Those Of The Unlight
Part IV – (Mai 2024)
Special
In der letzten Ausgabe unserer Kolumne „Those Of The Unlight“, in der André Gabriel und Johannes Werner den düsteren Untergrund von der zweiten bis zur letzten Reihe beleuchten, mussten sie sich fast ausschließlich durch rohstoffverschwendenden Unfug hören. Dem Deibel sei Dank haben sich dieses Mal wieder bessere Bands eingeschlichen, sodass sie euch mit dieser Ausgabe sogar einige eindeutige Empfehlungen aussprechen können.
Those Of The Unlight – Part IV mit:
PENTAGRAM CHILE
AMEN CORNER
ARISTARCHOS
NAXEN
KRÅBØL
PESTKRAFT
PENTAGRAM CHILE – Eternal Life Of Madness
von Johannes Werner
Seit fast vierzig Jahren zermürben die Kult-Asis PENTAGRAM CHILE schon die Welt mit herrlich rödeligem, angeschwärztem Death/Thrash. Trotzdem ist “Eternal Life Of Madness” erst die zweite Full-length der Band nach dem vor elf Jahren erschienenen “The Malefice”. In der Zwischenzeit gab es Singles, Splits und Compilations zuhauf. Außerdem muss man erwähnen, dass Mainman Anton Reisenegger mit BRUJERIA, CRIMINAL und LOCK UP noch bei einigen weiteren umtriebigen Kapellen spielt.
“Eternal Life Of Madness” ist ein ziemlicher Hammer geworden, dessen lange Wartezeit sich absolut gelohnt hat bzw. sogar gut ist – wem wäre denn geholfen, wenn die Chilenen in der Zwischenzeit alle zwei Jahre ein mittelprächtiges Album gemacht hätten? Stattdessen fahren PENTAGRAM CHILE in einer knappen Stunde ein abwechslungsreiches Programm gepflegter Rüpeligkeit auf, das sich aus wunderbaren Quellen wie CELTIC FROST, POSSESSED, den deutschen POISON, VULCANO, uralten SEPULTURA und anderen Vordenkern des extremen Sounds speist.
Wichtig dabei: PENTAGRAM CHILE kopieren nicht nur 40 Jahre alte Klassiker – in gewisser Weise sind sie eh selbst einer; wenn auch aus der zweiten Reihe. Immer wenn ein Tribut beginnt, etwas zu offensichtlich zu werden – sagen wir beispielsweise mal CELTIC FROST in “Possessor” – bricht ein anderer Part das Erwartungsbild auf und sorgt für eine interessante Dynamik. Ohnehin gelingt PENTAGRAM CHILE brutale Räudigkeit in Verbindung mit spielerischem Können, das allerdings niemals im Vordergrund steht – diese Kunst beherrschen aktuell nur NEKROMANTHEON aus Norwegen. Geile Produktion übrigens; mäandert genau richtig zwischen zeitgemäßen Möglichkeiten und den Tugenden des Undergrounds.
Wertung: Fette, unumstößliche 8
Trackliste:
- El Imbunche
- Possessor
- Omniscient Tyrant
- The Portal
- Eternal Life Of Madness
- Icons Of Decay
- Devourer Of Life
- State Of Grace
- The Seeds Of The Deed
- Deus Est Machina
- No One Shall Survive
Release: 26.04.2024
Spieldauer: 54:58
Label: Listenable Records
AMEN CORNER – Written By The Devil
von André Gabriel
Das erste Demo („Eternal Prophecies“) von AMEN CORNER kam 1992 raus, und seitdem haben sie sich nicht nur in Brasilien als Untergrundlegende etabliert. Auch im neuen Album „Written By The Devil“ steckt die alte Schule des Black Metal in jeder Ritze. Gemeint ist die erste Welle, in der das plakative Schwarze direkt von Satans Thron in den Thrash und Speed Metal floss.
AMEN CORNER frönen aber auch dem traditionellen Stahl. Das entfernt die Musik noch deutlicher vom instrumentalen Black Metal – das Schwarzmetallische liegt vor allem in den Texten. Auch anno 2024 agieren AMEN CORNER eher langsam, heavy und okkult statt rasend, brachial und melodisch. Das erinnert oft an die frühen ROTTING CHRIST.
Der Knackpunkt: Zwar erzeugt „Written By The Devil“ eine ansprechend rückbesinnte Stimmung, aber die richtig guten Riffs fehlen. Vieles tönt zu bekannt, als dass es vom Hocker reißt. Das ist natürlich ein zeitliches Problem, denn in den 90ern hätte das Album vermutlich vom Fleck weg Kultstatus erreicht.
Weil die musikalische Herangehensweise sympathisch ist, es mindestens beim Opener „The War Of The Antichrist“ und beim Titeltrack ordentlich im Nacken und in den Füßen zuckt und das Cover-Artwork des brasilianischen Künstlers Marcos Miller wirklich stark ist, gibt es einen gnädigen Extrapunkt.
Wertung: Schweren Herzens nur knappe 6
Trackliste:
- Intro
- The War Of The Antichrist
- The Protectors
- Fall And Ascension
- Signal From Beyond
- Inferno
- Written By The Devil
- The Splendor Of Your Presence
- Lúcifer, A Suprema Luz Da Manhã
Release: 07.06.2024
Spieldauer: 44:35
Label: Hammerheart Records
ARISTARCHOS – Martyr Of Star And Fire
von Johannes Werner
Die anonymen Schotten ARISTARCHOS sind – das ist bitte als Kompliment zu verstehen – eine typische Band für Vendetta Records. Sie wissen, was sie tun, haben Sinn fürs Konzeptionelle, eindeutige musikalische Kompetenz und ziemlich viele gute Ideen. Hat man zunächst noch den Eindruck “Guter Atmospheric Black Metal, aber den gibt’s ja aktuell zuhauf”, wächst “Martyr Of Star And Fire” mit jedem Durchlauf und wird streckenweise sogar richtig originell.
Klar, Atmo-BM ist ein grundsätzlich eng abgesteckter Rahmen, in dem schon fast alles gesagt wurde. ARISTARCHOS stellen sich da mit ungewöhnlichen Elementen im Sound und einer gesunden Vorsicht vor zu viel Monotonie ziemlich clever an – bei vier Songs, die fast alle zwischen 8 und 10 Minuten auf die Uhr bringen, ist das keine Selbstverständlichkeit.
ARISTARCHOS lassen sich insgesamt schwer einordnen, sollten aber für Leute interessant sein, die an so unterschiedlichen Bands wie OPHANIM, AKHLYS oder FYRNASK Gefallen finden. Nachdem sich viele Alben im atmosphärischen Black Metal der letzten Jahre etwas ähnlich anhörten und dabei meist vergessen hatten, dass es auch andere Inspirationsquellen als das Ein-Mann-Projekt eines gewissen norwegischen Mörders und ex-Häftlings gibt, macht “Martyr Of Star And Fire” wieder Hoffnung, dass das Sub-Sub-Genre noch nicht endgültig zu Grabe getragen werden muss. Well done, Leute!
Wertung: Knappe, aber verdiente 8
Trackliste:
- Atrium – Martyr Of Star And Fire
- Orb – Shadow Memories Of The Enlived Amid The Deathless Aether
- Oath – Dispersal Of The Spectral Awning In Perpetual Flame
- Adornment – Endless Syzygies Of The Constant Immaterial
Release: 05.04.2024
Spieldauer: 32:45
Label: Vendetta Records
NAXEN – Descending Into A Deeper Darkness
von André Gabriel
Der Schwarztupfer ihres Debüts „Towards The Tomb Of Times“ von 2020 war so fett, dass er zum Release des zweiten Albums „Descending Into A Deeper Darkness“ nicht verblasst ist. NAXEN zählen im deutschen Untergrund abseits der elitären Quacksalber zu den sehr vielversprechenden Bands.
Durch und durch melancholisch, verzweifelt, zehrend, abwärtsziehend tönt der Depressive Black Metal von NAXEN. Ganz so, wie man ihn aus der Vendetta-Schmiede erwartet, wenn man an Bands wie ULTHA denkt. Das alles verbinden die Münsteraner mit einem fantastischen Melodieverständnis und oft hoher Geschwindigkeit. So entsteht ein finster gewebter Soundteppich, auf dem wir durch die existenziellen Abgründe fliegen … „Descending Into A Deeper Darkness“ eben.
Weil es die Stimmung sehr gut einfängt, zitiere ich das Promoblatt: Die Songs verkörpern „die Überzeugung, dass alle Hoffnung verloren ist, das Grauen die Existenz beherrscht, das Leben das Trauma der Geburt ist.“ Instrumental blitzen auch immer wieder traditionelle Black-Metal-Momente auf. Ich wollte es nicht glauben, als ich es im Promosheet las, aber hier und da hören wir auch Nuancen, die an UADA und MGLA erinnern – in „Triumphant Tongue Of A Thousand Swords“ besonders stark.
Die Symbiose ist ein aufwühlendes Hörerlebnis. NAXEN sind absolut gereift und haben sich neun Punkte mehr als verdient. Wenn jetzt noch die zu vernuschelten Vocals besser werden, ist der ganz große Sprung drin. Wo ist eigentlich das Gekreische hin?
Wertung: 9 mit Luft nach oben
Trackliste:
- Our Souls Shall Fall Forever
- To Writhe In The Womb Of Night
- A Shadow In The Fire – Pt. III (A Life Led By Loss)
- Triumphant Tongue Of A Thousand Swords
Release: 03.05.2024
Spieldauer: 42:46
Label: Vendetta Records
KRÅBØL – Never
von Johannes Werner
Black-Metal-Familienbands dürfte es in der Historie bisher wenige gegeben haben. Spontan fallen mir nur die mysteriösen Urgesteine FLAMES OF HELL aus Island ein, die in den Achtzigern von drei Brüdern betrieben wurde und ein gesuchtes Album namens “Fire And Steel” veröffentlichte. Familie KRÅBØL aus Trondheim scheint eine kleine Black-Metal-Dynastie zu sein. Am Gesang steht der 28-jährige Brage Kråbøl, der mit MISOTHEIST und ENEVELDE kein Unbekannter ist. Sein Vater Terje Kråbøl spielte schon auf Alben von SARKE, FAUSTCOVEN, BETHZAIDA und einem alten THORNS-Demo (Second-Wave-Credibility!) und dessen Bruder, Brages Onkel Stian, war ebenfalls schon Mitglied bei SARKE, TULUS und KHOLD. Außerdem spielt eine nicht näher bekannte, vierte Person der Familie auf dem Album die – nicht übermäßig präsente – Trompete.
Die Black-Metal-Welt hat vielleicht nicht auf KRÅBØL und “Never” gewartet, schlecht ist das Album jedoch auch nicht. Wahrscheinlich aus dem Bedürfnis entstanden, gemeinsam als Familie Musik zu machen – sicher die Attraktion auf jeder Familienfeier –, unterscheidet sich die Band nicht wesentlich von den anderen Schauplätzen ihres Sängers, die für sich genommen schon häufig gut bis sehr gut, aber noch nie überragend gewesen sind. Wer von dem Stil allerdings nicht genug bekommen kann, macht mit “Never” nicht viel falsch.
Wertung: Für solche Alben wurde die 7 erfunden
Trackliste:
- Talisman
- Perish
- Nattsvarte Brunn
- The Blacken’d Waterd Sleep
- Fundaments
- Armodsgrå
Release: 31.05.2024
Spieldauer: 38:18
Label: Terratur Possessions
PESTKRAFT – Ancestral Sounds
von André Gabriel
Vom spanischen Valencia aus weht ein Pesthauch in die schwarzmetallisch verunreinigten Gehörgänge. Schon mit „Litanies Of The Plague“ haben PESTKRAFT eine giftige Marke hinterlassen und „Ancestral Sounds“ steht dem in nichts nach. Die Kompositionen sind überwiegend linear, viele Überraschungen gibt es nicht.
Positiver ausgedrückt, weil das Album wirklich gut ist: geradliniger, kompromissloser Black Metal in norwegischer 90s-Tradition, der das Tempo auch mal drosselt, um noch tiefer in den Abgrund zu kriechen. Und vor allem dort, in den letzten finsteren Winkeln, findet sich doch der eine oder andere bemerkenswert arrangierte Moment, insbesondere mit der Leadgitarre, der „Ancestral Sounds“ von der sicheren sieben auf die Kaufempfehlung hievt.
„Unsere Musik ist für das dunkelste Publikum, für diejenigen, die sich zur anderen Seite, zum Tod, zu den Ahnen und den Wurzeln hingezogen fühlen“, sagt die Bandgründerin Blodig. Von ihr stammen auch die fantastischen Vocals, die immer wieder in infernalische Schreie driften, die wir von Bands wie NORNIR und DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT kennen. Ein großes Plus im Klangkosmos von PESTKRAFT und für viele sicherlich ein Grund, warum die Platte mehrmals rotieren wird.
Wertung: Es war knapp, aber 8
Trackliste:
- Memento Mori
- Lost Soul
- The Gates Of Hell
- Ancestral Sound
- Altar For The Dead
- The Shadow Of Death
- Spirits Walk The Earth
- La Plegaria Del Féretro