Scorpions
Die "50th Anniversary Editions" ihrer Klassiker
Special
WORLD WIDE LIVE (1985)
Was haben die SCORPIONS mit den RAMONES gemeinsam? Das Arbeitsethos? Ja. Und: Beide Gruppen klingen, na ja, klangen in ihren besten Jahren auf der Bühne deutlich dynamischer als auf Konserve. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal? Wer (wie ich) mit „It’s Alive“ in den Zauber des „1-2-3-4!“ eingeführt wurde, konnte „Rocket To Russia“ danach jahrelang nur auf 45 abspielen. Ähnliches gilt für den Einstieg mit „World Wide Live“ in die wilde Welt der SCORPIONS.
Das ’85 aktuelle „Love At First Sting“ ist für sich ja schon ein formidables Album – das auf der zugehörigen Tour dokumentierte „World Wide Live“ präsentiert die Stücke der Hannoveraner aber auf einem derartigen Cocktail aus Adrenalin und Scheinwerferkegel, dass der Puls beim Zuhören schon zuhause vor dem Kamin in Notruf-Regionen rast. Allein wie Schenker und Jabs nach dem Intro zu „Coming Home“ die Gitarren aufheulen lassen wie ein entfesselter Valentino Rossi den tollwütig getunten Motor, ist unfassbar gut. Man sieht die SCORPIONS geradezu auf die Bühne rasen, auf dass es keine Gefangenen geben mag.
Und so geht es weiter durch die größten Treffer der Post-Roth-Jahre; Überschneidungen mit der 78er-Ansage „Tokyo Tapes“ gibt es keine. Dafür aber eine Band in der Form ihres Lebens und ein Publikum, dass ihr weltweit zu Füßen liegt. Wenn man sich (bei allem Respekt) im Vergleich die jüngsten Live-Alben der SCORPIONS von Wacken bis Hellas gibt, dann liegen da schon Welten dazwischen. „World Wide Live“ ist im Prinzip als Gesamtwerk ein Highlight, hervorzuheben sind neben „Coming Home“ aber auf jeden Fall das Instrumental „Coast To Coast“ (die vielleicht leuchtendste Rakete ihres Ehemaligen Michael Schenker am SCORPIONS-Himmel), „Holiday“ mit Tausender-Chor und gut sieben Minuten „Dynamite“ mit Krachorgie am Schluss. Fazit: „World Wide Live“ ist die Definition eines Live-Albums.
Bonus sind die rasanten Rocker „Can’t Get Enough I & II“ sowie „Six String Sting“ – und eine insgesamt noch lauter vernehmbare Meute vor der Bühne. Rock you like a hurricane. Most definitely. „Live After Death“, „Unleashed In The East“, „No Sleep ‚Til Hammersmith“? Kurze Hose, Holzgewehr… 10/10
Des Weiteren: Rudolf Schenker brüllt vor Freude – was für ein Tag! Zum Wachwerden (und einfach aus Scheiß) war er nackt in einer Viertelstunde einmal längs durch den Amazonas gekrault, hatte dann spontan Godzilla mit bloßen Händen eine Lektion in Demut erteilt, bevor ein aus dem Nest gefallenes Mammutjunges unter seinem Schnauzbart über den Winter gebracht werden musste. Und jetzt sitzt er hier mit seiner Flying V auf der Terrasse des Weißen Hauses, Kaffee gerade durch, weil Ronald Reagan bekehrt eine musikalisch initiierte Annäherung von Ost und West beim Barbecue wünscht. Na ja. Im Prinzip jedenfalls.
Denn was ernsthaft auf der außerdem als Bonus beigefügten Doku zu „World Wide Live“ auffällt, ist der beeindruckende Optimismus der SCORPIONS und allen voran der ihres Motors Schenker. Dessen Selbstbewusstsein und Lebensfreude kristallisieren sich in der Gesamtschau immer mehr als entscheidende Faktoren für den eigentlich ziemlich unwahrscheinlichen Erfolg der SCORPIONS heraus. Durch nichts lässt sich der Mann aufhalten, auch nicht durch fremde Sprachen. Sein Sendungsbewusstsein führt nicht nur – dazu einige Jahre später noch mehr – Menschen über Grenzen hinweg zusammen. Es pulverisiert auch Unterschiede auf lexikalischer und grammatikalischer Ebene, als wären sie nichts als die wolkigen Grillen eines aus der Zeit gefallenen Schulmeisters vom Dorf und vorgestern.
Im, ähm… Klartext heißt das: Dass die bislang nur als VHS erhältliche „World Wide Live“-Doku nun als DVD vorliegt, ist schon deshalb eine gute Sache, weil Schenker und seine SCORPIONS sich derart entwaffnend durch ihr charmantes Denglisch dengeln, dass kein Auge trocken bleibt. Und auch sonst nichts. Großes Kino!
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Stile | Hard Rock, Heavy Metal, Melodic Metal, Rock |
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Sehr geiles Special. Find ich gut, dass ihr auch zu Bands steht, die oft nur belächelt werden. Aber irgendwoher muss die Beliebtheit der Scorpions ja auch herkommen. Gerne mehr davon! Dickes Lob!!!
sehr schick, kompliment für dieses special
Die Scorpions werden zu oft auf „Winds Of Change“ reduziert, der zugegebenermassen der nervigste Track der Bandgeschichte ist. Vergessen wird oft, daß die Scorps mit zu den besten Songschreibern der deutschen Hard Rock/Metal-Szene gehören. Ich ziehe immer noch gerne die 80er „World Wide Live“ heran, wo man man sehen kann wie heftig die Scorpions eigentlich sind. Nicht die „Peinlichste Band der Welt“ aber gerne Ziel von nestbefleckenden heimischen Schreiberlingen. Ein zu Unrecht schlechter Ruf.