Potentia Animi
Listening Session
Special
Nun sitze ich einsam in meiner Zelle, schreibe, sinniere und denke entzückt zurück an jenen Abend des 10. Februar als die Bruderschaft POTENTIA ANIMI uns Schwestern und Brüder verschiedenster Klöster und Orden sowie die Mutter Oberin und andere in die Zitadelle zu Spandau geladen hatte, um uns ihre neuen Gesänge und Lieder vorzutragen, uns damit zu begeistern und mit ihrer ganz eigenen Art zu erheitern. Eiligen Schrittes und voller Vorfreude stieg ich die Treppen hinab in die untersten dunklen Gewölbe der Zitadelle. Doch ward mir auch ein bißchen bange, denn mit ihrem „Ersten Gebet“ hatte sich die Bruderschaft POTENTIA ANIMI sicherlich den Unwillen einiger Musikus-Kollegen und vor allem der Geistlichen zugezogen. Machen sie doch mittelalterliche Musik, die sich nicht wirklich an die Regeln dieses Stiles hält. Und dann die Texte, die nicht selten lasterhaft und unkeusch sind… Und es sollte nicht lange dauern, bis uns Brüdern und vor allem Schwestern die Schamesröte in die Wangen stieg ob der unchristlichen Redensarten der Brüder. Vielleicht war es aber auch der Wein und der Gerstensaft, die unsere Bäckchen rot färbten, denn damit wurde man sogleich gegrüßt und es blieb weiterhin kein Becher ungefüllt. Einzig der Geruch von Weihrauch, die Tracht der Mönche und das Tischgebet des Bischofs erinnerten daran, dass man sich in geistlicher Gemeinschaft befand.
Bevor ich nun weiter schreibe, muss erwähnt sein, dass Wein und Gerstensaft in großen Mengen gereicht wurden, die die Erinnerung an jenen Abend etwas haben verblassen lassen. Dank meiner Notizen will ich jedoch versuchen, die gehörten Lieder Euch zu beschreiben.
Nachdem wir an die Tafel bebeten wurden, folgte die Begrüßung der Mönche in Wort und Musik. Ach, wie lange hatte ich keine Dudelsackklänge mehr vernommen! Kurz darauf kredenzten uns die geliebten Brüder den ersten Gang des Mahles, das während der Listening-Zeremonie gereicht wurde: eine Knoblauchzehe! Nur zögernd wagte ich, davon zu kosten. Ebenso zögerlich war ich damit, meinen Ohren zu trauen, als ich die ersten Klänge der neuen Lieder vernahm.
Ave Maria war härter als man es nach „Das erste Gebet“ erwartet hätte. Männlicher Sprechgesang, wie man ihn von anderen Mittelalter-Metal-Bands bereits vernommen hatte, dominierte den Song. Neben den Mönchsgesängen war jedoch auch eine zarte, weibliche Stimme zu hören. Welche Schwester haben die Mönche hierfür nur gewinnen können, und wie?!?
Eifersucht!, der Nächste Titel, fiel textlich vor allem durch bekannte Wortspiele über die Leidenschaft, die Leiden schafft, und Ähnliches auf. Musikalisch eine eingängige Mittelaltermelodie in einem rockenden Song. Der erste Eindruck nach den ersten Stücken: Es rockt, die Mönche sind härter geworden, was ihnen aber sehr gut zu Gesichte steht.
Bei Qui Per Mundum, einem bedeutend ruhigeren Stück, grämte ich mich, denn das Lateinische war nie meine Stärke gewesen, und gerade da ich die Brüder von Potentia Animi ein wenig kenne, mag ich mir nicht vorstellen, welche Texte sich hinter den ach so gebildet und geistlich klingenden lateinischen Versen verbergen.
Den nächsten Gang unseres kulinarischen und musikalischen Festmahles bildete eine Gewürzgurke, gereicht zu Anima et Animus, Manus Ferens und Drei Reiter.
Anima et Animus habe ich als einen soundtrackartigen Song in Erinnerung, ein getragenes Marschlied etwa. Beim Refrain wurde der Ärger über meine unzureichenden Lateinkenntnisse so groß, dass ich beschloß, Schwester Katrin zu konsultieren, die mir als Lehrerin dieser Sprache sicher behilflich sein könnte. Mein Tischnachbar Bruder S***** betitelte mich hierfür zwar als „Streber“, aber sei es drum, ich kann diesen Mönchen nicht vertrauen.
Zu Manus Ferens hätte man fast schon headbangen müssen, doch knabberten wir gesittet an unseren Gurken. Ein lautes Getröte von Schalmeien neben einem harten, gitarrenartigen Sound und ein choraler Refrain prägten dieses Lied.
Drei Reiter stellte sich als düsterer Song heraus, der nicht so stark war, dass ich ihm folgen mochte. Den deutschen Text hätte man zwar verstehen können, aber die Messerspitze Knoblauch und die Gewürzgurke hatten meinen Hunger noch nicht zu stillen vermocht, der in großen Mengen gereichte Wein dafür um so mehr meinen Durst und so muss ich voller Scham zugeben, dass meine Gedanken hinfort schweiften (ich wage nicht zu sagen wohin) und ich den Gesängen nur bedingt folgen wollte.
Der nächste Gang, der wie die anderen mit einer typisch frechen, unsittlichen und vor allem komischen POTENTIA ANIMI-Laudatio gereicht wurde, war eine große pralle Zwiebel. Von dieser mochte ich nun wirklich nicht mehr kosten. Von der Musik dafür um so mehr.
Mit Bettelweib präsentierten die Brüder einen sehr elektronischen, rockigen Song, der zuerst recht einheitlich klang, sich zum Ende hin aber zu steigern vermochte.
Das Räuberlied knüpfte an die vom „Ersten Gebet“ gewohnten Klänge an: akustisch, mönchisch mit Schalmeien-/Dudelsackgetröte.
Der Verlorene Haufen war ebenfalls ruhig, mönchisch aber mit einem unglaublichen Groove.
Der Abend schritt fort, die Becher waren immer wieder gefüllt (ab hier kann ich nicht mehr alle Notizen entziffern und bitte dafür eindringlichst um Entschuldigung, ich werde dafür Buße tun). Nun bot man uns eine Speise, die die anderen bei weitem zu übertreffen vermochte, ein ganzes Stück Harzer Käse, von den Mönchen höchst liebevoll mit Dill garniert, dazu Brot und die letzten drei Stücke des „Psalm II“.
Non Major war wiederum ein POTENTIA ANIMI-Lied wie wir es kennen und lieben. Mönchsgesang mit höchst passender, musikalischer Untermalung von Trommeln und Dudelsäcken und viel Groove und Druck.
Die Ewigkeit war der vorletzte Song des Albums. Dass Bruder Schaft neben der Teufelsmaschine, die die Musik machte, headbangte, sagt wohl einiges…
Den musikalischen Abschluss bildete Viva la More, der sich irgendwie als Technosong entpuppte (vielleicht lässt mich aber auch nur der Wein diesen Eindruck haben).
Auf jeden Fall hatten alle Spaß und nun gab es auch endlich richtiges Essen, eine vorzügliche Suppe wurde noch während „Viva la More“ gereicht, bevor Lammkeulen und Putenstücke auf die Tafel gestellt wurden, wir Fleischbrocken und Eierkuchen auf unsere blechernen Teller bekamen, aufs Feinste speisten und mit den Kuttenträgern feierten.
Nach diesem wunderbaren Abend bin ich hoch erfreut, wie die Bruderschaft POTENTIA ANIMI uns zu belustigen wußte, und wie exzellent ihr neues Werk „Psalm II“ geworden ist. Kennen wir von den Brüdern bisher erheiternde, rhytmische, zum Tanzen anregende, mittelalterlich/folkloristische Lieder und Gesänge, so haben sie all dies auch wieder in „Psalm II“ eingebracht, noch dazu die Cister elektronisch wesentlich mehr verstärkt als bisher und auch sonst die ein oder andere elektronische Spielerei ihrem Mönchsgesängen beigefügt. Darum rockt und groovt „Psalm II“ um einiges mehr als „Das erste Gebet“.
In der Zitadelle headbangten nur die Schwestern und Brüder der Band und der Journalistenschar, aber eines ist sicher: Diese Kuttenträger werden noch viele Anhänger finden und unzählige Ungläubige bekehren. Die Jünger werden tanzen, headbangen und lachen zu einer Musik zwischen mönchischem Mittelalter, tanzbaren Grooves, Rock n‘ Roll, Metal und Electronics, so wunderbar in Einklang gebracht mit der unsittlich, unmönchischen Art, für die ich POTENTIA ANIMI vergöttere.
P.S.: Es sollte sich übrigens noch herausstellen, dass zumindest die lateinischen Titel ganz harmlos klingen:
Qui per Mundum – Der durch die Welt…
Anima et Animus – Die Seele und der Geist
Manus Ferens – Die tragende Hand
P.P.S.: Einen herzlichen Dank für das Foto an Jörg Schulz.