Nightingale
Reissues von "I" und "Nightfall Overture"
Special
Dan Swanö als vielbeschäftigte Person im Musikbusiness zu bezeichnen, wird dem Umfang seines Schaffens wohl nicht gerecht. Schon im frühen Kindesalter als Bandgründer in Erscheinung getreten, unzähligen Alben produktionstechnisch den nötigen Feinschliff verpasst und selbst unter anderem mit EDGE OF SANITY erfolgreich, ist der Schwede über das Metalgenre hinaus eine Ikone.
Die oben genannte Progressive Death Metal-Band ist wohl das bekannteste Flaggschiff, bei dem Swanö als partizipierender Musiker und Bandkopf auftritt. Abseits der harscheren Töne tobt sich dieser, unter anderem gemeinsam mit seinem Bruder Dag, bei NIGHTINGALE aus – einem Projekt irgendwo zwischen Symphonic-/Gothic-Rock, AOR und Progressive Metal, das sich über die Jahre hinweg zu einer festen Bandstruktur entwickelt hat. Derzeit nehmen sich Century Media Records und InsideOut Music ein paar Perlen aus dem Backkatalog des Musikers heraus, um diese auf CD und Vinyl wieder zu veröffentlichen. Wir haben die einzelnen Outputs unter die Lupe genommen.
NIGHTINGALE – I
Erscheinungsdatum: 23.08.2024
Abseits seiner produktionstechnischen Arbeiten ist Dan Swanö im Jahr 2000 einerseits mit der ersten EP von BLOODBATH mit dem Titel „Breeding Death“ und zeitgleich mit dem Release des dritten NIGHTINGALE-Albums „I“ beschäftigt. Die musikalischen Polkappen könnten kaum gegensätzlicher verortet sein, und doch sorgt der inzwischen 51-jährige Schwede an beiden Fronten für bemerkenswerte Outputs. Inhaltlich erzählt dieser mit seinem anfänglichen Soloprojekt die Geschichte weiter, die er mit dem Debütalbum „The Breathing Shadow“ angestoßen und danach weitergeführt hat. „I“ bildet das Prequel dazu und bindet dessen Bruder Dag Swanö, der 1996 fest zu NIGHTINGALE stieß, verstärkt ins Songwriting ein.
Symphonic-Rock vom Bruder-Duo
Das bleibt dem Album letztendlich nicht verborgen, denn während die Scheibe zwar vollends zwischen Progressive- und Symphonic Rock pendelt, sind Stimmungen und Ausrichtungen dennoch inhomogen. Mit den beiden starken Openern „Scarred For Life“, welches einzig von Dan geschrieben wurde, und „Still In The Dark“, bei dem auch Bruder Dag einen Teil zum Songwriting beitrug, offenbart sich diese Diskrepanz. Ist der erste Track noch melancholisch und düster, folgt ein dynamisches Gefühl des Aufbruchs. Im weiteren Verlauf vermischen sich Ansätze früherer Alben aus AOR und klassischem 70s-Rock mit Gothic-Elementen, die stimmungstechnisch gar manchmal an KATATONIA erinnern.
Nicht umsonst steuerte deren Frontmann Jonas Renkse auch die Lyrics zu „I Return“ bei. Die feine Arbeit an den Saiten wird durch einen insgesamt doch recht zentralen Keyboardeinsatz untermalt, lediglich das Drumming wirkt für Progressive-Rock-Verhältnisse insgesamt etwas zu generisch. Besonders im Ohr bleibt „Remorse And Regret“, das neben Hammondorgel-Verweis auf die 70er-Jahre zusätzlich schöne Gitarrenläufe und eine für „I“ gewohnt eingängige Songstruktur parat hält.
Dies ist vielleicht auch das Hauptmerkmal des Milleniumalbums von NIGHTINGALE, denn zum Einstieg sowie als Querverweis auf das Schaffen dieses Projekts eignet sich das Album hervorragend. Mit dem neusten Remaster verfügt die Platte darüber hinaus über einen differenzierten druckvollen Sound, auch wenn dieser im Vergleich zu den ersten beiden Werken ohnehin schon merklich voller geklungen hatte.
Eingängige Songstrukturen
Erscheinen wird das Album als limitierte 2-CD-Version sowie auf Vinyl, wobei Letzteres dann genau genommen nicht als Re-Release gelten sollte, erscheint „I“ doch dieser Tage erstmals auf Schallplatte. Die schließlich doch schönere Optik kostet allerdings den Preis von sieben Bonustracks auf der ersten CD und einer kompletten Bonussammlung auf der Zweiten. Interessant sind dabei insbesondere die zusätzlichen Songs auf der Album-CD wie das doomige „From A Dry Camel“ oder die Gute-Laune-Nummer „Stealin‘“. Auf der vollständigen Bonus-CD befinden sich weiterhin Albumversionen im Rohmix und einige Live-Stücke.
NIGHTINGALE – Nightfall Overture
Erscheinungsdatum: 21.06.2024
Ob im Rahmen der Metal-Archives oder an sonstigen Fundstellen in den Weiten des Internets, taucht das NIGHTINGALE-Werk aus dem Jahr 2005 „Nightfall Overture“ immer wieder als vollständiges Album auf. Dabei handelt es sich aber eigentlich um eine Neuzusammenstellung von bekannten Songs aus den ersten vier Alben, die zum zehnjährigen Bandjubiläum lediglich durch zwei neue Tracks ergänzt wurden. Dabei ist „Better Safe Than Sorry“ der einzige wirklich frische Song, denn bei „Losing Myself“ handelt es sich um ein Cover der anderen Swanö-Baustelle EDGE OF SANITY.
Abriss der ersten zehn Jahre
Und doch ist „Nightfall Overture“ letztendlich eine empfehlenswerte und sammlungswürdige Scheibe geworden, ebenfalls zum Einstieg in das NIGHTINGALE-Universum eignet diese sich hervorragend. Die ersten drei Alben wurden jeweils von Dan Swanö, bzw. mit Unterstützung von dessen Bruder Dag eingespielt. Bei der hier vorliegenden Neuauflage der klassischen Songs stehen dazu noch Erik Oskarsson (Bass) und Tom Björn (Drums) im Line-Up, weshalb die einzelnen Stücke merklich voller und breitbrüstiger klingen.
Den Einstand liefert der Titeltrack und damit die vielleicht besten sieben Minuten, welche die Schweden in ihrer Bandhistorie jemals zustande gebracht haben. „Nightfall Overture“ ist der Inbegriff für emotionalen Symphonic Rock, der seine Essenz gleichzeitig mit wohlgenährten Gitarrenwänden und Progressive-Charakter aufdehnen kann. Das folgende „Dreamreader“, ebenfalls vom Debüt „The Breathing Shadow“, ist kaum schwächer, aber insgesamt etwas flotter gehalten.
Von jedem der ersten vier Alben haben Dan Swanö & Co. im weiteren Verlauf jeweils zwei Stücke auf „Nightfall Overture“ neu aufgenommen und zeigen somit die Vielfarbigkeit, die zwischen dem Debüt und „Alive Again: The Breathing Shadow Part IV“ liegt. So rücken NIGHTINGALE in den ersten zehn Jahren ihrer Bandgeschichte immer weiter in eine Richtung aus zielgerichtetem Straight-AOR/Melodic-Rock, der zu Beginn ihrer Karriere noch deutlicher von Gothic- und Progressive-Elementen aufgebrochen wurde. Qualitativ sind aber auch die neueren Stücke mindestens gutklassig und bestechen durch saubere Instrumentierung und der hervorragenden Klarstimme von Dan Swanö.
Quartett rundet das Soundbild ab
Käufer der Vinylversion müssen sich wie schon bei „I“ mit der remasterten Version des Originalalbums begnügen. Die CD-Version ist diesmal nicht mit bisher unveröffentlichten Neuaufnahmen gesäumt, sondern ausschließlich mit einem Bonus-Rundling, der insgesamt sechzehn Live-Tracks von Auftritten aus Gelsenkirchen, Helsinki oder Örebro parat hält.