The Vision Bleak
Träume im Horrorhaus: "The Unknown" vorab gehört

Special

The Vision Bleak

Mit teuflischem Grinsen deutet mir Herr Konstanz an, doch in einen alten Ohrensessel Platz zu nehmen. Staub wirbelt auf, als ich mich setze, doch das nehme ich nicht wahr. Denn alle meine Sinne werden von einem altarhaft aufgebauten Tischlein in Beschlag genommen, auf dem ein Grammophone ruht. Eine seltsame Aura geht von dem Gerät aus – doch, halt, nein: Es ist nicht das Grammophon selbst, welches diese Aura ausstrahlt. Es ist die Schellackplatte, die darauf, noch unbewegt, ruht. „The Unknown“ ist darauf vermerkt. Mit wissendem Lächeln bringt Herr Schwadorf die Platte zum Laufen und legt die Nadel auf. Kaum erklingen die ersten Töne, fühle ich mich als Gefangener der Kunst THE VISION BLEAKs … wird es vor „The Unknown“ ein Entkommen geben?

„Spirits Of The Dead“

Wie von THE VISION BLEAK gewohnt, präsentieren die beiden Gentlemen zunächst einen Prolog als Einführung in ihre neuen Schaurigkeiten. Und dennoch wirkt „Spirits Of The Dead“ anders: nicht pompös, nicht so direkt wie die Prologe voriger Werke. Akustikgitarren malen hintergründige Melodien, ein Piano gesellt sich dazu. Herr Konstanz ergänzt das Geschehen mit ruhigem Gesang, wie nur er ihn zelebrieren kann.

„From Wolf To Peacock“

Mit „From Wolf To Peacock“ führen mich THE VISION BLEAK zum ersten wahrlichen Kapitel ihres neuen Schauerwerkes. Der Übergang aus dem Prolog in den ersten Titel von „The Unknown“ gestaltet sich als sehr hart und überraschend. Fast erinnert das Hauptthema des Stückes gar an schwarzmetallische Extremauswüchse solcher Horrorkollegen wie DIMMU BORGIR, eine melodische Leadgitarre liegt über hartem Schlagzeugspiel und einer rasenden Rhythmusgitarre, während das elektronische Sinfonieorchester im Hintergrund düstere, doch eingängige Klänge anstimmt. Im hinteren Teil des Raumes zeigen sich THE VISION BLEAK dann doch von altbekannter Seite und lassen einen jener schweren Höllengrooves auf mich los, für die wohl nicht nur ich die Band so sehr schätze. Ein hartes und düsteres Kapitel, mit dem „The Unknown“ beginnt, doch mit einer eindringlichen, beinahe verträumt wirkenden Gitarrenmelodie ausgestattet.

„The Kindred Of The Sunset“

Herr Konstanz und Herr Schwadorf geleiten mich weiter in den nächsten Albtraum ihres neuen Horrorwerkes. „The Kindred Of The Sunset“ ist das zweite vollwertige Kapitel benannt, und man kennt es bereits von einer früheren Auskopplung auf der Kurzanthologie mit gleichem Namen. Dieses Kapitel ist wohl das für THE VISION BLEAK gewöhnlichste auf „The Unknown“, bietet es doch mit seinem stampfenden Einstieg, seinem eingängigen Kehrvers und seiner tollen, tanzbaren Rockweise klassische THE VISION BLEAK-Kunst. Mit dem akustischen Intermezzo in der Kapitelmitte, das dem Stück eine mysteriöse, geheimnisvolle Atmosphäre verleiht, beweisen die Urheber jedoch, dass ihnen das Gewohnte für „The Unknown“ zu wenig ist.

„Into The Unknown“

Das nächste Kapitel. Schleppend nach Art des Doom Metal beginnt „Into The Unknown“, umhüllt mich mit seiner atmosphärischen Herangehensweise, legt mich damit aber gut herein – denn sofort geht es mit einem stampfenden, wuchtigen Teil weiter. Eine einsame Töne spielende Leadgitarre in der ansonsten reduzierten Strophe frisst sich durch ihre eindringliche Art aus dem Hintergrund heraus direkt in mein Gehirn, bevor ein majestätisch-erhabener Refrain einen DER Höhepunkte von „The Unknown“ darstellt. Gelegentliche Twin-Gitarren-Motive hinterlassen zudem einen Eindruck, als wären THE VISION BLEAK bei der Komposition dieses Stückes von den frühen Großmeistern des metallischen Horrors, IRON MAIDEN, besessen gewesen.

„Ancient Heart“

Ein rhythmischer Start erschlägt mich zu Beginn des nächsten Kapitels „Ancient Heart“. Flöte, geflüsterter Gesang und chorale Elemente verleihen dem Stück einen morgenländischen Hauch, während sich im weiteren Verlauf schnelle Teile mit der Rhythmik des Thrash Metal sowie beschwörungshaften Formeln abwechseln. Ein variables, seltsames und okkultes Kapitel, das aber gerade damit eine Menge Reiz besitzt.

Ich bin gefangen.

Vier Kapitel plus Prolog haben mich THE VISION BLEAK bis hierher in ihrem Horrorkeller erfahren lassen, und langsam wird die schwefelige Luft erdrückend, das fahle Licht macht den Anschein, als solle hier nie wieder Sonne scheinen. Herr Konstanz und Herr Schwadorf stimmen mir in einer kurzen Atempause zu – anders sollte „The Unknown“ sein, sagen sie, düsterer, variabler, atemloser. Eben unbekannter. Ich frage mich, was noch kommen mag – während ein Teil von mir hofft, doch irgendwann wieder das Sonnenlicht zu erblicken, ist ein anderer Teil meiner Seele gefesselt von den Schauergeschichten, die mir THE VISION BLEAK mit „The Unknown“ erzählen, und macht keinerlei Anstalten, die Flucht zu wünschen.

Galerie mit 22 Bildern: The Vision Bleak - Weird Tales and Other Haunting Stories Tour 2024 in Erfurt

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12.05.2016

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