The Kovenant
Listening Session zu "SETI"
Special
Wohl keine andere Band hat sich auf jedem ihrer Alben so konstant weiterentwickelt wie The Kovenant. Ihre erste CD „In Times Before The Light“ stand für rohen, aber melodiösen Black Metal, wie man ihn aus Norwegen kennt. Auf ihrem bisher erfolgreichsten Werk „Nexus Polaris“ wurde dieser um progressive, „kosmische“ Elemente erweitert, bevor dann auf „Animatronic“ mit einer elektronischeren, sehr modernen Ausrichtung der Stilbruch kam, den ihnen einige Fans bis heute nicht verziehen haben. Ende März kommt nun mit „SETI“ deren mit Spannung erwartete, vierte Langrille in die Läden. Mit einer soundtechnischen Weiterentwicklung war also gemäß der Bandphilosophie wieder zu rechnen. Nur in welche Richtung sollte sie diesmal gehen?
Gespannt harrten Azazel und ich also der Dinge, die uns im gemütlich Treffpunkt in Göppingen, wo auch schon die Listening Session zu dem Anthrax-Hammer „We’ve Come For You All“ stattgefunden hat, erwarten sollten. Noch schnell mit einem Bierchen bewaffnet, die Stifte gespitzt und dann konnte es auch schon losgehen.
Cybertrash
Sehr Rammstein-lastig geht dieser Track los, bevor mit Einsatz des Gesangs die erste faustdicke Überraschung auf uns wartet. Lex Icon singt clean, was sehr gewöhnungsbedürftig klingt. Während der Strophen dominiert die Elektronik, bevor ein von weiblichem Gesang verstärkter Refrain wieder den Gitarren Platz macht. Musikalisch ein gelungener Song und sehr „Animatronic“-like. Nur der Gesang will mir nicht so ganz schmecken.
Planet Of The Apes
Abgehacktes Riffing und abgedrehte, elektronische Sample-Spielereien bestimmen diesen Song, der alles in allem recht beschwingt aus den Boxen knallt. Der Refrain ist gekennzeichnet durch einen eingängigen Text samt Melodie. Im Mittelteil hat die Gitarrenarbeit fast schon einen neo-thrashigen Einschlag.
Star By Star
Als Clubsingle angekündigt wissen wir auch gleich, warum die Wahl auf dieses Stück gefallen ist. Schleppend-langsames Riffing geht über in eine rein elektronische Strophe, die von der Gesangsmelodie her auch aus der Feder von Paradise Lost hätte stammen können. Mittig nimmt dann der Härtegrad kurzzeitig zu und es ist erstmals der gewohnt heftig verzerrte Gesang Lex Icons zu hören. Dies währt aber nur kurzzeitig, denn gegen Ende wird es wieder gemächlich und schwermütig.
Via Negativa
Die anfängliche Mischung aus Gitarren und Keyboard kommt sehr Samael-ähnlich rüber. Rhythmisch werden die Stakkatoriffs von den Drums bestimmt, was live garantiert sehr hart rüberkommt. Im Text haben The Kovenant kleine Zitate anderer Bands (u.a. Slayer und Machine Head) versteckt. Viel Spaß beim Suchen. Eins darf ich noch vorwegnehmen: „Via Negativa“ ist trotz etwas künstlich ausgedehnter Länge eines der spärlich gesäten Highlights auf „SETI“.
Stillborn Universe
Sehr langsam und ruhig beginnt dieses Stück und erwacht bis zum Ende auch nicht mehr aus dieser Lethargie. Während der Bridge gesellt sich weiblicher Gesang hinzu, der in der Gesamtheit gesehen auf „SETI“ weniger zum Einsatz kommt als noch auf „Animatronic“. Einziger Lichtblick sind die unerwartet auftauchenden verzerrten Vocals im Mittelteil. Ein recht belangloses Stück.
Acid Theatre
Nebelhafte Gespenstersamples bestimmen den Klang dieses Songs. Die Gitarren halten sich nach hartem Anfang merklich zurück, bevor nach einem Elektrobreak endlich mal die Double Bass durchbricht und etwas Schmackes in die Angelenheit bringt.
The Perfect End
Wieder einmal plätschert einem Midtempo entgegen, wobei für die Melodie einzig der Gesang und die elektronischen Parts verantwortlich sind. Alles in allem ist dieser Song sehr belanglos geworden.
Neon
Ähnlich ergeht es uns hier. Das Strickmuster ist mittlerweile bekannt. Abgehacktes Jump-Jump-Riffing trifft auf elektronisch gehaltene Strophen mit cleanem Gesang, der mir einfach nicht reinlaufen will, und einige (diesmal orientalisch angehauchte) Samples. Zudem nervt die abschließende, ständige Refrainwiederholung etwas.
Keepers Of The Garden
Ein vielversprechender Anfang ändert auch nichts daran, dass hier zum zigsten Male im Midtempo musiziert wird. Das vereinzelte Neo-Thrash-Gitarrengequietsche wird mit Sicherheit dem einen oder anderen übel aufstossen. Mit Sicherheit eines der besseren Stücke der Platte, aber im Endeffekt immer noch zu beliebig und austauschbar.
Pantomime
Hey, eine Gitarrenmelodie! Eine Neuheit auf „SETI“, auch wenn sie mich etwas an „Clawfinger in Zeitlupe“ erinnert. Ansonsten ist dieses Stück noch langsamer als die bisherigen, hier kommt aber endlich mal Lex Icons cleaner Gesang besser zur Geltung. Ganz klares Highlight ist der Ausbruch mit Kreischvocals und heftigen Gitarren gegen Songende, der einen kurzzeitig mal richtig wach macht.
Hollow Earth
Yes, endlich geht es mal richtig schön hart zur Sache. Vom Aufbau her erinnert dieser Song an „The Human Abstract“ und hätte nicht nur deswegen gut auf „Animatronic“ gepasst. Neben „Via Negativa“ das beste Stück der Platte. Warum nicht immer so?!
Industrial Twilight
Am Ende fahren The Kovenant noch einmal alles auf, was an Bombast möglich ist: Streicher, Chöre, hymnische Arrangements. Auch das Riffing hebt sich etwas von den anderen Songs ab, was zusammengenommen einen der besseren Tracks dieser Platte zu ihrem Schlußpunkt macht.
Nun, welches Fazit zieht man jetzt? Ich bin wirklich kein Mensch, der jegliche Form von Weiterentwicklung kategorisch ablehnt. Nur leider muss ich sagen, dass die von The Kovenant in meinen Augen in die falsche Richtung geht. Zu wenig wurde auf Lex Icons bewährten, kranken Kreischgesang zurück gegriffen, um stattdessen meist nichtssagendem, cleanem Gesang Platz zu machen. Desweiteren ist mir „SETI“ eindeutig zu Midtempo-lastig und poppig orientiert ausgefallen und geht deswegen weniger nach vorne als noch „Animatronic“. Diese Neuerung dürfte aber wohl genausoviele Befürworter und Gegner finden wie das ab und an auftretende, neo-thrash-kompatible Riffing. Die Produktion, für die sich Siggi Bemm verantwortlich zeichnete, lässt hingegen keine Wünsche offen. Somit ist „SETI“ zu einem sehr zweischneidigen Schwert geworden, das noch mehr polarisieren wird, als es die bisherigen Alben der Norweger ohnehin schon getan haben.
Abschließend hatten wir noch die Gelegenheit, nachdem sich unsere Geschmacksnerven von den verflixt scharfen Nacho-Saucen wieder erholt hatten, Sänger und Bassist Lex Icon (früher bekannt unter dem Namen Nagash als Bassist von Dimmu Borgir), der sich als sympathischer und sehr Interview-geduldiger Zeitgenosse entpuppte, einige Fragen zu stellen:
Was kannst Du für kleine Geschichten, Hintergründe zum neuen Album erzählen?
Nimm S.E.T.I., den Albumtitel. Er ist sehr repräsentativ dafür, wie wir die Menschen sehen. Die meisten sind Arschlöcher und Idioten, die nichts wissen. Das spiegelt sich z.B. im Song „Planet Of The Apes“ wider. Ich komme vom Land, wo es viele Hillbillies gibt, die einfach nur in ihrem Auto durch die Gegend fahren, Britney Spears hören und meinen, sie wären die größten. Im Prinzip ist dieses Album samt Titel eine Metapher für unsere Ablehnung den meisten Leuten gegenüber, die sich einfach nur anpassen. Echte Kraft besteht darin zu machen, was man will und worauf man Lust hat.
Im Titel ist die Rede von außerirdischer Intelligenz. Glaubst Du an so etwas?
Es kommt darauf an, wie man diese Intelligenz definiert. Wenn du eine Art menschliche Intelligenz meinst, dann glaube ich nicht daran. Aber ich glaube an Leben außerhalb unseres Planeten. Das können Bakterien, Tiere oder was weiß ich etwas sein. Aber ich glaube an keine menschenähnlichen, außerirdischen Wesen.
Gibt es ein textliches Konzept auf diesem Album, das alle diese Gedanken aufgreift?
Es gibt ein Konzept. Es richtet den Finger auf alle Verlierer, die aufgrund ihrer Religionen oder Kulturen ihre Augen vor größeren Dingen verschließen, was in all diesen Kriegen mündet. Es bezieht sich genauso auf den Al Quaida-Terror wie auch auf George „Militärpolizei“ Bush, auf China, Nordkorea, Russland. Das ist mit Sicherheit irgendwo ein Klischee, wenn ich sage: „Mache nie, was sie wollen, das Du machst! Sei nie, was sie wollen, das du bist! Höre nicht auf sie, denn sie lügen nur! Sie wollen dich nur kontrollieren! Öffne die Augen und du wirst ein besserer Mensch!“ Es geht auch um das Christentum und den Satanismus. Die Christen haben einen Gott, ich nicht. Satanismus heißt, dass der Mensch ein Tier ist. Das ist genauso Schwachsinn.
Das klingt alles ein wenig nach Orson Welles‘ 1984. Ist das einer der Haupteinflüsse gewesen?
Oh ja, natürlich. Ich bin ein großer Science-Fiction-Fan. Planet der Affen, Soilent Green, 1984 oder Animal Farm sind großartige Filme, denn sie zeigen dir, wie die Gesellschaft wirklich funktioniert. Willst du fünfzig Jahre lang jeden Tag von 9 bis 17 Uhr zur Arbeit gehen? Ich nicht. Das ist Zeitverschwendung.
Wie haben sich eure musikalischen Einflüsse entwickelt? Wo liegen die Unterschiede zwischen „S.E.T.I.“ und „Animatronic“?
Diesmal haben wir uns vom Synth-Pop aus den 80ern beeinflussen lassen, von Bands wie Depeche Mode, Sisters Of Mercy, A-Ha, Duran Duran. Das haben wir in letzter Zeit viel gehört und das hat natürlich seine Spuren hinterlassen. Du erinnerst Dich an nichts, was langweilig und gesichtslos war. Aber du behälst immer Songs im Gedächtnis, die etwas bedeuten. Das kann Darkthrone sein, oder Marylin Manson, oder Ozzy. Aber das, was alle diese Bands gemeinsam haben, ist, dass sie voll hinter dem stehen, was sie tun. Nicht so wie z.B. Britney Spears. Da gibt es diesen einen Kerl in Schweden namens Max Martin, der alle diese Songs schreibt. Sei es für Britney, die Backstreet Boys oder Bon Jovi. Schreckliche Lieder.
Ja, stimmt. Der hat auch ein Lied für das neue Pain-Album beigesteuert.
Auf keinen Fall. Das könnte sich Peter nicht leisten.
Doch doch! Das ist wahr.
Welcher Song war es denn?
Just Hate Me
(grinst) Das ist Peter. Ein guter Freund von mir. Aber das kann man nicht vergleichen. Der Song ist auf der einen Seite sehr komplex, auf der anderen aber auch wieder sehr simpel.
Woran liegt es, dass du deinen Gesangsstil geändert hast? Auf „Animatronic“ war er noch wesentlich extremer.
Ich habe jetzt die letzten zwölf Jahre extreme Dinge gemacht. Black Metal, Dimmu Borgir oder Nocturnal Breed, auf deren erstem Album ich die Drums eingespielt habe. Aber in diesen Tagen ist die gesamte Szene so anders. Extreme Musik ist auf der einen Seite kommerzieller Mainstream geworden, auf der anderen aber immer noch sehr verschieden davon. Es gibt so viele verschiedene Stile wie Black Metal, Death Metal, Doom Metal, Goth Metal, etc. Wir aber wollen etwas anderes machen. Alles, was wir in unserer Musik kombinieren, lieben wir. Hellhammer mag King Diamond, also finden sich einige Elemente dieser Musik in unseren Songs wieder. Psy Coma liebt KMFDM, ich noch andere Sachen. Also mixen wir das alles zusammen. Während „Nexus Polaris“ und „Animatronic“ dachten wir, wir müssten die Alben mehr in Richtung Metal machen. Es war sehr cool, als wir sie gemacht haben. Aber jetzt wollte ich das nicht mehr.
Man könnte euch vorwerfen, ihr würdet eure Identität verlieren.
Nein, wenn ich das tun würde, hieße ich immer noch Nagash und würde Black Metal spielen. Wir könnten „Nexus Polaris“ Teil 2, 3 und 4 aufnehmen. Das würde Geld bringen und jeder würde sagen, was das doch für tolle Alben wären. Das wollen wir aber nicht.
Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass das Riffing in einigen Parts sehr an den Neo Thrash angelehnt ist?
In einigen Teilen ja. Es ist aber auch viel German Goth dabei. Wir haben Amerika, Deutschland und ein paar andere Regionen soundmäßig zusammengesmischt.
Magst du Rammstein?
Ja, sehr. Aber der erste Song vom deren neuem Album ist geklaut von Marylin Manson. Verändere den Drum Beat (dabei trommelt er mit seinen Fingern erst den Rhythmus von „Mein Herz brennt“, dann den von „Beautiful People“ auf dem Tisch und summt dazu das Riff. Und siehe da, er hat recht! Anm. d. Verf.) und du wirst es merken. Daran siehst du mal wieder folgendes: Es kommt nicht darauf an, was für Musik du selbst magst, solange es die Leute mögen. Slayer könnten ein beschissenes Discoalbum einspielen. Wenn die Leute es mögen…ok. Wenn nicht…fuck it. Es ist jedem von uns selbst überlassen. Wenn du die Musik magst, hörst du sie. Wenn nicht, dann eben nicht.
Daraus kann man schließen, dass du dich einen Scheißdreck um diesen ganzen True Norwegian Black Metal-Kult kümmerst. Stimmt das?
Das stimmt, denn diese ganze Geschichte ist sehr falsch. Denn was wäre in diesem Falle untrue? Das wären Bands, die von ihren Plattenfirmen diktiert werden, denen vorgeschrieben wird, was sie aufzunehmen haben. Satyricon z.B., die jetzt bei EMI sind. Das ist Sellout. Aber jede extreme Metalband macht die Musik, die sie machen will. Wenn dann ein Label sagt „Hey, das gefällt uns nicht!“ sagt die Band „Ok, dann veröffentlichen wir es eben woanders.“ Das ist bei Major Bands, egal ob Britney Spears oder Rammstein anders. Da sagt das Label „Macht das so!“ und sie müssen es so machen.
Warum hat es eigentlich vier Jahre gedauert, bis das neue Album fertig war?
Ich wollte einfach keine Musik mehr machen. Ich war einfach nur noch abgenervt von Leuten die gesagt haben „Du bist true, du nicht! Das ist Metal, das nicht!“. Ich konnte das nicht mehr hören, weil ich machen will, was ich will. Dann haben wir bandintern wieder angefangen, über ein neues Album nachzudenken, das so sein sollte, wie wir es wollen. Also haben wir insgesamt ca. 20 Songs geschrieben. Sogar ein Metallica-Cover ist dabei. Aber „Master Of Puppets“ oder „Ride The Lightning“, was alle wollten. Wir haben einen neuen Song genommen.
Welchen?
Wir haben „The Memory Remains“ im Kovenant-Stil gecovert, wie wir es auch schon mit „Spaceman“ von Babylon Zoo gemacht haben.
Wie wird er Verwendung finden? Als Bonustrack, Single-B-Seite?
Ja, irgendetwas in diese Richtung. Wir wissen es noch nicht.
Single ist ein ganz gutes Stichwort. „Star By Star“ wird die erste Auskopplung für die Clubs werden. Glaubst du, ihr könnt euch damit neue Hörer erschließen?
Ja, natürlich. Deswegen machen wir das ja so.
Hier könnte wieder der Vorwurf des Kommerzes laut werden.
Hey, Geld ist die Wurzel allen Übels! (lacht) Aber jetzt mal im Ernst, was ist so schlimm daran, Alben zu verkaufen? Deswegen wirst du doch Musiker. Und natürlich will ich Geld haben. Aber wenn ich mehr Geld haben wollte, wäre ich doch bei Dimmu geblieben oder wir hätten viele „Nexus Polaris“-Fortsetzungen aufgenommen. Darum geht es mir aber nicht.