Satyricon
So klingt das neue Album "Satyricon"
Special
Wie klingt „Satyricon“, das neue, achte SATYRICON-Album?
Nach fünf Jahren Pause, die zwischen dem 2008er Vorgänger „The Age Of Nero“ und der Veröffentlichung von „Satyricon“ am 8. September liegen, fragen sich mittlerweile nicht mehr nur eingefleischte Genrefans, sondern die halbe Musikwelt: Was steckt nun hinter diesem ominösen Album, von dem nicht einmal die Tracklist offiziell bekannt ist und von dem Satyr und Frost nur sagen können, dass es SATYRICON mehr repräsentiert als irgendetwas zuvor, dass sie ihre Seelen in dieses Werk gelegt haben? Tatsächlich die Revolution des Black Metal, zu dessen elitärem Visionär sich Sigurd Wongraven regelmäßig selbst krönt? Oder doch nur „Now, Diabolical“, Teil 3? metal.de hat sich für Euch rund sechs Wochen vor der Veröffentlichung schon einmal in Pans Reich begeben und eine knappe Stunde irgendwo zwischen Nacht und Morgengrauen im Kosmos von „Satyricon“ verbracht.
Behutsame Geräusche von allen Seiten, jedes für sich schlicht und begreifbar, aber zusammen doch verwoben und undurchdringlich. Im späten Sonnenuntergang rufen die vielen Stimmen der Schatten sirenenhaft verführerisch. Wenn man ihnen nachgibt, verändert sich für eine kurze Zeitspanne die ganze Wahrnehmung, sie wird schärfer, kraftvoller und zuversichtlicher, im selben Maße, wie es um einen herum dunkler wird. Man beginnt automatisch, alles drumherum auszublenden und beginnt zu laufen.
Dabei erscheint „Satyricon“ im ersten Moment gar nicht spektakulär.
Was zuerst auffällt: Die ungezügelte, rohe Energie von früher ist fort. Stattdessen geht es jetzt um reine Atmosphäre, um destilliertes Ambiente, um den Kern der Sache. So erwachsen, wie SATYRICON geworden sind, brauchen sie, um Black Metal auszudrücken, kaum noch Blast Beats und kein überzogenes Geschrei. Stattdessen regieren kunstvolle, treffsichere Riffs, Gitarren, die sich verzweigen und verweben wie die alten Wurzeln auf dem Cover, und ein Schlagzeug, das eher perkussiv als in der Tradition klassischen Black Metals Verwendung findet. Frost spielt erstmals mit und nicht gegen sein Drumkit. Statt aggressiv zeigt sich „Satyricon“ so stark wie zerbrechlich, absolut emotional und fast kafkaesk. Darin ist es dann doch spektakulär.
Da lauert etwas Namenloses in den Schatten, durch die Bäume brechen unsicher, aber wärmend Lichtstrahlen, denen man nicht so recht trauen mag.
Und auf einer Lichtung versteckt verbergen SATYRICON schließlich das Allerheiligste: Ihren aus dem Feuer immer wieder neu aufsteigenden Wappenvogel, der geradezu ein Symbol für dieses Album und dessen Stimme Sivert Høyem, ehemaliger Sänger der norwegischen Indie Rock-Band MADRUGADA, ist. Vielleicht ist es Zufall, aber „Madrugada“ heißt auf spanisch „Morgengrauen“.
Auf der Hälfte des Weges wird es zunehmend immer stürmischer, düsterer und bedrohlicher. Hier erkennt man gelegentlich vertraute Zeichen wieder, fühlt sich erinnert. Pfade zweigen ab und enden im Nichts, die Geräusche werden erst lauter, tobender, dann aber versöhnlich. Wo es nicht mehr weitergeht, bleibt nur noch der Blick nach oben, wo die Finsternis von kleinen lichten Punkten unterbrochen ist, wo man sich wie nichts fühlt und wo nur noch das Staunen bleibt. Wir haben es bis hierhin geschafft, bei vollem Bewusstsein und „to the finished line“. Danach ist nur noch die pure Nacht, leise, wortlos, warm und wunderschön.
„Satyricon“ ist voller überraschender Momente, ohne mit der Tradition seiner Erschaffer zu brechen.
Es klingt genauso wenig nach purem Black Metal, wie es gleichzeitig nicht mehr Black Metal sein könnte. Und es bricht bewusst und radikal mit dem Weg, den der Metal seit Jahren nimmt – immer kälter, schneller, lauter, härter und komprimierter zu werden. „Es verlangt eine Menge von dir als Hörer, aber ich weiß, dass du es lieben wirst. Es wird in dir wachsen, und deshalb wird es auf ewig bei dir bleiben“, sagt Satyr. So prätentiös, wie das wohl klingt, so wahr ist es dann aber auch.