Those Of The Unlight
Part VII – (März 2025)

Special

Das Jahr kommt so langsam in Schwung, der “Pagan Winter” verzieht sich allmählich. Das weckt bei André und Johannes allerdings mitnichten Frühlingsgefühle. Gründe für misanthropisch-nihilistische Grundstimmungen gibt es in der Welt ja genug und so präsentieren wir euch wieder sechs handverlesene aktuelle Black-Metal-Releases aus den (meist) hinteren Reihen. Hit or Shit? – Entscheidet selbst.

Those Of The Unlight – Part VII mit:

HEXECUTOR
VOIDHRA
DÉHÀ
HELVITNIR
SARKOM
ABDUCTION (UK)

HEXECUTOR – … Where Spirit Withers In Its Flesh Constraint

von André Gabriel

Cover-Artwork – HEXECUTOR – „... Where Spirit Withers In Its Flesh Constraint“ Eine Reise in die Mythen und Legenden der Bretagne.

Ich nutze die Ausgabe auch, um das Überangebot im Metal zu thematisieren – ja sogar in den extremen Genres. Das dritte Album von HEXECUTOR ist ein Positivbeispiel, denn es kämpft sich durch den Einheitsbrei, indem es gute Ideen unterschiedlicher Subgenres verbindet und seine grundlegende Oldschoolhülle nie verlässt. So entsteht nichts Neues, aber „… Where Spirit Withers In Its Flesh Constraint“ wirkt frisch.

Das französische Quartett hat sich im Jahr 2011 gegründet und seitdem in verschiedene Richtungen entwickelt. Inhaltlich behandeln HEXECUTOR heute bretonisch überlieferte Geschichten. Musikalisch füllen sie nicht mehr nur die typischen Black-Thrash-Muster aus, sondern schaffen rund um diesen Kern deutlich mehr Substanz.

Bandfoto – HEXECUTOR

HEXECUTOR sind schwarz, traditionell und progressiv, wobei „schwarz“ auch Melodien und Momente aus dem Black Metal einschließt – die wohl beste Entscheidung, um den Grundsound zu erweitern. Los geht es aber mit Altbekanntem: Wie viele „Angel Of Death“-Gedächtnisschreie und kreischende SLAYER-Gitarren brauchen wir noch?

Danach fächert sich „… Where Spirit Withers In Its Flesh Constraint“ immer wieder auf und weiß im überangebotenen bösen Speed Metal durchaus zu begeistern. „Les Lavandières De La Nuit“ verbindet rotzige Vocals mit Punkattitüde, schwarzmetallisches Midtempo der zweiten Welle, plötzliche Polterdrums und überraschend reingemogelte klassische Soli. In „Paol Goz“ tönen HEXECUTOR sehr episch, um dann wieder auf sauschnell und bedrohliche Gitarren umzuschalten, bevor es stimmungsvoll wird. Insgesamt kein Meilenstein, aber ein aufregendes Werk mit genügend spannenden Parts, um sich ganz leicht der 8 zu nähern.

Wertung: 7 (Komma 25)

Trackliste:

  1. Beyond Any Human Conception Of Knowledge
  2. Dogue Noir
  3. Les Lavandières De La Nuit
  4. Youdig (Perfides Frontières)
  5. Paol Goz
  6. Kerdis Bras
  7. Conomor Le Maudit
  8. Marion Tromel

Release: 28.03.2025
Spieldauer: 47:56
Label: Dying Victims Productions

VOIDHRA – Only Cold Winds Will Carry My Name

von Johannes Werner

Zum Glück sind Menschen und ihre Bands wandlungsfähig. Auf ihrem Debüt “Sorrow Guides Us All”, welches 2021 erschien, waren VOIDHRA noch ein Ein-Mann-Projekt mit KI-Artwork. Regelmäßige Leser:innen dieser Kolumne wissen, welchen Vorurteilen derartige Veröffentlichungen ausgesetzt sein können. Die Friedrichshafener sind inzwischen auf Quartett-Größe angewachsen und haben offensichtlich Kohle für ein amtliches Ölfarben-Gemälde springen lassen – so kommen wir doch schon mal viel weiter.

Im Promosheet werden VOIDHRA als Oldschool Black Metal im Stile der Neunziger angepriesen, was man grundsätzlich so stehen lassen kann. Produktionstechnisch orientieren sich die Schwaben jedoch weder an Pytten noch an Tägtgren, sondern geben sich zeitgenössisch. Das Tremolo-Riffing, das mal melodiös, mal dissonant ertönt, steht allerdings vollauf im Dienste der alten Schule.

Stilistisch bewegen sich VOIDHRA damit in angenehmen Gefilden, jedoch muss man eine Sache festhalten: Wer den ca. 4625178. Aufgusstribut an MAYHEM, DARK FUNERAL und C0. wagt, muss entweder in Sachen Songwriting echte Schwergewichte bereithalten oder so dermaßen besessen musizieren, dass man einen Exorzisten rufen müsste. Beides bringt die Band nicht mit. Gefällig und handwerklich kompetent ist “Only Cold Winds Will Carry My Name” allemal, aber die offenkundigen Vorbilder sind – zumindest auf ihren Klassikern – um ein Vielfaches überzeugender.

Wertung: Mehr als 6 Punkte sind leider nicht drin.

Trackliste:

  1. Flesh Pariah
  2. As The Heavens Bleed Sickness
  3. Only Cold Winds Will Carry My Name
  4. L’Apelle Du Vide
  5. Damnatio Memoriae Dei
  6. Immaterium Storm

Release: 31.01.2025
Spieldauer: 41:27
Label: Crawling Chaos Records

DÉHÀ – Nethermost & Absolute Comfort

von André Gabriel

Ein Musikbrocken aus Selbsthass und Hoffnungslosigkeit.

Ohne es abzusprechen, zeigt sich das Problem des Überangebots auch in der ersten Kritik von Johannes. Der spricht vom 4625178. Aufgusstribut. In eine ganz andere Kerbe schlägt DÉHÀ. Der Singular ist bewusst gewählt, denn hinter dem Namen steht lediglich Olmo Lipani, der als DÉHÀ – aufgepasst – seit 2018 laut Metal Archives 38 Alben veröffentlicht hat. Überangebot oder kreative Dauerejakulation? Zusätzlich ist und war der Belgier in unzähligen Bands aktiv. Wahnsinn!

„Nethermost & Absolute Comfort“ besteht aus zwei „Liedern“ und umfasst mehr als 70 Minuten. „Macht schon Spass“, würde Stromberg sagen. Ironie. Nach 13 Minuten verstehe ich „Nethermost“ immer noch nicht. Nun konnte ich nie viel mit Funeral Doom Metal (ist es das?) anfangen, aber vielleicht mögen es manche, wenn sie die Musik so eintönig und laaaaaaaangsam in einen vertonten seelischen Abgrund schleift.

Was gibt es da unten zu entdecken? Echte Songs nicht, wobei das sicherlich eine Interpretationsfrage ist. Aber der Brocken ist kaum als das zu bezeichnen, was wir gemeinhin als ein Lied verstehen. Er ist vielmehr ein emotionales Nach-außen-kehren – als wäre eine Therapiestunde musikalisch transkribiert worden. Irgendwie spannend, aber doch eher für die betroffene(n) Person(en).

Ein Blick in den Promozettel unterstützt die Gedanken: „Nethermost & Absolute Comfort“ behandelt Selbsthass, Hoffnungslosigkeit, Selbstverletzung und Selbstmitleid und fungiert als Zeugnis eines der dunkelsten Vergangenheitsecken des Künstlers. „Ultradüster, aber seltsam emotional“ – das passt schon. Und eines muss man DÉHÀ zugutehalten: Abseits des eigenen bedient er damit ganz sicher kein Überangebot.

Wertung: 5 (Mitte, weil sowas kaum zu bewerten ist)

Trackliste:

  1. Nethermost
  2. Absolute Comfort

Release: 14.03.2025
Spieldauer: 72:03
Label: Naturmacht Productions

HELVITNIR – Wolves Of The Underworld

von Johannes Werner

Die Namedropping-Band dieser Ausgabe sind eindeutig HELVITNIR. Drei Leute, die mal für drei Jahre bei RAGNAROK gespielt haben, treffen sich im Proberaum mit Schlagzeug-Legende Hellhammer und zack, fertig: Plattenvertrag. Nun backt das italienische Label Dusktone vielleicht nicht die dicksten Semmeln, aber es wird genügend Leute geben, die “Wolves Of The Underworld” allein der bekannten Namen wegen hören werden. Diese werden zwar für ihr Interesse nicht bestraft, aber eine Offenbarung ist die Scheibe ebenfalls nicht.

Nicht nur, dass Hellhammer schon markanter und interessanter getrommelt hat – er hat seine Stöcke vor allem schon deutlich zwingenderen Alben geliehen. HELVITNIR ist anzuhören, dass die Musiker keine Anfänger an ihren Instrumenten sind, aber die Songideen und -strukturen fallen unter die Kategorie “X-beliebiger Black-Metal-Einheitsbrei”. Das ganze ist so stereotyp, dass es beizeiten langweilig wird, auch wenn beispielsweise “Imagery Of Deceit” ein immerhin gutklassiger Song ist. Reicht aber alles vorn und hinten nicht und so ist “Wolves Of The Underworld” trotz semi-prominenter Besetzung eine ziemlich egale Platte.

Wertung: Purer Durchschnitt? 5 Punkte dafür!

Trackliste:

  1. Throes Of Transformation
  2. Black Flame Triad
  3. Helvitnir
  4. Void Of Emptiness
  5. Imagery Of Deceit
  6. Odinsbane
  7. Dread Biter
  8. Helheim’s Throne
  9. Draugr

Release: 14.03.2025
Spieldauer: 42:26
Label: Dusktone

SARKOM – Exceed In Chaos

von André Gabriel

Immerhin ein sehr kreatives Albumcover.

Und da hat Johannes auch schon das Wort verwendet: Einheitsbrei. Es zeigt sich, dass die Problematik nicht von der Hand zu weisen ist, immerhin taucht sie in etlichen Reviews auf die eine oder andere Weise auf. Bei SARKOM verhält es sich ähnlich wie bei HELVITNIR. Die vermutlich bekannteste Band dieser Ausgabe treibt ihr musikalisches Unwesen seit zwei Jahrzehnten im dunklen Untergrund. „Exceed In2 Chaos“ ist ihr fünftes Album – der Vorgänger „Anti-Cosmic Art“ ist knapp über acht Jahre alt. Angesichts der preisenden Promozeilen, die uns mitteilen, dass SARKOM mutig Grenzen überschreiten und von Innovation leben, stets zukunftsorientiert agieren und künstlerisches Wachstum fokussieren, stellt sich leider Ernüchterung ein. Denn all das hören wir nur in Ansätzen.

„Exceed In2 Chaos“ ist grundsolider norwegischer Black Metal, der im Geschwindigkeitsbereich zwischen fix und mittel wechselt und reichlich poliert klingt, der Dissonanzen in den Sound einbaut und hin und wieder mit bestimmten rhythmischen Strukturen und Wendungen arbeitet. Wobei die größte Überraschung das Albumcover darstellt. Aber es gibt beispielsweise auch Midtempoparts wie in „Enter As Fool – Exit As Beast“, die so abgenutzt sind, dass ich mich wirklich frage, warum so ein Riff noch auf einem neuen Album landet. Auch der okkulte Touch in „Spectral Prophet In A Demonized Dream“ wärmt überwiegend auf.

Fraglos ist das kein Material, das eine unterdurchschnittliche Wertung bekommen sollte. Weil es permanent neue Alben gibt, wird es jedoch immer schwieriger, in den qualitativen Zwischenraum der 7er und 8er zu gelangen. Und dann rutscht auch eine gestandene Band wie SARKOM in die dritte Ebene und nähert sich dem Durchschnitt. Nicht falsch verstehen: In den Höchstwertungen sollten nicht nur Alben landen, die irgendetwas neu erfinden, denn auch das kann in subjektiven Ohren schwach tönen. Es geht um das Verhältnis von Fillern, bereits Gehörtem und Parts, die einen überraschen, verzücken, umhauen.

Umso wichtiger wird es im Umkehrschluss, augenscheinlich niedrige Wertungen richtig einzuordnen. Denn eine 6 soll hier keinesfalls vermitteln, dass ihr die Hände beziehungsweise Ohren vom neuen SARKOM-Album lassen sollt. Die Wertung ist leicht überdurchschnittlich und spricht somit von einem Werk, das vielen Hörer:innen sehr gut gefallen wird.

Wertung: 6

Trackliste:

  1. Exceed In2 Chaos
  2. Enter As Fool, Exit As Beast
  3. Prime Time Suicide
  4. Spectral Prophet In A Demonized Dream
  5. Be[lie]ve
  6. Bottofeeders
  7. Chasing Ghosts
  8. Commit To Total Genocide (LP exclusive)
  9. Nemesis

Release: 21.02.2025
Spieldauer: 49:26
Label: Dusktone

ABDUCTION (UK) – Existentialismus

von Johannes Werner

Ich muss ehrlich gestehen, dass mir nicht bewusst war, dass es zwei Bands mit dem Namen ABDUCTION gibt. Ich hatte die Band ursprünglich im Gedanken an die gleichnamigen Franzosen für diese Kolumne ausgesucht, aber hey – die englischen Namenszwillinge bzw. DER englische Namenszwilling ist richtig hörenswert. Denn ABDUCTION (UK) sind ein ehemaliges Ein-Mann-Projekt, dessen Protagonist sein Handwerk auf allen Ebenen versteht. Das fängt bereits bei der Wahl des Artworks an, das wohlig zwischen Anmut und Verstörung schwankt.

Erstmals wurde “Existentialismus” als komplette Band eingespielt, was dem Feeling der Platte sehr gut tut. Die meist recht langen Songs haben interessante Spannungsbögen und sind spannend arrangiert.  Stilistisch bewegen sich ABDUCTION (UK) erkennbar im aktuellen Jahrtausend. Das passt zu dem Umstand, dass sich Vordenker A|V inhaltlich mit dem Verfall der westlichen Gesellschaft beschäftigt und nicht mit Teufelei oder dunkler Folklore. So treffen sich auf diesem Album so gegensätzliche Einflüsse von Bands wie WATAIN oder UADA, doch das alles wird stimmig verbunden. Nie hat man das Gefühl, dass “Existentialismus” zu viel will – es ist einfach ein wohl durchdachtes Album. Mit dem elfminütigen “Vomiting At Baalbek” ist ein beeindruckendes Monument ästhetisierter Hässlichkeit am Ende des Albums platziert.

Wertung: Klare 8 Punkte. Tendenz steigend.

Trackliste:

  1. A Legacy Of Sores
  2. Pyramidia Liberi
  3. Truth Is As Sharp A Sword As Vengeance
  4. Blau ist die Farbe der Ewigkeit
  5. Razors Of Occam
  6. Vomiting At Baalbek

Spieldauer: 45:44
Release: 21.02.2025
Label: Candlelight Records

 

12.03.2025
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