Those Of The Unlight
Part VI – (Januar 2025)
Special
Schluss mit Santa, zurück zu Satan. Wir haben uns nach kurzem Endjahresrückzug wieder in die Katakomben begeben, um fünf Extreme-Metal-Alben zu lauschen, die sonst wohl wie ein kalter Windhauch an den Gehörgängen vorbeigezogen wären.
Haben wir dabei schwarze Perlen entdeckt? Das erfahrt ihr auf den kommenden Seiten.
Those Of The Unlight – Part VI mit:
JARL
LAMENT IN WINTER’S NIGHT
VITRIOLIC
OLD FOREST
LÖMSK
JARL – Trümmerfestung
von André Gabriel
Nordisch kühler Gitarrensound umweht das zweite Album von JARL. Grundmusikalisch erinnert “Trümmerfestung” an VINDLAND, was ein echtes Ausrufezeichen sein könnte, wenn auch die Qualität vergleichbar wäre. Schade, denn das “Against racism” auf der offiziellen Instagram-Seite macht einen super Ersteindruck. Da wünscht man sich regelrecht, dass JARL hier einen satten Knaller rausgehauen haben.
Ein Problem ist die Stimme, weil sich Blutaxt meist anstrengend durch die Gehörgänge keift – im Titeltrack ist das besonders deutlich. Auch die cleanere Tiefstimme bringt nicht mehr als eine weitere Facette. Das Schlagzeug klingt zu sauber, die Doublebass zu sanft. Am besten sind die angenehm schnarrenden Gitarren, aus denen JARL solide bis hin und wieder gute Black-Metal-Melodien holen. “Trümmerfestung” will aber auch pagan sein und streut dafür bereits bekannte Heavy-Riffs ein.
Irgendwie ist das alles schon in Ordnung und vor allem live im Burgenszenario bei Bier und Met sicherlich partytauglich – ein Anspieltipp ist “Schein”. Doch auf Platte bieten JARL zu wenig, um zu überzeugen oder sogar zu begeistern. Um mehr an “Trümmerfestung” zu finden, muss der persönliche Geschmackskompass ganz tief im paganistischen Black Metal mit Vikingkurs verwurzelt sein.
Wertung: 5 auf Platte, live (vermutlich) 7
Trackliste:
- Levitation
- Schattenwurf
- Trümmerfestung
- Schein
- Wirkmacht
- Dreck Und Rost
- Alchemie
Release: 12.12.2024
Spieldauer: 45:51
Label: Trollzorn Records
LAMENT IN WINTER’S NIGHT – Whereunto The Twilight Leads
von Johannes Werner
Hey, immerhin sind JARL noch viele Gewichtsklassen über anderen deutschen Pagan-Stümpern der Marke MINAS MORGUL und Co. Aber KI- und Photoshop-Artworks im Black Metal sind schließlich ein genauso großer Abturner wie Drumcomputer oder das unterm Corpsepaint versteckte Zweifingerbärtchen. Ganz anders sieht das bei dem australischen Projekt LAMENT IN WINTER’S NIGHT aus. Die atmosphärisch dichte und eindeutig handgemalte Abbildung einer Burg macht schon mal Lust auf mehr. Einzelkämpfer “The Seer” betreibt insgesamt über ein Dutzend verschiedener Projekte – die meisten davon allein. Häufig handelt es sich bei diesen musikalisch hoch produktiven Eremiten um passionierte Überzeugungstäter. Die meisten täten allerdings besser daran, ein paar weniger Bands zu betreiben und diese stattdessen mit ausschließlich guten Ideen zu füllen.
An diesem Problem kommen LAMENT IN WINTER’S NIGHT ebenfalls nicht ganz vorbei. Löblicherweise hat sich der Seher zwar im Gegensatz zu vielen anderen derartigen Projekten einen echten Drummer ins Boot geholt – doch “Whereunto The Twilight Leads” haut spielerisch an vielen anderen Stellen nicht ganz hin. Die Spuren wirken unsynchronisiert, Gitarren und Synths teilweise unsicher und holprig gespielt. Klar sollten Black-Metal-Bands nicht wie DREAM THEATER klingen und auf diesem Album hält es sich zum Glück in Maßen – unfreiwillige Komik macht sich punktuell dennoch breit.
Somit erreicht das Projekt leider weder die Eleganz des Cover-Artworks noch des kultigen Bandfotos – bestimmt der Hit auf jeder Dating-App. Für einen verträumten Spaziergang durch die winterliche Nacht taugt das umständlich betitelte “Whereunto The Twilight Leads” aber ganz gut, wenn man die übertriebene Holprigkeit nicht als störend empfindet. Es gibt nämlich auch eine ganze Menge kompositorisch gelungener Momente, die über den typischen Lo-Fi-Black-Metal-Einheitsbrei hinausgehen.
Wertung: knappe 7
Trackliste:
- The Raven’s Journey (In The Halls Of Nostalgia)
- The Night Beckons In Yellow And Blue
- Dawn, Cast Your Heart
- Blazing Galactic Kingdoms
- Cradle The Flames Of A Weary Life
- Whereunto The Twilight Leads
Release: 27.12.2024
Spieldauer: 43:08
Label: Hell’s Headbangers
VITRIOLIC – Black Steel Vengeance
von André Gabriel
Ob das Cover-Artwork zu “Whereunto The Twilight Leads” wirklich kultig ist oder die von Johannes erwähnte „unfreiwillige Komik“ spiegelt, liegt sicher im Auge der Betrachtenden. Fakt ist, dass Kerzenständer ein beliebtes Stilmittel sind, wie auch das Cover von „Black Steel Vengeance“ beweist.
Schwarzer Speed Metal halt. Ende Gelände. Klingt eh immer ähnlich und sieht auch so aus: schwarz umrandete Augen, optionale Leichenblässe, Friedhöfe als bevorzugte Shootingumgebung, Nieten, Jeans und Leder. Dazu Vocals, als würde man sich in der Stammkneipe im zweistelligen Bier-Modus darüber beschweren, dass die neue Lieblingsserie abgesetzt wurde. Und Satan natürlich.
Irgendwie stimmt es wirklich, dass das Subgenre enger sitzt als der Patronengurt. Aber ist das schlimm? Bei Bands wie VITRIOLIC kommt es halt auf die Riffs an. Die sind auf „Black Steel Vengeance“ natürlich zuhauf vorhanden. Gewinnen sie einen Innovationspreis? Eher nicht. Trotzdem sind die Finnen weit vom Einheitsbrei entfernt.
Das Zweitwerk punktet mit einem überragenden Sound, der nicht nach Garage klingt, uns inklusive Polterdrums aber gelungen in der Zeit versetzt. Ja, es ist optisch und klanglich schon ein sehr stures Musikgenre. Aber es macht verdammt viel Spaß! Hören wir uns nur mal die ausrastende Leadgitarre und das traditionelle Thrash-Riff in „Envenom Katharsis“ an.
Das ist Mucke für die Bühne. Und so stellt sich nach hinten raus auch die erwartbare Abnutzung ein, obwohl es in „Trench Raider“ durch klareres Gejaule zumindest stimmlich noch etwas Abwechslung gibt. Ich bleibe dabei: Muss man mögen, aber dann laufen VITRIOLIC – vor allem live – runter wie frisch Gezapftes.
Wertung: 7 volle Patronen am Gurt
Trackliste:
- Crown Of Fire
- The Eternal Return
- Death Unconquered
- Martial Spirit
- Envenom Katharsis
- Hellspawn – Heir To Darkness
- The Hunt
- Scorn Is The Son Of Defeat
- Trench Raider
- Black Steel Vengeance
Release: 17.01.2025
Spieldauer: 41:04
Label: Dying Victims
OLD FOREST – Graveside
von Johannes Werner
Hier haben wir den interessanten Umstand, dass die Briten OLD FOREST eine Band sind, die sowohl von André als auch von mir schon mal mit einer Rezension bedacht wurden. Egal, was alle sagen: Ich finde die schrulligen Oldschool-Black-Metaller aus London immer recht charmant. Was sie machen, machen sie normalerweise mit Substanz und Hingabe. Auf ihren immerhin neun Alben haben sie zwar kaum Alleinstellungsmerkmale entwickelt, liefern jedoch immer Qualität in einem erwartbaren Rahmen ab.
Das völlige Ausbleiben von Überraschungen hat den angenehmen Effekt, dass man sich – ähnlich wie bei LAMENT IN WINTER’S NIGHT, nur konsistenter – an eine Vergangenheit erinnert fühlt, in der Black Metal noch ein junges und unerforschtes Phänomen war. In solchen Zeiten hätten OLD FOREST mit ihrem Enthusiasmus ordentlich abgeräumt und würden heute sicherlich zu den ganz Großen zählen. So bleibt das Trio mit dem ebenfalls kultigen Bandfoto “nur” die vielleicht kompromissloseste, urwüchsigste Schwarzmetall-Band Englands.
OLD FOREST zeigen mit “Graveside” wie eh und je ihr Talent, eine dunkle, geheimnisvolle Vergangenheit voller Witchfinder, Vampire und anderer Gestalten der klassischen Gothic Novels zu evozieren – das dürfte allen reichen, die bisher schon gut mit der Band klargekommen sind. Der Vorgänger “Sutwyke” war aufgrund reduzierter Keyboards für mein Empfinden zwar stärker, doch “Graveside” ist mitnichten ein Abfall von der gewohnten Qualität. Keine Sorge, zum Ende haben wir noch mal einen echten Kracher für euch.
Wertung: Die ganze Band steht seit fast dreißig Jahren symbolisch für die 7.
Trackliste:
- Curse Of Wampyr
- Witch Spawn
- Solstice Sacrifice
- Interment Of Ashes (Interlude)
- Decrepit Melancholy
- Halway Human
- Soil Of The Martyrs
- Forgotten Graves
Release: 06.12.2024
Spieldauer: 43:14
Label: Soulseller Records
LÖMSK – Act I (EP)
von André Gabriel
Da hat Kollege Johannes beim Durchstreifen des altes Waldes doch tatsächlich die nächste Sieben gefunden. Und gleich mal einen Cliffhanger eingebaut, dass es so nicht weitergeht …
Ersteindruck: LÖMSK sind noch so eine Band, die optisch auffallen will. Auf den Promofotos stehen die Musiker in uniformartiger Einheitskleidung, dazu tragen sie Gasmasken. Den kriegerischen Themenrahmen spiegeln auch das Cover und die Pseudonyme. Ich fahre gerade durchs vernebelte Deutschland, während die EP „Act I“ läuft. Das Drumherum passt, aber nicht im düster-diabolischen Sinne, sondern als rauchverhangener Kriegsschauplatz, über dem viel Schmerz und Traurigkeit liegt.
Zweiteindruck: Bei LÖMSK gibt es kein Schema F, nach dem die Lieder entstehen. Die Schweden schreiben ausgeklügelte Songs mit kreativen Ideen für besondere Momente, Stimmungsaufbau und Emotionen. Hervorzuheben ist auch die intensive Intonation von The Colonel, der nicht plump keift, sondern teils gut verständlich und mit emotionaler Tiefe brüllt. In „Shovels And Ropes“ geschieht das sogar auf Höchstniveau – übrigens eine Nummer, die man mehrfach hintereinander hört (damit bietet „Act I“ den ersten echten Hit in der jungen Diskografie).
Finaleindruck: Mit der EP haben LÖMSK ein Juwel geborgen, das sie mit dem Debütalbum zum Funkeln bringen können. Ästhetisch etwas THE COMMITTEE, musikalisch ganz viel MGLA. So präsentieren sich die Schweden völlig untypisch schwedisch und sollten vor allem jenen sehr imponieren, die polnischen Black Metal mögen.
Wertung: klare Fast-neun-8
Trackliste:
- Si Vis Pacem, Para Bellum
- Shovels And Ropes
- Spetälsk
- The Eternal Return