Ulrike Serowy
Buchbesprechung "Skogtatt" - Zwei Meinungen

Special

Ulrike Serowy

Ulrike Serowy – „Skogtatt“, eine Verbalisierung von Black Metal. Eine Buchbesprechung in Form von zwei Meinungen:

„Skogtatt“ von Ulrike Serowy ist im Hablizel Verlag erschienen und kommt zweisprachig mit Illustrationen von Faith Coloccia.

Hier könnt ihr zweimal eine signierte Ausgabe von Ulrike Serowys „Skogtatt“ plus Poster gewinnen.

Über Musik zu schreiben ist schwierig – das kann vermutlich jeder bestätigen, der es schon einmal versucht hat. Wie sucht man doch oft nach den passenden Worten und Wendungen, will man die Gefühle oder Weltsichten in Buchstaben gießen, die sich mit der gehörten und erlebten Musik verbinden. Ulrike Serowy hat dieses Unterfangen gewagt, sie „nimmt Musik und macht daraus Worte“, wie auf der Autorinnenseite des kleinen Büchleins nachzulesen ist, um das es hier gehen soll. Um welche Musik es ihr geht, läßt sich schon beim Betrachten des Buchcovers unschwer erraten, die wurzelartig verschlungene „Skogtatt“-Titelgraphik hätte problemlos auch als Logo einer Black Metal-Band durchgehen können. Beigesteuert hat die übrigens Aaron Turner, der dem einen oder anderen noch als Sänger/Gitarrist von ISIS geläufig sein dürfte. Und wenn wir schon bei der künstlerischen Gestaltung sind, Turners Frau Faith Coloccia zeichnet für die düster-stimmungsvollen und gut zur Geschichte passenden Schwarzweiß-Illustrationen verantwortlich, mit denen die Novelle visuell ergänzt wird.

„Skogtatt“, da denkt man unweigerlich an „Bergtatt“, ULVERs legendäres erstes Album von ’95. Und es mag wohl kein Zufall sein, dass Ulrike Serowy das norwegische „bergtatt“, was soviel heißt wie „in den Berg gelockt“ hier zu „skogtatt“, frei übersetzt „in den Wald gelockt“, umwandelt. In die Dunkelheit eines nächtlichen, winterlichen Waldes wird auch der Protagonist der Geschichte gelockt, die aber leider im Großen und Ganzen doch sehr klischeehaft und vorhersehbar geraten ist.

Serowy versteht es durchaus, mit Sprache umzugehen. Sie findet schöne Worte für die Nacht, den verschneiten Wald, die Empfindungen und Gedanken des jungen Mannes. Sofort entstehen Bilder im Kopf, man spürt fast die klirrende Kälte, man fühlt das leichte Schaudern des Umherirrenden. Insofern ist es ihr durchaus gelungen, etwas von dem, was Black Metal ausmacht, zu Papier zu bringen. Durchaus passend ist dabei auch, dass sie ihre Erzählung von einem namenlosen jungen Musiker in einem namenlosen Wald spielen lässt, die sich aufgrund ihrer Schilderungen grob im  Skandinavien unserer Tage verorten lässt, die in vielem aber zeitlos und ein wenig parabelhaft bleibt.

Nun ist Black Metal mit seinen vielen Schattierungen, all den klanglichen und auch bildhaften Assoziationen, die sich damit mittlerweile verbinden, nicht nur ein sehr fruchtbarer Grund, um darauf eine Geschichte aufzubauen, sondern auch ein sehr gefährlicher. Allzu leicht, und das passiert leider auch in „Skogtatt“, drohen die Motive zu oberflächlichen Klischees zu werden. Eine Hütte in den Bergen als Proberaum, ein verschneiter Wald oberhalb eines dunklen Fjords, die Dunkelheit der Winternacht (oder in ihm?), die ihn zu beobachten scheint. Man meint zu verstehen, was Serowy mit diesen Bildern sagen wollte, aber es sind eben auch die Bilder, die schon tausende Male in ähnlicher Form benutzt wurden. Dazu kommt das beliebte Horrormotiv des einsamen Autofahrers, dessen Karre mitten in menschenleerer Umgebung den Geist aufgibt, und der es dann aus wenig nachvollziehbaren Gründen nicht wieder in die Zivilisation zurückzuschaffen scheint. Als am Ende dann noch ein Eiswasserfall und Wölfe, wenn auch vielleicht nur in seiner Fieberphantasie, ausgepackt werden, gerät das Lesen endgültig zur Enttäuschung. Es spricht ja grundsätzlich nichts dagegen, mit den Klischees, die im Rahmen einer Musikszene existieren, munter herumzuspielen; aber dazu ist diese Novelle nicht überspitzt, nicht humorvoll, nicht grotesk genug. Auch die manchmal wahllos erscheinenden Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit als Erzählzeit, die durchaus als Stilmittel ihren Reiz hätten haben können, bleiben in ihrem Einsatz ineffektiv.

Man wünscht sich zum Schluss, eine Autorin mit einer derart ausgeprägten Fähigkeit für schöne Formulierungen und einem solchen Gespür für Stimmungen hätte es gewagt, weniger bekannte Bilder, einen weniger schablonenhaften Protagonisten, einfach einen weniger abgenutzten Blick auf die Innenwelt einer Musikrichtung zu werfen, die neben den tausendfach beschworenen Bildern und Ideen, die einen von überall her anschreien, doch noch so viel mehr in sich versteckt hält.

(Ruth Gräbeldinger)

Hier geht’s zur zweiten Meinung zu „Skogtatt“ von Ulrike Serowy.

„Ulrike Serowy nimmt Musik und macht daraus Worte“, heißt es in der Autorenbiographie – und „Skogtatt“ ist das Produkt des Versuchs, das mit Black Metal zu tun. „Versuch“ steht dort ganz bewusst, denn auch wenn die Autorin durchaus ein schönes und zutreffendes Bild des ursprünglichen Black-Metal-Spirits zeichnet, gänzlich überzeugt „Skogtatt“ nicht.

Im Black Metal werden Pseudonyme, Corpsepaints und ähnliche Stilmittel zur Entmenschlichung der Kunst genutzt (zumindest wurden sie das früher), und das manifestiert Serowy, indem sie ihren Protagonisten so unbestimmt wie möglich lässt: ein junger Black-Metal-Musiker, das ist nahezu alles, was wir über ihn wissen; seinen Namen, seinen Wohnort, sein Aussehen über Stereotype wie die langen Haare und die Lederjacke hinaus – all das erfahren wir nicht. Eben dieser junge Musiker ist Gitarrist einer Band, die im Wald irgendwo im Nirgendwo probt, und auf dem Heimweg bleibt sein Auto liegen. Der Protagonist macht sich zu Fuß auf ins nächste Kaff, um von dort aus zu telefonieren, und kommt der Natur, dem Wald um ihn herum dabei nahe – erst auf melancholisch-sehnsüchtige, dann auf schmerzhafte Art und Weise.

Wer von Black Metal mehr weiß, als dass es um Pandas geht, der wird nun schon einige wiederkehrende und mittlerweile bis zur Klischeehaftigkeit ausgereizte, für diese Musikrichtung typische Motive erkannt haben. Insofern ist es Ulrike Serowy mit „Skogtatt“ sicherlich gelungen, die Grundrisse des Genres, sozusagen die Basis des Black-Metal-Gedankens, einzufangen und in ihre Prosa zu verpacken. Auch das Motiv der spür-, aber nicht empirisch erfassbaren Bedrohung, des schwarzen, dunklen Dinges irgendwo „da draußen“, ist vorhanden, womit wir das norwegische Neunziger-Black-Metal-Album quasi abgedeckt hätten.

Dass es sich dabei in erster Linie um Klischees handelt, ist natürlich klar – und das ist ein wenig schade, denn nach all den misslungenen Versuchen sowohl der Sachbuch- als auch der Belletristik-Autoren, Black Metal in Literaturform zu fassen, darzustellen und zu diskutieren, wäre ein wirklich gelungener Versuch längst einmal an der Reihe. Ulrike Serowy macht einen ersten Schritt, denn sie ist dem Kern der Sache sicherlich näher gekommen als viele andere, aber dennoch bleibt nach der Lektüre von „Skogtatt“ ein fader Beigeschmack.

Denn nicht nur, dass die inhaltliche Ebene fast ausschließlich auf Stereotypen aufgebaut ist – was ich verzeihen könnte, schließlich lebt Black Metal irgendwo ja auch in musikalischer Form immer noch von der Reproduktion dieser Stereotype –, auch sprachlich hätte es einfach mehr sein können. Ulrike Serowy schreibt von den geheimnisvollen, mysteriösen Seiten des Black Metal, aber sie buchstabiert quasi alles aus. Auch wenn sie das in durchaus treffender Sprache tut und mit verschiedenen Stilmitteln einiges an Atmosphäre erzeugen kann, Raum für Interpretation bleibt auf sprachlicher Ebene wenig, das zwischen den Zeilen Gesagte findet in „Skogtatt“ kaum statt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tempus- und Erzählstilwechsel zwar sicherlich einen Sinn haben, aber teilweise den Lesefluss erheblich stören.

So hinterlässt „Skogtatt“ den Eindruck eines zweischneidigen Schwertes: Ja, Ulrike Serowy ist es gelungen, den Spirit und die Atmosphäre des traditionellen, naturverbundenen, nordischen Black Metals einzufangen, und das in durchaus ansprechender Form. Dennoch bleibt der Eindruck, dass da mehr drin gewesen wäre. Wer bisher nur in Form von CRADLE OF BORGIR mit Black Metal konfrontiert worden ist und schon immer wissen wollte, was die Truester eigentlich meinen, wenn sie sagen, dass es um was ganz anderes geht, dem könnte „Skogtatt“ einen guten ersten Eindruck davon vermitteln; und auch wer einfach mal so bei DARKTHRONE oder BURZUM auf den Ohren die passende Lektüre in der Hand haben möchte, darf es mit „Skogtatt“ versuchen und kann damit, haha, glücklich werden. Er oder sie sollte aber wissen, dass es mit – zum Beispiel – Algernon Blackwoods Kurzgeschichten (ich empfehle „The Willows“) oder diversen Klassikern der Romantik auch Alternativen gibt, die den Spirit des Black Metals treffen und (unbekannterweise) beschreiben, ohne ihn so sehr auszubuchstabieren.

Ich persönlich empfehle als Begleitung übrigens „Dark Waters Stir“ von ISVIND, am besten nachts bei gerade ausreichend Licht auf der Terrasse. Hat prima funktioniert.

(Stephan Möller)

28.05.2014
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