Neaera
Das meint die Redaktion zu "Ours Is The Storm"
Special
Man mag es kaum glauben, aber schon zehn Jahre ist nun her, dass die Münsteraner Melodic-Death-Formation NEAERA ins Leben gerufen wurde. Nach einem nahezu kometenhaften Aufstieg mit fünf Studioalben und etlichen Live-Auftritten gehören NEAERA heute zweifelsohne zu den wichtigsten Vertretern ihrer Zunft. Mit „Ours Is The Storm“ wird nun der Weg, den man schon auf dem Vorgänger „Forging The Eclipse“ einschlug, konsequent fortgeführt, ohne dabei auf neue Ideen zu verzichten. Ob das neue Studioalbum in unserer Redaktion Anklang fand, lest ihr hier.
Einige ganz Schlaue sortieren die Münsteraner NEAERA gerne mal in die Metalcore-Schublade ein. Das ist noch nie die Wahrheit gewesen, und sie ist es nach wie vor nicht, und umso weniger, je öfter man sie wiederholt. NEAERA sind eine Melodic-Death-Band, und zwar eine reinrassige, und den Hardcore-Anteil oder 08/15-Breakdowns wird man auch auf ihrem neuen Album „Ours Is The Storm“ vergeblich suchen. Was man jedoch bekommt, und das noch verstärkter als zuvor, das sind kompositorische Highlights, wirkliche Songs, jenes Element, dessen die Band in der Vergangenheit hin und wieder abhanden kam. Und man bekommt ergreifende, epische Gitarren-Leads feinster schwedischer Prägung. Und mit Benny Hilleke haben NEAERA nachwievor einen erstaunlich aussdrucksstarken Sänger in ihren Reihen. Clean Vocals gibt es natürlich nach wie vor nicht, aber abartiges Gekreische und bitterböse Growls beherrscht der Junge gleichermaßen. Und angesichts der druckvollen, glasklaren und für eine moderne Band gar nicht mal so newschooligen Produktion sollte nun endlich jeder, der im Melodic-Death-Genre schon lange die traditionelle Herangehensweise vermisst, die Band dick auf den Zettel schreiben.
Was trotzdem noch besser geht: Zum Melo Death gehört auch das ein oder andere fiedlige Gitarrensolo. Vielleicht haben die Jungs diesbezüglich ja auf der nächsten Scheibe ein Einsehen.
8 Punkte (Heiko)
NEAERA waren und sind für mich eine der interessantesten, nettesten und besten deutschen Metalbands. Was die Jungs seit ihrem Debut „The Rising Tide Of Oblivion“ sowohl auf ihren Alben, als auch bei den Abrissen auf der Bühne präsentierten, überraschte jedesmal aufs neue, und innerhalb von zehn Jahren schaffte man es, zur wichtigsten deutschen Melodic-Death-Band aufzusteigen. Trotz der technischen Perfektion, die die beiden letzten Werke „Omnicide“ und „Forging The Eclipse“ lieferten, reichten diese für meinen Geschmack nicht mehr ganz an alte Glanztaten heran. Mit fast schon ein wenig Angst im Nacken begegnete ich somit auch dem mittlerweile sechtsten Werk „Ours Is The Storm“, und die Überraschung war größer als gedacht: Das Teil explodiert quasi ab der ersten Sekunde an, feinster, ultrabrutaler Melodic Death Metal, der keine Kompromisse macht. Was die Herren an den Gitarren und insbesondere Frontsau Benny hier abliefern, stellt Kollegen wie HEAVEN SHALL BURN oder CALIBAN schlicht und einfach in einen mächtigen Schatten, jeder Track passt, jedes Lead sitzt, jede Idee zündet. Am ehesten lässt sich das Ganze vielleicht mit dem Vorgänger vergleichen, jedoch ist der Sound hier noch ein Zacken brachialer, ideenreicher und einfach besser gelungen, und damit nahe an der Perfektion. Erstmals wurden für meinen Geschmack auch die Black-Metal-Elemente punktgenau eingesetzt, so wie im bitterbösen „Through Treacherous Flames“, oder im blastigen „Black Tomb“. Der Gastauftritt in „Slaying The Wolf Within“ beweist dann auch kurz vor Schluss noch viel Mut zu neuen Ufern, NEAERA mit cleanem Refrain klingt überraschend gut! Über die vielen Details und Feinheiten der einzelnen Songs ließe sich warscheinlich noch ewig schwärmen, aber machen wir es kurz: Kurz nach Jahresanfang lässt das neuste Werk der Münsteraner erstmal nichts als verbrannte Erde zurück und zeigt mal eben, wo der moderne Melo-Death-Hammer hängt. „Ours Is The Storm“ gehört zweifelsohne zu den besten Alben von NEAERA, und dürfte sich jetzt schon einen der obersten Plätze in den Jahres-Hitlisten sichern. Mein Herren, was ein unfassbares Brett!
9 Punkte (Fabian)
Nicht einmal zwei Jahre ist es her, dass NEAERA mit „Forging The Eclipse“ zu alter Stärke zurückfanden und sich nach zwei eher mäßigen Alben sowohl wieder mit ihren Fans versöhnten, als auch die Kritiker überzeugten. Der Schritt zurück zu mehr Melodie und weniger stumpfer Brachialität erwies sich als richtige Entscheidung. Das Album bot eine ganze Stange guter Songs und auch den einen oder anderen Hit, weshalb ich meine Erwartungen an „Ours Is The Storm“ entsprechend hoch angesetzt habe.
Der neue Output ist nun anno 2012 in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung des mit „Forging The Eclipse“ eingeschlagenen Wegs. Core-Anteile gehören nach wie vor der Vergangenheit an und NEAERA konzentrieren sich auf so melodiösen wie brutalen Metal in Reinkultur – und das gelingt ihnen erneut hervorragend. Es wirkt, als wären die Jungs auf diesem Album noch ein Stück wütender als auf dem Vorgänger. Flirrende Gitarrenleads und wahre Nackenbrecher-Riffs geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand, harte Moshparts wechseln sich mit erstaunlich häufig auftauchenden Blastbeat-Gewittern ab und über allem thront das so variable wie bösartige Organ von Benny Hilleke, der scheinbar noch ein wenig an Volumen hinzugewonnen hat. Die sehr kompakten Songs überzeugen mit ihrer Kompromisslosigkeit und erhöhten Aggressivität. Die auffälligste Neuerung im Vergleich zum Vorgänger ist ein gesteigerter Black-Metal-Anteil, die Scheibe wirkt insgesamt kälter und finsterer.
Die Songs sind durch die Bank weg überzeugend und den vielgenannten Totalausfall sucht man vergebens. Und NEAERA wären nicht NEAERA, wenn sie nicht auch einige Hits an Bord hätten. Am meisten ragt als solcher das gewaltige „Slaying The Wolf Within“ heraus, das mit Nathan Grey von BOYSETSFIRE als Gast am Mikrofon den bandeigenen Sound um eine interessante Komponenten erweitert. Weitere Anspieltipps sind „Between Us And Annihilation“, das mit einem der besten Leads der Platte aufwartet, „My Night Is Starless“, das über einige, auf dem Album eher seltene, ruhige Momente verfügt und „Through Treacherous Flames“, dessen Refrain allerdings erstaunlich stark an „Dein R3.ich“ vom neusten Output CALIBANs erinnert.
Mit „Ours Is The Storm“ haben NEAERA sich endgültig einen Spitzenplatz in der deutschen Modern-Metal-Szene erspielt und es sich verdient, in einem Atemzug mit Namen wie HEAVEN SHALL BURN oder CALIBAN genannt zu werden. Erwartungen mehr als erfüllt, weiter so!
8 Punkte (Tim)
Keines der bislang fünf NEAERA-Studiowerke hat mich wirklich überzeugen können. Zwar kenne ich die Münsteraner als energetische und leidenschaftliche Live-Band, rein musikalisch stand man bei mir aber immer im Schatten von HEAVEN SHALL BURN. Klar – mir ist natürlich durchaus bewusst, dass sich beide Formationen hier und da unterscheiden, letztlich sind aber sowohl NEAERA als auch HEAVEN SHALL BURN in einer gemeinsamen Genre-Ecke zu verorten. Und was Sound, aber vor allem Songwriting und Riffing angeht, hatten zweitere bei mir bis dato immer die Nase vorne.
Nun also, da der erste Durchlauf des sechsten NEAERA-Albums „Ours Is The Storm“ vorüber ist, muss ich leider konstatieren, dass sich an oben beschriebener Gemütslage in Zukunft wohl nicht so viel ändern wird. Das liegt in diesem Fall weniger am Sound der Platte, bei dem ich ein wenig Fundament vermisse, sondern vielmehr an der Qualität der Songs, oder besser: den Riffs. Die sind nämlich meiner Meinung nach über weite Strecken einfach zu austauschbar. So würde ich beispielsweise die Eingangsriffs von „Black Tomb“ und „Back To The Soul“ genau in dieser Form von so ziemlich jeder Metalcore-Combo der Welt erwarten. „Through Treacherous Flames“ ist für mich über weite Strecken sogar ein Totalausfall, hier habe ich das Gefühl, dass ich viele der Parts woanders schon einmal besser gehört habe.
Das klingt jetzt alles natürlich sehr drastisch und nach rosaroter HSB-Brille. Nun, so schlecht ist „Ours Is The Storm“ beileibe auch wieder nicht. Die Platte hat durchaus auch ihre starken Momente, wie beispielsweise beim flotten „Ascend To Chaos“ oder dem Schlusstrack „Guardian Of Ashes“. Allein einen wirklichen Knaller-Song der Preisklasse „Counterweight“ (ich weiß, immer diese Vergleiche …) kann ich nicht ausmachen. Oder anders gesagt: Ich ertappe mich beim Hören immer wieder dabei, wie meine Gedanken abschweifen oder das Auge zur Skip-Taste schielt – ein Indiz dafür, dass gerade nicht der ganz große Metal-Sport geboten wird. Zusammenfassend muss ich folglich bilanzieren: „Ours Is The Storm“ fehlt es in meinen Augen einfach an Klasse und Individualität.
Achso, eine Anmerkung noch zum Schluss für alle „Band-X-ist-viel-besser-als-Band-Y“-Freunde: CALIBAN halte ich übrigens für die schwächste Formation des deutschen Metalcore-Dreigestirns. Tut gerade nichts zur Sache, ist aber so.
5 Punkte (Anton)
Sechs Alben in zehn Jahren Bandbestehen, keine EPs, Demos, Singles oder sonstigen Schnickschnack … einfach sechs Alben, schön hintereinander aufgereiht, immer mit einem gewissen Hang zur Veränderung und Weiterentwicklung, aber ohne jemals seine Identität als Band verloren zu haben … das sind NEAERA. Und auch wenn es nach dem letzten Album „Forging The Eclipse“ erstmal eine Veröffentlichungspause gab, die mit ganzen drei Jahren länger dauerte als alle anderen zuvor, kann man sich eigentlich recht sicher sein, was man vom neuen NEAERA-Album erwarten darf: melodischen Death Metal, den Fortschritt immer im Blick, aber die Wurzeln nie verleugnend. Oder?
Ja! „Ours Is The Storm“ ist eine Wuchtbrumme von Album – mit zwölf Songs, die immer nach vorne wollen, immer hart sind, immer heavy und immer das, was man von dieser Band gewöhnt ist und hören will – aber wiederum auch mit kleinen Experimenten. So gibt es immerhin auch zwei Songs, die – zumindest häppchenweise – aus dem Rahmen fallen – „My Night Is Starless“ nimmt das Tempo etwas zurück, klingt enorm düster-melancholisch und bringt sogar einen wiederkehrenden Part mit Post-Rock-Anleihen mit sich; bei „Slaying The Wolf Within“ hingegen darf BOYSETSFIRE-Sänger Nathan Gray ran und die ganze Bandbreite seines Organs zeigen, wodurch der Song einen sehr intensiven Charakter bekommt. Durch diese beiden Songs kommt nochmal ein ganzes Stückchen Dynamik in den Mittelteil des Albums … und das, obwohl „Ours Is The Storm“ das gar nicht so sehr nötig hätte, denn auch der Rest des Albums ergeht sich nicht nur in Prügelorgien, sondern ist interessant und dynamisch arrangiert; immer wieder nehmen NEAERA auch mal das Tempo raus, bringen noch ein bisschen mehr Catchyness dazu, noch ein bisschen mehr Nackenbrechen, noch ein bisschen mehr Moshpit. Der Hammer, dieses Album! Mal gucken, was noch kommt, aber der erste Anwärter auf das Death-Metal-Album des Jahres 2013 ist da!
9 Punkte (Stephan)