Tankard
For a Thousand Beers - Die History

Special

Hessen im Jahr 1982. Im beschaulichen Frankfurt finden sich die Schulfreunde Andres ‚Gerre‘ Geremia, Frank Thorwarth, Axel Katzmann und Oliver Werner zusammen um ihrer Liebe zum Heavy Metal zu frönen. Doch Heavy Metal alleine macht nicht glücklich und so durfte es für die Hessen gerne härter zugehen, die Richtung war klar: Thrash Metal musste es sein. Dazu die Affinität zu Hopfenkaltschorle und schon waren TANKARD geboren. Da sie nie zum deutschen Dreigestirn gezählt wurden, ist es umso erfreulicher, dass sie auch heute noch Platten herausbringen. Mit „For A Thousand Beers“ liegt nun eine besondere Box vor (ebenfalls auf Vinyl erhältlich). Es sind die Alben der Noise-Ära enthalten, sowie eine DVD, die das „Fat, Ugly And Live“-Album (in Audioform) enthält, sowie das VHS-Tape „Open All Night“ (mit dem legendären Gig in Ost-Berlin 1990) in überarbeiteter Version.

Die Anfänge

Aber zurück zu den Anfängen. TANKARD waren für eine Vormachtstellung im Thrash Metal 1986, als ihr Debütalbum „Zombie Attack“ heraus kam, eigentlich zu spät dran. Da hatten sich KREATOR, DESTRUCTION und SODOM bereits ihre feste Basis erspielt. Dennoch konnte sich die Band mit dem Debüt viele Freunde erspielen. Kein Wunder, denn Songs wie der Titeltrack, „Mercenary“, „Poison“ oder die Bandhymne „(Empty) Tankard“ wissen auch heute noch zu packen. Aber nicht nur die Songs, auch die fruchtbare Zusammenarbeit mit Harris Johns (Produzent – cb) fiel in eine für TANKARD sehr erfolgreiche Zeit. Jener Harris Johns veredelte alle Album bis einschließlich zum Jahr 2000, was auch im Metal schon eine lange Zeit darstellt. Aber auch die Zusammenarbeit mit Coverkünstler Sebastian Krüger verhieß für die Band Vielversprechendes. Wer die Cover der Band kennt, weiß, was ich meine. Allesamt kult. TANKARD waren 1986 also auch am Start und konnten ihren Status mit den folgenden Alben mit ihrer Mischung aus ironischen und ernsten Texten, sowie einem völlig eigenem Bandsound auch international punkten.

Der Durchbruch

Das folgende Album „Chemical Invasion“ aus dem Jahr 1987 schlägt in die gleiche Kerbe wie das Debüt, ist vom Songwriting her aber ein ganzes Stück besser ausgearbeitet worden. Mit dem Titeltrack steht zudem ein All-Time-Classic auf der zweiten LP-Seite, aber auch „Total Addiction“, „Tantrum“ oder „Don’t Panic“ (quasi die komplette A-Seite) können überzeugen und zeigen eine hungrige Band, die sich ihrer Stärken eindeutig bewusst ist. Die Riffs sind aggressiver ausgefallen und auch das Tempo variiert ständig, wobei die Thrash-Metal-Elemente natürlich weit im Vordergrund stehen, aber es ist hier kein stupides Gebolze zu hören. Auf „Chemical Invasion“ ist auch das erste Mal TANKARDs Vorliebe für Coverversionen zu hören (in Form von „GANG GREENs „Alcohol“). Das ‚Make-It-Or-Break-It‘-Album (gemeinhin wird so die dritte Platte einer Band genannt – cb) hört 1988 auf den Namen „The Morning After“ und hat neben erstklassigem Thrash Metal vor allen ein kultiges Cover zu bieten (natürlich von Sebastian Krüger). Harris Johns hat den Frankfurter Jungs hier einen feinen Sound gezaubert. Jeder Snare-Schlag klingt wie ein Peitschenhieb und auch der Gitarrensound ist jetzt TANKARD-typisch. Unnötig zu erwähnen, dass die Platte (genau wie der Vorgänger) sehr erfolgreich war. Den Lohn hierfür heimste die Band bereits vor VÖ des dritten Albums ein und die Band konnte auf eine ausgedehnte Tour gehen (Support: DEATHROW), die sie u.a. in die Niederlande und die Schweiz führte. „The Morning After“ hat einen ähnlichen (finanziellen) Erfolg aufzuweisen wie „Chemical Invasion“ und wurde auch in den Medien mit Lob überhäuft. Auch wenn mancher Redakteur die Band als ein wenig eingefahren beurteilte. Oberflächlich betrachtet ist das sicher möglich, doch hatte auch das dritte Album der Band seine Momente, weshalb es heute zu Recht als Klassiker gilt. Und auch auf „The Morning After“ findet sich wieder eine Coverversion („Try Again“ von den SPERMBIRDS – cb), ein Zustand der sich noch bis zu TANKWARRT zuspitzen sollte. Dazu aber später mehr. Nach dem ‚Best Of‘- Album „Hair Of The Dog“ verließ Drummer Oliver Werner die Band (ein erster von wenigen Besetzungswechseln) und wurde durch Arnulf Thunn ersetzt, der sich sofort Geschehen stürzte.

Der erste Charterfolg

Mit der folgenden „Alien“-EP setzten TANKARD ihren Siegeszug. Der Titeltrack gilt heute gemeinhin auch als Klassiker, ein witziger Text sowie das Cover aus der ‚Krüger-Schmiede‘ passen wieder wie die Faust auf das berühmte Auge. Dazu haben sich weitere Songs wie die ROSE TATTOO-Coverversion „Remedy“ oder die Neueinspielung der Bandhymne „(Empty) Tankard“ auf der EP zusammen gefunden (außerdem noch dabei „666 Packs“ und „Live To Dive“). Im Jahr 1990 kam nach einem saftig fetten Gig in Ost-Berlin dann das Album „The Meaning Of Life“, TANKARDs bis dato beste Scheibe, daher. Das Cover, wie gewohnt von Sebastian Krüger veredelt, die Songs und Produktion, sowie der Zeitgeist fanden ihre Adressaten ohne Mühe. Insgesamt kann man TANKARD eine musikalische Weiterentwicklung attestieren, die der Band gut zu Gesicht steht. Mit „Space Beer“ befindet sich sogar eine lupenreine (und für TANKARD-Verhältnisse völlig neue) Midtempo-Nummer auf dem Album, die sich als Szene-Hit etabliert und auch heute noch live dargeboten wird. Die folgende Tour war die bislang größte, die TANKARD bis dato gefahren hatten. Neben Deutschland kam nun auch noch das U.K. und Frankreich zu den bespielten Ländern. Die Zeichen standen auf Sturm, was auch der Einstieg in die deutschen Charts belegte. Das folgende Livealbum „Fat, Ugly and…Live“ besprechen wir an späterer Stelle zu diesem historischen Abriss.

Status quo und neue Einflüsse

Das nächste reguläre Album „Stone Cold Sober“ stellt dann den logischen nächsten Schritt im TANKARD-Kosmos dar. Mit „Centerfold“ (J. GEILS BAND) ist abermals eine Coverversion vertreten (deren Chöre aber durchaus fetter hätten ausfallen dürfen) und mit „Freibier“ gibt es einen ersten deutschsprachigen Song der Hessen zu hören. Unnötig zu erwähnen, dass auch diese Nummer Klassikerstatus hat und live immer noch kredenzt wird. Ebenfalls ein sehr erfolgreiches Album, denn auch die restlichen Songs wissen zu überzeugen, allen voran der Opener „Jurisdiction“ und „Ugly Beauty“. Danach wurden aber auch TANKARD von der grassierenden Death-Metal-Welle erfasst, respektive hinweg gespült. „Two-Faced“ war ein Album, das musikalisch in den bekannten Gewässern fischte, aber bedingt durch den Death Metal nicht mehr so zur Kenntnis genommen wurde, wie das bisher immer der Fall war. Hinzu kam, dass Drummer Arnulf Thunn direkt nach den Aufnahmen die Band verlassen musste, da die Art und Weise wie er ‚die Fans behandelt hat, das war superscheiße‘, wie Gerre zu Protokoll gibt. Natürlich sind auch auf „Two-Faced“ wieder etliche Nummern mit Klasseniveau vertreten, sowie eine gelungene Coverversion von „Ich Brauch‘ Meinen Suff“ (STRASSENJUNGS – cb). Nummern wie „Betrayed“ oder auch „Mainhatten“ und der Titeltrack können überzeugen. Abwechslungsreich ist es geworden, das sechste Full-Length-Album der hessischen Schluckspechte. „Day Of The Gun“ ist beispielsweise das langsamste TANKARD-Stück bis hierhin. Generell haben die Stücke aber weniger Spaß-Faktor als die der vorherigen Scheiben. Mit „Cyberworld“ befindet sich gar ein recht prophetisches Stück auf dem Album, das zudem eine lupenreine Melodie beinhaltet. Was als ein Ausblick auf das nächste Album gewertet werden kann, tat TANKARD in der Retrospektive dann doch nicht so gut, zudem musste Gitarrist Axel Katzmann aus gesundheitlichen Gründen die Segel streichen. Das Songmaterial auf „Two-Faced“ ist längst nicht mehr ganz so zwingend wie früher.

Orientierungslosigkeit und erstarktes Comeback

Das mag den Stilwechsel hin zu melodischeren Gefilden, wie in „Minds On The Moon“ von „The Tankard“ erklären. Doch zunächst wurde auf dem Drumhocker ein neuer Meister an den Stöcken verpflichtet, Olaf Zissel. Dieser gab seinen Einstand auf der NDW-Hommage „Aufgetankt“, die unter dem Label TANKWART veröffentlicht wurde. Die Stücke (u.a. „Skandal im Sperrbezirk“, „Liebesspieler“, „Elke“ oder „Pogo in Togo“) sind alle punkig eingespielt worden und Gerre brüllt sich wieder die Seele aus dem Hals. Ganz anders als noch bei den melodischen Parts auf „Two-Faced“. Auch diese Platte war sehr erfolgreich und dürfte auf so mancher Metal-Party gelaufen sein. Nach diesem Ausflug in die Welt der NDW ging es dann straight zurück zu TANKARD. „The Tankard“ hieß das neue Werk und es war so anders als der Rest. Wesentlich melodischer und harmonischer teilten TANKARD heuer aus, was die Fans nicht zur allgemeinen Begeisterung verleitete. Irgendwie saßen TANKARD Mitte der Neunziger zwischen den Stühlen. Neue Musik und Genres sprießen aus dem Boden, Thrash Metal war beinahe tot. Bands wie KREATOR („Endorama“) sahen sich nach neuen Fanschichten um und auch bei TANKARD wurde experimentiert. Nicht so krass, wie bei anderen Bands, aber dennoch so viel, dass sich diverse Fans von der Band abwanden. Zwar hat auch „The Tankard“ seine Momente („Minds On The Moon“ oder „Mess In The West“ beispielsweise), aber irgendwie war die Luft ein wenig raus. Hierfür ist „Atomic Twilight“ ein ganz gutes Beispiel. Die Nummer wirkt uninspiriert und verpufft ohne Wirkung. Vermutlich auch deshalb die abermalige Hinwendung zum deutschsprachigen Liedgut auf dem zweiten TANKWART-Album „Himbeergeist zum Frühstück“. Dass die Band nur drei Jahre nach „The Tankard“ die Kurve wieder bekommen hat, ist ihnen dabei hoch anzurechnen. Dies ist aber eine andere Geschichte…

Als Schmankerl ist die erwähnte Show des „Open All Night“-Videos aus Ost-Berlin auf DVD enthalten. Sowie die „Fat, Ugly And Live“-CD, die 1991 veröffentlicht wurde. Beide Dokumente zeigen, was TANKARD für eine gute Liveband waren/sind. Darüber, dass die Band auch heute noch aktiv ist, darf man sich nicht nur als Fan der Band oder Thrasher freuen. Wie viel ärmer wäre der deutsche Metal ohne Songs wie „(Empty) Tankard“, „Chemical Invasion“, „Alien“, „Space Beer“ oder „The Morning After“? Eben, erheblich.

27.02.2022
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