Thränenkind
Die Songs von "The Elk"
Special
THRÄNENKIND, die Band von AGRYPNIE-Bassist Matthias “Nathanael“ sorgte in der vergangenen Zeit immer wieder für Kontroversen. Von der Black Metal Szene wurde die Band aufgrund ihrer Straight-Edge-Einstellung immer wieder belächelt und musste sich leider auch so manche Vorwürfe und Beleidigungen gefallen lassen. Nun, nach einer Demo und einer Split-CD gemeinsam mit HERETOIR, präsentieren uns die Münchener ihr erstes Langeisen namens “The Elk“, welches am 23. August über Lifeforce Records veröffentlicht wird. Mastermind Matthias nahm sich deswegen für uns Zeit und erläutert die Hintergründe zu den einzelnen Songs auf “The Elk“.
Monument
Mit “Monument“ gibt es den idealen Einstieg in “The Elk“. Erst verhalten beginnend steigert sich das Stück langsam nach oben und verbreitet eine verzweifelte Stimmung, welche besonders durch die Gitarrenleads hervorgehoben wird. Hinzu gesellen sich verzweifelte Growls, die perfekt die Atmosphäre des Songs tragen.
““Monument“ ergab sich für uns als perfekter Opener, da der Song nahezu alle Facetten des neuen Albums beinhaltet: Ruhige atmosphärische Teile, kräftige, drückende Riffs, schleppende, epische Passagen und schnelle, groovige Melodien.
Textlich handelt das Stück von der Suche nach Rückzugsorten, der Suche nach einer Zuflucht, inmitten unserer hektischen und oftmals brutalen Gesellschaft. Von der Suche nach einem Ort, an dem man sein kann, ohne sich verstellen zu müssen, ohne gesellschaftliche Zwänge und frei von den repressiven Mechanismen unserer politischen Systeme.“
Just Another Way Of Expressing Defeat
“Just Another Way Of Expressing Defeat“ ist im Gegensatz zum Opener wesentlich ruhiger und zurückhaltender. Auch werden hier die ersten Anleihen zum Post Rock deutlich, was von der wunderbaren Gitarrenarbeit und dem charismatischem Gesang von Eklatanz (HERETOIR) unterstrichen wird.
““Just Another Way Of Expressing Defeat“ ist der erste der fünf Post Rock Songs des Albums. Mit Ausnahme von Davids Chorgesängen ist es ein reines Instrumental Stück. Wir haben bei einigen Songs des Albums bewusst auf Lyrics verzichtet, um dem Hörer Raum für eigene Interpretationen zu geben. Der Song selbst ist sehr melancholisch und unser Ziel war es eine traurige und düstere Grundstimmung zu erzeugen, welche sich durch alle Teile des Stücks zieht.“
The King Is Dead
“The King Is Dead“ geht wieder ein wenig härter zur Sache und lässt das erste Mal sogar kleine Punk-Einflüsse erkennen. Nichtsdestotrotz bietet auch dieser Song wieder wunderschöne Melodien, wirkt aber trotzdem im Vergleich zu den restlichen Songs, trotz seiner düsteren Ausrichtung, etwas lockerer und entspannter.
“Bei “The King Is Dead“ handelt es sich vielleicht um einen der düstersten, aber auch kraftvollsten Songs des Albums. Hardcore Punk Bands wie TRAGEDY, HAVE HEART, MORE THAN LIFE oder PROPAGANDHI waren wichtige Inspirationsquellen für diesen Song. Die Lyrics handeln von zerrütteten Familienverhältnissen, von unterdrückenden Machtmechanismen und dem Versuch, aus diesen auszubrechen. Kritisiert wird unter anderem Alkoholmissbrauch und damit verbundene häusliche Gewalt. Der Ausbruch aus diesen Verhältnissen wird für die Protagonisten des Songs / Albums zum entscheidenden Ziel und zur Grundlage für ein selbst bestimmtes und zufriedenes Leben.“
My Transparent Heart
Mit “My Transparent Heart“ geht es dann ohne Umwege in Richtung Post Metal. Hier und da sind aufgrund der Rhythmen kleine Reminenzen an GHOST BRIGADE zu vernehmen. Dies ändert sich jedoch im weiteren Verlauf sobald Torsten (AGRYPNIE / NOCTE OBDUCTA) mit seinen harschen Vocals einsteigt. Ab diesem Zeitpunkt wandelt sich das Stück und es erinnert stark an Nathanaels Stammband. Gerade zum Schluss hinaus wird “My Transparent Heart“ zum ganz großen Kino mit leichtem Post-Black-Metal-Einschlag!
“Definitiv eines meiner Lieblingsstücke des Albums. Ein sehr atmosphärischer und packender Song. Düstere Riffs am Anfang, die sich über schnelle Doublebass Passagen bis zum Finale steigern bilden die Grundlage. Hohe Gitarrenmelodien liefern die nötige Spannung. Abgerundet und vollendet wird der Song durch die (in meinen Augen) perfekten Vocals von Nils.
Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf die Lyrics gelegt werden, welche eine tiefe Verzweiflung über persönliche Lebenssituationen und philosophische Gedankenspiele mit einer Kritik an der rücksichtslosen Zerstörung der letzten, noch intakten Ökosysteme unserer Erde verschmelzen. Das Verlangen nach Freiheit, der Wandel der Verhältnisse und damit der Kampf gegen die Unterdrückung sind zentrale Aspekte des Stücks.“
Today, The Sea (Anja´s Song)
Dieses Stück fördert im Gegensatz zu den beiden vorherigen Tracks wieder ein Wenig die romantisch-verträumte Seite von THRÄNENKIND zu Tage. Anfangs nur mit kleinen Sprachsamples ausgestattet, verleitet der Song zum Träumen, wird jedoch jäh von verzerrten Gitarren aufgebrochen und verbreitet gerade durch die heiseren Screams einen Eindruck welcher irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her pendelt.
“Ein sehr persönliches Stück, welches mir nach wie vor sehr viel bedeutet. Es ist einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben gewidmet. Der Text spricht hierbei für sich.“
Deleting Those Three Words
Ebenso bietet auch “Deleting Those Three Words“ wieder atmosphärische Sprachpassagen, jedoch geht es hier wesentlich grooviger zur Sache. Dabei erinnert der Song aufgrund seiner träumerischen Atmosphäre ein Wenig an AGALLOCH.
“Im Laufe des Entwicklungsprozesses des Albums hat sich dieses Stück als eines der Interessantesten für mich erwiesen. Seine drückende und vielschichtige Grundstimmung und der metaphorische Text haben eine ganz besondere Wirkung. Im Gesamten betrachtet ist “Deleting Those Three Words“ wohl einer der nachdenklichsten und traurigsten Songs des Albums. Sein Schlussteil ist vielleicht unser Vorzeigestück in Sachen Atmosphäre. Die Sprachsamples fügen hier die nötige Schwere hinzu: What if the only way to become finally free is to abandon our own existence?“
Eternal Youth
“Eternal Youth“ ist ein Post-Metal-Stampfer wie man ihn erwartet. Wieder gibt es wunderbar melancholische Gitarrenleads und den markanten verzweifelten Gesang. Dabei glänzt das Stück mit einem hervorragendem Wechsel aus Härte und Einfühlsamkeit.
“Ein weiterer Song mit dezentem Punk Einschlag, sowohl was die Musik betrifft, als auch auf textlicher Ebene. Er beinhaltet einige wirklich melancholische und zugleich hoffnungsvolle Passagen, welche nicht nach unten ziehen, sondern mich jedes mal wieder packen. Die Sprachpassage in der Mitte des Songs soll den stumpfen kapitalistischen Alltag kritisieren und versuchen, einen vagen Ausblick auf andere, alternative Lebensgestaltungen zu geben.“
Seven Dead Horses
Das Instrumental “Seven Dead Horses“ lebt von seinen cleanen Gitarrenmelodien und zeigt THRÄNENKIND von ihrer zerbrechlichen Seite. Dabei wird ein introvertiertes Feeling deutlich, welches sich hervorragend zum Entspannen und Träumen eignet.
“THRÄNENKIND war von je her eine Band, in der ich Gefühle wie Schutzlosigkeit, Verletztlichkeit, Schwäche und Fragilität thematisieren wollte. “Seven Dead Horses“ ist (wie auch “Just Another Way Of Expressing Defeat“) ein Song in dem derartige Gefühle die Hauptrolle spielen. Die sanften und teils verspielten Gitarren leisten hierzu einen nicht geringen Beitrag. Das für mich sehr gespenstische Bild von toten Pferden, Tiere die oftmals mit Adjektiven wie frei, schön, wild oder elegant verknüpft werden, liefert hierfür den passenden Songtitel.“
Silence Is Everything
“Silence Is Everything“ nimmt die Grundstimmung des Vorgängers anfangs auf, steigert diese jedoch dann mit der vollen Breitseite an Gitarren und Screams. Dabei eröffnet sich ein verzweifeltes Gesamtbild, welches sich unweigerlich im Kopf des Hörers festsetzt und aus diesem Stück einen der intensivsten Songs auf “The Elk“ macht.
“Der schnellste Song des Albums. Mich erinnert er durch die Kombination von kreischenden Gitarrenriffs und der schnellen Doublebass immer ein wenig an WOLVES IN THE THRONE ROOM. Kontrastierend zu seiner Geschwindigkeit ist der Song allerdings so etwas wie ein Monument der Stille. Dieser Kontrast zwischen lauter und druckvoller Musik und dem Thema der Stille gibt dem Stück seine ganz eigene Atmosphäre. Viele Menschen neigen dazu, alles tot zu reden; viel zu reden, aber nichts zu sagen. Sie sollten meiner Meinung nach öfter einfach die Augen schließen, Worte Worte sein lassen und sich einem Moment der Stille hingeben.“
Forest Pt. 1 (The Veil)
Der erste Teil von “Forest“ beginnt ebenfalls wieder recht verhalten und baut eine beklemmende Stimmung auf. Zwar wird die Schönheit jederzeit ersichtlich, allerdings schwingt immer wieder eine leicht düstere Nuance mit.
“Im Laufe des Albums entfernen sich die Protagonisten immer weiter von menschlichen Siedlungen. Sie dringen in ländliche Gegenden vor und treffen schließlich auf die ersten Ausläufer der Wälder. Der Schleier der die Zivilisation von der Wildnis trennt, wird durchschritten. Die von Krähengeschrei und Wind begleitete Akustikgitarre soll die wilde und für Menschen zunächst unwirtliche Umgebung illustrieren. Das dann einsetzende Sprachsample beschreibt die rücksichtslose Zerstörung dieser so wichtigen letzten natürlichen Refugien. Die Schilderung der systematischen Zerschlagung von Widerstandsbewegungen, welche den Schutz der Wildnis gegen Großkonzerne und Staatsmacht durchzusetzen versuchen, schwebt wie eine düstere Prophezeiung über dem Song.“
Forest Pt. 2 (The Grove)
Die etwas düstere Note des ersten Teils ändert sich jedoch mit “Forest Pt. 2 (The Grove)“ schlagartig in eine melancholische Richtung. Auch wieder erinnern die sanften Gitarrenklänge an die Großen des Post-Metal, wodurch dieser Song seine monolithische Energie erhält und nur so vor Epik glänzt.
“Nachdem der Schleier durchschritten ist gelangt der Hörer im zweiten Teil von “Forest“ in das “Herz des Waldes“. The Groove steht dabei für einen Zustand in welchem die Protagonisten die Zwänge der Zivilisation hinter sich gelassen haben und sich nun der atemberaubenden Schönheit der Natur gegenübergestellt sehen.“
This Story Of Permanence
Auch mit “This Story Of Permanence“ bleibt die Melancholie und Dunkelheit weiter erhalten. Jedoch bricht hier die vorherrschende Introvertiertheit, welche “The Elk“ durchweg beinhaltet, endgültig aus. Man spürt zu jeder Sekunde die Dramatik und es fällt schwer sich dessen zu verschließen. Hier vereinen THRÄNENKIND all ihre Trademarks, wodurch “This Story Of Permanence“ eindeutig zu einem der Highlights auf “The Elk“ zählt.
“Dieses Stück lebt von der Kombination aus Düsternis und Hoffnung. Schleppende und sehr emotionale Parts wechseln sich mit lauten, treibenden Passagen ab. Es entsteht so eine kraftspendende und positive Form der Melancholie. Die erste Strophe des Textes schildert ein tristes Leben voller Entbehrungen, Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit. Dieses Leben liegt allerdings in der Vergangenheit, denn die zweite Strophe beschreibt das Jetzt, welches von Aufbruchstimmung, Hoffnung, Freiheit und Dauerhaftigkeit geprägt ist.“
The Elk
Das finale Titelstück bildet letztendlich den idealen Abschluss des Albums. Leise und behutsam frisst sich dieses Stück in die Gehörgänge, versprüht dabei auch wieder eine introvertierte, melancholische Stimmung und hinterlässt somit den Hörer mit einem wohligen aber doch nachdenklichem Gefühl.
“Mein Tribut an Mutter Natur. Für mich der tiefgreifendste und emotional aufreibendste Song, den ich bis jetzt geschrieben habe. Rauschende Bäume im Wind, vom Schilf auffliegende Vogelschwärme, die Wärme der Abendsonne, die Schönheit des Mondes, ein sich öffnendes Farnblatt, das Prasseln des Regens, die Anmut eines Rehs, all das ist für mich “The Elk“.
Hier kommt zum zweiten Mal ein nicht menschliches Wesen zur Sprache. Der Ruf des Wapiti Hirsches leitet dabei die Wende von nachdenklicher zu hoffnungsvoller Stimmung ein und schließt so das Album ab.“
Fazit:
“The Elk“ ist definitiv keine leichte Kost und man benötigt einige Anläufe, um die Musik vollständig zu erfassen. Dabei schaffen es THRÄNENKIND aber bestens, einen Spagat zwischen Traurigkeit, Schönheit und Hoffnung hin zulegen, ohne auch nur einmal aufgesetzt zu wirken. Vorurteile hin oder her, hier wird einfach 58 Minuten feinste Musik zwischen Ambient, Post Rock, Punk und auch Black Metal geboten.