Swallow The Sun & Oceans of Slumber
Doom On Wheels - auf Tour mit den Düstermetallern
Special
Donnerstag, 09.05.2019 – Luzern, Schweiz
Am nächsten Morgen in der Bus-Lounge hängen die, die es schon aus der Koje geschafft haben, meist am Fenster und lassen die Schweizer Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln an sich vorüberziehen. So etwas gibt es nicht in Finnland, und wahrscheinlich auch nicht in Texas. Im krassen Gegensatz zur Kühle draußen steht die ekelhafte Hitze im Bus. Die Reaktionen auf meine Nachfrage zeigen, dass die Innentemperatur wohl schon des Öfteren Thema war und es diese entweder in viel zu heiß oder viel zu kalt gibt. „I can put on a jacket, but I can’t take off skin“, meint jemand von OCEANS OF SLUMBER pro kalt. „You can, but only once“, erwidert ein anderer.
Im Luzerner Konzerthaus Schüür angekommen gibt es lecker Frühstück, inklusive Stolperfalle, denn da haben sie uns glatt zu den regulären Kaffeekapseln auch noch koffeinfreie gelegt. Die, die schon Bekanntschaft mit der Kaffeemaschine gemacht haben, warnen heldenhaft die Neuankömmlinge. So sind am Ende keine Opfer zu beklagen. Dann geht es an den Soundcheck. Diesen machen die Bands in umgekehrter Reihenfolge, also Headliner zuerst. SWALLOW THE SUN ist anzusehen, wie viel wohler sie sich auf der geräumigeren Bühne fühlen. Drummer Juuso hat allerdings seine ganz eigene Antwort auf Paparazzi-Fotos auf der Bühne. Ein Highlight des Soundchecks ist übrigens, dass „Stone Wings“ in voller Länge gespielt wird.
Im Anschluss geht es in die Stadt. OCEANS OF SLUMBER-Drummer Dobber stellt sich als Reisebegeisterter heraus, der bei seinem letzten Luzern-Besuch schon einiges erkundet hat. Schnell wird er zu unserem Tourguide und wir watscheln brav hinterher. Neben OCEANS OF SLUMBER haben sich uns auch Juha und Jaani von SWALLOW THE SUN sowie Mercher Toni angeschlossen.
Es geht zur Kapellbrücke, der ältesten überdachten Holzbrücke Europas, die sich über den Fluss Reuss erstreckt und außer uns noch viele andere Touristen angelockt hat. Unsere Gruppe ist als schwarze Hoodie-Gang schwer zu übersehen, was dazu führt, dass einige ältere Damen aus dem asiatischen Raum gerne Fotos mit uns machen wollen. Leider versäumen wir es, zum Schicken der Fotos E-Mail-Adressen auszutauschen. Das hätte wahrscheinlich einen noch größeren Unterhaltungsfaktor gehabt. In der Altstadt angekommen, zieht es die Kollegen von OCEANS OF SLUMBER an einen Obststand, wo sie überteuerten Fruchtsaft erstehen.
Im Nieselregen geht es weiter durch Gassen und vorbei an eindrucksvollen Gebäuden und einem Wandbild, von dem alle glauben, es stelle hier geschehene Hexenverbrennungen dar. Ein vor dem Gebäude stehender Kellner klärt uns darüber auf, dass es sich um eine Karnevalsszene handelt und macht uns noch den Angus Young, als er realisiert, dass er ein paar Metalmusiker vor sich hat.
Da schon bald das Abendessen ansteht, wird es Zeit, den Rückweg anzutreten. Dabei wird – wie so oft – über Musik diskutiert. Zum Beispiel über Alben, deren Wirkung sich erst langsam entfaltet. Juha empfiehlt die kanadische Künstlerin ANILAH und vor allem ihre Kollaboration mit Einar Selvik (WARDRUNA). Auch Dobber schwört auf ihre Musik. Die beiden sind sogar solche Fans, dass ich später im Club genötigt werde, mir den Namen bitte zu notieren und am besten gleich eine Story über sie zu bringen. Noch am nächsten Tag bekomme ich ein Handy mit YouTube-Video vor die Nase gehalten.
Wir schaffen es rechtzeitig zum Abendessen und bekommen sehr leckeres, hausgemachtes Essen, bei dem auch an die Vegetarier und Veganer unter uns gedacht wird. Nicht nur ich freue mich über das vorzügliche Kichererbsen-Curry, sondern auch die beiden anderen Fleischverächter Juha und Jaani von SWALLOW THE SUN. Später im Außenbereich streiten – äh – fachsimpeln wir weiter über Musik. Deutsche stünden ja nur auf diese ganzen Mittelalter- und Wikingerbands in ihren doofen Kostümen, sticheln die Finnen scherzhaft. Allgemein nimmt man sich in der Gruppe gerne gegenseitig auf Korn. „Don’t ever take us seriously“, wird SWALLOW THE SUN-Gitarrist Juho (nicht zu verwechseln mit Juha) zwei Tage später immer noch erklärenderweise sagen.
Die Schweizer Zuschauer sind deutlich zahlreicher erschienen als die in Trier. Auch die besseren Gegebenheiten vor Ort machen das Konzert in Luzern zu einem sowohl für die Bands als auch die Zuschauer angenehmeren Erlebnis. Das betrifft insbesondere Größe von Bühne und Halle sowie die Akustik. Vor allem SWALLOW THE SUN wirken hier, mit mehr Freiraum auf der Bühne und umstrahlt von weißem und blauem Licht, noch einmal viel stärker als am Abend zuvor. Gebannt stehen die Fans hier bis an den Bühnenrand, singen mit und lassen sich von den ergreifenden Wogen davontragen, die einen beim Lauschen dieser Musik überkommen. Das mit 50 Minuten ein wenig knappe Set, das SWALLOW THE SUN täglich spielen, wirkt so noch etwas kürzer.
AEONIAN SORROW und OCEANS OF SLUMBER finden sich wie jeden Abend am Merchstand ein. Uns fällt ein Fan auf, den wir nachmittags schon in der Stadt gesehen haben und der uns gefragt hat, ob wir denn abends auch zum Konzert gingen. Erkannt schien er da keinen zu haben, doch nun hat er seinen Weg an den Merch glücklicherweise gefunden. SWALLOW THE SUN wird man auf der Tour allerdings kaum bis gar nicht am Merch antreffen. Die Band legt Wert darauf, die Musik magisch und mysteriös zu halten. Sie soll für sich selbst sprechen.
Eine Strecke von 13 Stunden und ein erneuter Grenzübertritt liegen vor uns, denn als nächstes geht es nach Wien. Der Bus fährt deshalb bereits um 1:00 Uhr ab. Durchgezählt wird nicht, man sollte also tunlichst darauf achten, rechtzeitig im Bus zu sein. Entspannt wird es nach der Show also nicht, denn bis alles eingeladen ist und alle geduscht sind, ist es schon fast Zeit, den Club zu räumen. Juho schafft es aber trotzdem noch, einen Döner zu verspeisen. Diesen hat er bereits nachmittags geholt. Übertrieben? Vielleicht ein bisschen. Jetzt ist der Döner kalt, doch Juho beißt beherzt rein und erklärt, „I‘m dedicated to eating“. Bald macht der Tourmanager uns Beine und wir tragen fast fluchtartig die letzten Sachen zum Bus. Dabei müssen sich die Herren SWALLOW THE SUN vergessene Kleidungsstücke hinterhertragen lassen. Es werden nicht die letzten sein.
Mehr zu Swallow The Sun, Oceans Of Slumber und Aeonian Sorrow
Bands | |
---|---|
Stile | Death Doom Metal, Doom Metal, Funeral Doom Metal, Melodic Death Metal, Progressive Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37247 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!