Slipknot
Das meint die Redaktion zu ".5: The Gray Chapter"

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Unlängst veröffentlichten SLIPKNOT mit „.5: The Gray Chapter“ ihr langersehntes, fünftes Studioalbum – die Hommage an den vor vier Jahren verstobenen Bassisten Paul Gray. Bei unserem Kollegen Anton Kostudis kam die Scheibe allerdings nicht sonderlich gut weg. Daher haben wir drei gestandenen Redakteuren die Platte noch einmal vorgelegt, um sie auf Herz und Nieren zu prüfen. Lest in der Folge, was die Herren Möller, Gabriel und Wischkowski zum aktuellen Werk der Iowa-Formation zu sagen haben.

Eigentlich ist es schon bemerkenswert: Alle x-Jahre veröffentlichen SLIPKNOT mal ein Album – und die Metalwelt steht Kopf. Die einen regen sich auf, während sich der Rest dafür begeistern kann. Da kann man den Maskenmännern aus Iowa nur gratulieren – auch zu inzwischen ausverkauften Hallen bei den kommenden Gigs. Aber rechtfertigen kann „.5: The Gray Chapter“ diesen Erfolg nur bedingt. Klar, jammern über vergangene Tage möchte ich auch nicht und erwartet habe ich keineswegs das Feuer der ersten beiden Alben. Aber: „.5: The Gray Chapter“ bietet auch sonst wenig Aufsehenerregendes – weder positiv, noch negativ gesehen. Insgesamt rauscht das Material weitestgehend an mir vorüber, ohne Klauen auszufahren oder den Blutdruck in die Höhe zu treiben. Selten, so wie in „The Devil In I“ keimt so ein bisschen Nostalgie bei mir auf, doch ansonsten…nichts dergleichen. Dafür liefern SLIPKNOT mit „Killpop“ völlig überraschend den Modern-Rock-Ohrwurm schlechthin ab. Ernsthaft, der Song besitzt Pop-Charme und hat sich nachhaltig in mein Gedächtnis gefressen. Ansonsten, Achselzucken: Ein gut konzipiertes, aber insgesamt zu glattes Album, das keinerlei Widerhaken zum Festkrallen besitzt – immerhin aber um Welten besser als der Komplettausfall „All Hope Is Gone“.

Jan Wischkowski (5/10 Punkten)

Das alte Leid: SLIPKNOT sind eben nicht mehr jene SLIPKNOT, die mich und meine Generation als Teenie ausflippen ließen. Punkt. Damit kann man alles ablehnen, was SLIPKNOT nach „Iowa“ oder allerspätestens „Vol. 3: The Subliminal Verses“ gemacht haben – oder man kann sich möglichst vorurteilsfrei die neueren Alben anhören und diese bewerten. Das Problem mit den Chaoten aus Iowa ist aber eben nicht nur, dass sie die rohe, energetische Gewalt der Anfangstage gegen gereiftes Songwriting und erwachsenere Musik eingetauscht haben. Nein, das Problem ist auch, dass die Songs auf „Vol. 3“ und dem letzten Album „All Hope Is Gone“ qualitativ schlicht und ergreifend nicht allzu groß waren. Dass SLIPKNOT zwar gute ruhige Songs und ordentliche Pop-Parts schreiben können, aber dass die lärmenden Anteile der Alben lustlos und uninspiriert wirken.

Das ist auch das Problem an „.5: The Gray Chapter“. Sicherlich ist dies das persönlichste und emotionalste Album für die Musiker dahinter – dient es doch vor allem auch der Verarbeitung des Todes von Ex-Bassist Paul Gray. Das drückt sich an mehreren Stellen aus, und ja, auch auf diesem Album stellen die emotionalen, poppigen und ruhigen Momente die starke Seite. Was SLIPKNOT in „The Devil In I“ machen ist großes Kino, „Killpop“ ist für diese Band komplett ungewöhnlich, aber gut, dasselbe gilt für „Goodbye“. Darüber hinaus enttäuschen SLIPKNOT jedoch immer dann, wenn es um groovende Metal-Monster geht – eben das, wofür man diese Band doch eigentlich schätzt. „The Negative One“ klingt zum Beispiel nach einer halbgaren „Iowa“-B-Seite, „Sarcastrophe“ nach „Vol. 3“-Ausschussware. Das ist sehr schade, aber immerhin: „.5: The Gray Chapter“ hinterlässt bei mir einen positiveren Eindruck als „All Hope Is Gone“, das mit Abstand schwächste Werk der SLIPKNOT-Diskographie.

Stephan Möller (5/10 Punkten)

Fangen wir mit dem Positiven an: „.5: The Gray Chapter“ ist besser als der Vorgänger. Das hängt vor allem mit der Entscheidung seitens der Band zusammen, hier und da ein paar Schritte zurückzugehen, sich wieder mehr von der Industrial-Metal-Seite zu zeigen und so weiter. Zumindest in einigen Songs. „The Negative One“ zum Beispiel – der Track ruft die IOWA-Phase und das zeitliche Drumherum nicht nur vehement ins Gedächtnis, das Teil erinnert streckenweise ganz extrem an ein früheres Stück. Und ist gleichzeitig einer der stärksten Songs des neuen Werks – bezeichnend! Über das gesamte Album hinweg, das bemerkenswerterweise über eine Stunde lang ist, geben sich Rückbesinnung und neue Ausrichtung ständig die Klinke in die Hand. Da keine Orientierung so richtig über die Schwelle treten will, erscheinen mir SLIPKNOT anno 2014 aber zu konfus.

Der erste Track geht schon wieder mächtig auf den Sack. Corey, diese musikalische Seite kannst Du doch mit STONE SOUR ausleben. „Sarcastrophe“ hat den Kopf dann eher nach hinten gedreht, während Song Nummer drei durch geradlinigen Thrash überrascht, bevor der Refrain durch neumodischen Klargesang auf die gleiche Art und Weise verärgert, wie es TRIVIUM schon eine Weile tun – leider poppig. Dass die Drums hier etwas zu sehr nach Pappkarton klingen, ist hingegen zu verkraften, weil der Sound von „.5: The Gray Chapter“ oftmals in die richtige Richtung geht (nicht so überproduziert wie bei „All Hope Is Gone“). Während „The Devil In I“ sehr fein knüppelt, ist das nachfolgende „Killpop“ wieder so eine „What The F…“-Nummer – Pop in Reinkultur. Ähnlich verhält es sich mit „Goodbye“, der eher „Goodbye SLIPKNOT“ heißen sollte. „Nomadic“ ist dann wieder eingefallen, wie es früher mal war. Ein Hin und Her also.

Trotz Steigerung frage ich mich: Wo ist das Chaos wie in „The Heretic Anthem“, die Eingängigkeit von „Wait And Bleed“, die songstrukturelle Eleganz von „Gently“, die für SLIPKNOT-Verhältnisse perfekte Balance aus gutturalem und klarem Gesang wie in „Spit It Out“, wo sind die Riff-Attacken von Songs wie „People = Shit“ und „Disasterpiece“ und so weiter? Goodbye SLIPKNOT!

André Gabriel (5/10 Punkten)

23.10.2014
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