Sólstafir
Listening Session zu "Endless Twilight of Codependent Love"
Special
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ja bekanntlich ungewöhnliche Maßnahmen: Damit die Isländer SÓLSTAFIR der versammelten Presse einen Vorgeschmack auf ihr am 06. November 2020 via Season Of Mist erscheinendes Album „Endless Twilight of Codependent Love“ geben konnten, wurde zu dem mittlerweile gar nicht mehr so ungewöhnlichen Mittel der Videokonferenz gegriffen.
Die Vorteile einer virtuellen Listening Session liegen auf der Hand: Praktisch, wenig Aufwand, klare Strukturen, keine Reisezeiten. Aber trotzdem fühlt es sich am heimischen Arbeitsplatz doch irgendwie distanziert und weniger persönlich an. Und auch, wenn dieses Medium in vielen Bereichen schon zum beruflichen Alltag gehört – dort gilt bekanntermaßen das Gleiche: Spontane Gespräche in der Teeküche und das menscheln kommen irgendwie zu kurz. Aber wie auch immer: Dem Hörgenuss soll diese virtuelle Zusammenkunft jedenfalls keinen Abbruch tun, dafür sorgt eine gut aufgelegte Band, die es kaum erwarten kann, ihr neues Baby der Welt vorzustellen.
Mit neun Songs geht das neue Album von SÓLSTAFIR ins Rennen. Mit knapp einer Stunde Spielzeit liegt es in den zeitlichen Dimensionen der Vorgängerwerke „Berdreyminn“ und „Ótta“. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: SÓLSTAFIR orientieren sich mit „Endless Twilight of Codependent Love“ wieder verstärkt zurück in Richtung der ersten Alben, geben sich wieder kantiger und rauher – ohne die in den vergangenen Jahren herausgearbeiteten Stilelemente aufzugeben. Eine wichtige Konstante haben sie sich über die letzten Alben allerdings bewahrt: Nämlich, dass sie seit „Svartir Sandar“ auf das bewährte Sundlaugin Studio (das auch die Listening Session beherbergen durfte) zurückgreifen. Aber schauen wir mal im Detail auf das anstehende Werk der vier Herren von der isländischen Insel.
Die Albumeröffnung macht „Akkeri“, gleichzeitig auch die erste Singleauskopplung aus „Endless Twilight of Codependent Love“. Erstmal ein lockerer Zehn-Minuten-Track zum Auftakt: Das können SÓLSTAFIR. „Akkeri“ leitet stark in das neue Album ein: Vertraute, sich wiederholende Strukturen treffen auf Wechsel im Tempo, die sich in richtige Raserei steigern – und sogar eine Kuhglocke gibt es. Eine SÓLSTAFIR-Nummer, die richtig Lust auf die weiteren fünfzig Minuten macht.
Mit dem folgenden „Drýsill“ wird es dann melancholisch: Getragen von Synthesizern und einem einfachen Gitarrenmotiv schlendert der Titel dem Sonnenuntergang entgegen. Erst zum Ende hin setzt dann ein regelrechter Aufgalopp ein. „Rökkur“ dreht dann nochmal einen Gang raus: Streicher, Piano und Bass zum Einstieg, mit Glockenspiel kommt ein beinahe TIAMAT-ähnliches Grundgefühl auf. Das könnte aber auch an dem eindringlichen Sprechgesang liegen, der sich beinahe predigend auslässt.
SÓLSTAFIR würdigen ihre Anfangswerke
„Her Fall From Grace“ nimmt sich viel Hall und legt damit einen regelrecht sakralen Auftritt hin – und es wird englisch gesungen. Knarzige Gitarren und einen schnarrenden Bass gibt’s obendrein: So ist der Titel ziemlich das genaue Gegenteil zum Eröffnungstrack „Akkeri“. „Dionysus“ – der griechische Gott des Weines und der Ekstase – lässt es dann als kleiner Wachmacher in der Mitte des Albums richtig krachen. Fronter Aðalbjörn Tryggvason schreit (!) sich richtig in Rage, der Rhythmus rollt unaufhaltsam nach vorne. Ein gutes Beispiel dafür, dass die vier Herren so viel Spaß an der Livedarbietung ihres alten Materials hatten, und dies gleich in ihr neues Songwriting übernommen haben. Die glorreiche „Masterpiece Of Bitterness“ weist den Weg. Oder wie kommentiert Frontmann Tryggvason so passend: „Heavy Metal is angry!“.
Das folgende „Til Moldar“ wirkt dann wie ruhiges ein Zwischenspiel, bevor „Köld“-Rocker „Alda Syndanna“ in die loungig-jazzige Eröffnung von „Or“ überleitet. Holla, welcher Film ist denn hier gelaufen? Wild-West-David-Lynch mit Klavier und verzerrter Western-Gitarre – hier erwacht „Svartir Sandar“ zum Leben. „Or“ ist dann das vielleicht epischste Stück des Albums und bleibt sofort als eines der absoluten Highlights hängen. Das finale „Úlfur“ wirkt da abschließend wie eine Zusammenfassung des Albums: Ein straighter, verspielter Rocker im besten, bewährten SÓLSTAFIR-Modus – ein wohliger Ausklang.
Dass SÓLSTAFIR zum Abschluss der Listening Session und nach kurzer Frage-Antwort-Runde noch ein kleines Livekonzert geben, ist eine wirklich nette Dreingabe. Schließlich sind alle Beteiligten etwas Konzert-Unterversorgt – Gigs fehlen merklich an allen Ecken und Enden. Und gestreamt wird der Gig via Instagram auch gleich noch parallel.
„Endless Twilight of Codependent Love“ bietet Abwechslung
Bereits nach den ersten Hördurchgängen wird klar: Ein einfaches „Weiter so!“ gibt es mit SÓLSTAFIR nicht. „Endless Twilight of Codependent Love“ klingt frisch und spontaner als die letzten beiden Alben von SÓLSTAFIR, weniger Kopf, mehr Geradeheraus, viel Abwechslung, mehr Ausbrüche. Das könnte ziemlich dynamische Liveauftritte geben.
Vorbestellungen für „Endless Twilight of Codependent Love“ können bereits jetzt abgegeben werden.
Tracklist „Endless Twilight of Codependent Love“:
01. Akkeri (10:10)
02. Drýsill (08:52)
03. Rökkur (07:06)
04. Her Fall From Grace (06:36)
05. Dionysus (05:31)
06. Til Moldar (04:29)
07. Alda Syndanna (04:30)
08. Or (06:58)
09. Úlfur (08:49)
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Stile | Post-Rock/Metal, Rock |
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