Primal Fear
Der große Diskografie-Check
Special
21 Jahre Bandgeschichte und ganze zwölf Studioalben haben PRIMAL FEAR mittlerweile auf dem Buckel. In dieser Zeit haben sich die Schwaben zu einer extrem beständigen Institution im Bereich Heavy-/Power Metal entwickelt. Nachdem wir erst kürzlich das neue Langeisen „Apocalypse“ auf Herz und Nieren geprüft haben, wird es jetzt Zeit, dem Back Catalogue zu Leibe zu rücken und zu schauen, wie die bisherigen Releases die Zeit überstanden haben. Da gerne mal die Aussage, PRIMAL FEAR hätten noch nie ein wirklich schwaches Album heraus gebracht, im Raum steht, könnte das ein spannendes Unterfangen werden. Viel Spaß bei unserem, natürlich vollkommen subjektiven, Diskografiecheck.
Primal Fear (1998)
Wir schreiben das Jahr 1997, Ralf Scheepers‘ Traum, die Nachfolge von Rob Halford bei JUDAS PRIEST anzutreten, für den er seine bisherige Band GAMMA RAY verlassen hat, ist gerade geplatzt. Was macht man da, wo knüpft man an? Erfreulicherweise hatten ein paar Typen aus Scheepers‘ schwäbischer Heimat, die auch schon mit SINNER nicht unerfolgreich waren, richtig Bock gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. So entstand ein Jahr später das selbstbetitelte Debütalbum. Auch wenn man dem Gesang hier noch stark die Halford-Schlagseite anmerkt – vielleicht ein Seitenhieb an PRIEST mit ihrem neuen Sänger Ripper Owens – werden hier schon erstaunlich häufig ACCEPT zitiert. Mit „Battalions of Hate“, „Running in the Dust“ und natürlich „Chainbreaker“ sind bereits einige künftige Live-Klassiker enthalten. Ein nicht unerheblicher Teil des Songmaterials wirkt aber noch ein wenig uninspiriert, auch wenn die Spielfreude einer neu formierten Band immer wieder durchblitzt und einiges zu retten vermag.
Einordnung: Durchschnittsalbum
Anspieltipps: „Chainbreaker“, „Battalions of Hate“, „Tears of Rage“, „Running in the Dust“
Jaws of Death (1999)
Nur ein Jahr nach Veröffentlichung des Erstlings schiebt die Band Langrille Nummer Zwei hinterher. Offenbar wurde auf „Jaws of Death“ versucht, gleich einmal ein wenig aus der auf dem Vorgänger zementierten Komfortzone herauszukommen. Während der Opener „Final Embrace“ sich direkt wieder zu einem Dauerbrenner in den Live-Setlists entwickelte, wirken viele andere Ideen oft konstruiert oder die Nummern plätschern einfach so dahin. Schade eigentlich, da sich der Sound an sich durch den Neuzugang von Stefan Leibing, als zweitem Gitarristen, durchaus verbessert hat. Trotz allem hat man auf „Jaws of Death“ viele Weichen für die zukünftige Entwicklung der Band gestellt.
Einordnung: Nur für Fans
Anspieltipps: „Final Embrace“, „Under Your Spell“, „Church of Blood“, „Nation in Fear“
Hier geht’s zur Review von „Jaws of Death“
Nuclear Fire (2001)
Die ersten beiden Alben brachten PRIMAL FEAR sicherlich Achtungserfolge in der Szene ein. Dennoch fehlte es der Formation noch an einer durchgängig starken Platte. 2001 änderte sich dies, da mit „Nuclear Fire“ rückblickend eines der stärksten und wichtigsten Alben der Bandgeschichte herausgebracht werden konnte. Experimente wurden nicht gewagt, vielmehr hat man es geschafft, seine eigenen Stärken perfekt herauszuarbeiten. Scheepers liefert einfach bei jeder Nummer ab, während die Gitarrenfraktion durch den Zugang von Henny Wolter, der den aus gesundheitlichen Gründen ausscheidenden Tom Naumann ersetzt, deutlich spritziger und dynamischer agiert. Natürlich finden sich auf „Nuclear Fire“ auch ein paar Füller bzw. Selbstzitate, die aber durch die intelligente Platzierung in der Tracklist kaum negativ ins Gewicht fallen.
Einordnung: Zu empfehlen
Anspieltipps: „Angel in Black“, „Back from Hell“, „Nuclear Fire“, „Fight the Fire“
Hier geht’s zur Review von „Nuclear Fire“
Black Sun (2002)
Nachdem die Truppe es mittlerweile geschafft hatte, nicht mehr als deutsche Variante von JUDAS PRIEST wahrgenommen zu werden, sondern eher als Power-Metal-Combo mit einem ausgeprägten Hang zur gesunden Härte, wurde die Geschwindigkeit auf „Black Sun“ ein wenig zurückgeschraubt. Heraus kamen abwechslungsreiche Songs, die weniger Ähnlichkeit zueinander haben als auf den Vorgängern. Das führte zwar zu Einbußen bei der Eingängigkeit, allerdings konnten die heute typischen stampfenden Rhythmen und melodischen Einschübe mehr in den Vordergrund gestellt werden. Die Leistung von Ralf Scheepers an den Vocals wirkt extrem variabel und das Gitarrenduo Leibing/Wolter schafft es, neue Ideen auszuspielen.
Einordnung: Eines der besten Alben der Band-Historie
Anspieltipps: „Black Sun“, „Fear“, „Mind Machine“, „Lightyears from Home“
Hier geht’s zur Review von „Black Sun“
Devil‘s Ground (2004)
Nachdem sich das Line-up auf „Nuclear Fire“ und „Black Sun“ festigen konnte und man begonnen hatte, seinen eigenen Stil zu finden, standen die Zeichen bei PRIMAL FEAR 2004 wieder auf Veränderung. Henny Wolter geht, da Gründungsmitglied Tom Naumann zurückkehrt und Drummer Klaus Sperling macht Platz für Neuzugang Randy Black. Mit den Besetzungswechseln bleiben auch klangliche Änderungen nicht aus. Es dominieren geradlinige Rhythmen, der Sound wirkt insgesamt erdiger und konservativer. Auch wenn sich auf „Devil‘s Ground“ einige schöne Ansätze wiederfinden, hapert es an deren Umsetzung. Viele Songs wirken steril, es will einfach keine wirkliche Spielfreude auf den Hörer überspringen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Befreiungsschlägen wirkt das fünfte Werk des German Metal Command eher wie eine Auftragsarbeit. Dennoch gelingt es, einen Lichtblick in der Tracklist zu platzieren – der klischeetriefende Fäusterecker „Metal is Forever“ ist nach wie vor die Bandhymne schlechthin.
Einordnung: Durchschnittsalbum
Anspieltipps: „Metal is Forever“, „Suicide and Mania“, „Visions of Fate“, „Sea of Flames“
Hier geht’s zur Review von „Devil’s Ground“
Seven Seals (2005)
Das Buch mit sieben Siegeln ist tatsächlich erst das sechste Werk von Mat Sinner und Konsorten, weiß aber den leichten Ausrutscher des Vorgängers wieder gut zu machen. Musikalisch zeigt man sich relativ breit aufgestellt. Neben gleich zwei Achtminütern mit geradezu epischen Melodiebögen finden sich auf „Seven Seals“ die üblichen Power-Metal-Hymnen, aber auch härtere Brocken oder straighte Rocksongs. Gesanglich erinnert die Intonation stilistisch des öfteren an MAIDENs Bruce Dickinson oder auch Michi Kiske von HELLOWEEN. Mit dem hervorragenden Titelsong ist der Band außerdem eine weitere Ausnahmenummer gelungen. Allerdings beginnt hier auch die Phase, in der einige Fans um die Identität der Truppe bangen, da Kompositionen wie „In Memory“ soundtechnisch aus ihrer Sicht offenbar bereits zu viel Experimente wagen.
Einordnung: Eines der besten Alben der Band-Historie
Anspieltipps: „Seven Seals“, „Diabolus“, „Evil Spell“, „All for One“
Hier geht’s zur Review von „Seven Seals“
New Religion (2007)
Jaja, die verflixte Sieben. Auch wenn das vielleicht alles Aberglaube ist, PRIMAL FEAR hat die Zahl nicht unbedingt Glück gebracht. Schon wieder gibt es einen Wechsel an der Gitarre. Es ist genau derselbe, den es sechs Jahre zuvor schon einmal gab, Tom Naumann geht, Henny Wolter kommt. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit Nuclear Blast beendet, „New Religion“ erscheint erstmals bei den Italienern von Frontiers Records. Möglicherweise ist dieser ganze Trubel ein Grund für die eher durchwachsene Leistung, die hier geboten wird. Auch wenn der Opener mit „Sign of Fear“ noch ganz passabel ausfällt, ist die Scheibe an sich arm an Highlights. Da sind einfach keine Riffs, die sich im Gehörgang festschrauben. Die Gitarren sind oft tiefer gestimmt, was PRIMAL FEAR nicht unbedingt gut zu Gesicht steht. Kernelement ist das dreiteilige Epos „Fighting the Darkness“, wobei vor allem der Instrumentalteil („The Darkness“) überzeugen kann. Irgendwie wirkt es, als hätte man das gesamte Album um diesen Song herum konstruiert, und darin bereits sämtliche verbliebenen guten Ideen verfeuert.
Einordnung: Nur für Fans
Anspieltipps: „Sign of Fear“, „Fighting the Darkness“, „Face the Emptiness“, „The Curse of Sharon“
Hier geht’s zur Review von „New Religion“
16.6 (Before the Devil Knows You’re Dead) (2009)
Nach dem nicht wirklich gelungenen „New Religion“ besann man sich zwei Jahre später wieder ein wenig auf alte Stärken zurück. „16.6“ schielt wieder mehr in die Richtung von „Seven Seals“, auch wenn sich nach wie vor einige interessante Experimente, die in Richtung eines eher modernen Sounds gehen auf dem Album wieder finden, aber dieses Mal deutlich besser funktionieren. Mit dem Schweden Magnus Karlsson, der Stefan Leibing ersetzt, gibt es eine für die Zukunft weichenstellende Änderung im Bandgefüge. Die Ausgewogenheit zwischen klassischen PRIMAL FEAR-Nummern, wie „Riding the Eagle“ oder „Six Times Dead (16.6)“ und experimentellen, modernen Songs („Black Rain, „Soar“) funktioniert hier deutlich besser. Da auch die letztgenannten Kompositionen wieder hörenswerter ausfallen, zeichnet sich definitiv ein Aufwärtstrend ab.
Einordnung: Zu empfehlen
Anspieltipps: „5.0 / Torn“, „Black Rain“, „Six Times Dead (16.6)“, „Soar“
Unbreakable (2012)
Nicht wenige Anhänger dürften „Unbreakable“ als erneuten Befreiungsschlag werten. Die experimentelle Phase, soweit man davon bei PRIMAL FEAR überhaupt sprechen kann, hatte endgültig ihr Ende gefunden. Vielleicht auch dank des Einstiegs von Alex Beyrodt (SINNER) sind die modernen Klänge, samt tief gestimmten Gitarren, die nie so richtig zu den schwäbischen Stahl-Traditionalisten passen wollten, weitgehend verschwunden. Man pendelt sich zwischen Power- und eher traditionell angehauchtem Metal ein, setzt vordergründig auf knackige Gitarrenläufe und extrem eingängige Refrains. Die Variabilität in Scheepers‘ Gesang, die sich in den ungewöhnlicheren Songs der letzten Jahre zeigte, blieb jedoch erhalten und bereichert die musikalische Bandbreite. Auch wenn die Qualität in der zweiten Hälfte deutlich abfällt, schafft es „Unbreakable“ alte Fans abzuholen, die der Band in der letzten Schaffensphase verloren gingen.
Einordnung: Zu empfehlen
Anspieltipps: „Unbreakable Pt.2“, „Where Angels Die“, „Strike“, „And There Was Silence“
Hier geht’s zur Review von „Unbreakable“
Delivering the Black (2014)
Der auf „Unbreakable“ eingeschlagene Weg wird auch zwei Jahre später beibehalten, offenbar hatte man das Rezept für die 2010er Jahre gefunden und das klingt erstaunlich traditionell. Mit „Rebel Fraction“ steht sogar mal wieder eine echte Hochgeschwindigkeitsattacke auf „Delivering the Black“. In einem typischen Mid-Tempo-Nackenbrecher wie „When Death Comes Knocking“ zeigt sich dann, warum auch die experimentellen Jahre wichtig für die Band waren. Die aufpeitschende Struktur des Songs wird immer wieder durch mehr oder weniger dezente, voranbringende Ideen und Arrangements aufgebrochen. Man merkt einfach, dass sich die Truppe Gedanken darüber gemacht hat, was für ihren Sound wichtig ist und was eher unnötiger Ballast. Dadurch wirken manche Nummern zwar einfach gehalten, aber sie funktionieren auf den Punkt genau.
Einordnung: Eines der besten Alben der Band-Historie
Anspieltipps: „When Death Comes Knocking“, „One Night In December“, „Alive And On Fire“, „Rebel Fraction“
Hier geht’s zur Review von „Delivering the Black“
Rulebreaker (2016)
Trotz erneuter Besetzungswechsel, Tom Naumann kehrt als zweiter Gitarrist erneut zurück und Francesco Jovino ersetzt Randy Black an der Schießbude, führt dies auf „Rulebreaker“ nicht zu nennenswerten Veränderungen der musikalischen Ausrichtung. PRIMAL FEAR setzen voll auf die eigenen Trademarks, es wird also gestampft und es werden Nacken gebrochen, was das Zeug hält. Bei Klischee-Kloppern wie „In Metal We Trust“ möchte man zwar direkt drölfzig Münzen im Metal-Phrasenschwein versenken, da sich die Herren aber selbst nicht allzu bierernst nehmen, verzeiht man es ihnen doch irgendwie. Weniger verzeihlich sind die unüberhörbaren Schwächen im Songwriting. „At War with the World“ oder „The Devil in Me“ sind bestenfalls B-Seiten und plätschern, wie ein nicht unerheblicher Teil des übrigen Songmaterials, so vor sich hin. Unter dem Strich bleibt ein zwar solides, aber eben auch nicht hervorstechendes Album des German Metal Command.
Einordnung: Durchschnittsalbum
Anspieltipps: „We Walk Without Fear“, „In Metal We Trust“, „Angels of Mercy“, „The End Is Near“
Hier geht’s zur Review von „Rulebreaker“
Ein Special in Zusammenarbeit mit Oliver Slanina