Seth Siro Anton
Im Auftrag der Kunst
Special
Neben der Musik selbst hat auch nicht selten die grafische Darstellung einer Band Auswirkungen auf deren Image und die Aussage hinter der Musik. Hin und wieder ist die optische Komponente sogar so weit in das Konzept integriert, dass man fast von einer Symbiose aus Bild und Ton sprechen kann. Dabei bietet die Szene viele talentierte Künstler, die unseren Lieblingsalben ihren Stempel aufdrücken. Doch wer versteckt sich hinter diesen Bildern und was will uns der Künstler damit sagen? Aus diesem Grunde baten wir SETH SIRO ANTON, seines Zeichens Sänger und Bassist von SEPTICFLESH und Erschaffer von bizarren Traumwelten, zum Gespräch. Selbst wenn man SETH nicht direkt durch seine Musik kennt, so sind wohl jedem seine düsteren und sehr expliziten Bilder durch Bands wie MOONSPELL, PARADISE LOST, BELPHEGOR und vielen andere sicherlich schon mal über den Weg gelaufen.
Deshalb nahm sich der sympatische Herr viel Zeit, um uns seinen Werdegang, seine Ansicht zu Musik und Arbeitsweise genau zu erläutern. Desweiteren erhielten wir aber auch einen tiefen Einblick in die Gedanken, welche sich SETH SIRO ANTON vor und während seiner Arbeit macht und welche Ideen sich in seinen Werken wiederfinden. Dazu gibt es auf der zweiten Seite eine ausführliche Beschreibung zu den verschiedenen Kompositionen des Artworks von SEPTICFLESHs „Titan“.
Hallo Seth, erstmal vielen Dank für deine Zeit. Neben SEPTICFLESH bist du vielen als Künstler in der Metal-Szene bekannt. Könntest du uns bitte mal deine wichtigsten Karriereschritte aufzählen?
Ich habe 1990 mein Studium in DTP (Digital Design & Graphics) begonnen. Ein Jahr zuvor habe ich SEPTIC FLESH gegründet. Da ich an die Supreme Universitiy of Arts (KUNSTHOCHSCHULE) in Athen wollte, habe ich 1991 begonnen, Privatstunden im Rahmen eines Kunstworkshops zu nehmen. Zwei Jahre später habe ich die Zulassungsprüfung als 19. bester von 2000 Bewerbern in Athen (10. für Thessaloniki) bestanden, worauf ich beschlossen habe, bei Professor Dimitris Mitaras Kunst zu studieren. Daneben habe ich noch Kurse in Fotografie, Szenengestaltung und Raumgestaltung in der Kunst besucht. Etwa zur selben Zeit haben wir einen Vertrag mit dem französischen Indi-Label Holy Records unterschrieben. Während meiner ersten drei Jahre an der Uni bekam ich drei Stipendien und meine Abschlussarbeiten eines jeden Jahres wurden mit Bestnoten von meinen Professoren versehen. Anfangs habe ich hauptsächlich mit Airbrush, Acryl- und Ölfarben gearbeitet. Ab meinem vierten Jahr habe ich die Photographie, die digitale Bearbeitung (Photoshop, Painter) und kombinierte Techniken stärker in den Fokus gerückt. 2004 machte ich dann schließlich meinen Abschluss. Ich arbeitete bereits als Grafikdesigner für das Magazin Razor, den Metal Hammer und für das griechische Plattenlabel Black Lotus Records.
Wann hast du realisiert, dass Kunst ein wichtiger Teil deines Lebens ist? Wann war für dich klar, dass dies mehr als nur ein Hobby sein würde?
Ich habe meine ersten Portraits und Landschaften auf kleinen Holzstücken gemalt, als ich acht Jahre alt war. Mein Großvater war dabei meine größte Motivation, denn er ist selbst Maler. Ich habe dazu verschiedene Bleistifte, Filzstifte und Pastellfarben verwendet.
Hat dich dein Studium gut auf deine Arbeit vorbereitet?
Ich bin stolz darauf, Student bei Dimitris Mitaras gewesen zu sein, einem großen Künstler, Lehrer und Mentor. Mein Studium ist wohl einer der Hauptgründe, warum ich der Künstler geworden bin, der ich bin und als solcher überleben konnte.
Gibt es etwas, dass dich in deiner Art von Kunst besonders inspiriert? Vielleicht spezielle Musik, Filme oder andere Künstler? Oder beziehst du deine Inspiration eher aus deinen eigenen Erfahrungen und Alpträumen?
Ein großer Einfluss waren alte ägyptische und sumerische Gemälde und Plastiken. Ansonsten kommen da noch historische Meilensteine der Kunst wie der Expressionismus, Surrealismus, Phobismus, Futurismus und der Expressionismus der Nachkriegszeit hinzu. Künstler, die ich sehr bewundere, sind Leonardo Da Vinci, Michael Angelo, Vladimir Tatlin, Kasimir Malevich, Constantin Brancusi, Francis Bacon, Pablo Picasso, H. R. Giger, J.P. Witkins, Robert Motherwell, Robert Rauschenberg.
Aber der Haupteinfluss, die Person, die meine Sicht auf die Kunst geändert hat, war eindeutig Francis Bacon.
Was ist für dich persönlich Kunst?
Träume sind so wertvoll, weil sie das allgemeine Chaos, das unsere Neuronen entstehen lassen, freigeben, und dabei die Gesetze von Raum und Zeit außer Kraft setzen. Wenn ich male, versuche ich mich in einen Zustand des bewussten Träumens zu versetzen. Eigentlich ist ein Traum eine Leinwand voller Bilder (und vielem mehr) des Unterbewusstseins unter der Leitung des Über-Ichs. Die Unterschiede zwischen einer Welt des Lichts und einer der Dunkelheit liegen darin, dass wir in der ersten Welt, der des Lichts, lernen müssen, Werkzeuge zu benutzen, die bestimmte Eigenschaften und Begrenzungen mit sich tragen, um die Bilder des Traumes in Erscheinung zu bringen. Wir müssen zunächst lernen, diese Hilfsmittel bewusst als Brücken einzusetzen, die von unseren Gedanken bis zur tatsächlichen Leinwand reichen. Wenn ich Kunst erschaffe, liegt meine Hauptbestrebung darin, mit dem Traum in Verbindung zu bleiben, ihn immer im Hinterkopf zu behalten, dem einen, der von den Reflexionen der Farben durch das Licht hindurch berührt wurde. Ich sehe meine Kunst als ein dunkles Tor zu verbotenen Dingen, die von der schützenden Kappe der Vernunft befreit wurden.
Meine Arbeiten sind Zerrspiegel eines Traumes von Körper und Seele.
Diejenigen, die sich von den spezifischen Kunstformen angesprochen fühlen,
fühlen sich im Grunde nur angezogen von der reflektierten Traumwelt.
Gab es für dich schon mal den Zeitpunkt, an dem du aufhören wolltest?
Nie
Hörst du dir Alben an, für die du Artworks entwirfst? Gibt es dabei irgendwelche Vorgaben von deinen Kunden oder arbeitest du mit völlig freier Hand an den Illustrationen, bis du letztendlich mit dem Ergebnis zufrieden bist?
Das kommt immer darauf an, für welche Band ich arbeite und wie weit die Aufnahmen fortgeschritten sind, wenn ich mich ans Werk mache.
Ich habe meinen eigenen Stil und Charakter, was wohl der Grund sein wird, warum die jeweilige Band mit mir arbeiten will. Es stellt eine große Herausforderung dar, Musik zu dekodieren und zu visualisieren, was bedeutet, dass die Musiker schon Vertrauen in die Vision des Künstlers haben sollten, den sie sich ausgesucht haben. Eine Band, die bereits klare Vorstellungen davon hat, was sie haben will und die lediglich Vorgaben macht, braucht eigentlich keinen Künstler an sich, sondern bloß einen Grafik Designer, der weiß, wie er Photoshop oder sonst eine Software zu bedienen hat.
Wenn du mit einem Artwork beginnst, entwickelst du ein Konzept, wie du es gelernt hast, oder arbeitest du aus einer persönlichen Basis heraus?
Mein Hauptkonzept folgt eigentlich immer einem roten Faden, aber während des Arbeitsprozesses kann sich natürlich alles ändern… Meine Bilder stammen von den Urkräften des jenseitigen Chaos‘ und des menschlichen Unterbewusstseins. Mein Stil ist realistisch mit einem hohen expressionistischen Grad des Hauptobjekts meines Werkes, wobei der Hintergrund, was Farbe und Form angeht, klar bleibt. Eine klaustrophobische Welt voller Albträume, eine plasmatische andere Dimension, in der die Hauptfiguren kämpfen, schreien und brüllen und ihre Energie aus dem chaotischen Königreich der kosmischen Unbewusstheit saugen. Figuren, die sich verängstigt und selbstzerstörerisch nach Erlösung sehnen. Die meisten meiner Arbeiten begannen ohne jegliche Vorbereitung. Sagen wir mal, ich vertraue einfach meinem Instinkt und alles ist bereits in der Leinwand verborgen. Dann brauche ich nur noch meinen Pinsel, um das alles an die Oberfläche zu bringen. Um die dunkle Seite des Menschen zu verbildlichen, arbeite ich so frei und spontan, wie ich nur kann, damit die Logik mir nicht dazwischen funken kann, ebenso wie die Angst, die sonst alles überlagern würde. Ich webe das, was da nach und nach die Oberfläche der Leinwand erreicht, in das Gesamtwerk ein. Die kannibalistischen und tragischen Figuren Franci Bacons haben mein Werk definitiv beeinflusst. Es ist noch zu früh für mich zu sagen , dass ich mich auf etwas festgelegt habe, ich lerne noch immer und es ist sehr schwierig, dieses Wissen zu beherrschen. Es ist ähnlich wie beim Gestalten, das Wissen um Komposition und Farbe kann etwas zum Leben erwecken, das geradewegs aus deiner esoterischen Welt kommt.
Zeichnest du eigentlich hin und wieder beim Telefonieren vor dich hin?
Manchmal..!
In deinen Arbeiten nutzt du sowohl digitale Methoden als auch klassische Techniken. Was bevorzugst Du denn persönlich?
Als ich an der Kunsthochschule Athen studiert habe, lag mein Schwerpunkt auf Malerei, Photographie und digitalem Design. Artworks haben einen gravierenden Nachteil, nämlich, dass du nie genug Zeit hast, um eine stimmige Komposition zu erstellen. Anders verhält es sich da bei anderen Maltechniken (zum Beispiel Leinwand, etc.). Ich habe beschlossen, analoges Malen mit Acrylfarben mit hochauflösenden Drucktechniken zu verbinden, für die ich Programme wie Photoshop oder Corel Painter benutze. Die Verbindung der verschiedenen Elemente ist komplexer als das Richten fehlerhafter Kompositionen und Formen auf einer Leinwand. Man könnte also sagen, dass das Endprodukt rein ist… wenn die harschen und direkten Pinselstriche des analogen Gemäldes sich harmonisch in die digital gedruckten Bilder einfügen. Obwohl die digitale Kunst in der letzten Zeit einen sehr hohen Standard entwickelt hat, kann sie dennoch nicht die wahren Gebahren und Ausdrucksformen einer menschlichen Seele wiedergeben, wie die mannigfaltigen und sehr ausdrucksstarken Einsatzmöglichkeiten von Ölfarben.
Wie ist deine Arbeitsweise beim Zeichnen?
Mit den Touren mit SEPTICFLESH und den ganzen Deadlines für Artworks bleibt nicht mehr viel Zeit zum Malen. Das ist verdammt schade, aber leider lässt sich das nicht mehr kontrollieren!
Wann weißt du, dass ein ein Bild fertig ist?
Wenn ich sehe, dass mein Werk beginnt, Inneres und Gedanken wiederzugeben, höre ich auf. Damit ist das Ziel zwar soweit erreicht, was aber noch lange nicht bedeutet, dass das Bild fertig ist. Die größten Kunstwerke der Geschichte blieben unvollendet.
Du hast einige großartige Artworks für Bands wie beispielsweise NILE, VADER, BELPHEGOR, PARADISE LOST oder MOONSPELL gemacht. Gibt es eine Band da draußen, mit der du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
APHEX TWIN, DEAD CAN DANCE und natürlich NIN.
Neben der Arbeit mit SEPTICFLESH ist die Geschwindigkeit, mit der du Artworks herausbringst, beachtlich. Wie ist das möglich? Arbeitest du auch auf Tour?
Es ist für mich unmöglich, während einer Tour zu arbeiten. Ich hab es zwar versucht, mochte aber das, was dabei herausgekommen ist, überhaupt nicht. Während ich aber im Studio bin, arbeite ich mal hier und mal da daran und das immer wieder. Wenn ich an einem Artwork sitze, das mich wirklich fordert, vergesse ich sogar manchmal zu essen. Der große Pluspunkt an meiner Arbeit ist der, dass ich arbeiten kann, wann ich das will. Ich bin mein eigener Chef. Das gibt mir das Vergnügen und die Freiheit, ein Werk entstehen zu lassen, ohne dabei auf Grenzen zu stoßen oder Abstriche machen zu müssen. Der Nachteil ist dabei, dass du dabei feststellst, wie viel Zeit dir daneben für Privates bleibt: nämlich gar keine. Ich versuche so viel wie möglich über Dinge in Erfahrung zu bringen, mit denen ich im Zuge meiner Arbeit zu tun habe. Wie ich bereits sagte: Ich habe eine Mission. Künstler zu sein ist gar nicht so leicht.
Wenn du alle deine Artworks vergleichst, gibt es da ein bestimmtes Motiv auf das du richtig stolz bist? Hast du sowas wie ein Lieblingsbild das du gemacht hast? Ich glaube das Cover zu “The Great Mass” war wirklich hart für dich?
Definitiv. Das Cover von “The Great Mass“ ist wohlmöglich eine meiner besten Arbeiten. Es hat viele Monate gedauert, alle Elemente zu finden und sie zu kombinieren, um dieses Endergebnis zu bekommen, diese Pyramide mit der Gestalt eines selbstzerstörerischen Gottes, der an seiner eigenen Schöpfung zugrunde geht…dem Menschen.
Auf Facebook hast du geschrieben, dass die Illustrationen zu “Titan” und “Conjuring The Dead” (BELPHEGOR) die bisher extremsten und bizarrsten Artworks sind, die du bisher gemacht hast. Wieso ist das so für dich?
Beide Arbeiten sind ausnehmend intensiv und beinhalten versteckte, extreme Botschaften, die einem beim ersten Ansehen gar nicht ins Auge springen. Das lässt alles durch die gegensätzlichen Bedeutungen ironisch, düster und immer gefährlich wirken.
Danke für das sehr informative Gespräch. Die letzten Worte gehören natürlich dir.
Danke für das große Interesse an und die Unterstützung bezüglich meiner Arbeit.
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