Psychotic Waltz
The Definitive Re-Issues 2024

Special

Mosquito (1994)

Psychotic Waltz

War die Entwicklung von „A Social Grace“ zu „Into The Everflow“ nachvollziehbar gewesen, so markierte „Mosquito“ den vielleicht drastischsten, stilistischen Cut zwischen zwei Alben, den die Kalifornier im Laufe ihrer Diskografie vorgenommen haben – drastischer gar als das Verhältnis von „Bleeding“ zum über zwei Jahrzehnte später folgenden, zum Zeitpunkt des Verfassens aktuellsten Album „The God-Shaped Void“, das sich gleichermaßen anfühlte wie die natürliche Fortsetzung von „Bleeding“, aber in gewisser Weise auch den Kreis schloss und zu den wenn auch deutlich modernisierten Heavy Metal-Sounds des Debüts anknüpfte.

„Mosquito“ – das ungeliebte Kind?

Gemeinhin schienen sich die zeitgenössischen Stimmen – ob Für oder Wider – darin einig zu sein, dass die Kalifornier ihren Sound auf „Mosquito“ stark vereinfacht haben. Trackspielzeiten, welche die Fünf-Minuten-Marke überschreiten, waren die Ausnahme. Es gab prägnantere, kürzere Stücke auf die Ohren, die direkter auf den Punkt kamen und weder technisch noch atmosphärisch wirklich ausschweiften. Das fing beim eröffnenden Titeltrack an, der fast schon ein bisschen peppig wirkte; wenn man es nicht besser wusste, konnte man dem folgenden „Lovestone Blind“ oder später „Only Time“ sogar so etwas wie Alternative- oder Grunge-Anbiederung unterstellen. Und das sollte ein Problem sein, wenn zwar die Atmosphäre, nicht aber die Hooks stimmen.

Wo sich die Geister also schieden, ist, ob die Vereinfachung eine gute Idee gewesen sein mag – unsereins gehört hier wie angedeutet mehr zu den Kritikern. Während Devon Graves‘ Stimme nach wie vor durch das Geschehen leitete und vor dem neuen Backdrop eine unverändert gute Figur machte, fühlte sich das neue Songwriting noch nicht ganz ausgereift und hier und da sogar ein bisschen erzwungen an. Ganz besonders merkte man das bei „Only Time“, das wie aus zwei simplen Ideen zusammen gesetzt schien, über die man Graves stimmlich flexen ließ. Nur durch eine epochale Bridge und dem folgenden Solo wird der Track gerade so vor der Skip-Taste gerettet.

PSYCHOTIC WALTZ waren trotz aller Makel etwas großem auf der Spur …

Weitere fragwürdige Entscheidungen inkludierten die grässlichen Synths von „All The Voices“ und „Darkness“ sowie der generelle Hang zu mehr geradlinigen Grooves im Midtempo, wodurch „Mosquito“ den angesprochenen Alternative-Beigeschmack nie ganz abschütteln konnte. Der Sinn hierhinter ist offensichtlich, PSYCHOTIC WALTZ haben zwei große Kunstwerke geschaffen und machten sich nun daran, Musik einzuspielen, die sich verkaufen sollte. Das führte über weite Strecken zu stark vereinfachter Kost, welche die Klasse der Vorgänger wenn überhaupt dann nur vage erahnen ließ. Ein „Cold“ rauschte zum Beispiel eher lau am Ohr vorbei, während „Locked Down“ nur mal kurz mit eingeschobenen Gitarrengeschrubbe aufhorchen ließ.

Und dennoch sind die Kalifornier hier eine großen Sache auf der Spur gewesen, der sie aber wohl erst mit dem folgenden „Bleeding“ wirklich habhaft werden sollten. Die Songs zu verknappen sollte sich weiter verselbstständigen, dafür sollten sie ihren ausgeprägten Sinn für Atmosphäre wieder deutlicher in ihre Musik einarbeiten. Ansätze dessen fand man in „Haze One“, das wie ein uncharakteristisch spaciges Leuchtfeuer aus der ansonsten eher durch Mittelmaß geprägten Trackliste hervorstach. Und dann war da noch „Mindsong“, der einzige Track, der die Fünf-Minuten-Marke durchbrach und sich als Zweiteiler von einem stimmungsvollen Ska-Kopfnicker in einen waschechten Sleaze-Rocker wandelte.

Sie konnten es also nach wie vor, lieferten drumherum jedoch, was man böszüngig als „PSYCHOTIC WALTZ lite“ bezeichnen konnte. Zum Glück sollte es hiernach wieder aufwärts gehen …

Trackliste:

Mosquito – Album (CD1):
1. Mosquito
2. Lovestone Blind
3. Haze One
4. Shattered Sky
5. Cold
6. All The Voices
7. Dancing In The Ashes
8. Only Time
9. Locked Down
10. Mindsong
11. Darkness

Mosquito – Bonusmaterial (CD2):
1. Mosquito (Jam Room Demo 1993)
2. Love Stone Blind (Jam Room Demo 1993)
3. Locked Down (Jam Room Demo 1993)
4. Dancing In The Ashes (Jam Room Demo 1993)
5. Haze One (Jam Room Demo 1993)
6. Only Time (Jam Room Demo 1993)
7. All The Voices (Jam Room Demo 1993)
8. Cold (Jam Room Demo 1993)
9. Shattered Sky (Jam Room Demo 1993)
10. Mindsong (Jam Room Demo 1993)
11. Haze One (Instrumental Outtake 1994)
12. Mindsong (Instrumental Outtake 1994)
13. Mosquito (Instrumental Outtake 1994)
14. Locked Down (Instrumental Outtake 1994)
15. All The Voices (Demo 1993)
16. The Fallen (Demo 1993)
17. Mindsong (Demo 1993)
18. Watching (Demo 1993)
19. Acoustic 91 (Outtake 1992)
21. Brian Acoustic (Outtake 1992)
21. Dark Idea (Outtake 1992)

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Quelle: Alex Jusseit (Bandfoto)
11.07.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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