Turn Back Time To 1996
Folge 1: "Load" von METALLICA

Special

Turn Back Time To 1996

Früher war alles besser, das gilt selbstverständlich auch für den Metal. Oder etwa nicht? Schnallt euch an und steigt mit uns in die Zeitmaschine. Eingestellt wurde 1996, also nur läppische 20 Jahre geht es rückwärts. Wir haben dieses Jahr gewählt, da seltsamerweise in diesem Jahr auffällig viele wegweisende Alben in unterschiedlichen Genres veröffentlicht wurden.

Wir halten die Lupe über diese Werke, hinterfragen, warum die Alben besonders sind und fragen uns – was wurde eigentlich aus …? Den Anfang machen METALLICA mit „Load“ (nein, wo wollt ihr denn alle hin?!), die 2016 endlich mal wieder eine neue Platte angekündigt haben. Wetten dazu werden übrigens unter contact@metal.de angenommen. Versteht dieses Special als Anregung, alte Platten wieder aufzulegen oder eben endgültig zu verbrennen, als zwanglose Aufforderung zur Nostalgie und als musikalischen Historien-Quickie.

METALLICA: „Load“ – Fakten

„Load“, erschienen am 04.06.1996 über Universal Music, 14 Songs, satte 78:59 Minuten Spielzeit, aufgenommen in The Plant Studios in Kalifornien.

Bandbesetzung:

James Hetfield (Gesang und Gitarre), Lars Ulrich (Schlagzeug), Kirk Hammett (Gitarre) und Jason Newsted (Bass)

01. Ain’t My Bitch
02. 2 X 4
03. The House Jack Built
04. Until It Sleeps
05. King Nothing
06. Hero of the Day
07. Bleeding Me
08. Cure
09. Poor Twisted Me
10. Wasting My Hate
11. Mama Said
12. Thorn Within
13. Ronnie
14. The Outlaw Torn

 

Es gibt viele Gründe, um METALLICA scheißen finden zu können. „Load“ könnte einer sein, nüchtern betrachtet, ist aber doch irgendwie keiner. Die Thrash-Götter mausern sich 1996 unerwartet zu Kurzhaarschweinen und spielen Blues Rock? Das letzte Bier gestern Abend muss schlecht gewesen sein. Insgeheim könnte man annehmen, dass METALLICA schon 1996 anfangen wollten, eher die ruhige Kugel zu schieben – diese zackige über’s Griffbrettgewichse ist schließlich auch nicht so gut für die Gelenke und drei fette Alben reichen doch aus.

Ankunft 1996 – Besonderheiten der Platte

Genau betrachtet ist „Load“ nicht nur eine wichtige Platte für METALLICA und Anhänger der Band, sondern ein starkes Album, anhand dessen sich einige Vorurteile über METALLICA widerlegen lassen. Ein weit verbreiteter Irrglaube, der wirklich nicht mit Geschmackssache zu begründen ist, ist das angeblich nicht vorhandene Gesangstalent von James Hetfield. Mal abgesehen davon, dass seine Mutter Cynthia Hetfield Opernsängerin war und er somit rein gentechnisch schon gut vorbereitet ist, beweist er auf „Load“ genau das Gegenteil. „Until It Sleeps“ hält beispielhaft die Balance zwischen Zuckerbrot und Peitsche.

Ein weiteres Verkaufsargument von METALLICA waren schon immer die Soli. Diese grandiosen Soli, die sich mit jedem einzelnen Ton in dein Hirn einbrennen, nicht selten mit ungewöhnlichem Verlauf überraschen und bei Konzerten gerne lautstark mitgebrüllt oder mit Luftgitarre pantomimisch dargestellt werden.

„Wasting My Hate“ und „Mama Said“ kommen auf „Load“ allerdings gänzlich ohne Soli aus und überzeugen trotzdem. Leider haben METALLICA mit „Nothing Else Matters“ ihren Balladengott schon erschaffen, ihn unantastbar auf ein Podest gestellt, seitdem ordnungsgemäß gehegt und gepflegt und sich damit selbst jede weitere Chance auf einen ebenbürtigen Nachfolger verbaut. Hand auf’s Herz – „Mama Said“ ist ein wunderschöner Song mit ergreifendem Text und einprägsamen Melodien. Ein Song, nach dem sich die meisten Rockbands strecken müssen und der vollkommen zu Unrecht im Giftschrank versteckt wurde. Kramt ihn raus, entstaubt ihn und stellt ihn zumindest mal in optischer Reichweite von „Nothing Else Matters“ auf.

Außergewöhnlich ist auch das Artwork, denn Anton Corbijn versuchte den Herren von METALLICA ein erotisch angehauchtes Rebellen-Image zu verpassen. So gibt es einen schmächtigen Kirk mit Hosenträger und Unterhemd beim angeberischen Zigarren paffen, tendenziell homoerotische Kumpelfotos von verrucht geschminkten Kirk und Lars, einen Lars Ulrich im cremefarbenen Luden-Mantel (der Typ kann einfach alles tragen …), sowie zahlreiche METALLICA-Mannschaftsbilder, die alle irgendwo zwischen Wahnsinn und schlecht gespieltem Frohsinn schwanken. Die nötigen Eier verpasst sicherlich das Front-Cover, ein unter Glas gepresstes Ejakulat eines Bullen, wenn das mal nicht für Männlichkeit und Erotik pur steht, was dann?

Warum „Load“ von METALLICA herauskramen?

Eigentlich unnötig, über die Platte zu sprechen, denn alle wissen ja: „Load“ hat eh niemand gehört, weil es viel zu uncool war, ist und immer bleiben wird. Was für ein Album, das immerhin in Deutschland auf Platz eins war und insgesamt immerhin mehr als 7.578.000 Mal verkauft wurde, irgendwie seltsam ist.

Trotz des stellenweise etwas kraftlosen und scherbeligen (Drum-)Sounds – produziert von Randy Staub, der sogar für seine Leistung mit „Load“ zum Recording Engineer of the Year nominiert wurde – stampfen Songs wie „2 x 4“ (Herr Metallica, ich möchte gerne lösen. Die Antwort lautet 8!) lässig nach vorne und Hetfields Gesang passt wie Arsch auf Eimer. Wer kann es den Herren verübeln, die eine oder andere ALICE IN CHAINS-Nuance einzuflechten? Man kann nicht behaupten, dass „Load“ mit prägnanten Riffs und Melodien geizt. „Hero Of The Day“ folgt zwar dem damals absolut legitimen, melodramatischen Neunzigerjahre-Trend, markiert aber auch den wirklich einzigen Moment, in dem METALLICA sich selbst schlecht kopieren. Mit Abstand der Song, der am meisten weh tut auf „Load“, denn niemand nimmt METALLICA dieses Gefühl ab. Die bluesigen Momente stehen dem Quartett deutlich besser, wobei METALLICA 1996 noch lange nicht diese Kredibilität hatten, um gut abgehangene Ruheständler zu mimen, die whisky-seelig in längst vergangenen Anekdoten baden können. Würden sich Songs wie „Bleed“, „The Outlaw Torn“ oder „Thorn Within“ auf dem nächsten Album finden, wäre diese wesentlich nachvollziehbarer. Aber da will die Menge ja sicherlich wieder nur Thrash hören, den Thrash, der klingt, als ob METALLICA jung und hungrig wären. Das Quartett wird ewig dazu verdammt sein, die unlösbare Aufgabe zu haben, den Thrash nochmals neu zu erfinden. Leute, merkt ihr selber, oder?

Letztendlich ist der Name „Load“ aber doch Programm. METALLICA hatten zwar viel geladen, aber irgendwie vergessen zu schießen. Trotz allem ein starkes und bemerkenswertes Album, welches ruhig gerne immer mal wieder aufgelegt werden darf. Und so schließen auch diese Worte wieder mit einem Paradoxon – „Load“ ist nicht gut, weil es von METALLICA ist und gleichzeitig ist es genau deshalb stark. Where’s is your crown King Nothing?

Zurück im Hier und Jetzt

METALLICA werden weiterhin als eine der größten Rockbands des Planeten gefeiert und zehren davon, den Thrash-Metal maßgeblich beeinflusst zu haben. 2016 wird für Band und Fans hoffentlich ein besonderes Jahr werden, sofern das oft angekündigte Album tatsächlich kommt. Dann wird sich zeigen, ob METALLICA endlich den Schritt (jedweder Art) nach vorne oder nach hinten wagen. Die Shows sind nicht mehr zu toppen, das Erbe steht – es wird Zeit, einen musikalischen Ruck zu erzeugen, der METALLICA interessant und bemerkenswert macht, sodass sie sich nicht nur auf Ihren Lorbeeren ausruhen müssen.

19.01.2016
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