Turn Back Time To 1996
Folge 1: "Load" von METALLICA

Special

Turn Back Time To 1996

Es gibt viele Gründe, um METALLICA scheißen finden zu können. „Load“ könnte einer sein, nüchtern betrachtet, ist aber doch irgendwie keiner. Die Thrash-Götter mausern sich 1996 unerwartet zu Kurzhaarschweinen und spielen Blues Rock? Das letzte Bier gestern Abend muss schlecht gewesen sein. Insgeheim könnte man annehmen, dass METALLICA schon 1996 anfangen wollten, eher die ruhige Kugel zu schieben – diese zackige über’s Griffbrettgewichse ist schließlich auch nicht so gut für die Gelenke und drei fette Alben reichen doch aus.

Ankunft 1996 – Besonderheiten der Platte

Genau betrachtet ist „Load“ nicht nur eine wichtige Platte für METALLICA und Anhänger der Band, sondern ein starkes Album, anhand dessen sich einige Vorurteile über METALLICA widerlegen lassen. Ein weit verbreiteter Irrglaube, der wirklich nicht mit Geschmackssache zu begründen ist, ist das angeblich nicht vorhandene Gesangstalent von James Hetfield. Mal abgesehen davon, dass seine Mutter Cynthia Hetfield Opernsängerin war und er somit rein gentechnisch schon gut vorbereitet ist, beweist er auf „Load“ genau das Gegenteil. „Until It Sleeps“ hält beispielhaft die Balance zwischen Zuckerbrot und Peitsche.

Ein weiteres Verkaufsargument von METALLICA waren schon immer die Soli. Diese grandiosen Soli, die sich mit jedem einzelnen Ton in dein Hirn einbrennen, nicht selten mit ungewöhnlichem Verlauf überraschen und bei Konzerten gerne lautstark mitgebrüllt oder mit Luftgitarre pantomimisch dargestellt werden.

„Wasting My Hate“ und „Mama Said“ kommen auf „Load“ allerdings gänzlich ohne Soli aus und überzeugen trotzdem. Leider haben METALLICA mit „Nothing Else Matters“ ihren Balladengott schon erschaffen, ihn unantastbar auf ein Podest gestellt, seitdem ordnungsgemäß gehegt und gepflegt und sich damit selbst jede weitere Chance auf einen ebenbürtigen Nachfolger verbaut. Hand auf’s Herz – „Mama Said“ ist ein wunderschöner Song mit ergreifendem Text und einprägsamen Melodien. Ein Song, nach dem sich die meisten Rockbands strecken müssen und der vollkommen zu Unrecht im Giftschrank versteckt wurde. Kramt ihn raus, entstaubt ihn und stellt ihn zumindest mal in optischer Reichweite von „Nothing Else Matters“ auf.

Außergewöhnlich ist auch das Artwork, denn Anton Corbijn versuchte den Herren von METALLICA ein erotisch angehauchtes Rebellen-Image zu verpassen. So gibt es einen schmächtigen Kirk mit Hosenträger und Unterhemd beim angeberischen Zigarren paffen, tendenziell homoerotische Kumpelfotos von verrucht geschminkten Kirk und Lars, einen Lars Ulrich im cremefarbenen Luden-Mantel (der Typ kann einfach alles tragen …), sowie zahlreiche METALLICA-Mannschaftsbilder, die alle irgendwo zwischen Wahnsinn und schlecht gespieltem Frohsinn schwanken. Die nötigen Eier verpasst sicherlich das Front-Cover, ein unter Glas gepresstes Ejakulat eines Bullen, wenn das mal nicht für Männlichkeit und Erotik pur steht, was dann?

Warum „Load“ von METALLICA herauskramen?

Eigentlich unnötig, über die Platte zu sprechen, denn alle wissen ja: „Load“ hat eh niemand gehört, weil es viel zu uncool war, ist und immer bleiben wird. Was für ein Album, das immerhin in Deutschland auf Platz eins war und insgesamt immerhin mehr als 7.578.000 Mal verkauft wurde, irgendwie seltsam ist.

Trotz des stellenweise etwas kraftlosen und scherbeligen (Drum-)Sounds – produziert von Randy Staub, der sogar für seine Leistung mit „Load“ zum Recording Engineer of the Year nominiert wurde – stampfen Songs wie „2 x 4“ (Herr Metallica, ich möchte gerne lösen. Die Antwort lautet 8!) lässig nach vorne und Hetfields Gesang passt wie Arsch auf Eimer. Wer kann es den Herren verübeln, die eine oder andere ALICE IN CHAINS-Nuance einzuflechten? Man kann nicht behaupten, dass „Load“ mit prägnanten Riffs und Melodien geizt. „Hero Of The Day“ folgt zwar dem damals absolut legitimen, melodramatischen Neunzigerjahre-Trend, markiert aber auch den wirklich einzigen Moment, in dem METALLICA sich selbst schlecht kopieren. Mit Abstand der Song, der am meisten weh tut auf „Load“, denn niemand nimmt METALLICA dieses Gefühl ab. Die bluesigen Momente stehen dem Quartett deutlich besser, wobei METALLICA 1996 noch lange nicht diese Kredibilität hatten, um gut abgehangene Ruheständler zu mimen, die whisky-seelig in längst vergangenen Anekdoten baden können. Würden sich Songs wie „Bleed“, „The Outlaw Torn“ oder „Thorn Within“ auf dem nächsten Album finden, wäre diese wesentlich nachvollziehbarer. Aber da will die Menge ja sicherlich wieder nur Thrash hören, den Thrash, der klingt, als ob METALLICA jung und hungrig wären. Das Quartett wird ewig dazu verdammt sein, die unlösbare Aufgabe zu haben, den Thrash nochmals neu zu erfinden. Leute, merkt ihr selber, oder?

Letztendlich ist der Name „Load“ aber doch Programm. METALLICA hatten zwar viel geladen, aber irgendwie vergessen zu schießen. Trotz allem ein starkes und bemerkenswertes Album, welches ruhig gerne immer mal wieder aufgelegt werden darf. Und so schließen auch diese Worte wieder mit einem Paradoxon – „Load“ ist nicht gut, weil es von METALLICA ist und gleichzeitig ist es genau deshalb stark. Where’s is your crown King Nothing?

Zurück im Hier und Jetzt

METALLICA werden weiterhin als eine der größten Rockbands des Planeten gefeiert und zehren davon, den Thrash-Metal maßgeblich beeinflusst zu haben. 2016 wird für Band und Fans hoffentlich ein besonderes Jahr werden, sofern das oft angekündigte Album tatsächlich kommt. Dann wird sich zeigen, ob METALLICA endlich den Schritt (jedweder Art) nach vorne oder nach hinten wagen. Die Shows sind nicht mehr zu toppen, das Erbe steht – es wird Zeit, einen musikalischen Ruck zu erzeugen, der METALLICA interessant und bemerkenswert macht, sodass sie sich nicht nur auf Ihren Lorbeeren ausruhen müssen.

Seiten in diesem Artikel

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19.01.2016

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12 Kommentare zu Turn Back Time To 1996 - Folge 1: "Load" von METALLICA

  1. Christian sagt:

    … ’ne richtig schöne Würdigung / Einordnung der Scheibe, danke, Nadine!

  2. sane sagt:

    Benennt die Rubrik doch einfach um in Fräulein Schmitts Schrei nach Aufmerksamkeit,dann muss die sich nicht so gehaltvolle Themen wie Vollprolls vs.Kernasis,10 Dinge die ich an Metallica doof finde oder jetzt diesen unrelevanten Blödsinn aus den Fingern saugen…Jeder Metaller weiss ja wohl dass metallica diese scheibe veröffentlicht haben und dass das der Anfang vom Ende war…

  3. Christian sagt:

    Also meine Aufmerksamkeit hat es, das Fräulein Schmidt. Und in deinem Nick fehlt ein „h“.

  4. Sane sagt:

    Na dann hats ja funktioniert…mal im ernst,vielleicht gehts auch nur mir so..Übrigens:Mein Nick ist ein englischer Begriff und hat nichts mit Kuchengarnitur zu tun.aber ein wahrer Schenkelklopfer!

  5. Christian sagt:

    :o) Fein, dass Ironie hier noch geht – Gruß aus der Kuchenbäckerei!

  6. Sahnetorte sagt:

    mal groß, mal klein geschrieben… so ganz sicher scheint sich Herrlein „Sane“ mit seinem Namen ja nicht zu sein. Schöner Artikel übrigens, Frau Schmidt!

  7. Ssane ;-) sagt:

    Schön dass ich hier nicht der Einzige mit Humor bin googlehupf!Der Fakt dass ich hier mal Kritik äussere muss ja nicht heissen dass ich keinen Spass verstehe.wenigstens habe ich mehr zu kritisieren als Gross- und kleinschreibung.Mir ist aufgefallen dass hier die Rede von drei fetten Alben ist.Welche sind denn gemeint?Ich zähle mindestens 4 plus evtl black album.

  8. Christian sagt:

    Stimmt! Wieso nur drei fette Alben, Frl. Schmidt? Black Album ist mit > 16 Mio. verkaufter Ex. aber sicher dabei, S(s)ane. Master of Puppets hat ca. 5 Mio., … and Justice for All ca. 5,5 Mio., Ride the Lightning ca. 4,5 Mio. und Kill ‚em All weiß ich nicht.

  9. Sane sagt:

    bekommen wir denn eine Antwort auf unsere Frage oder ist dir die Meinung deiner Leser egal?

  10. Klaus sagt:

    Mal ehrlich. Metalfans haben dieses Album 1996 als Enttäuschung aufgenommen. Und das (auch retrospektive) völlig zurecht! Klar hat es sich wie geschnitten Brot verkauft, das lag aber wohl eher daran, dass „szenefremde“ Käuferschichten dafür sorgten. Tatsache ist, dass es das erste Metallica-Album war, dass das Erscheinungsjahr nicht zu einem Besonderen machte. Da haben so viele Bands in diesem Jahr wesentlich bedeutsamere, szeneprägendere Alben rausgebracht, dass man diese Scheibe zumindest auf den Metal bezogen überhaupt nicht erwähnen muss. Und nein, dass halte ich nicht einmal für eine Geschmacksfrage.

  11. Klaus sagt:

    „Load“ war doch in Deutschland nicht 37 Wochen lang auf Platz 1! Schlecht recherchiert!

    1. Nadine Schmidt sagt:

      Stimmt vollkommen Klaus, ich habe es sofort abgeändert. Soooo knorke war „Load“ jetzt auch wieder nicht. Danke für’s Aufpassen!