Paradise Lost
Listening Session zu "Faith Divides Us – Death Unites Us"

Special

Gelsenkirchen mag keine sonderlich attraktive Stadt sein, weder generell noch an diesem eigentlich sehr lauschigen Sommerabend im Juli. Allerdings bietet die stillgelegte Zeche Hugo im Stadtteil Buer im rötlichen Dämmerlicht des Abends ein imposantes Bild, ragt hier doch ein stählerner Förderturm gen Himmel und zeugt von der einstmals vorhandenen Schwerindustrie. Zudem ist die Zeche Hugo ein Denkmal von kulturhistorischer Bedeutung, wie uns Gerrit Mohr, Promoter bei Century Media Records, aufklärt: „Als die Zeche noch in Berieb war, ist hier Tom Angelripper von SODOM als Bergmann eingefahren, kein Witz!“

Paradise Lost

Der richtige Schauplatz also für eine Listening Session der besonderen Art: Wie schon auf ihrem letzten Album „In Requiem“ anklang, haben sich die Briten PARADISE LOST wieder metallischeren Klängen zugewendet, und ihr neuestes Werk „Faith Divides Us – Death Unites Us“ geht da noch ein ganzes Stück weiter. Doch bis die versammelten Musikjournalisten zu dieser Erkenntnis gelangen, müssen sie zunächst den anwesenden (ehemaligen) Bergleuten in das Gebäude unterhalb des Förderturms folgen. Über kerzenlichtbeschienene Treppen geht es hinauf in eine imposante Halle, in der eine Tafel aufgebaut ist, an deren Kopfende Sänger Nick Holmes und Lead-Gitarrist Greg Mackintosh Platz nehmen und ebenso andächtig den Klängen des neuen Albums lauschen, wie die Pressevertreter. Los geht’s!

Nach einem kurzen choralen Intro legt der Opener „As Horizons End“ direkt mit einem eingängigen Hauptthema los, das von Gregs Leadgitarre geführt wird. In der Strophe setzt Nick am Ende jeder Zeile einen schönen Akzent in der Gesangsmelodie. Ein Akustik-Break mit gezupften Gitarren führt in ein Gitarrensolo, das wiederum in das Hauptthema übergeht. Ein runder Song, ein perfekter Opener – episch und wuchtig, wie einst zu „Draconian Times“-Zeiten.

„I Remain“ überrascht mit einem Death-Metal-artigen Eingangsthema, das eine verzweifelte Grundstimmung aufbaut. Der Song durchläuft einige Wendungen, bis im Refrain weiblicher Gesang einsetzt. Vielleicht nicht ganz so stringent aufgebaut, aber dennoch überzeugend.

„First Light“ ist ein schleppendes Stück mit teilweise elektronisch verfremdetem Gesang und skelettierten Gitarren. Der Refrain geht wiederum in eine andere Richtung und verleiht dem Track einen epischen Anstrich.

Das folgende Stück „Frailty“ erinnert zunächst fast an eine Halbballade, bevor der Song durch flotte Double-Bass-Drums an Fahrt aufnimmt. In der Strophe setzt Gregs unverkennbare Gitarrenarbeit ein, die eine verzweifelte Grundstimmung aufbaut, die man von PARADISE LOST in den vergangenen Jahren nicht gewöhnt war.

Der Titeltrack „Faith Divides Us – Death Unites Us“ beginnt mit sanftem Gesang und zarten Gitarren, bevor sich daraus ein Breitwandchorus schält. Äußerst stimmig aufgebaut und insgesamt ein starker Song.

Einen hervorragenden Eindruck macht auch „The Rise Of Denial“, bei dem durch kraftvolle Riffs und den tiefen Gesang fast selige „Gothic“-Zeiten anklingen. Der Refrain ist allerdings etwas melodischer und Nick passt seine Stimme entsprechend an.

„Living With Scars“ setzt mit einem überraschend heftigen Gitarrenriff ein, das immer wieder aufgegriffen wird, auch wenn der Song insgesamt einige Wendungen durchläuft.

Ein kurzes Klavierintro, und danach folgt mit “Last Regret” ein fast schon sanftes Stück mit einem bemerkenswert eingängigen Refrain. Ein gelungener Kontrast zum letzten Höhepunkt des Albums, dem erfreulich heftig groovenden

“Universal Dream”, das nicht zu knapp an „Pity The Sadness“ erinnert, im Chorus aber eine andere Richtung einschlägt und somit sein eigenes Antlitz wahrt.

“In Truth” wird von Nick und Greg als experimenteller Song bezeichnet, welcher von den Fans entweder geliebt oder gehasst werden wird. Ganz so dramatisch ist es natürlich nicht: Der Track mag zwar durch seine Instrumentierung herausstechen, schafft aber in seiner Stimmung den Schulterschluss zu den restlichen Stücken.

Paradise Lost

PARADISE LOST wagen sich also mit „Faith Divides Us – Death Unites Us“ in Gefilde, die sie mindestens seit einem Dutzend Jahren umschifft haben. Und sie haben ein Album aufgenommen, das sich bereits im ersten Durchlauf gut anhört und mit jedem weiteren Hören weiter wächst. Neben Metal hatte dabei auch eine andere Musikform großen Einfluss auf das Songwriting. Dazu Greg: „Nick und ich mögen chorale Musik. Ich habe versucht, diese Steigerungen der Stimmen auf die Gitarre zu übertragen und in die Songs einzubauen.“

Auch wenn durch die nicht optimale Akustik in der ehemaligen Zeche das Album noch nicht die perfekte Wirkung entfalten kann – Produzent und Engineer Jens Bogren hat in seinen Fascination Street Studios in Örebro den richtigen Sound zurechtgeschneidert: Den Fokus weniger auf Durchschlagskraft gerichtet und mehr auf räumliche Größe. Welchen Einfluss indes Neu-Drummer Adrian Erlandsson (ex-AT THE GATES, CRADLE OF FILTH) auf die musikalischen Geschicke der Briten haben wird, ist erst im Herbst auf Tour abzusehen – bei den Aufnahmen zum neuen Album hat der schwedische Sessionschlagzeuger Peter Damin auf dem Drumhocker Platz genommen. Eine perfekte Wahl, und Greg ist immer noch beeindruckt von den Fähigkeiten des Schlagzeugers: „Peter ist ein reiner Sessiondrummer und kann wirklich alles spielen – es hört sich an, als ob er acht Arme hat, haha!“

Bis zur Tour dauert es zwar noch ein paar Wochen, alle Fans von PARADISE LOST dürfen sich aber den 25. September dick im Kalender anstreichen, denn an diesem Tag kommt „Faith Divides Us – Death Unites Us“ in die Läden. Ein erfreulich starkes Album, das alle Fans ansprechen sollte, die sich jemals für die Briten begeistern konnten.

(Fotos: Dario Dumancic)

Galerie mit 22 Bildern: Paradise Lost - Prophecy Fest 2024
24.08.2009

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