My Dying Bride
Das meint die Redaktion zu A Map Of All Our Failures
Special
MY DYING BRIDE gehören schon seit Langem zur Speerspitze des Doom Metal. Mit ihrem neusten Werk „A Map Of All Our Failures“ beweisen sie mal wieder aufs Neue eindrucksvoll, dass ihnen so schnell keiner das Wasser reichen kann. Aber wie verhält sich denn das dreizehnte Album denn im Verhältnis zu der eh schon legendären Vergangenheit der Band? Lest also im Folgenden, was die Redaktion zum neuesten Streich der britischen Doom-Legende meint.
Ich schätze mal, jeder hat die eine oder andere Band, bei der er das, was er kennt, gut bis sehr gut findet, aber irgendwie immer wieder drumherum kommt, mal auch in den Rest reinzuhören. Einer dieser Bands bei mir: MY DYING BRIDE. Obwohl ich das Debüt „As The Flower Withers“ zu meinen Alltime-Favoriten zählen würde und obwohl ich „Songs Of Darkness, Words Of Light“ allein schon dafür schätze, dass es mir damals die Welt des Doom Metal eröffnet hat, bin ich dann doch nie dazu gekommen, mir auch mal den Rest zuzulegen. Dementsprechend kann ich auch gar nicht groß etwas zur Entwicklung sagen, die diese Band durchgemacht hat, sondern nur meinen davon losgelösten Eindruck von „A Map Of All Our Failures“ schildern.
Und der ist im Großen und Ganzen erstmal positiv. Scheinbar hat sich seit (spätestens) 2004 und „Songs Of Darkness, Words Of Light“ nicht mehr allzu viel im Hause MY DYING BRIDE getan, denn das ist grob auch das, was die Band anno 2012 macht: Von Gothic Metal beeinflusster Doom Metal, viel Keyboards und klassische Elemente, trotz all der schleppenden Langsamkeit noch ein gutes Maß an Dynamik und nicht zuletzt natürlich der eigenständige, charismatische Gesang von Aaron Stainthorpe – das sind die Trademarks des Albums, durch die eine durchgehend niedergeschlagene, melancholische, verlassene Stimmung geschaffen wird und die das Album auf jeden Fall schon mal zu einem stimmigen Ganzen machen. Der Sound unterstützt das, indem er harte Elemente oft zurücknimmt, die Gitarren singen und klingen lässt und den Gesang und auch die Keyboards weit in den Vordergrund mischt – auch hier also ein rundes Ganzes.
Und trotzdem fühlt sich „A Map Of All Our Failures“ für mich nicht wirklich wie ein Überflieger an. Sicher, es ist ein gutes, grundsolides Album mit vielen Stärken – aber es haut mich nur bedingt um, ohne dass ich so wirklich sagen könnte, woran das liegt. Schade eigentlich, aber da haben mich die älteren Sachen mehr bewegt.
7/10 Punkte
(Stephan Möller)
Man kann der britischen Doom-Institution sicherlich nicht vorwerfen, mit zunehmendem Alter träge geworden zu sein. Denn auch nach über 20 Jahren veröffentlichen die Engländer weiterhin in schöner Regelmäßigkeit einen Langspieler nach dem anderen. Der aktuelle Output „A Map Of All Our Failures“ ist das mittlerweile elfte und nächste Kapitel der Geschichte. Und die Musiker um Sänger Aaron Stainthorpe bieten auf dem aktuellen Output durchaus das, was man von ihnen erwarten durfte: melodisch-beklemmende Doom-Kompositionen mit Hang zur Überlänge – wobei letzteres Kriterium in diesem Genre ja eigentlich selbstverständlich ist.
Allerdings trübt ein Aspekt bereits zu Beginn das Gesamtbild – der Sound. Während die Gitarren sehr gelungen abgemischt sind, klingt das Schlagwerk – oder konkreter gesagt – die Bass Drum des Kollegen Dan Mullins, wie ein Fremdkörper. Abgesehen vom generell äußerst hölzernem Drumming wirkt die mit viel zu viel Kick versehene Basstrommel für meinen Geschmack oft als atmosphärische Bremse – Bands wie YOB, ELECTRIC WIZARD, SHAPE OF DESPAIR und MY DYING BRIDE selbst haben das in der Vergangenheit deutlich besser hinbekommen. Zudem ist mir Stainthorpes Gesang eine Spur zu präsent, hier wäre weniger unter Umständen mehr gewesen. Die einzelnen Kompositionen selbst bieten musikalisch kaum Angriffsfläche für Kritik: Der Opener „Kneel ‚till Doomsday“ beginnt standesgemäß zu Glockenklängen und einem schweren Gitarren- Riff in typischer Doom-Manier, bevor Stainthorpe mit seinem charakteristisch-leidenden Gesang einsteigt. Nach einem kurzen Geigen-Intermezzo wird das Tempo dann plötzlich deutlich angezogen und nach etwa vier Minuten driftet man fast schon in Death-Metal-Gefilde ab, bevor sich die Nummer wieder etwas beruhigt. Das anschließende „The Poorest Waltz“ – übrigens nicht im Dreiviertel-Takt gehalten, wie der Name vermuten lässt – ist der mit etwas über fünf Minuten Spielzeit kürzeste und gleichzeitig eingängigste Song der Platte und weiß mit zweistimmigen Gitarrren-Leads und atmosphärischem Gesang zu gefallen.
Mit „A Tapestry Scorned“ folgt ein eher verschachtelter Song, es dominieren zunächst schwere Gitarren und jede Menge Feedback im Strophen-Part, bevor der Track im Mittelteil ordentlich Fahrt aufnimmt. Leider wirkt das Drumming hier besonders störend: Die Passage ab 3:40 Minuten klingt – rein soundtechnisch betrachtet – wie die Demo-Aufnahme einer Schülerband. Über diesen Wermutstropfen können auch der gelungen platzierte, mystische Sprechgesang und die stimmungsvollen Orgel-Synthies gegen Ende des Songs nicht hinwegtrösten.
Das Problem stellt sich letztendlich so dar: Songs wie das epische „Like A Perpetual Funeral“, der vielschichtige Titeltrack oder das sehr atmosphärische „Within The Presence Of Absence“ sind wunderbare Kompositionen. Ihr volles Potenzial können sie aufgrund der unausgewogenen Abmischung aber nur selten entfalten. Das ist insofern schade, da MY DYING BRIDE so ihr herausstellendes Merkmal – die eindringliche, düstere Atmosphäre – im Laufe von „A Map Of All Our Failures“ nie wirklich an den Tag legen können. Somit fällt es dann auch schwer, von einem „gelungenen Album“ zu sprechen – auch wenn von musikalischer Seite eigentlich alles richtig gemacht wurde.
6/10 Punkte
(Anton Kostudis)
Wirklich still war es um MY DYING BRIDE seit ihrem letzten regulären Werk “For Lies I Sire“ im Jahr 2009 nicht wirklich, folgten doch 2011 das Doppelalbum “Evinta“ als Ausflug in den Ambient-Sektor und die EP “The Barghest O’Whitby“. Trotz all dieser Lebenszeichen steht nun endlich der neueste Streich der Briten in den Startlöchern, und was könnte es dazu Besseres geben, als den Herbst mit richtig mitreißendem Doom Metal aus England zu empfangen? Genau, nichts! Und somit kann jeder Anhänger der dunklen Musik Freudensprünge machen, denn das Urgestein MY DYING BRIDE meldet sich endlich wieder zurück!
Dabei zeigen sich MY DYING BRIDE auf “A Map Of All Our Failures“ ungewöhnlich sperrig. Vielleicht liegt es an der durchweg niederschmetternden Stimmung oder dem recht ungewöhnlich Songaufbau. Aber es dauert einige Zeit, bis sich das neue Langeisen der Vorzeige-Doomer in den Gehörgängen festsetzt. Vieles wirkt anfangs nicht schlüssig, und man hat teilweise seine Probleme, einen richtigen Bezug zu dem Album herzustellen. Ich persönlich hatte mit “A Map Of All Our Failures“ definitiv anfangs meine Anlaufschwierigkeiten, was man allerdings nicht als Kritik auslegen sollte. Vielmehr war die Erwartungshaltung zu sehr auf einen Anschluss an Alben wie “Songs Of Darkness, Words Of Light“ oder “A Light At The End Of The World“ gepolt. Jedoch überraschen MY DYING BRIDE auch anno 2012 mit einer ganz neuen, beziehungsweise uralten Facette wieder.
Denn sobald man den Punkt der Einfindung überwunden hat, belohnen die Engländer mit einem wahrlich mächtigen Album, das es in sich hat. Stücke wie der Opener “Kneel ‚till Doomsday“ oder “A Tapestry Scorned“ zerschmettern alle Hoffnung mit ihrer extrem dunklen und hoffnungslosen Ausrichtung, aber auch so zerbrechliche Songs wie der Titeltrack lassen keine Helligkeit in diesem düsteren Werk zu. Verzweiflung, Trauer und Tragik sind die Schlagworte, wenn man “A Map Of All Our Failures“ auf einen Nenner bringen will. Auch wenn das neue Werk wieder viel näher an den ganz großen Platten der Diskografie wie “Turn Loose The Swans“ dran ist, klingen MY DYING BRIDE zu jeder Sekunde extrem frisch und wunderbar unverbraucht und teils sogar ungestüm.
Der klagende, introvertiere Gesang von Aaron Stainthorpe wechselt sich wieder vermehrt mit fiesen Growls ab, und auch die Saitenfraktion schiebt sich mit bedächtiger Langsamkeit durch die trostlose Welt von MY DYING BRIDE. Gegen Ende liefern die Briten mit “Abandoned As Christ“ nochmal ein wahres Meisterwerk ab und können mit dem einzig wirklich zutiefst düsteren Song auf “A Map Of All Our Failures“ das perfekte Schlusszeichen setzen.
Das warten hat sich definitiv gelohnt. MY DYING BRIDE sind zurück – und wie! Auch wenn es länger dauert als sonst, aber “A Map Of All Our Failures“ bietet alles, was sich die Fans nur wünschen können! Weiter so!
8/10
(Florian Hefft)
MY DYING BRIDE ist eine Band, die sich im Verlauf ihres Schaffens nie hat beirren lassen und trotz teils größerer Line-Up Wechsel immer in den Tiefen ihren musikalischen Wurzeln treu geblieben ist. Ausflüge gab es in den Jahren sicherlich genug, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt selbst hartgesottenen Fans Fragezeichen ins Gesicht getrieben haben. Mit „34.788%… Complete“ und „Evinta“ sind nur zwei Beispiele genannt. Retrospektiv betrachtet ergeben aber alle „Experimente“ Sinn und fügen sich nahtlos in eine unvergleichliche Diskographie ein. Stets düster und trotzdem nie das Licht am Ende des Tunnels verleugnend, schiffen sich MY DYING BRIDE nun durch mehr als 20 Jahre tragischer Melodien, die in diesem Genre an Intensität und Durchschlagskraft unerreicht sind und wohl auch für immer unerreicht bleiben werden.
2012 steht nun mit „A Map Of All Our Failures“ Studioalbum Nummer 13 in den Regalen und ist ganz bestimmt kein Experiment geworden. „A Map Of All Our Failures“ ist vielmehr die vertonte Rückbesinnung auf alte Tugenden, ohne dabei die musikalische Progression verleugnen zu können. In den letzten Jahren immer wieder schmerzlich vermisst, ist die Violine sowohl live, als auch auf Konserve wieder fester Bestandteil der Kompositionen.
Eines wird gleich beim ersten Hördurchgang klar, auch bei diesem Album ist die Beziehung zwischen dem geneigten Hörer und den knapp 64 Minuten vertonter Tristesse kein „One Night Stand“. „A Map Of All Our Failures“ fordert und gibt, enttäuscht und bereichert, schmerzt und heilt zugleich. „A Map Of All Our Failures“ ist ein weiteres Kapitel einer langen Ehe, zu der mehr gehört als ein kurzer Spaß.
Mittlerweile schon fast ein Affront, immer wieder betonen zu müssen, dass ein Album im Sprint unserer gesellschaftlichen Entwicklung Zeit beansprucht. Aber genau das ist es, was dieses Album einfordert. Den Alltag von sich zu schieben, sich zu zwingen, den Fuß auf die Bremse zu stellen und sich hinzugeben. Schlicht das, was eine jede Beziehung dringend verlangt, um steinige Klippen meistern zu können.
Einen der acht Songs herausgreifen zu wollen, wäre unfair und schwierig zugleich. Zu unterschiedlich entfaltet sich die Musik und der nie so präsent gewesene Gesang von Aaron Stainthorpe. „A Map Of All Our Failures“ setzt Maßstäbe und düpiert förmlich die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Ganz nebenbei avanciert „A Map Of All Our Failures“ zum besten Album seit „The Angel and the Dark River“.
9 / 10
(Norman Sickinger)