Skálmöld
Behind The Scenes auf der Ýdalir-Tour

Special

SKÁLMÖLD haben sich über die letzten Jahre zu einer unserer Hausbands entwickelt. Seien es die lustigen Autogrammstunden oder die zahlreichen Interviews, die wir immer wieder gerne mit ihnen zu ihren Alben, ihren Anekdoten aus der Bandgeschichte oder zu isländischen Klischees führen. Zuletzt haben sie sich von uns eine Stunde lang in der Sonne des Summer Breeze grillen lassen, um ein Bierchen mit ihren Fans zu trinken. Außerdem ist Fronter Björgvin Sigurðsson der heimliche Zwilling von unserem Eckart Maronde und die beiden müssen deshalb bei jedem Treffen ein gemeinsames Foto machen.

Auf ihrer Ýdalir-Tour mit METSATÖLL und ATAVISTIA konnten wir SKÁLMÖLD natürlich auch nicht einfach so vorbeiziehen lassen. Beim Konzert im MS Connexion Complex in Mannheim haben wir sie einen Tag lang begleitet und hinter die Kulissen geschaut. Wie funktioniert so eine Tourproduktion eigentlich und was machen die Bands den ganzen Tag? In diesem Bericht hangeln wir uns am Zeitplan des Tages entlang und geben euch einige Einblicke.

Skálmöld sind (v. l.): Baldur Ragnarsson, Björgvin Sigurðsson, Snæbjörn Ragnarsson, Gunnar Ben, Jón Geir Jóhannsson und Þráinn Árni Baldvinsson.

Get-in: 12:00 – 7 Stunden bis Einlass

Als wir kurz vor 12:00 Uhr am MS Connexion Complex ankommen, sind bereits einige Vertreter der drei Bands auf den Beinen. Noch können sie nicht viel machen, außer sich im Bus aufhalten, das angenehme Wetter draußen genießen oder Besorgungen in der Umgebung machen. Wann eine Tour vor Ort in die Räumlichkeiten einziehen kann, hängt nämlich vom jeweiligen Venue ab. In Mannheim ist Get-in um 12:00 Uhr, weshalb sich pünktlich um diese Zeit eine erste Gruppe bestehend aus Tourmanager und Bandmitgliedern in Bewegung setzt.

Galerie mit 21 Bildern: Skálmöld - Backstage auf der Ýdalir Tour 2023 in Mannheim

Als wir die Backstage-Räume betreten, steht schon ein ausgiebiges Frühstücksbüffet bereit, das den Anwesenden ein erfreutes „Ahhh“ entlockt. Während den Tagesplan mittlerweile alle per App erhalten – bis vor ein paar Jahren musste dieser in der Regel noch überall ausgehängt werden – sind die Beschilderung zur Aufteilung der Umkleiden und die Setlists noch analog und werden vom Tourmanager mittels eines mobilen Druckers vorbereitet. Der Rest des Trosses trudelt derweil nach und nach ein und bezieht die Räume.

Diese Bónus-Tüte ist ein Relikt und begleitet Björgvin schon lange. Im Laden gibt es sie nicht mehr. Es scheint sich eine Religion darum zu bilden.

Ein Thema beim Frühstück sowie auch später am Tag sind Sprachen, denn es ist ein polyglotter Haufen, der da zusammengekommen ist. „Lautanen“ bemerkt SKÁLMÖLD-Fronter Björgvin sehr richtig, als sich der finnische Tonmann Aleksi (Sänger bei VENENUM DEI) einen Teller nimmt. Es folgt ein kleiner Vergleich zwischen Finnisch und Estnisch, der Sprache von METSATÖLL. Mit dem Busfahrer sollte man übrigens Schwedisch sprechen, wobei Deutsch auch geht. Schwedisch beherrscht ATAVISTIA-Fronter Matt glücklicherweise, sodass auch die Kanadier ein Sprachrohr haben. Wir werfen noch etwas sehr schlechtes und eingerostetes Norwegisch in den Ring, und letztendlich erfolgt der obligatorische Vergleich mit dem Isländischen.

Load-in: 13:00 – 6 Stunden bis Einlass

Nach einer Stärkung und der Möglichkeit, Gebrauch von den ‚Facilities‘ zu machen, sind alle bereit für den Load-in. Dieser geht bei der großen Anzahl an Händen zügig vonstatten. In Rekordzeit leert sich der Anhänger und der Berg von Cases vor der Bühne wächst. Parallel startet bereits der Aufbau, sodass auch dieses Durchgangslager schnell kleiner wird. Nicht nur die Bühne muss bereit gemacht werden, auch der Merch, der ein für den vorgesehenen Bereich zu breites Angebot am Start hat, muss aufgebaut werden. Schnell ist ein alternativer Standort gefunden und das lokale Personal sorgt für den benötigten Stromanschluss.

Baldur weiß: Arbeitshandschuhe sind wichtig.

Der Aufbau auf der Bühne ist neben dem Soundcheck das langwierigste Unterfangen des Tages. Schließlich müssen nicht nur Drums und andere Gerätschaften zusammengeschraubt und platziert werden, es muss auch alles richtig verkabelt sein, bis hin zu den In-Ear-Monitoren der Bands. Erst dann ist der Soundcheck möglich. Während die Techniker auf der Bühne werkeln, genießen wir das gute Wetter draußen. Mitglieder sowohl von SKÁLMÖLD als auch ATAVISTIA empfehlen dabei die Serie ‚Northmen‘ und sind sich einig, dass es wahrscheinlich vor allem der überzogene norwegische Akzent in der englischen Version ist, der den Spaßfaktor ausmacht.

Soundcheck: 15:00 – 4 Stunden bis Einlass

Den kurzen Soundcheck zwischen den Bands bei Konzerten oder Festivals kennt man ja im Allgemeinen. Besser ist jedoch stets ein richtiger Soundcheck noch vor Einlass, bei dem alles glattgezogen und für später eingestellt wird. Auch Fehlfunktionen der Technik fallen hier auf und können behoben werden, so wie heute beispielsweise ein Problem mit zwei Bodypacks (In-Ear-Empfängern) von SKÁLMÖLD. Da das Team mitten in der Tour bereits eingespielt ist, ist der Soundcheck schnell und effizient abgefrühstückt. Den Anfang macht mit SKÁLMÖLD der Headliner, METSATÖLL und ATAVISTIA folgen. Bei einer sehr späten Ankunft des Tourtrosses am Veranstaltungsort fehlt es daher oft vor allem den frühen Bands an einem Soundcheck. Das ist heute glücklicherweise nicht der Fall.

Bei Jón ist Millimeterarbeit angesagt.

Während METSATÖLL und ATAVISTIA draußen soundchecken, wird im Backstage in alter SKÁLMÖLD-Tradition das Kartenspiel ‚Tía‘ (Zehn) gespielt. Gitarrist Þráinn erfasst den Punktestand penibel in einem designierten Notizbuch, das gleichzeitig so etwas wie die Spiel-Chronik vergangener Touren darstellt. Das Spiel sorgt schnell für erhitzte Gemüter und einen Anstieg der Schimpfwort-Dichte, was natürlich äußerst amüsant ist. Ansonsten beginnt nun aber der Teil des Tages, wo eigentlich nicht viel passiert. Die bisherige Arbeit ist getan, alles ist bereit für die Show und alle beschäftigen sich bis dahin irgendwie selbst.

Ein kleiner Ausflug in die Stadt

Þráinn und Tonmann Aleksi haben dafür ein gemeinsames Ritual. In jeder Stadt checken sie die lokalen Plattenläden ab. Wir schließen uns an und ubern mit den beiden in die Mannheimer Innenstadt zum Laden Come Back, wo wir bis Ladenschluss um 18:00 immerhin noch eine gute halbe Stunde haben. Beide werden fündig – „The Raven That Refused To Sing“ von STEVEN WILSON für Aleksi und „Ancient Dreams“ von CANDLEMASS für Þráinn, allerdings als Geschenk. Beide sind aktuell bei etwa zehn gekauften Platten auf der bisherigen Tour, Tendenz steigend. Das Maximum, das Þráinn nach einer Tour im Handgepäck mit zurück nach Island schleppen musste, waren übrigens 54 Platten.

Þráinn ist fündig geworden.

Abendessen: 18:00 – Eine Stunde bis Einlass

Da wir den Plattenladen erst um 18:00 Uhr verlassen, schaffen wir es nicht pünktlich zum Abendessen, was aber kein Problem ist, denn es ist auch später noch genug für alle da. Um 18:30 sind wir zurück. Es gibt eine leckere vegane Paella. Die ersten Fans stehen bereits vor dem Club und allmählich beginnt es, nach einem Konzertabend auszusehen. Noch bleibt etwas Zeit für Gespräche beim gemeinsamen Essen. Wir tauschen uns über Bands aus und es herrscht Konsens, dass man sich SWALLOW THE SUN unbedingt anhören sollte. Ob man nun mit „When A Shadow Is Forced Into The Light“ oder „Moonflowers“ anfangen sollte, können wir jedoch nicht abschließend klären. Bei SKÁLMÖLD ebenfalls stets hoch im Kurs sind ihre Kumpels FINNTROLL.

Einlass: 19:00

Mit dem Einlass kehrt Leben in die Halle ein. Am Merch bildet sich eine Schlange und die frühen Vögel reservieren sich die Plätze in der ersten Reihe. ATAVISTIA sind in voller Vorbereitungsstimmung, denn sie machen um 19:30 Uhr den Anfang.

ATAVISTIA: 19:30 – 20:05

Galerie mit 14 Bildern: Atavistia - Ýdalir Tour 2023 in Mannheim
Für die Kanadier ATAVISTIA ist diese Tour ihr erstes Mal in Europa. Fronter Matt, der unter anderem deutschstämmig ist, begrüßt das Mannheimer Publikum in einwandfreiem Deutsch, wechselt für längere Ansagen aber doch ins Englische. Durch die recht langen Songs der Band und das Opening-Slot fällt die Setlist mit vier Stücken recht kurz aus. Sie starten mit dem Titeltrack des aktuellen Albums „Cosmic Warfare“ und gewinnen die Menge damit schnell für sich. Von eher hart und schnell bewegen sie sich im Verlauf ihres Sets hin zu melodiös und kündigen gegen Ende den Part zum Mittanzen an. Damit schaffen sie trotz des großen Stilunterschieds eine Art Übergang zu den bald folgenden METSATÖLL.

METSATÖLL: 20:20 – 21:10

Galerie mit 12 Bildern: Metsatöll - Ýdalir Tour 2023 in Mannheim
Nach einer kurzen Umbaupause beginnt mit METSATÖLL nun der wirklich folkige Teil des Abends. Ein Schelm, wer dabei KORPIKLAANI denkt. Es fällt tatsächlich sehr schwer, sich dieses Eindrucks zu erwehren, vor allem aufgrund der sehr ähnlichen Sprachen der beiden Bands. METSATÖLL machen auch genauso viel Stimmung wie ihre finnischen Kollegen. Besonders Multiinstrumentalist Varulven stiehlt mit seinen stetig wechselnden Folk-Instrumenten die Show. Auch mit seinen Ansagen sammelt er Pluspunkte beim Mannheimer Publikum. So kündigt er ein estnisches Liebeslied an, in dem es aber auch um das Bierbrauen geht. Spätestens nach diesem Auftritt ist die Menge auf Betriebstemperatur und bereit für SKÁLMÖLD.

SKÁLMÖLD: 21:30 – 22:45

Galerie mit 17 Bildern: Skálmöld - Ýdalir Tour 2023 in Mannheim
Die Gastgeber des Abends haben die letzte Stunde mit Vorbereitungen auf ihren Auftritt verbracht. Ohne Instrument in der Hand waren da nur noch Keyboarder Gunnar und Drummer Jón anzutreffen, und das auch nur aus rein logistischen Gründen. Die Ragnarsson-Brüder Snæbjörn und Baldur haben schon lange weder Schuhe noch Socken an.

Mit dem Titeltrack des aktuellen Albums „Ýdalir“ geht es los, gefolgt vom Klassiker „Gleipnir“. Alte wie neue Stücke funktionieren beim Publikum gleichermaßen gut und es wird sogar auf Isländisch mitgesungen – ob nun von Muttersprachler:innen oder nicht, lässt sich nicht sagen. Dass Gäste aus Island anwesend sind, stellt sich jedoch nach der Show heraus. Neben ihrer punktgenauen Performance fällt bei SKÁLMÖLD mal wieder ihre gute Laune auf, die rasch auf die Zuschauer:innen überspringt. Ein Highlight ist außerdem wie immer die Interaktion zwischen den Gitarristen Þráinn und Baldur beim Doppelsolo in „Að Vetri“. Als optisches Bonbon kommt eine Schneekanone zum Einsatz und der Bühne haftet für kurze Zeit etwas Zauberhaftes an.

Backstage Curfew: 00:30

Nach der Show kommen SKÁLMÖLD noch für Autogramme und Fotos in die Halle. Viele Fans haben die Band schon mehrfach getroffen und können daher zusammen in Erinnerungen schwelgen. So sehen wir auch Leute wieder, die wir zuletzt auf dem Summer Breeze im Rahmen unserer SKÁLMÖLD-Fan-Interviews getroffen haben. Wir ziehen uns in den Backstagebereich zurück, wo es ans Duschen und Zusammenpacken geht. ATAVISTIA-Gitarrist Dalton hat das Ende des SKÁLMÖLD-Sets mitgefilmt und tolle Bilder eingefangen, weshalb sich für eine gute halbe Stunde alle um sein Handy scharen.

Haben die Haare schön: Þráinn und Dalton.

Seitens des Tourmanagements erfolgt die freundliche Erinnerung an die Backstage Curfew um 00:30. Um diese Zeit müssen wir den Club final geräumt haben. Wie bereits die anderen Punkte auf dem Zeitplan, wird auch dieser so gut wie auf die Minute genau eingehalten. Schnell werden die letzten Taschen und übrig gebliebenen Backstage-Getränke zum Bus geschleppt. Nur die verschiedenen Mixery-Biere, über die schon den ganzen Tag geteilte Meinungen ausgetauscht werden, möchte irgendwie niemand mitnehmen…

Bus Call: 01:00

Um 01:00 ist Bus Call und damit auch für die Bands Zapfenstreich, zumindest in Mannheim. Videos, die uns erreicht haben, legen nahe, dass die Party im Bus noch eine Weile weitergegangen ist. Wir wären natürlich sehr gerne auch hier dabei gewesen, müssen uns aber vor der Abfahrt verabschieden. Wie immer war es uns ein Fest.

27.10.2023

headbanging herbivore with a camera

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