTUS komplett auf Keyboards verzichten. Sie kreieren eine kalte, unwirtliche Atmosphäre vor allen Dingen durch Halleffekte, die besonders in den ruhigeren Passagen zur Geltung kommen. Überhaupt ist der Sound auf „Chroniken des Ablebens“ sehr angenehm, da INFESTUS großen Wert auf eine ausgewogene Gewichtung der Instrumente gelegt haben. Insgesamt gefällt mir „Chroniken des Ablebens“ dank seiner Geschlossenheit und trotz der manchmal vorhandenen Längen ausgesprochen gut. Das gelungene Artwork soll an dieser Stelle ebenso wenig totgeschwiegen werden, wie die Tatsache, dass die „Chroniken des Ablebens“ offensichtlich mit einem Hidden Track aufwarten – der, das sei nur beiläufig erwähnt, recht melodiös und hymnisch ist.
Punkte: 8/10
(Eckart)
KROHM – The Haunting Presence
Die US-Black Metaller von KROHM sind bekannt für ihre langen, düsteren Songs, wabernde Monotonie, anklagende Gesänge, den Aufbau von dunkler Atmosphäre durch das einheitlich in Grau gehaltene Konzept ihrer Songs. Allerdings kann Grau viele Schattierungen annehmen; und darin sind KROHM geübte Meister, aus dieser schmalen Klaviatur von Möglichkeiten interessante Tracks aus dem in einer Vorstufe zu schwarz befindlichen Nebelvorhang herauszuschneiden.
Und in der Tat, monoton, rhythmisch, treibend marschiert „Bleak Shores“, der Opener des neuen Albums „The Haunting Presence“ mitten in die Grauzone hinein. Es ist nicht viel Leben in dieser Welt vorhanden, stets muss man auf den Pfad achtgeben, um nicht der Anziehungskraft des tödlichen Moors zu erliegen und sich vom dunklen Wasser umarmen zu lassen. KROHM beschwören eine unheilige Atmosphäre; ein Wunder eigentlich, dass sie nicht aus Norwegen kommen.
„Lifeless Serenade“ behält diese eigenwillige Stimmung bei, schräge Licks, ein wenig Hall, gemeine Hintergrundgeräusche, die an eine Horde Uruk-Hais denken lassen, verdüstern das wenige bleibende Licht. Die Vocals wirken wie von einem satanischen Hohepriester vorgetragen, rezitativ, eindringlich, fordernd. Bisweilen eingestreute Breaks unterbrechen die Atmosphäre nicht; eher verbreitert sich unmerklich der klaffende Spalt, aus dem heraus zahlreiche klauenbewehrte Arme nach dem Hörer greifen.
„I Respiri Delle Ombre“ nimmt zunächst Fahrt auf, „Misericordia“ wird besungen, das gleiche Basisriff stets wiederholt, es rauscht dunkel, bis der Song eine beinahe CULT OF LUNA- oder NEUROSIS-kompatible Wendung nimmt. Überhaupt muss man sagen, dass derartige Einflüsse, nämlich postrockartiges Soundgewaber mit beinahe ambientartigen Ausflügen, bei KROHM durchaus nicht zu leugnen sind. Auch nicht im Song „Relic“; anbiedernde Melodien der zuckerigen Sorte oder das Spiel mit Mainstream-Black sucht man hier vergebens.
„Memories Of The Flesh“ lässt uns erahnen, dass das Moor niemals enden wird bzw. dass wir in selbigem enden werden. Manchmal aus dem Sumpf herausragende Stahlträger verwirren, und doch: hier muss es auch eine andere Zivilisation als die von Isengard gegeben haben, eine modernere… „Tra La Carne E Il Nulla“ und „Syndrome“ wirken hypnotisch; von ihrem schrägen Liedgut weichen KROHM niemals ab. Eigenartig noisige Industrial-Sounds finden nicht nur im Finale hintergründig den Weg in den Klangkosmos. Wenngleich anders, erinnert mich das Ganze doch manchmal an XASTHUR. Für manch einen mag das zu monoton sein, andere werden jubilieren, wieviel Atmosphäre hier doch in der Konzeption der Tracks vorhanden ist. Mir gefällt es; vor allem für den in diesen Breitengraden zumeist grauen Herbst durchaus geeignet.
Punkte: 8/10
(Stendahl)
OCTOBER FALLS – The Womb Of Primordial Nature
Nach zwei EPs und einer Split-Single mit VARGHKOGHARGASMAL hat nun der Nachfolger zum Debüt „Marras“ das Licht der Welt erblickt. Ein Novum sind dabei die Songs, die sich nun namenlos, nur mit einer römischen Ziffer betitelt, fast alle über zehn Minuten erstrecken.
Schaut man etwas genauer auf die Strukturen sieht man auch, wie das zustande kommt. Auf ausgegliederte Intermezzi und reine Akustiksongs hat Mastermind Mikko Lehto verzichtet und sie stattdessen einfach in seine vier Miniepen eingegliedert.
Musikalisch bleibt er bei seiner bewährten Rezeptur aus alten ULVER, BEHEMOTH, aber auch EMPYRIUM und TENHI. Ein Grundgerüst aus Black Metal mit starken Pagan- und Folkeinflüssen. Es wird vom Label zwar als „harshest work to date“ angepriesen, was auf die allgemeine Metalpräsenz sicherlich zutrifft, aber ganz so harsch klingt das Album unterm Strich gar nicht.
Die Produktion ist wieder sehr druckvoll und klar ausgefallen, und als musikalische Hauptmotive sind vor allem die Verbundenheit zur Natur zu erkennen, als auch der Kontrast von Leben und Tod. Dies schlägt sich nieder in langen, getragenen Midtempo-Passagen, die sich bei den melodischen Leads immer wieder euphorisch steigern. Ganz charakteristisch ist dabei das ausgedehnte Spiel mit der Doublebassdrum. (Für das Schlagzeug zeichnet sich übrigens Marco Tarvonen von MOONSORROW verantwortlich.)
Im Prinzip sind die vier Songs eher Abschnitte des Albums, eine echte Zäsur ist nicht vorhanden, so dass sie fast nahtlos ineinander übergreifen. Es herrscht eine ausgewogene Balance zwischen einem meist treibenden, stimmungsvollen Anfang, einem melodischen Hauptmotiv und akustischen Passagen, die sich variabel miteinander abwechseln und wiederholen. Melancholie, das Insichkehren und die musikalische Malerei von endlosen Landschaften zeichnen die Gefühlswelt des Albums aus, womit „The Womb Of Primordial Nature“ nahtlos an den Vorgängerwerken anknüpft.
Damit wird dieses Album für all jene interessant, die schon vom bisherigen Schaffen OCTOBER FALLS‘ begeistert waren und natürlich auch für alle jene, die die alten Zeiten von ULVER oder BEHEMOTH wieder aufleben lassen wollen.
Kritisch bemerkt werden muss aber gleichzeitig die meines Erachtens fehlende eigene Note und entscheidende, herausstechende Ideen. So mitreißend und eingängig die Melodien stellenweise auch sein mögen, umso unspektakulärer und teilweise auch repetitiv wirken die Songs, auch nach mehreren Durchläufen. „The Womb Of Primordial Nature“ ist hauptsächlich ein Album, was sich über die transportierte Stimmung definiert, aber gerade als Fan der geistigen Väter dieser Musik greife ich dann doch lieber zu den Originalen zurück.
Punkte: 7/10
(Beta)
RUINS – Cauldron
Australien ist ein faszinierender Kontinent, allerdings nicht für einheimische Bands, die den Sprung über den Ozean schaffen wollen. Denn erstens ist die hiesige Szene vergleichsweise klein und zweitens glänzt der Rest der Welt nicht gerade durch Interesse daran, was down under musikalisch so vor sich geht. Doch zum Glück bestätigen Ausnahmen die Regel, so im Falle vom französischen Label DMP, welches das bereits 2008 erschienene zweite Album der australischen Band nun in ganz Europa zugänglich macht.
Was den Hörer erwartet, sind allerdings keine traumhaften Stimmungen wie beim Sonnenuntergang am Ayers Rock, sondern eher eine alptraumhafte Kälte und Schwärze, wie man sie im Outback wohl nie erleben wird. „Cauldron“ ist die Finsternis, die sogar den Sternenhimmel über der Wüste verdunkelt und alles Licht verschluckt. Das Album ist keine gewöhnliche ‚killers & fillers‘-Platte, vielmehr entfacht sie einen Strudel intensiver Atmosphäre, der den Hörer mit jeder Minute fester ins Dunkel hinabzieht.
Fast-Alleingänger Alex Pope schafft das mit seiner ganz eigenen Interpretation dessen, was er unter Metal versteht. Das Grundgerüst ist moderner Black Metal, angereichert durch reichliche Death-Metal-Riffs und ferner Einflüssen aus Rock und Jazz. In Sachen Tempo geht es meist gemäßigt bis mittelschnell voran, die rhythmischen Übergänge sind fließend, und Taktgeber David Haley, der auch für PSYCROPTIC und THE AMENTA die Sticks schwingt, sorgt mit abwechselnder Doublebass-Befeuerung und aggressiven Blastausbrüchen immer wieder für energetische Momente.
Das schwarz glänzende Juwel für die Ohren in den variierend komplex strukturierten Songs sind die melodischen Linien und der grollende Bass. Gepickt mit kleinen Dissonanzen sorgen sie für diese fesselnde Atmosphäre, die dem Album in keiner Minute abgeht. Sei es „Cauldron“ mit der zweiten, akustischen Gitarrenspur, „Hanged After Being Blinded“ mit seinem unbarmherzigen Anfang und dem furiosen Finale, „Genesis“ mit seinem prägnanten melodischen Motiv, „Upon These Skeletons“ mit dem mächtigsten Death-Metal-Riff der Platte… wahre Highlights herauszunehmen fällt schwer, da „Cauldron“ zu einer Einheit verschmolzen ist, die man nicht aufsprengen möchte. Es ist ein brodelnder Kesser voller schwarzer Energie, die sich da unaufhaltsam Bahn bricht.
Kann sein, dass dieser verwunschene Balsam auf den Trommelfellen etwas länger zum Einwirken braucht. Kann aber auch sein, dass sich RUINS‘ Intensität sofort auf euch niederschlägt und für den einen oder anderen Gänsehautschauer sorgen wird. Jetzt, da DMP einem „Cauldron“ quasi auf die Türschwelle legen, sollte man keine Gelegenheit missen, dieses fantastische Kleinod zu genießen.
Punkte: 9/10
(Beta)
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