Ulrike Serowy
Buchbesprechung "Skogtatt" - Zwei Meinungen
Special
„Ulrike Serowy nimmt Musik und macht daraus Worte“, heißt es in der Autorenbiographie – und „Skogtatt“ ist das Produkt des Versuchs, das mit Black Metal zu tun. „Versuch“ steht dort ganz bewusst, denn auch wenn die Autorin durchaus ein schönes und zutreffendes Bild des ursprünglichen Black-Metal-Spirits zeichnet, gänzlich überzeugt „Skogtatt“ nicht.
Im Black Metal werden Pseudonyme, Corpsepaints und ähnliche Stilmittel zur Entmenschlichung der Kunst genutzt (zumindest wurden sie das früher), und das manifestiert Serowy, indem sie ihren Protagonisten so unbestimmt wie möglich lässt: ein junger Black-Metal-Musiker, das ist nahezu alles, was wir über ihn wissen; seinen Namen, seinen Wohnort, sein Aussehen über Stereotype wie die langen Haare und die Lederjacke hinaus – all das erfahren wir nicht. Eben dieser junge Musiker ist Gitarrist einer Band, die im Wald irgendwo im Nirgendwo probt, und auf dem Heimweg bleibt sein Auto liegen. Der Protagonist macht sich zu Fuß auf ins nächste Kaff, um von dort aus zu telefonieren, und kommt der Natur, dem Wald um ihn herum dabei nahe – erst auf melancholisch-sehnsüchtige, dann auf schmerzhafte Art und Weise.
Wer von Black Metal mehr weiß, als dass es um Pandas geht, der wird nun schon einige wiederkehrende und mittlerweile bis zur Klischeehaftigkeit ausgereizte, für diese Musikrichtung typische Motive erkannt haben. Insofern ist es Ulrike Serowy mit „Skogtatt“ sicherlich gelungen, die Grundrisse des Genres, sozusagen die Basis des Black-Metal-Gedankens, einzufangen und in ihre Prosa zu verpacken. Auch das Motiv der spür-, aber nicht empirisch erfassbaren Bedrohung, des schwarzen, dunklen Dinges irgendwo „da draußen“, ist vorhanden, womit wir das norwegische Neunziger-Black-Metal-Album quasi abgedeckt hätten.
Dass es sich dabei in erster Linie um Klischees handelt, ist natürlich klar – und das ist ein wenig schade, denn nach all den misslungenen Versuchen sowohl der Sachbuch- als auch der Belletristik-Autoren, Black Metal in Literaturform zu fassen, darzustellen und zu diskutieren, wäre ein wirklich gelungener Versuch längst einmal an der Reihe. Ulrike Serowy macht einen ersten Schritt, denn sie ist dem Kern der Sache sicherlich näher gekommen als viele andere, aber dennoch bleibt nach der Lektüre von „Skogtatt“ ein fader Beigeschmack.
Denn nicht nur, dass die inhaltliche Ebene fast ausschließlich auf Stereotypen aufgebaut ist – was ich verzeihen könnte, schließlich lebt Black Metal irgendwo ja auch in musikalischer Form immer noch von der Reproduktion dieser Stereotype –, auch sprachlich hätte es einfach mehr sein können. Ulrike Serowy schreibt von den geheimnisvollen, mysteriösen Seiten des Black Metal, aber sie buchstabiert quasi alles aus. Auch wenn sie das in durchaus treffender Sprache tut und mit verschiedenen Stilmitteln einiges an Atmosphäre erzeugen kann, Raum für Interpretation bleibt auf sprachlicher Ebene wenig, das zwischen den Zeilen Gesagte findet in „Skogtatt“ kaum statt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tempus- und Erzählstilwechsel zwar sicherlich einen Sinn haben, aber teilweise den Lesefluss erheblich stören.
So hinterlässt „Skogtatt“ den Eindruck eines zweischneidigen Schwertes: Ja, Ulrike Serowy ist es gelungen, den Spirit und die Atmosphäre des traditionellen, naturverbundenen, nordischen Black Metals einzufangen, und das in durchaus ansprechender Form. Dennoch bleibt der Eindruck, dass da mehr drin gewesen wäre. Wer bisher nur in Form von CRADLE OF BORGIR mit Black Metal konfrontiert worden ist und schon immer wissen wollte, was die Truester eigentlich meinen, wenn sie sagen, dass es um was ganz anderes geht, dem könnte „Skogtatt“ einen guten ersten Eindruck davon vermitteln; und auch wer einfach mal so bei DARKTHRONE oder BURZUM auf den Ohren die passende Lektüre in der Hand haben möchte, darf es mit „Skogtatt“ versuchen und kann damit, haha, glücklich werden. Er oder sie sollte aber wissen, dass es mit – zum Beispiel – Algernon Blackwoods Kurzgeschichten (ich empfehle „The Willows“) oder diversen Klassikern der Romantik auch Alternativen gibt, die den Spirit des Black Metals treffen und (unbekannterweise) beschreiben, ohne ihn so sehr auszubuchstabieren.
Ich persönlich empfehle als Begleitung übrigens „Dark Waters Stir“ von ISVIND, am besten nachts bei gerade ausreichend Licht auf der Terrasse. Hat prima funktioniert.
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