Thrash Metal in der Ukraine
Eine Bestandsaufnahme
Special
Von den Bandnamen MORIA und HELL:ON mag man eventuell schon etwas gehört haben, was sich jedoch sonst noch so tut in der Metal-Szene der Ukraine, der Heimat dieser beiden Formationen, ist hierzulande wohl nur ganz wenigen Insidern bekannt. Zusammen mit meinem Kollegen Eugen habe ich daher versucht einen Einblick in diese zu verschaffen, wobei wir dafür Alex Pasko, der als Gitarrist in beiden genannten Formationen aktiv ist und Anatolij Kondyuk, den Eigentümer des Labels Metal Scrap Records zu Wort kommen lassen um ein wenig Licht in unsere diesbezügliche Dunkelheit zu bringen. Doch auch Eugen selbst musste Rede und Antwort stehen, schließlich ist er seinerseits als Musiker aktiv und hat aus nachvollziehbaren wie logischen Gründe seine Truppe PRIPJAT genannt.
Den Beginn überlassen wir jedoch Alex Pasko, von dem wir natürlich wissen wollten, wie die Geschichte von HELL:ON eigentlich begonnen hat:
Wir haben uns als Band im Jahr 2005 formiert, wobei die Gründung von HELLION, wie wir zuerst geheißen haben, eher eine Art Konsequenz war, da wir untereinander befreundet waren und schon davor eine gemeinsame Vorliebe für Musik teilten. Zudem hatten wir alle bereits davor erste Erfahrungen in Bandprojekten gemacht und wussten was wir wollten. Dennoch war der Start in die „Karriere“ für HELLION sehr imposant, da wir schon nach wenigen Monaten für das größte ukrainische Festival, das „Metal Heads’ Mission“ gebucht wurden und dabei unterem für NAPALM DEATH eröffnen durften. Die Gründung erfolgte durch mich und Schlagzeuger Oleg Talanov, später kam dann der zweite Gitarrist Anton Pavlenko dazu, der jedoch bald wieder abhaute und durch Anton Vorozhtsov ersetzt wurde. Als nächster stieß Bassist Alexandr Sitallo zu uns und zuletzt Sänger Alexander Baev.
Und bald darauf dürfte dann euer erstes Demo „Strong Enough“ die Runde gemacht haben.
Korrekt, wobei es sich dabei keineswegs um eine “Resteverwertung“ oder so handelte, sondern wir – nicht zuletzt durch den genannten Auftritt – ungemein motiviert waren und vor Ideen geradezu überschäumten.
Dass so ein Auftritt motiviert ist klar, welche anderen Inspirationen für Euch gab es denn noch:
Da wir alle aus unterschiedlichen musikalischen Ecken stammen, gibt es da jede Menge, von Jazz und Blues angefangen, über Rock’n’Roll, den unser Basser in einem Nebenprojekt immer noch auslebt bis hin zu den üblichen Verdächtigen METALLICA, SEPULTURA, SLAYER, MEGADETH, PANTERA, KREATOR oder DEATH. Unser Sänger pflegt darüber hinaus sogar noch eine Vorliebe für das Saxophon und lebt diese auf diversen Nebenbaustellen regelmäßig aus. Für mich persönlich war auf jeden Fall das „Extreme Metalfest“ hier in Kiew die bis dato wichtigste Erfahrung überhaupt, denn nicht nur, dass wir selbst spielen dürften war sensationell, was KREATOR als Headliner hier abgeliefert haben war der helle Wahnsinn! Ein wahrhaftig unvergesslicher Auftritt!
Solange er dieses Instrument nicht zu sehr bei HELL:ON unterzubringen versucht, darf er das wohl gerne, auch wenn für Experimente bei Euch durchaus Platz zu sein scheint. In wie fern darf man denn „Age Of Oblivion“ mit den früheren Alben vergleichen?
Da zwischen “Re:Born” und “Age Of Oblivion“ einige Zeit vergangen ist, darf ich wohl durchaus behaupten, dass wir uns an den Instrumenten durch permanentes Üben gut weiterentwickelt haben. Dennoch waren wir bemüht uns nicht zu sehr von der „Old School“-Gangart zu entfernen und waren bestrebt die Songs trotz aller Technik immerzu schnell, aggressiv und kraftvoll zu halten. Zuletzt, also in den Jahren 2010 und 2011 haben wir auch eine Menge an Live-Erfahrung machen können und von daher galt es die Energie der Bühne auf Tonträger zu transferieren. So ganz gelungen ist uns das nicht, aber ich bin sicher beim nächsten Mal wird das noch deutlich besser funktionieren.
Klingt interessant, kann Du uns schon ein bisschen mehr über das kommende Album verraten?
Generell sind wir uns schon intern über den Titel und das Artwork einig und auch einige Tracks sind bereits fertig. Diese gehen noch ein wenig mehr in Richtung „Old school“-Death Metal und stellen zumindest bisher die wohl aggressivsten Nummern dar, die wir jemals komponiert haben. Allerdings weiß ich noch nicht, wie es diesbezüglich weitergehen wird, denn unter Druck setzen brauchen wir uns auch nicht.
Wie darf man sich das Komponieren bei Euch generell vorstellen?
Wir treffen uns regelmäßig in unserem Proberaum und spielen uns gegenseitig unsere Ideen vor. Daraus entstehen dann oft spontane Jams, die in weiterer Folge zu Songs, oder zumindest Passagen werden. Es kann aber auch sein, dass wir die Riffs quasi „ansparen“ und dieses dann bei Gelegenheit in völlig andere Tracks einbauen als ursprünglich angedacht war. Wichtig ist nur, dass wir alle davon überzeugt sind und der Song als gesamter funktioniert. Die Texte kommen zumeist zum Schluss dazu, auch wenn ich mitunter Themenvorschläge oder sogar schon ungefähre Ideen habe, worum es im jeweiligen Song gehen soll.
Du hast zuvor bereits kurz das Thema Live-Aktivitäten angedeutet, was gibt es denn davon noch zu berichten?
Das ist generell ein schwieriges Thema, da wir allesamt unseren Jobs nachzugehen haben und von daher ein wenig eingeschränkt sind. Allerdings führt diese Tatsache auch dazu, dass wir eben ganz gezielt und fokussiert an eventuelle Gigs herangehen. Einmal im Jahr ist es uns dann doch möglich für ungefähr zwei bis drei Wochen am Stück Urlaub zu nehmen und diese werden dementsprechend für Tourneen genutzt. Für die kommende Tour wollen wir auch erneut versuchen außerhalb der Ukraine spielen zu können, denn hier fühlen wir uns doch bereits ein wenig eingeschränkt. Im letzten Jahr konnten wir schon beim „Metalfest“ in Polen spielen und auch beim „Ciechanow Rock Festival“ gab man uns eine Chance, beides phantastische Erfahrungen für uns. Im Herbst des letzten Jahres haben wir dann eine kleine Tournee, die uns nach Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, aber auch für drei Gigs nach Deutschland führte, absolvieren können und daran wollen wir auf Grund der positiven Erfahrungen gerne wieder anschließen und speziell in Deutschland viel mehr Konzerte geben.
Sind denn diese Pläne schon konkret?
Ja, es muss einfach etwas in dieser Richtung geschehen, damit HELL:ON auch entsprechend bekannt werden können. In Osteuropa konnten wir uns mittlerweile auch schon einen ganz ordentlichen Ruf erspielen, jetzt aber soll auch der Westen von der Band etwas mitbekommen. Von daher planen wir Gigs in Deutschland, Österreich, Dänemark und in den Niederlanden. Fixieren konnten wir zwar noch nichts, aber ich denke, die Planungsphase geht gut voran und wir sind sehr zuversichtlich.
Da klingt nicht nur ziemlich euphorisch, sondern auch gut geplant. Eventuelle Nebentätigkeiten sollten kein Problem sein, oder?
Nein, auch wenn wir allesamt auch in anderen Bands und Formationen aktiv sind. So hat Anton beispielswiese sein Death Metal-Nebenprojekt UNGRACE am Laufen und ich selbst bin bei den Groove / Thrashern MORIA tätig. Unser Bassist Alexandr hat wie schon gesagt sein Rock-Outfit SWIFT am Start und unser Sänger lässt immer wieder gerne sein Saxophon ertönen. Der Fokus liegt aber dennoch ausschließlich bei HELL:ON, so dass ein Tournee hier in keiner Weise beeinträchtigt würde.
Der Name HELL:ON ist ja nun immerhin zumindest ein klein wenig bekannt, ebenso MORIA. Was aber hat die Metal-Szene in der Ukraine sonst noch an „Schätzen“ anzubieten, die nur darauf warten entdeckt zu werden?
Eine ganze Menge, alleine in unserem Freundeskreis tut sich viel. So gibt es mit DEF/LIGHT, D-HATE, SINFUL, BLACKTHORN und FRAGILE ART eine Bands in unserem unmittelbaren Umkreis, die es verdient hätten ein wenig bekannter zu werden. Darüber hinaus ist obendrein auch noch zu erkennen, dass sich in den letzten Jahren viele junge Musiker mehr dem Metal verschrieben haben.
Gutes Stichwort: In wie fern hat sich denn da in den letzten 20 Jahren etwas ändern können?
Seit dem Fall des russischen Regimes hat sich hier wirklich viel verändert. Unter anderem hat sich auch eine Unzahl an Möglichkeiten für Bands aufgetan, die zuvor noch nicht einmal ansatzweise möglich gewesen wären. Die „Szene“ an sich ist zwar immer noch tief im Underground verwurzelt, aber immerhin besteht nun endlich die Chance für kleine Formationen ihre Songs bei Konzerten, wenn auch ganz kleine zu präsentieren. Und auch was das Equipment betrifft, hat sich hier einiges getan, auch wenn der wesentlichste Part immer noch der Musiker selbst geblieben ist.
War es denn zu UdSSR-Zeiten überhaupt möglich als Band aufzutreten?
Das schon, ich denke, da waren die Unterscheide zu andere Ländern nicht ganz so krass. Allerdings kann ich mich auch noch gut an das wirklich miese Equipment erinnern, mit dem beispielsweise ich meine ersten Gehversuche unternehmen musste. Doch zumindest erfinderisch hat mich jene Zeit auf jeden Fall gemacht, ich musste für meine Gitarre nämlich die Effektpedale selbst anfertigen und auch keine Vorstufen-Verstärker oder so zur Verfügung und dementsprechend klang die Chose dann auch. Es war zwar unheimlich anstrengend, aber immerhin sehr lehrreich.
Nachvollziehbar und auch sehr informativ, da uns Bands wie ihr nicht alle Tage zur Verfügung stehen. Aktuell erweckt es zumindest aber den Anschein, als ob wir von HELL:ON in den nächsten Monaten vermehrt etwas mitbekommen würden.
Das hoffe ich auch! Zuletzt haben wir für „Disaster“ von unserem aktuellen Silberling ein Video gedreht und dieses auch ins Internet gestellt (http://www.youtube.com/watch?v=dDGt2pxEkj8). Und wie schon gesagt sind wir zudem bereits mit Feuereifer am Komponieren von weiteren Songs, deren Ausrichtung wohl noch aggressiver sein wird. Für den Sommer hoffen wir einige Festivals bestreiten zu können und im Herbst sollte dann unsere Europa-Tournee über die Bühne gehen können. Mehr ist dazu leider noch nicht spruchreif, aber ich lassen es euch gerne wissen.
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