Nachtmystium
Das meint die Redaktion zu "Silencing Machine"
Special
Dass NACHTMYSTIUM nicht jedermanns Sache ist, dürfte allein nach den beiden „Black Meddle“-Teilen kein Geheimnis mehr sein. Dass Blake Judd und Co aber einen Scheiß auf irgendwelche Konventionen, Grenzen oder Meckerein geben, ebenso. „Silencing Machine“ ist nun wieder mehr Black Metal, trifft aber, wie der Black Meddle der Band auf ganz unterschiedliche Reaktionen, auch in unserer Redaktion. Aber lest selbst.
Es gab mal eine Zeit, da waren NACHTMYSTIUM in schwarzmetallischen Gefilden unterwegs. Die ganz frühen Sachen, und schließlich „Instinct: Decay“, welches der Chicagoer Truppe zum einen zu breiterer Aufmerksamkeit verhalf, zum anderen aber auch einen Wendepunkt im musikalischen Schaffen der Band darstellte. Ging man doch von da an experimentellere Wege, zu Leid und Freude der Fans – je nachdem, wen man gerade fragte. Fragte man Fronter Blake Judd damals nach der stilistischen Ausrichtung von NACHTMYSTIUM, so wollte der von Black Metal am liebsten gar nichts mehr hören, allzu eng war in der Tat diese Schublade geworden. Und nun „Silencing Machine“. Um ehrlich zu sein, ich hab keine Ahnung, was ich vom neuen Album erwartet hatte. Das Schöne ist ja, dass man nach „Assassins“ und „Addicts“ eigentlich alles erwarten konnte. Und was machen NACHTMYSTIUM? Sie machen beinahe so weiter, als hätten sie nach „Instinct: Decay“ eine sehr lange Pause gemacht.
Aber eben nur beinahe. Beginnen wir mit dem Offensichtlichen. Über die Dauer einer Stunde, auf zehn Songs verteilt, tauchen Judd und seine Band den Hörer in eine kalte, tiefdüstere Welt (hier ist das Cover doch mal sehr passend ausgewählt worden), in der Raserei, Verzweiflung und gähnende Abgründe sich die Klinke in die Hand geben. Soweit ist das ja nichts Neues bei NACHTMYSTIUM, nur dass hier besagte Black Metal-Elemente sich wie dunkle Fäden durch das Werk ziehen, mal fast oldschoolig, mal nur angedeutet. Härter und auch unzugänglicher präsentiert sich das neue Material, wobei sich das ein oder andere Stück, wie zum Beispiel der Titeltrack, doch nahezu sofort in den Gehörgängen festfrisst. Das Songwriting ist durchdacht und streckenweise sehr geradlinig ausgefallen, und neuerdings textet Judd fast ausschließlich selbst. Und doch, auch wenn hier offensichtlich eine ziemliche Kehrtwende vollzogen wurde, die Schublade Black Metal ist nach wie vor viel zu eng für diese Band. Auf „Silencing Machine“ scheint nämlich auch immer wieder Judds Begeisterung für Industrial, unter anderem für die früheren NINE INCH NAILS-Sachen (aus deren „Mr. Self-Destruct“ er den Albumtitel entlehnt hat) durch. Und vor allem klingt das Album auch nach den Experimenten der letzten Jahre, tropft aus jedem Lied jene Essenz, die inzwischen unverkennbar NACHTMYSTIUM ist.
Diese Platte ist genau richtig für all jene, die sich in letzter Zeit bei einem der großartigen Gigs der Formation bei dem Gedanken ertappt haben, dass NACHTMYSTIUM die heftig wütende Energie und Rohheit ihrer Liveauftritte doch sehr gut zu Gesicht stehen. Und die sich immer schon sicher waren, dass NACHTMYSTIUM im Grunde Black Metal sind. Erfreulicherweise sind sie sogar noch mehr als das. Reinhören: „Silencing Machine“, „I Wait In Hell“, „Give Me The Grave“.
9/10
(Ruth Gräbeldinger)
Tatsächlich, NACHTMYSTIUM-Protagonist Blake Judd hatte Recht, als er kürzlich verlauten ließ, dass seine Band ihre schwarzen Wurzeln nie gekappt, sondern mit den beiden zunehmend experimentellen und äußerst erfolgreichen „Black Meddle“-Alben nur einen kleinen Schlenker gemacht habe. So knüpft „Silencing Machine“ mit wieder deutlicherem Black-Metal-Einschlag als zuletzt, eher an „Instinct: Decay“ (2006) denn an „Addicts: Black Meddle, Part II“ (2010) an. Scheinbar reichte den US-Amerikanern also die zwischenzeitliche Klarstellung, dass sie einen Dreck auf Konventionen und die Meinung irgendwelcher Puristen geben.
Gehört man zu jenen, die nach dem letzten, jegliche Genre-Grenzen hinter sich lassenden Album allzu gespannt waren, wohin die weitere Reise die Chicagoer führen wird, mag man vom auf den ersten Blick rückwärtsgewandten „Silencing Machine“ enttäuscht sein. Doch damit täte man diesem Werk vollkommen Unrecht, ist es doch vielschichtiger und stilistisch freier, als man zunächst glauben mag: Die Experimentierfreude der letzten sechs Jahre wurde nicht völlig über Bord geworfen; die Beschreibung vom Black Metal, der auf MINISTRYs „Filth Pig“ trifft, entpuppt sich als treffend, aber doch viel zu verknappend. Vor einem mal mehr, mal weniger deutlich zu Tage tretenden, dreckig-apokalyptischen Hintergrundgemälde aus kaum greifbaren, kratzenden und hämmernden Effekten, sowie überzogen von Judds charakteristischem, heiser-verzerrtem Gespeie finden die zehn von überwiegend scharfkantig flirrenden Sechssaiterklängen geformten Brocken jeweils ihre eigene Nische – irgendwo innerhalb des Dreiecks zwischen beseeltem Schwarzmetall, kalter, maschineller Rohheit, aber auch ansteckend rockiger, freigeistiger Eingängigkeit.
Sei es das melodisch-eingängige Titellied, das fiese, schleppende „And I Control You“, das schmissig-wütende (und bereits von der letztjährigen Split mit MURMUR bekannte) „I Wait In Hell“, der lässig-kühle, schwarze Rocker „Decimation Annihilation“ oder das urwüchsige Gedeibel „Reduced To Ashes“ mit seinem bestechend-unheilvollen Hintergrundmotiv. Sie alle gewichten die einzelnen Anteile anders, sind dadurch individuelle Inkarnationen des NACHTMYSTIUM-Klanges und doch zugleich nur haargenau passende Bauteile dieser meist grimmig vorwärts stampfenden Maschine.
Wie dem Großteil der NACHTMYSTIUM-Langrillen außer vielleicht der grandiosen „Assassins: Black Meddle, Part I“ fehlt leider auch dieser sechsten etwas, um als der ganz, ganz große Wurf bezeichnet zu werden: schlicht und einfach das durchgängige Halten der enormen Klasse. Ein, zwei relativ unspektakuläre Nummern fallen ab, sind als weniger massive Glieder des eindrucksvollen mechanischen Ungetüms auszumachen. Trotz dieses kleinen Makels wird „Silencing Machine“ zweifellos zu den wenigen wirklich essentiellen extremen Metal-Veröffentlichungen dieses Jahres gehören, denn NACHTMYSTIUM bleiben unberechenbar und beweisen erneut ihr äußerst geschicktes Händchen, wenn es um das Schreiben zugänglicher, sich dennoch eine raue, abgründige Aura bewahrender Stücke geht. „Silencing Machine“ ist somit die endgültige Manifestation ihres Status als eine der begabtesten und aufregendsten (Black-)Metal-Formationen des 21. Jahrhunderts.
8/10
(Christoph Meul)
Ich persönlich gehöre ja zu denjenigen, die die Amis NACHTMYSTIUM erst mit Beginn ihrer kommerziell erfolgreiche(re)n Phase und den beiden „Black Meddle“-Alben kennengelernt haben. Kalt, emotional, aber gleichzeitig auch energiegeladen und eingängig wie sonst kaum etwas aus dem Black-Metal-Bereich (wenn ich den Begriff „Black Metal“ mal etwas weiter fassen darf), das war, womit mich „Assassins“ direkt in seinen Bann zog, das war, was „Addicts“ meiner Meinung nach zwar nicht mehr ganz so grandios, aber dennoch überzeugend weiterführte.
Nun erlebe ich also mit „Silencing Machine“ ein NACHTMYSTIUM-Album, welches angeblich zurück zu den Wurzeln der Band geht, die ich nicht kenne, über die ich hier deshalb kein Wort verlieren kann. Dennoch muss ich Kollege Jan und seiner „Hauptreview“ zu diesem Album Recht geben, dass es im Hause NACHTMYSTIUM anno 2012 ein bisschen weniger experimentell zugeht, dass der Black Metal – und damit ist klassischer Black Metal nach norwegischem Vorbild gemeint – (wieder) mehr Einzug in das Soundgerüst hält, ohne dass die Band ihre Trademarks aufgibt, die ich auf den beiden Vorgängeralben so lieben gelernt habe. So ist der Opener „Dawn Over The Ruins Of Jerusalem“ nicht nur im Titel sehr Black-Metal-lastig, paart das Ganze aber mit dem Sound aus dem Hause Sanford Parker, der auch schon die beiden „Black Meddle“-Alben produzierte (und auf „Silencing Machine“ übrigens auch als Keyboarder dabei ist). Das ist im Grunde die Marschrichtung, die das neue Werk anschlägt, wenngleich das Album mit zunehmender Spielzeit ein bisschen zurückgenommener wirkt. Das Highlight ist für mich dabei der auch von Jan gelobte Song „Borrowed Hope And Broken Dreams“, der mit seiner depressiv-rockigen Art so oder in leicht abgewandelter Version eigentlich auch auf „Assassins“ hätte stehen können, aber auch der Titeltrack des Albums, der mich ein bisschen an „Ghosts Of Grace“ erinnert, hat es mir irgendwie angetan.
So ist „Silencing Machine“ mit Sicherheit ein großartiges Album, dessen Genialität ich durchaus anerkenne, aber mir fehlt in letzter Konsequenz doch ein „Assassins“, ein „Ghosts Of Grace“ oder ein „High On Hate“. Dementsprechend: Ja, NACHTMYSTIUM haben sich weiterentwickelt und ja, dabei ist ein tolles Album herausgekommen. Ich persönlich greife dennoch statt den neun von zehn Punkten des Kollegen Jan „nur“ zur sieben und lege lieber wieder die beiden „Black Meddle“-Alben ein.
7/10 Punkten
(Stephan Möller)
Ich bin bisher – und das liegt meines Erachtens nicht an einem Mangel an Versuchen meinerseits – mit noch keiner Platte NACHTMYSTIUMs so richtig warm geworden. Überraschung: Das ändert sich auch mit „Silencing Machine“ nicht.
Im Grunde kann man NACHTMYSTIUM musikalisch kaum etwas vorwerfen: „Silencing Machine“ enthält zehn grundsolide Black Metal-Songs, die angenehm variabel in ihrer Geschwindigkeit und gekonnt in ihrem Arrangement und der technischen Umsetzung sind, hier und da durch ein paar genreferne Synthesizer bereichert werden – aber, und da liegt in meinen Ohren der Haken, insgesamt einfach keiner Fliege etwas zu Leide tun können.
Mein von Song zu Song wiederkehrender Eindruck des NACHTMYSTIUMschen Schwarzmetalls, ist der einer (versehentlich?) angezogenen Handbremse. Ich warte immer wieder auf diesen einen Moment, diesen einen Ausbruch, der mir Gänsehaut verursacht, der sich festsetzt, der zeigt, dass „Silencing Machine“ emotional mehr als nur gewöhnlich ist. Aber ich warte vergeblich, wie schon auf den Vorgängern. Es gibt viele durchaus interessante Ideen, aber so richtig zu Ende gedacht und ausgeführt wird nur ein Bruchteil davon.
„Silencing Machine“ ist damit für mich eins dieser Alben, die man objektiv nicht großartig kritisieren kann (sieht man mal von den teils ziemlich miserablen Stimm-Effekten ab), die mich aber überhaupt nicht vom Hocker reißen. Irgendwie ganz nett, aber im Black Metal reicht mir das bei Weitem nicht.
(6/10)
(Falk Wehmeier)
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Stile | Black Metal |
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