TrustNo1
Listening-Session zu "Satan In The Vatican"

Special

Die Hölle liegt in Oberbayern! Zumindest führen einige scheinlogische Gedankengänge zu diesem Ergebnis: „Satan in the Vatican“ ist das Debütalbum der Innsbrucker Old School-Death Metaler TRUST NO 1. Wenn aber Satan im Vatikan sitzt – in Person von Papst Benedikt XVI. – dann ist seine infernalische Eminenz in Oberbayern geboren. Das Dorf Marktl bei Altötting ist folglich die Brutstätte der Hölle. Bevor die Spekulationen jetzt zu weit führen, wenden wir es so: TRUST NO 1 haben zumindest höllischen Hörgenuss in die oberbayerische Metropole München gebracht, wo die Listeningsession zum neuen Album stattfand.

TrustNo1

„Satan in the Vatican“ erscheint am 14. Mai über Twilight. Im Studio konnte metal.de sechs von ungefähr zehn Songs einer genauen Prüfung unterziehen. Das Ergebnis: TRUST NO 1 spielen soliden Old School-Death Metal. Keine Leistungssportraserei, sondern bassiger Groove dominiert die Songs. Dazu kommen einprägsame Mitgrowl-Refrains und kompakte Songstrukturen. Der Vergleich mit BOLTTHROWER zaubert der Band ein freudiges Grinsen auf die Lippen.
Dass sie nicht dem aktuellen Technical Death Metal-Trend entsprechen, hat ihnen einen Vertrag mit Twilight eingebracht. Drei Mitglieder von TRUST NO 1 hatten schon mit ihrer alten Band einen Labelvertrag in der Tasche: Bassist Roland, Growler Raphael und Gitarrist Nussi haben schon bei DARKWELL gemeinsam Gothic Metal gespielt. Da die Band momentan wegen Unstimmigkeiten mit der Sängerin auf Eis liegt, war genug Zeit, um sich anderen Themen zu widmen.

Im Gothic Metal-Kontext konnten Raphael und Roland ihr Interesse für Politik nie völlig ausleben. Es blieb bei Unterhaltungen nach der Bandprobe. Neben der Band studierte Raphael Philosophie und Roland Politikwissenschaft. Als die Idee für eine Death Metal-Band entstand, griffen die beiden diese Thematik auf. Alle Texte von TRUST NO 1 sind politisch, die meisten haben einen aktuellen Zeitbezug. Damit wehrt sich die Band gegen die zunehmende Entpolitisierung der Metal-Szene. Gleichzeitig bewahrt sie das eigenständige lyrische Konzept davor, als Retro-Kopie alter Death Metal-Bands zu enden.
TRUST NO 1 hängen keiner bestimmten politischen Richtung an und verwehren sich gegen Extremismus. Aber sie stellen klar: „Wir sind anti-autoritär“. Damit erklärt sich auch das Problem, dass die Band mit dem Papst hat. Kirche ist eine hierarchische Struktur und damit ein Herrschaftssystem. Da die Band Autorität ablehnt, kann sie auch die Kirche nicht akzeptieren, wohl aber individuelle, nicht organisierte Gläubigkeit.

Das Cover soll die Institution „Kirche“ kritisieren. Es ist geplant, sich stilistisch an den Bildern von Shepard Fairey zu orientieren, der unter anderem das berühmte „Hope“-Plakat für Barack Obama’s Wahlkampf gestaltet hat. Als Motiv ist eine verzerrte Version von „Papa Razzi“ vorgesehen.
Verbale Kritik am Papst äußert vor allem der Song „Satan in the Vatican“. Leider war er noch nicht anhörbereit. Auch „Il Duce“, ein Song der Ähnlichkeiten zwischen Mussolini und Berlusconi aufzeigt, war noch nicht fertig.
Das gehörte Material war insgesamt sehr eingängig. Die Songs basieren auf der üblichen Strophe-Refrain-Struktur, die manchmal sehr einfach ausfällt, manchmal mit komplexeren, mehrteiligen Refrains ausgestattet ist.
Genaueres in den Einzelanalysen der Songs:

Neda
Sie ist die Ikone der Proteste im Iran nach der fragwürdigen Präsidentschaftswahl: Neda, eine Demonstrantin, die für ihre Meinung sterben musste. Ein 40-sekündiges Youtube-Video zeigt, wie die junge Frau Opfer eines Scharfschützenangriffs wird. Ob sich alles tatsächlich so abgespielt hat, wie es die wackelige Handykamera zeigt, ist fraglich. TRUST NO 1 haben ihr dennoch einen Song gewidmet.
Im Refrain rufen sie den Iranern entgegen: „Hey you – Fight for Democracy!“. Der Song öffnet sich, Gitarren und Schlagzeug grooven im selben Rhythmus. In den Strophen regiert die Doublebassdrum. Ein Kontrastteil vor dem letzen Refrain bringt von den Akkorden her eine neue Klangfarbe. Zum Abschluss gibt’s einen zupackenden IRON MAIDEN-Galopprhythmus.

Red Star
In ihrem ersten gemeinsam geschriebenen Song rechnen TRUST NO 1 mit dem Kommunismus ab: „Stalin, Mao and Pol Pot […] / They never served humanity“. Hinter dem Text steht eine konkrete, persönliche Motivation: Bassist Roland wollte in seiner Heimatstadt ein Goregrind-Konzert veranstalten. Laut Roland verhinderte eine linksradikale, feministische Gruppe das jedoch. Der Ärger über diese Intoleranz entläd sich in „Red Star“.
Unter dem groovigen Strophenriff pflügt die Doublebass dahin, eingestreute Gitarrenmelodien sorgen für Abwechslung. Der Refrain varriert das Strophenriff, beim Hook „Under the Red Star“ haben alle Instrumente kurz Sendepause, bevor der Groove – und dann ein kurzer Blastbeat – wieder losbrechen. Nach gut zwei Minuten ist der Rote Stern vollends aus dem Firmament gerrissen. Der Refrain ist Mitgrowl-kompatibel.
Live haben TRUST NO 1 diesen Song immer mit einer anderen Nummer verknüpft, vielleicht tun sie das auch auf dem Album.

Brother No. 1
„Das ist unser zweiter Kommu-Song“ lacht Roland. Über schleppendem Groove verdammt Sänger Raphael den kambodschanischen Diktator Pol Pot, der laut Wikipedia 1,7 bis 2 Millionen Menschen den Tod brachte.
Das einzige Mal auf „Satan in the Vatican“ kommt hier etwas cleaner Gesang vor. Auffällig ist eine Passage, in der sich langsames Riffing und Blastbeats in schneller Folge abwechseln.

1532
Ausnahmen bestätigen die Regel: Wie der Titel vermuten lässt, hat 1532 keine aktuelle Thematik. Wieder ist Mitgrowlen angesagt, bei den Refrainzeilen: „1532 – It’s the year of the Slaughter“. In einem ungleichen Kampf metzelten die spanischen Eroberer unter Francisco Pizarro das Gefolge des Inkaherrschers Atahualpa nieder. 4000 Inkas getötet von rund 200 Spanieren in einer halben Stunde. Was für eine Beschönigung, diese Bluttat als „Schlacht von Cajamarca“ zu bezeichnen.
Musikalisch gibt’s die volle BOLTTHROWER-Walze. Der Schlussteil bringt ein klagendes, pathetisches Deathmetal-Riff und die höchste Snaredrum-Geschwindigkeit der gehörten Songs.

There is no God
Textlich ein klares Statement für Atheismus und ein Aufreihung von Argumenten gegen Religion. Musikalisch eine vielfältige Riff-Reihung. Das Intro teilen sich ein markant gespielter Gitarre-Rhythmus und sein Schlagzeug-Gegenpart. Danach drückt die Wand aus sechs Saiten alles nieder.

Political
Wieder ein Frustrationssong, der diesmal aber in die rechte Ecke zielt. Die Zeile „Having no opinion makes you a fool“ ist an Fans von Nazi-Bands wie BURZUM gerichtet. Dahinter steht die Botschaft: Toleriert keine politisch extremen Anschauungen, versucht nicht krampfhaft unpolitisch zu sein. „Use your Brain“, wie es Roland im metal.de Interview auf den Punkt bringt.
Hervorstechend sind die hymnischen Gitarren, die den Refrain vorbereiten. Wie bei „Red Star“ werden die Growls durch Pausen hervorgehoben.

05.03.2010

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