Skyclad
im großen Noise-Records-Ära-Check
Special
Das Verhältnis von Noise Records und SKYCLAD war nicht immer einfach, sodass das Projekt Wiederveröffentlichung bislang scheiterte. Label-Gründer Karl-Ulrich Walterbach berichtete im letzten Jahr:
„CELTIC FROST, RUNNING WILD, HELLOWEEN, KREATOR z. B. haben sich da stark involviert, aber SKYCLADs Martin Walkyier […] überhaupt nicht. [Die] Antihaltung mir gegenüber ist wohl immer noch stark.„
Fakt ist jedenfalls, dass die fünf Skyclad-Alben der Noise-Ära, angefangen vom Debüt „The Wayward Sons Of Mother Earth“ (1991) bis zu „The Silent Whales Of Lunar Sea“ (1995) als sehr schicke Digi-CDs oder als farbiges Vinyl am 27. Oktober wiederveröffentlicht wurden. Was sich geändert hat? Wir werden beizeiten nachfragen!
Die Ausstattung kann man getrost als guten Standard bezeichnen. Umfangreiche Liner-Notes, Bonus-Tracks und eine durchgehend schicke Optik wissen zu überzeugen. Grund genug für unsere Redaktion, einen Trip in die Vergangenheit mit SKYCLAD zu wagen.
„The Wayward Sons Of Mother Earth“ (1991)
SKYCLAD traten 1991 mit einer unbescheidenen These an: „It’s time for a new kind of metal“. Allerdings ist das Grundgerüst von „The Wayward Sons Of Mother Earth“ zunächst die seinerzeit schon gut bekannte Form des Thrash Metal. Schnittige Gitarren, harscher Gesang und Galopper-Beats prägen das Debüt der Mannen aus dem Vereinigten Königreich. Die Legierung bringt dahingegen erste Folk-Einflüsse mit, die sich meistens sehr unauffällig einfügen. „A new kind of metal“ tritt am deutlichsten im vierten Stück – „The Widdershins Jig“ – zu Tage. Ein Song, welcher melodischen Folk mit hartem Thrash Metal stilprägend verknüpft und auch heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.
Sicherlich hat „The Wayward Sons Of Mother Earth“ etwas Patina angesetzt, dennoch ist das Album nicht übel gealtert. Es ist immer noch erfrischend schwermetallisch und ein spannendes Album mit vielen Kopfnickern. Als härtestes Album steht es eindrücklich in der Bandgeschichte von SKYCLAD und bereitet vor, was danach auf die Welt des Metal losgelassen werden sollte und später im Pagan Metal destillierte. (SW)
„A Burnt Offering For The Bone Idol“ (1992)
Bereits ein Jahr nach dem Debütalbum „The Wayward Sons Of Mother Earth“ legten SKYCLAD nach und veröffentlichten 1992 das zweite Album „A Burnt Offering For The Bone Idol“. Sein Versprechen, da weiterzumachen, wo SABBAT mit ihrem zweiten Album „Dreamweaver“ aufgehört hatten, hatte Martin Walkyier eingehalten. Dieses verband gekonnt und originell Thrash Metal mit irischer und altenglischer Folklore, womit das neue Genre Folk Metal mitbegründet wurde. „A Burnt Offering For The Bone Idol“ ging dann nochmals einen ganzen Schritt weiter.
Insbesondere mit der Verpflichtung von Fritha Jenkins als Violinistin und Keyboarderin fügen SKYCLAD ihrem eigenständigen Folk Metal nochmals eine wichtige Facette hinzu. Die musikalische Linie des Vorgängers wird nicht nur fortgeführt, sondern vielmehr verfeinert. Insbesondere der folkloristische Ansatz gewinnt auf „A Burnt Offering For The Bone Idol“ deutlich mehr an Bedeutung, wobei die Thrash-Roots noch beibehalten werden. Hier hat insbesondere Fritha eine tragende Rolle, da sie nunmehr mit der Violine jene Melodien spielt, welche sonst eigentlich der Leadgitarre zugedacht waren. Die zu jener Zeit experimentelle Musik sorgt auch in Verbindung mit dem eigenwilligen Lispelgesang von Martin für ein hohes Maß an Originalität und eigenem Charakter.
Hier gibt es die Hits
SKYCLAD erschaffen auf „A Burnt Offering For The Bone Idol“ zuhauf zeitlose Bandhits, die auch heute noch nichts von ihrer Klasse eingebüßt haben. „Spinning Jenny“ enthält schon alle späteren Trademarks von SKYCLAD, ein Live-Hit zusammen mit „Widdershins Jig“. Den zweiten Überflieger bildet „Salt On The Earth (Another Man’s Poison)“, welches schnell galoppierenden Thrash mit orientalisch angehauchten Melodien verbindet. Die akustische Einleitung von „Karmageddon (The Suffering Silence)“ erinnert an Minnegesang, ebenfalls ein Novum. Das eingängige „The Declaration Of Indifference“ verspottet die damalige US-Poserwelle. „A Burnt Offering For The Bone Idol“ hat auch nach all den Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt, aber es sollte noch besser werden … (ME)
„Jonah’s Ark“ (1993)
In welcher kreativen Hochphase SKYCLAD in den Neunzigern sind, zeigt sich neben der Qualität der aufgenommenen Alben auch an deren raschen Aufeinanderfolge. Ein Jahr nach „A Burnt Offering For The Bone Idol“ erscheint bereits das nächste Album „Jonah’s Ark“. Den bisher eingeschlagenen Weg setzen SKYCLAD kompromisslos weiter fort. Der Thrash Metal wurde noch weiter zurückgefahren, dafür erhalten die folkloristischen Elemente noch mehr Raum. Insbesondere die Violine von Fritha steht noch mehr im Vordergrund als ohnehin schon auf dem Vorgänger. Die Riffs orientieren sich noch stärker an THIN LIZZY, Martin Walkyier singt vermehrt mit klarer Stimme, experimentiert wird auch mit neuen Instrumenten wie der Mandoline oder spanischen Gitarren („Bewilderbeast“). Herausgekommen ist eine gekonnte Fusion unterschiedlicher Musikstile, die zum Folk Metal kulminieren. Highlights auf „Jonah’s Ark“ sind der flotte Opener „Thinking Allowed“, ein eher traditioneller Kracher, „Cry For The Land“, das schlagzeug- und fiedelorientierte „Earth Mother, The Sun And The Furious Host“ und das akustisch-eindringliche „It Wasn’t Meant To End This Way“. Leider kann die schwachbrüstige Produktion die guten Songs nicht adäquat unterstützen.
Teil der Wiederveröffentlichung ist auch die EP „Tracks From The Wilderness“, welche ursprünglich 1992, kurz nach dem zweiten Album, von SKYCLAD veröffentlicht wird. Die Band packt darauf das starke THIN LIZZY-Cover „Emerald“, welches durch das Violinenspiel noch folkorientierter ausfiel. Übrigens haben SKYCLAD hier noch Brian Robertson, den Gitarristen von THIN LIZZY, zu Gast! Weiter enthalten sind die beiden neuen Studiosongs „A Room Next Door“, der PINK FLOYD-Einfluss ist unüberhörbar, sowie die Thrash-Keule „When All Else Fails“. Weiter werden vom Dynamo Open Air 1992 die drei Live-Songs „The Declaration Of Indifference“, „Spinning Jenny“ und „Skyclad“ draufgepackt. (ME)
„Prince Of The Poverty Line“ (1994)
Einmal losgetreten scheint die Kreativität von SKYCLAD keine Grenzen mehr zu kennen. Auch die jährliche Erscheinungsweise wird mit „Prince of the Poverty Line“ beibehalten. Am Ende sollten es fünf Alben in fünf Jahren werden. „Prince Of The Poverty Line“ steht dabei als bekanntestes und vermutlich auch bestes Album der Noise-Records-Ära an der Spitze unseres Ausflugs in die Vergangenheit. SKYCLAD haben noch weiter an der Hit-Dichte gearbeitet und diese beeindruckend verstärkt. Dabei ist das Album zugleich metal- und folk-lastig und vernachlässigt auch nicht eine gewisse Freunde am Experimentieren. Bestes Beispiel ist das rhythmisch höchst interessante „Land Of The Rising Slum“ mit einem Casino-Orgel-Solo. Etwas störend wirken heute die vielzähligen Zwischenstücke, welche den Spielfluss etwas behindern.
SKYCLAD sind zu diesem Zeitpunkt keine freundliche Folk Metal-Band, sondern eine sozialkritische und wütende Meute, die ihren Unmut über die Welt und die Gesellschaft mit Hilfe von Folk und Metal kanalisiert. Zu keinem anderen Schluss kann man kommen, nachdem der Opener „Civil War Dance“ erschallt ist. Martin Walkyier hat schlechte Laune und drückt dies in unterschiedlichen Facetten von resigniert („The One Piece Puzzle“) bis kämpferisch („A Bellyful Of Emptiness“, „A Dog In The Manger“) aus. Das Album gilt heute als Klassiker und die Qualität des Albums rechtfertigt dies spielerisch. (SW)
„The Silent Whales Of Lunar Sea“ (1995)
Irgendwie scheint das fünfte und letzte Album der Noise-Ära „The Silent Whales Of Lunar Sea“ immer im Schatten seiner starken Vorgänger zu stehen. Zwar wird es als starkes SKCLAD-Album angesehen, keine Frage, landet aber bei berühmt-berüchtigten Listen selten ganz vorne. Dabei findet man hier alle Trademarks, die SKYCLAD so außergewöhnlich machen: die geschickte, nie kitschige Kombination aus Heavy und Folk Metal, das sehr intelligente Songwriting sowie die einzigartigen Lyrics von Sänger Martin Walkyier.
So überzeugen Songs wie der Opener „Still Spinning Shrapnel“, der kleine Hit „Art-Nazi“ oder der Ohrwurm „Brimstone Ballet“ auf ganzer Linie und gelten zurecht als Klassiker. Lyrisch ist das Ganze, wie schon erwähnt, wieder ganz große Kunst. Beispiel gefällig? Für eine so genial-zynische Textzeile wie: „If life is sweet, then I’m diabetic / The future looks rosy – I just went colourblind“ aus dem ebenfalls sehr starken Song „Just What Nobody Wanted“ würden wohl 99% aller Metal-Bands töten. Selten hat es sich mehr gelohnt, sich mit Texten auseinander zu setzen als bei SKYCLAD.
Musikalisch ist das fünfte Album der Engländer, im Vergleich zu den Vorgängern, etwas melodischer geworden. Die Thrash-Einflüsse sind weitestgehend verschwunden und einige ruhige bzw. sehr folkige Stücke (“ A Stranger In The Garden“, “ The Present Imperfect“) sind fester Bestandteil des Albums geworden. Zudem hört man die THIN LIZZY-Einflüsse noch deutlicher heraus als bei den vorherigen Alben. Nicht zu Unrecht wurde die Band dementsprechend öfter als die THIN LIZZY der 90er bezeichnet.
Im Ganzen ist das Album ein weiterer Klassiker der Band, auch wenn die zweite Hälfte der Platte nicht mehr ganz mit der ersten mithalten kann. Dennoch eine durch und durch charmante Veröffentlichung, die sich nicht hinter seinen Vorgängern verstecken muss. Vielleicht tritt „The Silent Whales of Lunar Sea“ im Zuge der Wiederveröffentlichung etwas aus dem Schatten der Vorgänger und bekommt ihre verdiente Aufmerksamkeit. (AS)