Scorpions
Die "50th Anniversary Editions" ihrer Klassiker
Special
BLACKOUT (1982)
„Ey, Rudi! Dunkls Bier oder lieber helln Wein?“
„Wenn ich ’nen ordentlichen Blackout haben will, dann letzteren!“
Entschuldigung, aber wenn ein Cover Kultstatus erlangt, auf dem Gottfried Helnwein sich im Selbstporträt zwei Gabeln unter einem Mullbinden-Turban auf die Augen geklebt hat, wenn das also erlaubt ist, dann wird ja wohl ein kleiner Scherz… tja. Dass stets davon ausgegangen wurde, König Rudolf höchstselbst sei abgebildet, ist kaum verwunderlich. Neben dem charakteristischen Bart ahmt der Künstler schließlich DEN Signature-Move Schenkers schlechthin nach: den bis zum Anschlag aufgerissenen Schlund. Mal drauf achten: Es existiert kaum ein Promo-Foto, auf dem man Rudis Zäpfchen nicht in voller Pracht präsentiert bekommt. Und der Titelsong von „Blackout“ stellt die Vertonung dieser Geste dar.
So aggressiv röhrten die Gitarren im SCORPIONS-Camp zuvor selten und den simplen Refrain bekommt man so leicht auch nicht mehr aus dem Hirn. Ähnlich schnell, kompakt und offensiv ist neben dem weiteren Klassiker „Dynamite“ vor allem das etwas in Vergessenheit geratene „Now!“ ausgefallen, wilder sang Klaus Meine mit wiedererlangter Stimme vorher kaum und hinterher nie. „Arizona“ ist eine lässige Hymne mit cooler Leadgitarre und gegen Ende „Yeahyeahyeah“ bis der Arzt kommt, das düster-harte „China White“ klingt wie die SCORPIONS auf SABBATH, „When The Smoke Is Going Down“ ist eine gar nicht mal so unsägliche Ballade und „No One Like You“ ohnehin allseits bekannt. Die SCORPIONS landen fast nur Treffer und sind, mal abgesehen von „Animal Magnetism“, so Metal wie nie. 9/10
Als Bonus befinden sich auf der 50th Anniversary Edition von „Blackout“ neben der überflüssigen Demo-Version des Titelstücks auch drei Demo-Songs, die bisher unter Verschluss gehalten wurden. Sowohl „Running For The Plane“ als auch „Sugar Man“ und „Searching For The Rainbow“ sind allerdings nicht grundlos damals durchs Raster gefallen.
Cooler ist die weiterhin beigefügte DVD, die neben den Clips zu „Arizona“ und „No One Like You“ (!) den 83er-Auftritt der SCORPIONS beim „Rock Pop In Concert“ in der Dortmunder Westfalenhalle enthält. „Make It Real“ und „The Zoo“ waren damals im Fernsehen dabei nicht einmal zu sehen. Wer dabei war, schwärmt – und jetzt können auch alle anderen nachvollziehen, wie die SCORPIONS zu ihrem eine Zeit lang legendären Ruf als Live-Band gekommen sind. The times they are a-changin’…
Unter anderen DEF LEPPARD, OZZY, JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN wurden weggerockt von Rocktier Rudi und seiner Gang. Schenker fegt als eine aufgedrehte Mischung aus Dieter Eilts und Jürgen Kohler über die Bühne – optisch und auch spielerisch, stellt er mit seiner Rhythmusgitarre doch den rustikalen Motor der SCORPIONS in Action dar. Buchholz und Rarebell halten da nicht mit, spielen aber sehr mannschaftsdienlich und Jabs sowie Meine dribbeln sich hakenschlagend durch die Abwehrreihen aller Zweifler. Beide trumpfen zudem mitten in Dortmund taktisch geschickt mit Maja-Look auf. Sexy ist das zudem.
Bester Moment: Klaus Meine außer Rand und mit vollkommen irrer Band stachelt die ohnedies schon heiße Meute vor „Can’t Live Without You“ immer weiter auf: „Was haltet ihr davon, wenn ihr diesen Song einzählt? […] Was meint ihr, habt ihr das drauf? Alright, let’s check it out. […] Seid ihr okay? Wollt ihr’s versuchen? […]“ Immer lauter und immer drängender. Minutenlang. Und minutenlang hüpfen Band und Publikum sich gemeinsam in Ekstase, bevor es richtig losgeht. Phänomenal. Zweitbester Moment: Rudolf Schenker kündigt die Zugabe „Can’t Get Enough“ mit einem ekstatischen Kreischen an und macht dann den Townsend-Propeller für Erwachsene. Vorher hatte er seine Gitarre zur Feedback-Orgie schon dermaßen rücksichtslos herumgeschleudert, dass man mit dem Schlimmsten rechnen wollte. Drittbester Moment: Matthias Jabs hat bei „The Zoo“ was im Mund. Sollte man insgesamt schon mal gesehen haben.
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Band | |
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Stile | Hard Rock, Heavy Metal, Melodic Metal, Rock |
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Sehr geiles Special. Find ich gut, dass ihr auch zu Bands steht, die oft nur belächelt werden. Aber irgendwoher muss die Beliebtheit der Scorpions ja auch herkommen. Gerne mehr davon! Dickes Lob!!!
sehr schick, kompliment für dieses special
Die Scorpions werden zu oft auf „Winds Of Change“ reduziert, der zugegebenermassen der nervigste Track der Bandgeschichte ist. Vergessen wird oft, daß die Scorps mit zu den besten Songschreibern der deutschen Hard Rock/Metal-Szene gehören. Ich ziehe immer noch gerne die 80er „World Wide Live“ heran, wo man man sehen kann wie heftig die Scorpions eigentlich sind. Nicht die „Peinlichste Band der Welt“ aber gerne Ziel von nestbefleckenden heimischen Schreiberlingen. Ein zu Unrecht schlechter Ruf.