Micha-el Goehre
Höllenglöcken
Special
Was Lesestoff zum Thema Metal und abgestürzte Alltagshelden angeht, sind wir leider extrem unterversorgt (Biografien mal ausgenommen) und freuen uns generell über Bücher wie „Höllenglöcken“ von MICHA-EL GOEHRE. Schon alleine die Erwähnung von Bands wie CANNIBAL CORPSE oder SATYRICON beglücken unsere schwarzen Herzen. Das ist einer von uns, da kennt sich jemand aus und stilecht erscheint das Buch im Satyr Verlag. Der Autor legt nach „Jungsmusik“ schon sein Zweitwerk über die verrückte Metalclique vor, die unsereins natürlich durch das persönliche Umfeld nur halb so wenig fremd vorkommt und näher an unserer Realität ist als viele andere Geschichten über Freundschaft und Zusammenhalt innerhalb der Szene. Neben der Leidenschaft für Metal steht das nämlich in „Höllenglöcken“ im Vordergrund.
Einiges kommt ganz sicher nicht nur mir bekannt vor. Kreischende Fanboys auf Konzerten, nervige Wünsche an den DJ in der Metaldisse, den Oberverwirrten in der Gang, die abnorme Huldigung von IRON MAIDEN (inklusive gleichzeitiger nicht ganz ernstgemeinter Verachtung für Nicht-MAIDEN-Fans) und engstirnige (aber konsequente) Weltanschauungen von Metalheads. „Pudel sind keine Hunde“ klingt krass, ist aber was Wahres dran. MICHA-EL GOEHRE spielt mit den Klischees über die Szene, überspitzt sie bewusst, und man merkt deutlich, dass er weiß, wovon er schreibt und einiges sicherlich schon ganz genau so (oder noch krasser) selbst erlebt hat. Den roten Faden stellt der Heiratsantrag von Hauptperson Torben dar, den hat er in geistiger Umnachtung seiner Freundin gemacht, und so nach und nach wird ihm klar, dass es etwas schwierig werden könnte, die Veranstaltung metal-like und true zu halten. Noch dazu muss er einen überraschenden Todesfall verkraftet, der Verstorbene steht ihm aber als Erscheinung noch weiterhin mit verrückten Ideen und Sichtweisen zur Seite, und dann ist da ja noch der Zombiestreifen, den die Clique in Planung hat. Beruflich tut sich ebenfalls einiges bei Thorsten, mit dem Auftrag, die Website des großen Labels Atomic Blast neu zu gestalten, geht für ihn ein Traum in Erfüllung. Besonders die Dialoge sind authentisch herrlich frei von der Leber weg geschrieben und auch die Tatsache, dass der Autor die Szene häufig neckisch aber treffend auf die Schippe nimmt.
Lesenwert ist „Höllenglöcken“ von MICHA-EL GOEHRE natürlich besonders für Metalfans, die mit den erwähnten Bands und der Szene vertraut sind. Wie es sich anfühlt, auf einem schweißtreibenden Konzert in der ersten Reihe zu stehen oder aus tiefstem Herzen „The Bard’s Song (In The Forest)“ von BLIND GUARDIAN zu brüllen, das kann man am besten nachvollziehen, wenn man die Erfahrungen selbst schon gemacht hat. Ganz selten wirkt die Integration von Metal etwas krampfig. Personen heißen Doro und Hunde Lemmy, das ist jetzt nicht sonderlich originell. Genauso wenig wie die beiläufige Erwähnung davon, welche Metalplatte jetzt gerade läuft. Die informativen Fußnoten gleichen dies zwar letztendlich aus, auch wenn der langjährige Metalfan nicht viel Neues lernen wird. In erster Linie will soll das Werk aber auch unterhalten und nur latent informieren.
Als Bonus gibt es ausgewählte, hervorragende Kolumnen des Autors über Kommerzialisierung im Black Metal oder Metal im TV. Für Fans von „Jungsmusik“ ist der Roman natürlich Pflicht, man will ja wissen wie es weitergeht! „Höllenglöcken“ ist eine schöne leichte Lektüre, wer „Ein bekotztes Feinrippunterhemd ist der Dresscode zu meinem Lebensgefühl: Koketterie eines Gescheiterten“ und „Bald ist Weltuntergang, bitte weitersagen!: Anleitung zur Selbstdemontage“ von Alex Gräbeldinger, „Hartmut und ich“ von Oliver Uschmann oder „Dorfpunks“ von Rocko Schamoni mag, der wird mit diesem Buch ebenfalls seinen Spaß haben.
320 Seiten, Satyr Verlag, 14,90€, ISBN: 978-3944035079
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