Hit or Shit?
Nanowar Of Steel - "Dislike To False Metal"

Special

„Dislike To False Metal“ = Hit

NANOWAR OF STEEL bieten wenig Angriffsfläche, denn egal was für einen Song oder was für ein Album sie produzieren, sie können nur gewinnen! Die neue Scheibe klingt zu poppig? Ist so gewollt, wir parodieren ELECTRIC CALLBOY. Der Song klingt wie von einer Standard-Symphonic-Metal-Band? Na klar, deswegen haben wir uns ja auch die Sängerin von ELEINE dazu geholt und singen heimlich über Haarschuppen.

Die Liste lässt sich immer so weiter führen. „Ihr klaut bei ALESTORM!“ Ja, aber das ist der erste Folk-Metal-Song, in dem es darum geht, nüchtern zu bleiben und die Vorzüge von kohlensäurehaltigem Mineralwasser herauszuarbeiten („Sober“). Genderfluider Stadionrock („Muscle Memories“) ist NANOWAR OF STEEL genau so wenig fremd wie mexikanische Salsa-Melodien mit dem Intro von JUDAS PRIESTs „Painkiller“ zu verbinden („Chupacabra Cadabra“). Habe ich erwähnt, dass letztgenanntes Stück zehn Minuten geht und damit zum ersten mittelamerikanischen Epos italienischer Prägung wird? Natürlich wird es das. Stellt euch einfach vor, die Epen von ALESTORM wie „Sunset On The Golden Age“ haben ein Kind mit dem Film „Coco“ gezeugt.

Ihr findet, dass die letzten Alben von SABATON alle irgendwie nicht mehr den Kick wie noch „Attero Dominatus“ hatten? NANOWAR OF STEEL got you covered. „Pasadena 1994“ ist einer der besten jüngeren SABATON-Songs überhaupt. Dass die parodierten Bands sich offensichtlich zumindest teilweise geehrt fühlen zeigen auch die zahlreichen Features der Original-Genrevertreter wie hier Joakim Brodén, der diesen historischen Verlust der italienischen Nationalmannschaft im WM-Finale 1994 mit maximal viel Pathos vorträgt.

Euch fehlen noch mehr Argumente, warum NANOWAR OF STEEL die unangefochtenen Könige des Parody-Metals sind? Kein Problem, das Album ist ja auch noch nicht zu Ende. Nicht alle Songs sind einfach nur Genreparodien ihrer namentlichen Vorbilder. Das „Metal Boomer Battalion“ schießt textlich auf sehr ironische Weise gegen alle Gatekeeper des Heavy Metal: „We despise and shame every song that came – after 1982!“.

„Dimmu Boogie“ ist ein Boogie, der nicht viel mit DIMMU BORGIR zu tun hat, aber auch dort gibt es Lachtränen in den Lyrics: „The whole wide world will start dancing can can if you eat an Ozzyburger in Wuhan.“ Autsch (im positiven – haha – Sinne). „Protocols (Of The Elders Of Zion) Of Love“ ist der erste Verschwörungstheoretiker-Pop-Lovesong und mit „The Power Of Imodium“ haben es ihre Landsmänner von RHAPSODY OF FIRE auch wieder mit einem Tribut aufs Album geschafft. Diesen Song werde ich beim nächsten Magen-Darm-Virus auf dem Pott in Kette hören.

Die Metalszene sollte froh sein, dass NANOWAR OF STEEL nur Parodien einzelner Songs schreiben, denn die Band spielt so viele Genres so perfekt nach, dass sie einige Originale mittlerweile lässig an die Wand zocken würden. Ich könnte nicht verstehen, wie man an diesem Album etwas auszusetzen hat, selbst wenn einzelne Genres darauf nicht eines jeden Fall sind. Okay, als komplett spaßbefreiter Trueheimer geht das vielleicht. In diesem Falle: Vorhang auf, Marc!

(Jannik Kleemann)

 

„Dislike To False Metal“ = Shit

Einen komplett spaßbefreiten Trueheimer wird man in diesem Special zum Glück nicht finden. Denn Jannik hat ja in soweit Recht, dass ein selbstironischer Blick auf unser aller Lieblingsgenre manchmal ganz erheiternd und erkenntnisreich sein kann. Warum aber gerade NANOWAR OF STEEL diese Aufgabe mit Bravour lösen sollen, erscheint mehr als schleierhaft.

Klar, da werden in ganz annehmbarer Qualität Stile nachgespielt und Manierismen nachgeahmt, aber braucht es die Parodie wirklich als überdimensionierten Nanowarstahlhammer? Nicht jeder Schmunzler taugt um einen ganzen Song zu tragen und eine Ansammlung davon auf ein gesamtes Album zu packen, funktioniert genau so selten wie Beiträge aus Sketchshows zu ganzen Spielfilmen zu strecken (oder kennt ihr außer „Blues Brothers“ noch einen Film, bei dem das funktioniert hat?). Auch WEIRD AL YANKOVIC war nicht ohne Grund am erfolgreichsten und treffsichersten mit seinen Medleys.

Und überhaupt: so lobenswert die Kritik ist und so ulkig die Parodie, so nervig ist es, dafür lahme Songs wie „Muscle Memories“, „Chupacabra Cadabra“ oder „Pasadena 1994“ anhören zu müssen. Dass NANOWAR OF STEEL für letzteren Track gar mit Joakim Brodén das Objekt ihres Spotts eingeladen haben, nimmt dem gesamten Ansatz den Wind aus den Segeln. SABATON-eske Geschmacklosigkeiten wie „Baresi shoots towards Japan, like a North Korean warhead, Albertini lights up the crowd, as napalm in Vietnam“ wirken in diesem Fall weniger wie kritische Parodie, sondern eher wie ein augenzwinkernder kollegialer Seitenhieb.

Unterm Strich bleibt sowieso die Frage stehen, ob die Songs mit eulenspiegelhaftiger Bissigkeit konsumiert werden oder nicht doch als bierselige Mitsing-Hymnen dienen werden. Denn während Kollege Kleemann sich schon darauf freut mit „The Power of Imodium“ Linderung in quälenden Stunden auf dem Keramiksessel zu finden, habe ich nervige Festivalmenschen vor Augen, die sich zu „Sober“ und „Disco Metal“ hipsterhaft die Kante beim Flunky Ball geben, anstatt einfach mal gute Musik zu hören.

(Marc Thorbrügge)


Hit oder Shit? Manche Veröffentlichungen werden sehr unterschiedlich aufgenommen – auch bei uns in der Redaktion. Um beiden Seiten eine Stimme zu geben soll dieses Special-Format regelmäßig zu ausgewählten Platten aufgelegt werden. Nicht immer ganz objektiv, aber sicherlich häufig polarisierend und kontrovers.

Quelle: Nanowar Of Steel - Dislike To False Metal / Napalm Records
11.03.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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