Queensryche
Wer ist die schönste QUEEN im RYCHE?
Special
Eines gleich vorweg: Die Schmutzwäsche bleibt bei mir definitiv im Korb, schließlich gibt es Wichtigeres zu berichten. Und zwar, dass sowohl die Herren Eddie Jackson (Bass), Michael Wilton (Gitarre) und Scott Rockenfield (Schlagzeug) – also drei Mitglieder der ursprünglichen QUEENSRYCHE-Besetzung, die das Unternehmen seit nunmehr über 30 Jahren gemeinsam vorantreiben – zusammen mit Gitarrist Parker Lundgren (der mittlerweile auch schon wieder seit fast fünf Jahren zur Besetzung zählt) und den durch sein Engagement bei CRIMSON GLORY bekannte, neuen Sänger Todd La Torre ebenso ein brandneues Album anzubieten haben wie ihr früherer Sänger Geoff Tate, der nur wenige Wochen zuvor mit einer Art „Supergroup“ ebenso unter dem Banner QUEENSRYCHE und einem Album mit dem Titel „Frequency Unknown“ an den Start gegangen ist.
Verwirrend genug, dass es aktuell zwei Bands unter demselben Namen gibt, ganz so schlimm aber doch wieder nicht, denn und so viel sei vorweg genommen, in großen Teilen der „Zielgruppe“ müssten beiden Alben wohlwollend aufgenommen werden. Aber alles der Reihe nach:
Das selbstbetitelte neue Album der „Tate-losen“ Band dürfte wohl ganz bewusst ohne speziellen Titel geblieben sein, um auf Anhieb – wie auch durch das Artwork auf den ersten Blick unmissverständlich zu erkennen ist – auf den aktuellen Neustart sowie auf eine von der Band offenbar bewusst eingeleitete „Rückbesinnung“ hinzudeuten.
Und genau das muss man den Herrschaften auch völlig neidlos attestieren, denn schon mit dem Einstieg „Where Dreams Go To Die“ (dem das leider eher unspektakuläre Intro „X2“ vorangesetzt wurde) wird klar, wonach der einst als „Seattle’s Finest“ bezeichneten Band der Sinn stand. Für „Queensryche“ hat man sich nämlich zweifelsfrei an der glorreichen Band-History orientiert und ist dadurch auch das Risiko eingegangen, sich mit dem nahezu zeitgleich mit einem Album an den Start gehenden früheren Frontmann Geoff Tate regelrecht wettkampfmäßig messen zu müssen.
Dass man beide „Parteien“ wohl ohnehin ständig miteinander vergleichen wird, ist ebenso klar wie unvermeidbar, der Grund dafür simpel und das Ergebnis imposant, wird uns doch von den „Tate-losen“ QUEENSRYCHE ein Werk kredenzt, dass mitunter daran denken lässt, es mit dem bis dato verschollenen Brüderlein von „Promised Land“ zu tun zu haben. Ja, richtig gelesen, die schmerzliche vermisste „Schönheit“, diese erhabene kompositorische Eleganz von QUEENSRYCHE ist endlich wieder zu vernehmen, wodurch Stimmung und Atmosphäre (nicht zuletzt durch die gelungene, gehaltvolle Produktion von James Barton) dem erwähnten 1994er Glanzlicht tatsächlich ziemlich nahe kommen. Aber auch in Sachen Ohrwurmdichte und Hooks lassen die Herrschaften schon nach wenigen Durchläufen Reminiszenzen an diese Phase aufkommen und erweisen sich somit als würdige Thronfolger der goldenen QUEENSRYCHE-Epoche.
Auch weil es Todd erst gar nicht versucht hat wie Geoff Tate zu klingen, sondern er sich mit seinem Timbre und Stimmvolumen gut einfügen hat können. Bleibt bloß noch zu hoffen, dass nun endlich die nötige Ruhe und Stabilität in Sachen Business für diesen „Ableger“ einkehren kann und sich die Band – nach den bereits erfolgten und durchwegs gefeierten ersten Festival-Auftritten – auch auf der bereits fixierten Tournee von ihrer besten Seite zeigt.
Ob ihr Ex-Sänger gegen halten wird können? Abwarten und Tee trinken – fix ist jedenfalls, dass er sich weder auf Tauchstation, noch in der Schmollecke befindet, denn schon auf den ersten Blick hin wird klar, dass die von Geoff Tate angeführte QUEENSRYCHE-Ausgabe mit einer klaren Ansage ins Rennen geht. Aber natürlich kann man die Ringe mit den Buchstaben „F“ und „U“ die das Logo auf dem Cover umgeben auch lediglich auf den Titel beziehen……
Wie auch immer, Tatsache ist, dass es wohl demnächst zu einer neuerlichen rechtlichen Entscheidung kommen wird müssen, welche der beiden Parteien nun fortan als QUEENSRYCHE agieren darf, denn ansonsten besteht akute Gefahr auch die letzten „Durchblicker“ zu verwirren. Geradezu logisch dagegen erscheint für mich, dass „Frequency Unknown“ phasenweise stilistische Nähe zu „American Soldier“ und „Dedicated To Chaos“ erkennen lässt, sprich Tate ganz offenbar dort anzusetzen versucht, wo das Unternehmen zuletzt stehen geblieben ist.
Für mich jedenfalls ein eindeutiges Zeichen, dass sich Geoff in seiner Rolle als Künstler überaus wohlfühlt und seinen eingeschlagenen Weg weiterhin beschreitet, was auch dadurch bestätigt wird, dass auch die auf seinem letzten Solo-Dreher „Kings & Thieves“ für mich viel zu deutlich in den Vordergrund gerückte Vorliebe für modernen Hardrock mit Alternative Rock-Schlagseite auch auf diesem Dreher zu vernehmen ist, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß.
Eines muss man Geoff Tate und seiner auf Grund akuten Zeitmangels wohl eher kurzfristig aus dem erweiterten Bekanntenkreis rekrutierten „Supergroup“ (neben Tate zählen Rudy (Bass, u.a. schon bei QUIET RIOT, OZZY und WHITESNAKE) und sein Bruder Robert Sarzo (HURRICANE), sowie der frühere AC/DC und DIO-Drummer Simon Wright, der ohnehin schon seit langer Zeit mit Geoff Musik machende Kelly Gray an der Gitarre und deren alter Kumpel aus MYTH-Tagen Randy Gane am Keyboard zum Line-Up) ohnehin attestieren, nämlich, dass sie es sehr wohl geschafft haben mit Tracks wie „Fall“, oder auch „Cold“ für eine angenehme QUEENSRYCHE-Bilderbuch-Atmosphäre zu sorgen. Und auch wenn hinzugefügt werden muss, dass man sich dafür wohl eher an den Spät-Werken orientiert hat, haben sich Geoff und seine Mannschaft in Sachen „Ohrwurm-Faktor“ deutlich stärker an des Referenzwerken orientiert als es QUEENSRYCHE auf den letzten gemeinsamen Alben mit Tate getan haben.
Diesbezüglich kann man dem guten Mann also eigentlich nicht unterstellen, er würde den „Markennamen“ lediglich aus kommerziellen Gründen gebrauchen, schließlich ist „Frequency Unknown“ in Summe deutlich näher an den genannten letzten Alben als an seinen Solo-Werken anzusiedeln.
Ein schaler Beigeschmack haftet „Frequency Unknown“ aber dennoch an und zwar vor allem deshalb, weil sich Tate und Mannschaft durch das Einspielen der Klassiker „I Don’t Believe in Love“, „Empire“, „Silent Lucidity“ und „Jet City Woman“ zwar sehr wohl auf die glorreichen gemeinsamen Tage berufen, die brandneuen Kompositionen im Vergleich dazu auf dem damit selbsterrichteten „Prüfstand“ aber doch recht blass bleiben.
Nicht zuletzt deshalb haben im Moment eindeutig die früheren Bandkollegen mit ihrem selbstbetitelten „Neustart“ die Nase vorn – auch wenn man sehr wohl anmerken muss, dass auch „Frequency Unknown“ in der QUEENSRYCHE-Fanbase auf positives Feedback stoßen wird, schließlich bekennt Geoff Farbe und seine Stimme hat selbstredend auch nichts von ihrer Faszination eingebüßt.