Turn Back Time To 1996
Folge 4: "Theli" von THERION
Special
THERION – die ersten Alben
THERION formierten sich bereits 1987 unter dem Namen BLITZKRIEG. Ihr Debüt “ …Of Darkness“ erschien 1991: Bereits zu diesem Zeitpunkt offenbarte sich das kreative Potential der Band. Schon auf ihrem ersten Werk setzte THERION auf den Einsatz von Keyboards, ungewöhnlich in dieser Intensität für eine reine Death Metal Band. Der Einfluss CELTIC FROSTs ist allerdings durchgehend spürbar: THERION arbeiten zunächst an einem bombastischen, aber düsteren Metal, der noch schwer zu greifen ist und immer wieder das Verhältnis zwischen Death- und Doom, insbesondere auf „Symphony Masses: Ho Drakon Ho Megas“ neu ausrichtet. Dabei experimentiert man eifrig herum – mal mehr, mal weniger Keyboards, elektronische Ansätze und verschiedene Varianten von Gesang. Mit „Lepacca Kliffoth“ kommt dann deutlich mehr Klargesang zum Einsatz, ebenso zunehmend eingängige Songstrukturen. Das vierte Album von THERION weist mit „The Beauty In Black“ sogar eine überzeugende Gothic Metal-Nummer auf, die die weitere Richtung der Band deutlich macht: Düstere, mystische Hymnen, Gegensätze aus männlichem und weiblichen Chorgesang. Ein Konzept, das mit „Theli“ nur ein Jahr nach „Lepaca Kliffoth“, ausgezeichnet umgesetzt wird und Elemente der aufkeimenden Gothic Metal-Bewegung Mitte der 1990er-Jahre aufnimmt.
THERION – „Theli“ (1996)
Mit dem Instrumental-Intro „Preludium“ beginnt die mystische Reise – bevor im zweiten Song „To Mega Therion“ erstmals die bereits erwähnten Chöre zuschlagen: In einem beeindruckenden Wechsel von cleanem und mehrstimmigem Gesang, einem Wechselspiel von Gitarre und Keyboard, sowie treibender Energie ist dieser Titel das erste von vielen Highlights auf „Theli“. Stark geht es weiter: „Cults Of The Shadow“ drosselt das Tempo ein wenig, wirkt dunkler und schwerer. Mit dem folgenden „Desert Of Set“ geht es dann noch eine Stufe weiter runter auf der Atmosphärenskala, hier wird der Wechsel zwischen dem tiefen männlichen Chorgesang und höheren weiblichen Tonlagen zelebriert, dass es kracht, umrahmt von einem orientalisch anmutenden Rahmen aus Gitarrenmotiven. Nach einem kurzen „Interludium“, eine kurzen Möglichkeit zum Durchatmen, geht es weiter in die zweite Halbzeit: „Nightside Of Eden“ und „Opus Eclipse“ leiten über zum härtesten Titel auf dem Album: „Invocation Of Namah“. Hier kommt der Kontrast zwischen harten und klaren Metalgesang und Chor vor dem Hintergrund einer treibenden Uptempo-Nummer nochmals wunderbar zur Geltung. Bei diesem Titel klingen auch die Death Metal-Wurzeln der Band noch am ehesten durch. Und dann: Fast zehn Minuten „The Siren Of The Woods“. Der bezaubernde weibliche Gesang von Anja Krenz, der männliche Bariton, akustische Gitarre, Piano und eine überzeugendes Motiv – eine Metalballade, die auch das härteste Metallerherz zum Schmilzen bringt. Gut, dass danach nur noch das kurze „Postludium“ als Rausschmeißer folgt, denn überbieten kann man diese emotionale Nummer ohnehin nicht mehr.
„Theli“ ist ein über die gesamte Spielzeit überzeugendes Album, das sicherlich so manche Rollenspielrunde in den 1990er-Jahren als stimmungsvolle Hintergrundmusik bereichert haben dürfte. THERION erschaffen ihre eigene Welt aus Feen, grimmigen Gottheiten und düsteren Ritualen, die sie musikalisch in einen Rahmen aus Metal und Klassik einbetten. Und genau an dieser Stelle ist die Ausgewogenheit der beiden Elemente gut gelungen: Die Grenze zum Kitsch wird zwar immer mal wieder gestreift und höchstens knapp überschritten, man bekommt den Sprung in metallische Gefilde jedoch immer wieder hin. Ein Kunststück, dass THERION selbst nach „Theli“ in dieser Klasse nicht mehr unbedingt meistern werden.
THERION – nach „Theli“
„Theli“ ist die endgültige Abkehr THERIONs vom Death Metal. Enthält dieses Werk nur noch homöopathische Dosen Todesmetall kommt schon der Nachfolger „Vovin“ („A’arab Zaraq – Lucid Dreaming“ ist eher eine wilde Materialzusammenstellung) gänzlich ohne allzu harte Elemente aus und ist stark im Power Metal verortet. Das Album aus 1998, das als Gastmusiker Ralf Scheepers (RUNNING WILD) und Sarah Jezebel Diva (CRADLE OF FILTH) hat, ist zwar kommerziell noch erfolgreicher als „Theli“, weist aber bereits das Grundproblem der Band für die Zukunft auf: Zuviel Ambition, zu viel Wollen, zu viel stilistisches Hin- und Her zwischen Gothic und Power Metal, aber zu wenig Gespür für echte Atmosphäre und gute Songs. Die Band verliert sich nach „Theli“ zu oft in operettenhaften Spielereien („Les Fleurs Du Mal“) und kitschigem Power Metal („Gothic Kabbalah“) – der zunehmende Einsatz von klassischen Elementen wird eher Mittel zum Zweck, denn echtes, tragendes Element.
Dass THERION leider nicht wieder an die starke Phase Mitte der 1990er-Jahre herangekommen sind, ist bedauerlich – aber das Überwerk „Theli“ ist dem Vermächtnis der Band nicht mehr zu nehmen.
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Danke für das Review, hatte Therion noch nie (shame on me) auf dem Schirm. Guter, wenn auch typischer Metal der 90’er, mit sehr viel Style…äh…Trveness.
Auch wenn ich schwören könnte, dass der Rezensent im Video zu sehen ist, hat er ne gute Nummer abgelegt.