Shadows Of Paragon
Von Messdienern und Kirchenbrandstiftern.
Special
Die Rezension des neuen Albums von SHADOWS OF PARAGON durch unseren Kollegen Christoph Meul hat große Wellen geschlagen, zumindest im Verhältnis zur tatsächlichen Relevanz fraglicher Scheiblette. Stein des Anstoßes war Christophs Entscheidung, dem Album aufgrund der seiner Meinung nach unüberbrückbaren Diskrepanz zwischen Ästhetik und textlichen Inhalten die Höchststrafe aufzubrummen. Für diese null Punkte schlug dem Autor und metal.de eine (in irgendeinem Fanforum konzertierte?) Welle der Empörung entgegen, die einige Schreiberlinge dazu veranlasste, sich über Sinn und Unsinn von christlichem „Black“ Metal Gedanken zu machen und über ihren Umgang mit diesem Phänomen nachzudenken.
Liest man sich die Kommentare zu Christophs Kritik durch, stellt man fest, dass es den Kritikern der Kritik im Kern offenbar um zwei Dinge geht. Ein Kommentator hat es zitierfertig auf den Punkt gebracht:
„Es ist Objektivität gefragt. Es geht um Musik.“
Diese Aussagen finde ich, mit Verlaub, amüsant. Ganz zuerst muss ich natürlich sagen, dass Objektivität heutzutage in erster Linie ein Messwert für die Geschmacksübereinstimmung von Schreiberling und Leser zu sein scheint. Ist die Kritik in den Augen des Lesers nicht kritisch genug, ist der Autor ein „Fanboy“; ist sie zu schlecht, ist der Verantwortliche ein „bornierter Ignorant“ oder ähnliches. Objektiv dagegen ist eine Rezension offenbar immer dann, wenn der Reviewer die Meinung des Lesers widerspiegelt. Selbst wenn man diesen Begriffsmissbrauch außen vor lässt, ist das Verlangen objektiver Kritiken mindestens problematisch. Wie dem aufmerksamen Leser auffallen dürfte, steht unter einer Rezension stets ein Name. Der bräuchte da nicht zu stehen, wenn objektive Kritiken möglich wären. Eine Rezension kann gut oder schlecht begründet sein, mehr oder weniger fundiert ausfallen, in Sachfragen zutreffen oder danebenliegen. Die letztendliche Wertung jedoch ist ein Geschmacksurteil, von dem man Objektivität nicht erwarten darf. Wenn ein Album durch irgendwelche Dinge für den Rezensenten unerträglich ist, dann schlägt sich das eben in der Bewertung nieder, selbst wenn die „Musik an sich“ nicht ganz so schrecklich ist.
Womit wir auch schon beim zweiten Punkt wären, der Behauptung nämlich, es gehe doch nur um Musik. Gerade im Black Metal ist das eine sehr gewagte These. Gäbe es die ewigen BURZUM-Boykott-oder-nicht-Boykott-Diskussionen, wenn es tatsächlich nur um die Musik ginge? Darüber hinaus zeugt dieses Argument von einer gewissen Geschichtsvergessenheit. Die zweite Welle, die Black Metal in seiner heutigen Form wesentlich geprägt hat, war auch eine Protestbewegung. Protest dagegen, dass Death Metal nur mehr Musik war und thematisch für nichts mehr stand. Ist es nicht geradezu absurd, nun zu behaupten, Black Metal stehe inhaltlich für nichts?
Natürlich geht die Popularisierung von Musik immer auch mit dem Verlust von Inhalten einher. Das heißt aber doch noch lange nicht, dass man Inhaltslosigkeit und Beliebigkeit zu Prinzipien erheben muss, die nicht kritisiert werden dürfen. Sicher, für viele ist Musik einfach nur Musik, und das ist auch gut so. Heißt das aber, dass der Rezensent Musik nicht über die reine Musik hinaus ernst nehmen darf und das nicht in die Bewertung einfließen lassen kann? Kollege Falk hat dazu etwas zu sagen:
„In meinen Augen gehören zu den wichtigsten Aspekten des Black Metals Skepsis, Zweifel und Verneinung. Erst aus der Ablehnung vermeintlich etablierter Werte erwachsen die Kraft und die Atmosphäre dieses Genres. Dass viele Vertreter dieses Genres für ihren individuellen Ausdruck Teile der verneinten Symbolik verwenden, erweckt – nicht ganz zu Unrecht – häufig den Eindruck, dass sich die gegensätzlichen Geisteshaltungen auf ähnlichen Ebenen bewegen. Wer jedoch hinter die mitunter sehr plakativen Ausdrucksweisen blickt, findet schnell: Skepsis, Zweifel und Verneinung. (Ausnahmen bestätigen hier – wie immer – die Regel.)
Folgerichtig funktioniert Black Metal für mich nicht mehr, sobald Ideo- oder Theologien unreflektiert Eingang finden. Das Christentum verneint zwar eine ganze Menge („Du sollst nicht…“) – unter anderem sämtliche anderen Religionen und auch naturalistisch (humanistisch) geprägte Weltbilder – beruht aber im Kern auf einer ganz massiven Bejahung. Ja zu Jesus Christus als Messias, Ja zur Vergebung der Erbsünde, Ja zum ewigen Leben. Diese Bejahung entspringt einerseits nicht im Geringsten einer skeptischen oder zweifelnden Haltung, andererseits erhebt die christliche Lehre Anspruch auf absolute Wahrheit, auf Unfehlbarkeit. Kurz: Der christliche Glaube ist durch einen Mangel an ernsthafter Reflexion, an ernsthafter Skepsis geprägt – glaube und du wirst erlöst werden.
Und solche Aussagen sollen in Verbindung mit einem musikalischen Ausdruck, der einer komplett anderen Geisteshaltung entsprungen ist, funktionieren? Kraft und Atmosphäre der Musik wirken jedenfalls nicht authentisch – aber wieviel ist dann vom künstlerischen Ausdruck noch übrig?
Diese Erkenntnis findet – völlig zu Recht – in der Punktwertung zum SHADOWS OF PARAGON-Album Ausdruck. In der Schule heißt so etwas „Thema verfehlt“ und die Note sieht ähnlich aus. So einfach hat es sich der zuständige Redakteur jedoch nicht gemacht und statt der bloßen Punktewertung in seiner sprachlichen Auseinandersetzung mit dem Album auch die rein technische Komponente gewürdigt.
Man sollte sich vor der unnötigen Aufregung über ein „0/10″ ins Gedächtnis rufen, dass die auf dieser Seite vergebenen Punktewertungen eine schnelle(!) Orientierung bieten sollen, ob sich der Kauf des besprochenen Albums lohnt. Der interessierte Leser kann immer noch die komplette Rezension anschauen, um sich ein umfassenderes Bild zu machen. Aus Sicht des rezensierenden Redakteurs lohnt sich der Kauf des SHADOWS OF PARAGON-Albums also keineswegs – was aus den oben beschriebenen Gründen völlig nachvollziehbar ist.“
Kollege The.Beaver mag zwar christlichen „B“M auch nicht, kann sich aber mit der Bewertung trotzdem nicht anfreunden:
„Im Grunde stimme ich mit Kollegen Meul und einem großen Teil der Redaktion darin überein, dass christlicher Black Metal absoluter Müll ist. Aber es sprechen für meine Begriffe zwei gewichtige Gründe gegen eine 0-Punkte-Rezension einer solchen Kapelle. Zum einen haben wir uns selbst Maßstäbe auferlegt, welche bei einer musikalisch halbwegs passablen Band auch angewendet werden müssen und zum anderen kommt einer 0-Punkte-Rezi einfach mehr Aufmerksamkeit zu Gute, als einer im Bereich 3-5. In diesem Fall hat der Kollege, wenn auch mit positiven Absichten, ein Eigentor geschossen und der Band wesentlich mehr Aufmerksamkeit beschert, als sie eigentlich verdient hätte. Um aber generell auf christlichen Black Metal einzuguehen und meine Art des Umgangs damit vielleicht gleich mal abzustecken, möchte ich aus unserer Info-Seite zitieren, welche meiner Meinung nach hier hätte Anwendung finden müssen, da solcher Schrott auf metal.de m.E. Nichts zu suchen hat: „Wir behalten uns vor zugesandtes Material nicht zu rezensieren, wenn die Inhalte des Materials und/oder die Ansichten der/des Künstlers nicht mit unserer Einstellung vereinbar sind.“
Dementsprechend wäre es mir wesentlich lieber, wir würden solch einen Unfug in Zukunft ignorieren, anstatt Redakteure damit zu quälen, sich zu entscheiden, entweder ihren Idealen treu zu bleiben oder sich an gewisse Statuten zu halten. Desweiteren hat der (un)Black Metal bisher nichts zu Tage gefördert, das wirklich Aufmerksamkeit verdient, so dass es mitnichten von Interesse für die Leserschaft wäre, eine Rezension zu einer besagten Band zu lesen.“
Dazu könnte ich jetzt noch ein oder zwei Worte verlieren, will mir das aber verkneifen, denn zu einem nicht ganz so schrecklich wichtigen Thema haben wir uns schon viel zu viele Gedanken gemacht, da hat der Biber ganz recht. Auf den letzten Satz möchte ich jedoch noch eingehen und diesen Gedankengang sogar noch ein bisschen vertiefen, denn diesen Punkt halte ich für nicht ganz unwichtig.
The.Beaver schneidet hier nämlich etwas an, das ich den Geburtsfehler des sogenannten „Unblack Metal“ nennen möchte. Das ganze Genre ist (bis zum heutigen Tage jedenfalls) bar jeglichen künstlerischen Wertes. Die komplette Ästhetik ist geklaut, angefangen beim Stil der Logos, über Cover und Titel bis hin zur Musik. Da ist nichts Eigenes. Gar nichts. Null Kreativität. Das geht soweit, dass für dieses Ungenre noch nicht mal ein richtiger Name existiert. Unblack Metal? Haha. Natürlich ist es irgendwie verständlich (und von einer betimmten Warte aus kann man es wohl auch als Ehrerbietung betrachten), dass gewisse Leute die dem Black Metal innewohnende musikalische und spirituelle Kraft für Dinge zweckentfremden wollen, die mit dem ursprünglichen Gedanken des Genres unvereinbar sind. Da sind die Nacheiferer von HORDE nicht die ersten und wahrscheinlich auch nicht die letzten Übeltäter. Ein wundersames Phänomen ist dabei im Falle christlichen „Black“ Metals die Tatsache, dass man – wenn man denn nicht gerade unter Gleichgesinnten den Herren hochleben lässt – sehr bedacht darauf ist, seine Botschaft nicht allzu offensichtlich herauszuposaunen. SHADOWS OF PARAGON etwa geben auf ihrer Myspace-Seite DARK FUNERAL, MARDUK und NAGLFAR als Einflüsse an. Von Jesus dagegen kein Wort! Da muss man sich doch fragen, ob hier nicht vielleicht weniger aufmerksame Leute schlicht veralbert werden sollen.
In diesem Sinne ist es vielleicht doch ganz gut, dass wir mal drüber geredet haben, auch wenn SHADOWS OF PARAGON diese Aufmerksamkeit natürlich in keinster Weise verdient haben.