Suidakra
Mit Suidakra in Bangalore - Teil 1 Bangalore Open Air
Special
Dass Metal ein weltweites Phänomen ist, ist nichts Neues. Dass Metal erfolgreich mit anderen Musikstilen kombiniert werden kann, ist auch bekannt. Dass ein deutscher Metalmusiker in ein Tanzstück eingebunden wird, das bei einer Veranstaltung des Goethe Instituts und deutschen Firmen in Bangalore (Südindien) aufgeführt wird, die vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle eröffnet wird, lässt einen aber doch aufhorchen und ist uns einen Reisebericht über SUIDAKRAs Reise zum Bangalore Open Air und der Indo-German Urban Mela wert.
Als erstes steht am 16. Juni das Bangalore Open Air auf dem Programm, das erste ganztägige Festival in Indien: Zwölf Stunden Metal pur mit größtenteils indischen Bands und den zwei deutschen Headlinern SUIDAKRA und KREATOR. Obwohl das BOA unter keinem guten Stern steht, ist es dem Veranstalter Salman Syed und seinem Team gelungen, ein Festival auf die Beine zu stellen, über das die örtliche Presse größtenteils positiv berichtet. Nur wenige Wochen vor dem Festival wurde bekannt gegeben, dass die Veranstaltung nicht auf dem populären Palace Grounds im Zentrum Bangalores stattfinden darf, sondern auf das außerhalb der Stadt gelegene Gelände des Acharya Institute of Technology verlegt werden muss (auf dem kein Alkohol ausgeschenkt werden darf, da es sich um ein Universitätsgelände handelt). Zudem muss der Headliner ICED EARTH den Auftritt beim BOA kurzfristig absagen, da sich die indische Botschaft in den USA querstellt und der Band die nötigen Visa nicht erteilt. Der Veranstalter lässt sich von diesen Umständen nicht beirren, organisiert Shuttlebusse, die die Fans kostenfrei zur BOA Arena fahren, und bucht als Ersatz für ICED EARTH SUIDAKRA, die sich in Indien bereits eine treue Fanbase erspielen konnten. Über das Goethe Institut in Bangalore wird Arkadius zudem für einen Auftritt mit der indischen Band KRYPTOS bei der Indo-German Urban Mela engagiert und landet mehr oder minder zufällig in dem Stück Masala FX des Choreografen Samir Akika und dem Attakkalari Centre for Movement Arts. Was es mit dieser Zusammenarbeit auf sich hat, erfahrt Ihr im zweiten Teil dieses Specials, jetzt berichten wir erst einmal vom Bangalore Open Air und SUIDAKRAs Kulturprogramm in Bangalore.
15. Juni – Sightseeing und Bangalore Open Air Soundcheck
Danach geht es durch den für ungeübte Augen chaotisch wirkenden Straßenverkehr zum Soundcheck, der eigentlich um 17 Uhr für SUIDAKRA beginnen soll, die Betonung liegt auf eigentlich. Bei der Fahrt hören wir mit Begeisterung den Festivaltrailer im Radio, bei dem KREATOR und SUIDAKRA explizit genannt werden. Da die Bühne bei unserer Ankunft noch nicht fertig für den Soundcheck ist, packt die Band in aller Ruhe ihre Sachen aus und schaut sich erst einmal das Gelände und die Arbeitsweise an. Besonders bei den Riggern wird der Unterschied zu Deutschland deutlich. Gilt bei uns die Devise „safety first“, sind Sicherheitsvorkehrungen hier schlichtweg nicht vorhanden. Ohne jegliche Sicherung klettern die Männer auf dem Gestänge rum, bei Tag wie auch nach Einbruch der Dunkelheit. Irgendwann, und es hat wirklich lange gedauert, bis den Jungs von SUIDAKRA die Geduld ausgegangen ist, macht Lars den Bühnentechnikern klar, dass wir zurück ins Hotel fahren, wenn der Soundcheck nicht innerhalb der nächsten Minuten beginnen kann, und siehe da: Plötzlich werden die Mikrofone verkabelt, alles in Position gebracht, und der Soundcheck kann gegen 20 Uhr endlich beginnen.
Galerie mit 28 Bildern: Aufbau und Soundcheck Suidakra - Suidakra in Bangalore, Indien
Ähnlich wie die Band müssen auch die zwei jungen Männer vom indischen SUIDAKRA-Fanclub geduldig warten. Sie waren für 21 Uhr mit der Band im Hotel verabredet, irgendwann nach 22 Uhr treffen SUIDAKRA endlich ein und werden herzlich von Prasoon und Ashutosh begrüßt. Bei einem gemeinsamen Abendessen haben die beiden ausgiebig Zeit, mit der Band zu reden, Fotos zu machen und Jussis Imitation des indischen Englisch zu bewerten.
16. Juni – Bangalore Open Air und Sightseeing
Während sich gegen 10:30 Uhr in der BOA Arena die Metal Battle-Bands bereit machen, bereiten sich Arkadius, Axel und Sebastian im Hotel auf das heutige Kulturprogramm vor: Drei Tempel wollen wir uns anschauen. Lars und Jussi ziehen es vor, bis zur Abfahrt zum Festival den Hotelpool unsicher zu machen.
Da die Metal Battle Nord-Gewinner nicht anreisen konnten, treten nur drei Bands im Finale des indischen Metal Battle an: CRYPTED aus Chennai (Südindien), DAMAGE(ERA) aus Gangtok Sikkim (Ostindien) und ZYGNEMA aus Mumbai (Westindien). Als erstes müssen ZYGNEMA auf die Bühne. Die vierköpfige Groove Thrash Metal-Band lässt sich nicht davon beirren, dass zu der frühen Stunde nur ca. 100 Fans vor der Bühne stehen, und bietet diesen die energiegeladene und aggressive Show, für die sie bekannt ist. Sänger Jimmy hat die Fans im Nu im Griff, muss das Ruder jedoch viel zu früh an Sänger Siva von CRYPTED abgeben. Durch die mit 30 Minuten etwas zu lange Umbaupause geht die gerade aufgebaute Stimmung wieder verloren. Da CRYPTED zudem einige technische Probleme während der Show haben, gelingt es der Band mit ihrem Technical Death Metal nicht, die Fans auf ihre Seite zu ziehen. Auch der dritten Band des Metal Battles DAMAGE(ERA) machen technische Probleme zu schaffen. Die Leadgitarre ist kaum zu hören, und die Band wirkt nicht gerade glücklich über die Bedingungen, aber zum Glück haben auch DAMAGE(ERA) einen Frontmann, der sich darauf versteht, die Menge anzutreiben, und das Stadion füllt sich immer mehr.
Galerie mit 10 Bildern: Crypted, Zygnema, Damage(Era) - Suidakra in Bangalore, Indien
Inzwischen ist die deutsche Touristengruppe am Gavi Gangadareshwara Tempel, einem der ältesten Tempel Bangalores, angekommen. Der Tempel ist Shiva und Parvathi gewidmet und befindet sich innerhalb einer natürlichen Höhle in Gavipuram. Der wichtigste Tag für diesen Tempel ist Mitte Januar, wenn für eine Stunde das Sonnenlicht durch Nandis Hörner auf die Shivalinga-Statue fällt. Dieser Anblick bleibt uns natürlich verwehrt, aber Axel und ich wagen uns zumindest durch den Gang hinter der Statue, der nicht nur verdammt niedrig ist, sondern auch ziemlich nach Latrine müffelt. Entsprechend unerfreut ist der Sackpfeiffer über die Pfütze, in die er tritt. So richtig bemitleiden kann ich ihn nicht, hat er sich doch im Außenbereich noch über die Barfußläufer amüsiert, denen es auf dem roten Ziegelboden fast die Fußsohlen verbrannte. Die anderen haben sich lieber gar nicht erst durch den niedrigen Gang gequält, teeren schon wieder die Lungen und beobachten das Kalb, das es sich inzwischen mitten auf der Straße vor dem Tempel gemütlich gemacht hat.
Galerie mit 33 Bildern: Bangalore Sightseeing mit Suidakra - Suidakra in Bangalore, Indien
In der BOA-Arena begeistern derweil die Melodic Thrasher THEORIZED, die als Ersatz für den Metal Battle Nord Gewinner kurzfristig gebucht wurden, das Publikum. Die aus Bangalore stammende Band wird glücklicherweise von den vorherigen Soundproblemen verschont und kann mit einem Gastauftritt von ESCHER’S KNOT Sänger Abhijeet punkten. Der erste Moshpit des Tages geht auch auf das Konto von THEORIZED. ALBATROSS, die wie ZYGNEMA aus Mumbai stammen, bezeichnen ihre Musik selbst als Horror Metal und kreieren wohl normalerweise eine entsprechende Atmosphäre auf der Bühne. Zur Mittagszeit bei einem Open Air Festival ist dies natürlich schwierig, nichtsdestotrotz kann die Band nicht nur mit dem „Holy Diver“-Cover, sondern auch mit den eigenen Songs und deren Darbietung überzeugen. Es folgen BEAVER SEA, die nach einer Kreuzung von BLACK SABBATH und MASTODON klingen, und das Publikum begeistern. Highlight des Sets ist der Song „Abhistu“, bei dem sich Sänger Ganesh ins Publikum begibt. Das Publikum fordert mehr, aber 1833 AD aus Delhi stehen bereits in den Startlöchern
Galerie mit 11 Bildern: Theorized, Albatross, Beaver Sea - Suidakra in Bangalore, Indien
Zurück zum SUIDAKRA-Kulturprogramm, das beim Bull Temple in Basavanagudi weitergeht. Erst einmal wird erfolgreich vor dem Tempel gepost und dann die 4,5 m hohe und 6,5 m lange Statue von Nandi, dem „vahana“ von Shiva, im Inneren des Tempels bewundert.
Gleich daneben befindet sich der Dodda Ganesha-Tempel, in dem wir unsere Stille-Post-(Un)Tauglichkeit unter Beweis stellen. Die ca. 5,5 m hohe Statue sei aus Butter, kommt bei mir an! Aus Butter? Da bekommt das Konzept „Butterberg“ eine ganz neue Bedeutung, und die Jungs witzeln über beste Kerrygold-Butter. Zum Glück gibt es noch Aufklärung: Die Ganesha-Figur besteht nicht aus Butter, sondern wird mit solcher bestrichen. Die gelbe Farbe passt auf jeden Fall, so richtig kann ich mir das aber dennoch nicht vorstellen. Meine Recherche ergibt jedoch, dass die Statue täglich anders geschmückt wird und es tatsächlich eine aus mehr als 100 kg bestehende Butterbeschichtung gibt, die bei den Gläubigen die Beliebteste ist. Da hätten wir wohl doch die Flüssigkeit probieren können, die den Gläubigen gegeben wurde. Aber, Europäer müssen bekanntlich vorsichtig sein, und so wird lieber noch eine Zigarette geraucht, bevor wir zurück zum Hotel fahren und sich die Herren für das Konzert vorbereiten.
In der BOA Arena haben sich zwischenzeitlich 1833 AD aus Delhi bereit gemacht, um die Arena mit ihrem Black Metal zu verdüstern. Düster wird die Show insbesondere für Gitarrist Rahul, dem nicht nur eine Seite reißt, sondern der sich zudem den Arm verletzt. Zwar kann Drummer Raghav die Menge mit einem Solo bei Laune halten, durch die ständigen Unterbrechungen gelingt es der Band jedoch nicht, die nötige Stimmung aufzubauen. Mit DYING EMBRACE steht danach eine der ältesten indischen Metal-Bands auf dem Programm. Die Death/Doom-Veteranen überzeugen mit einer technisch hervorragenden Show und werden entsprechend vom Publikum – in dem man zahlreiche DYING EMBRACE Shirts ausmachen kann – gefeiert. Nachdem bisher eine ganze Menge Old School-Bands auf der Bühne waren, bringen die folgenden ECCENTRIC PENDULUM mit ihrem Experimental Metal frischen Wind in die Arena. Die Gewinner des 2011er Indian Metal Battle begeistern das Publikum mit ihrer technischen Versiertheit, den ungewöhnlichen Gitarrensoli und Bass-Lines sowie einer guten Stage Performance.
Galerie mit 11 Bildern: 1833 AD, Dying Embrace, Eccentric Pendulum - Suidakra in Bangalore, Indien
Währenddessen entert die letzte indische Band des Tages, die aus Bangalore stammendenden Thrash Metaller KRYPTOS, die Bühne. Dem Vierer gelingt es trotz extremer Probleme mit dem Drumset, eine überzeugende Show abzuliefern. Die Saitenfraktion post gekonnt in ihren Kutten, und Drummer Ryan spielt problemlos ohne zweite Tom weiter, nachdem der Versuch, diese zu richten, scheitert. Da inzwischen auch die Soundprobleme vom Morgen Geschichte sind und Songs wie „Mask Of Anubis“, „Heretic Supreme“ sowie „Descension“ einfach nur mitreißen, wird die Band zu Recht mit ausgiebigen „Kryptos…Kryptos!“ Rufen verabschiedet.
Galerie mit 24 Bildern: Kryptos - Suidakra in Bangalore, Indien
SUIDAKRA sind bereit, sollen sie doch um 18:45 Uhr ihren einstündigen Auftritt beginnen, aber es kommt zu nicht nachvollziehbaren Verzögerungen, und die Ungeduld steigt mit jeder Minute. Als es dann mit mehr als einer halben Stunde Verspätung endlich losgehen kann, entschließt sich der örtliche Wettergott, auf Unwetter umzuschalten, aber die indischen Metalheads interessieren Sturm und Regen genauso wenig wie SUIDAKRA, die mehrmals ins Publikum gehen. Besonders hervorzuheben ist die gemeinsame Crowdsurfing Aktion von Arkadius und Lars, denen am Tag zuvor erzählt wurde, dass das in Indien noch niemand gemacht hat. Die Fans sind vom ersten deutsch-indischen Crowdsurfen so begeistert, dass sie sogar versuchen, Jussi und Sebastian von einem Bad in der Menge zu überzeugen, die ziehen es jedoch vor, sich das Schauspiel von der Bühne aus anzuschauen. Dudelsackspieler Axel wird gar nicht erst gefragt, da er die musikalische Untermalung „The Pumpkins Fancy“ zum Surfen spielt.
Galerie mit 43 Bildern: Suidakra - Suidakra in Bangalore, Indien
Zu guter Letzt kommt SUIDAKRA die Ehre zu, den Metal Battle-Gewinner bekannt zu geben: ZYGNEMA aus Mumbai haben die Jury überzeugt und dürfen nicht nur zum 23. W:O:A fliegen, sondern am 24. Juni KRYPTOS feat. Arkadius auf der Indo-German Urban Mela (über die wir im zweiten Teil dieses Specials berichten) supporten.
Und nun ist es an der Zeit für die Thrash Metal-Legenden KREATOR, die passend mit „Violent Revolution“ beginnen. Die Zeile „Society has failed to tolerate me, and I have failed to tolerate society…“ brüllt wohl vielen hier aus der Seele. So verwundert es nicht, dass Mille die mehrmals geforderten Moshpits zu seiner linken und rechten Seite bekommt. Da das Publikum durch eine Absperrung, die vom Graben zum FOH führt, geteilt wird, ist es vollkommen legitim, zwei Moshpits statt einem großen zu fordern. Abgesehen davon wird Mille nicht müde zu betonen, wie sehr sich die Band freut, endlich in Indien auftreten zu können, und die indischen Fans freuen sich mindestens genauso sehr. Auf der Setlist finden sich hauptsächlich altbekannte Songs, nur zwei Stücke vom aktuellen Album „Phantom Antichrist“ werden in die KREATOR-Hitlist eingebunden. Die Performance der vier Musiker ist genauso, wie man es von ihren Konzerten in Deutschland gewohnt ist, und als es an der Zeit für die „Flag Of Hate“ ist, haben die Fans noch lange nicht genug.
Galerie mit 25 Bildern: Kreator - Suidakra in Bangalore, Indien
Und sie bekommen eine Woche später einen Nachschlag von Arkadius, der zusammen mit KRYPTOS bei einer Veranstaltung des Goethe Instituts spielt. Wie es zu diesem Auftritt gekommen ist und wie Arkadius in dem Tanzstück Masala FX des Choreografen Samir Akika gelandet ist, erzählen wir Euch im zweiten Teil dieses Specials. Bis es soweit ist, könnt Ihr Euch die Zeit mit SUIDAKRAs Video-Tourtagebuch vertreiben.