Rockharz Open Air 2017
Die große Campstory
Special
Im kommenden Jahr sind es bereits zehn Jahre, die das Rockharz-Festival am “Ballenstedter Verkehrslandeplatz“ residiert. Fast genauso lange sind wir von metal.de für Euch vor Ort dabei, organisieren die Autogrammstunden und halten Euch darüber auf dem Laufenden, was auf den beiden Bühnen so abging. Wie allen Festivalbegeisterten unter Euch sicherlich bewusst ist, gilt dabei jedoch, dass ein gutes Festival viel, viel mehr ausmacht, als ein geiles Line-Up, erschwingliche Bierpreise und ein abwechslungsreiches, für jeden Geldbeutel passendes, gastronomisches Angebot. So haben unwissenschaftliche Erhebungen ergeben, dass etwa die Hälfte des Erfolgsfaktors schlichtweg auf das Feeling rund um das Festival zurückzuführen ist.
Um es auf einen wesentlichen Punkt zu bringen: Stimmt die Stimmung unter den Besuchern und damit vor allem auch auf dem Campingplatz, ist das schon mal die halbe Miete. Da sowohl die auftretenden Bands, als auch die Veranstalter des Rockharz seit Jahren regelmäßig von eben dieser Stimmung unter ihren Gästen schwärmen, war es eigentlich überfällig, dass auch wir uns mal unter Euch mischen und schauen, was auf dem Campground zum Fuße der Teufelsmauer so los ist. Was unser Team auf seinem zweieinhalbstündigen Rundgang, der gefühlt schon eher eine kleine Wanderung war, so alles erlebt hat, könnt ihr auf den folgenden Seiten lesen.
Das Rockharz-Camp
Der Zuspruch, den das Rockharz in den vergangenen Jahren bekommen hat, lässt sich besonders gut an der gestiegenen Kapazität ablesen, die für Zelte, Autos, Caravans, Wohnmobile, Busse, Leichenwagen und sonstige Schlafgelegenheiten seiner Gäste zur Verfügung steht. Seit dem Umzug auf das neue Gelände 2009 hat sich die Besucherzahl verdoppelt und in diesem Jahr mit 15.000 Gästen eine neue Rekordhöhe erreicht. Die übergroße Mehrzahl von ihnen dürfte sich dabei auf dem mittlerweile rund 40 Hektar großen und von mehr als vier Kilometern Bauzaun umgebenen Campinggelände aufgehalten und dort in den oben erwähnten Behausungen geschlafen haben.
Auch wenn wir uns jetzt mal die Berechnung der durchschnittlich zur Verfügung stehenden Fläche sparen (na gut – es ist fast 1 m² pro Person), bedeutet das, dass dieselbe größer und komfortabler ausfällt, als bei anderen Festivals. Zusammen mit der Möglichkeit, das Auto direkt am Zelt zu parken, hätten wir da auch schon den ersten großen Pluspunkt, der uns während unserem Rundgang von fast allen, die wir getroffen haben, genannt wurde. Und wer weiß, vielleicht trägt ausreichend Raum für sich und seine temporäre Heimat zu haben, tatsächlich einen wesentlichen Teil zur entspannten Atmosphäre bei, die man selbst noch auf der hintersten Ecke des Campgrounds fühlen kann.
Sowieso scheint die Mehrheit seiner Besucher sich gezielt für‘s Rockharz zu verabreden, kommt gegebenenfalls sogar nur diese fünf Tage im Jahr zusammen. So lassen sich etliche kleinere und größere Zusammenrottungen einzelner Zeltbehausungen finden, überall sitzen bestens gelaunte Grüppchen zusammen, werden Spiele mit und ohne Getränkeeinsatz gespielt, tote Tierstücke angestarrt, bis sie durch sind sowie sich ausgiebig über den jeweiligen Musikgeschmack ausgetauscht und für den Gang auf die Teufelsmauer verabredet. Selbst an diejenigen, an die sonst keiner denkt; die niemanden finden konnten, der sie auf den Teufelsacker begleitet, wurde hier gedacht: für sie gibt es das “Camp der Alleinreisenden“ ?
Das besondere Etwas
Wir hätten da also schon mal den großen Platz sowie die einzigartige und angenehme, sehr oft von Euch als familiär beschriebene, Atmosphäre, die für die alljährliche Wiederkehr zum Rockharz sprechen. Aber reicht das wirklich schon aus, um “sich vom Geheimtipp in die erste Festival-Liga“ zu katapultieren? Natürlich nicht. So kann das Rockharz offenbar auch auf einem Gebiet punkten, wo andere Festivals gerne die Augen (und vor allem auch die Nase) zu machen. Schließlich wurde von Euch auch die Dixi-Situation mehrfach positiv hervorgehoben. Nicht nur, dass die Möglichkeit besteht, sich sein eigenes Klo ins Camp stellen zu lassen. Mehrfach täglich stattfindende Reinigungen und eine gut verteilte, ausreichende Zahl der Plastehäuser scheinen das richtige Rezept zu sein, damit niemand abstinken muss.
Apropos stinkig sein – die Toiletten sind offenbar nicht die einzigen, auf die das so gut wie nie zutrifft. So scheint sich die entspannte Atmosphäre der Rockharz-Besucher auch auf dessen Security zu übertragen. Mir ist es zumindest noch nicht so oft passiert, dass die sonst eher als “Aufpasser und Spaßverderber“ betitelten, eben nicht als solche, sondern nahezu durchgehend als “korrekt“ und “gut drauf“ sowie als Ordner beschrieben wurden, die “auch mal nen Spaß mitmachen“. Da wundert sich der Campspaziergänger dann auch nicht mehr, wenn die Jungs mit den gelben Westen – ganz metal-like gleich eine ganze Zeltladung Rockharzgäste auf ihrem Quad mitnehmen.
Neben diesen Vorzügen, die tatsächlich hauptsächlich den Campingplatz und das direkte Umfeld betreffen, fanden noch zwei weitere Punkte den Weg in Eure Liste der Gründe, die Euch am zweiten Juliwochenende Jahr für Jahr gen Ballenstedt pilgern lassen. Das wären zum einen die gute Mischung der Bands – einerseits aus verschiedenen Richtungen, andererseits aus Newcomern und Szenegrößen – die in der Summe “ein cooles Line Up für die Größe“ ergeben. Andererseits fällt immer wieder auf, wie sehr die Macher des Rockharz ihre Gäste im Auge haben: So werden nicht nur die neuen kostenfreien Spülklos auf dem Infield mehrfach gelobt, sondern auch der besonnene Umgang mit den erhöhten Temperaturen und die daraus gezogene Konsequenz, nicht nur mit dem Feuerwehrschlauch vor der Bühne für Erfrischung zu sorgen, sondern auch an mehreren Stellen der Festival Area kostenfreie Trinkwasserstellen einzurichten.
Natürlich ist auch beim Rockharz (noch) nicht alles perfekt. So scheiden sich die Geister – also in diesem Fall vor allem die Camper – an der, in diesem Jahr erstmals möglichen, Dienstagsanreise. Einerseits gab es viel Lob, da so „alles noch stressfreier“ wäre. Andererseits haben wir auch nicht wenige Stimmen gefunden, die ihren Unmut darüber äußerten, dass am Mittwochvormittag bereits gefühlte 80 Prozent des Zeltplatzes zugestellt gewesen seien und man nur noch einen Platz “am Arsch der Welt“ ergattern konnte. Tatsächlich fällt auch uns beim Rundgang am Freitagnachmittag auf, dass es vor allem im vorderen Drittel einige größere Lücken gibt, wo die “Platzreservierer“ sich entweder ein wenig beim Platzbedarf verschätzt haben oder gar nicht erst angereist sind. Während gerade im Schlauchende der Camp-Area die Zelte dicht an dicht stehen.
Immer wieder neue Ideen
Noch etwas, womit die Macher des Rockharz nicht nur bei ihren Stammgästen punkten können, sind die kleinen und großen Neuerungen, mit denen sie ihre Gäste alljährlich überraschen, um ihnen den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten. War das im letzten Jahr die Einführung des “Mutantenstadl“, dem größten Biergarten Sachsen-Anhalts, gab es dieses Mal, neben den bereits erwähnten Spültoiletten auf dem Infield, sogar noch eine echte Einzigartigkeit: Den ersten Festival-Rikschaservice weltweit. Das Kölner Start Up “Rikscha 4 U“ war mit fünf Fahrradkutschen angereist, um die Wege zwischen Camping- und Festival-Area noch kürzer erscheinen zu lassen, als sie das – beispielsweise im Vergleich zum Wacken oder Summer Breeze – eh schon sind.
Hinter dieser Idee steckte Anna-Lena Quadt, die sich 2013 in ihrer Heimatstadt Köln, zunächst mit einer Leih- und nur knapp ein Jahr später mit ihrer ersten eigenen Rikscha, selbständig und damit gleich mehrere ihrer Passionen zum Beruf macht: Die Verbundenheit zur Natur (daher übrigens auch die grüne Farbe ihrer Gefährte) und der Spaß am Fahrradfahren. Im Gespräch mit uns verrät sie, dass sie über Freunde an eine Mitarbeiterin des Veranstalters mit ihrer Idee herangetreten sei, den “Rockharzern“ diesen besonderen Service anzubieten. Zu diesem Zeitpunkt kannte sie das Festival auch erst vom Hörensagen.
Mittlerweile schwärmt sie ebenfalls von der tollen, familiären Atmosphäre, den äußerst netten Gästen und der geilen Größe des Festivals. Außerdem sei sie total begeistert gewesen, “wie gut hier alles strukturiert ist“. Da ist es dann auch nur noch halb so schlimm, dass mittlerweile (Samstagabend) nur noch drei ihrer Fahrradtaxis funktionstüchtig sind und sie kaum geschlafen hat. Schließlich liegt das vor allem daran, dass das neue Angebot von den Festivalbesuchern “super gut“ angenommen wurde. Das hatte auch zur Folge, dass sie und ihr vierköpfiges Team quasi seit Donnerstagabend im Dauerbetrieb waren. Keine Frage also, dass sie im nächsten Jahr wieder am Start sein wird und bis dahin hoffentlich auch eine Lösung für das einzige wirkliche Problem – die nicht immer vorhandene Inter- und Telefonnetzabdeckung – gefunden hat.
Kreativität statt Frust
Damit wären wir auch fast schon am Ende unseres Ausflugs über den heiligen Teufelsacker am Ballenstedter Verkehrslandeplatz angekommen. Das einzige was nun noch fehlt, ist die Würdigung der Kreativität von Euch, den Besuchern des Rockharz. Schließlich brauchen auch Eure Ideen sich nicht hinter denen der Macher des Festivals (persönlicher Favorit: “Definitiv verboten sind […] in der Hosentasche mitgeführte Frachtflugzeuge und Containerschiffe sowie Güterzüge.“) verstecken. Einige davon könnt ihr in unserer Galerie am Ende des Beitrags finden und bestaunen. Andere ließen sich nur bedingt bis gar nicht in Bildern festhalten.
Da wäre zum Beispiel die junge Dame, die gegen halb zwölf Uhr mittags am Rande einer der “Hauptstraßen“ zum Festivalgelände saß und in aller Seelenruhe mit ihrer Zuckerwattemaschine zugange war. Oder die “Schweinezucht“, welche von einem, mit Bewegungsmelder ausgestatteten, Zombiegärtner bewacht wurde, der so manchem “Gaffer“ einen Schrecken einjagte. Sehr gut in Erinnerung bleiben wird uns auch das Kind, welches “am Wasserloch“ die Wartezeit auf den Dad mit Spielen im dortigen Matsch verbrachte. Grandios war vor allem dessen Reaktion, als sein Nachwuchs ihm mit Blick auf die entsprechend in Mitleidenschaft gezogenen Klamotten mitteilte “Ich bin voll.“ – “Ich auch.“
Generell gibt es – wie auf dem obigen Bild – so einiges zu sehen, was einen schmunzeln, bisweilen sogar herzhaft lachen lässt, wenn man mit offenen Augen über den Campground wandert. Neben den zahlreichen, liebevoll gestalteten, zum Teil sogar mit Blumen- oder frischen Kräutertöpfen verzierten Vorgärten, zählten dazu vor allem auch die recht interessanten Grillvorrichtungen, die vom Schwenkgrill, über komplette Smoker bis hin zur aufgeschnittenen und mit Grillrost ausgestatteten Gasflasche reichten. Erwähnt werden müssen an dieser Stelle natürlich auch die zahlreichen Schilder, Zelt- und Pavillonverzierungen sowie sonstigen Utensilien, die zum Schmücken der Übergangsbleibe genutzt werden.
Neben dem Ausleben der eigenen Kreativität und Blödelei sollten diese – so haben wir uns glaubhaft versichern lassen – vor allem auch dazu dienen, dem eigenen Camp einen individuellen Anstrich zu verpassen, um nach der letzten Band und vor dem letzten Bier problemlos den Weg nach Hause zu finden. Denselben Zweck dürften auch die zahlreichen Flaggen – oder was da sonst so alles an den Masten festgemacht war und im Wind stand – erfüllen, die ebenfalls in äußerst unterschiedlichen und zum Teil auch sehr kreativen Variationen vorzufinden waren. Von alledem könnt ihr eine kleine Auswahl in unserer Campground-Galerie finden, mit der wir Euch nun ganz viel Spaß beim Durchschauen und Schwelgen in Erinnerungen wünschen.