metal.de-Redaktion
Individual Thought Patterns - Runde 5
Special
Saskia Becker
Endlich Herbst – die Platte krame ich raus, wenn die Blätter fallen
AMORPHIS „Am Universum“ – Ich war einer dieser Teenies ohne Metal-Freunde und habe in der Schulzeit unter allgemeinem Stirnrunzeln meiner elitären Alternative-Freunde verstohlen die METALLICA-Alben zwischen HOT WATER MUSIC, DREDG und COHEED AND CAMBRIA geräumt. Zu Beginn des Studiums, eines schönen Wintersemesters also, hörte ich dann auf einer Autofahrt mit einem Kommilitonen zum ersten Mal AMORPHIS und es war um mich geschehen. Von Oktober bis Frühling rotierte „Am Universum“ und bis heute gibt es wenige Alben, die ich so intensiv mit einer bestimmten Phase meines Lebens verbinde. Wenn es also kühler wird, kommt „Am Universum“ in den Player und zu den ersten Takten von „Alone“ komme ich mir direkt wieder vor, wie auf dem Weg zu Statistik-Vorlesung.
Geiles Artwork
DIE ÄRZTE „Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer“ – ich meine, das Ding ist in türkisfarbenen Plüschstoff gewickelt. Das ist einfach kaum zu toppen! Wenn dann doch jemand den Kuschelbonus mit Ästhetik übertrumpfen kann, dann sind es wohl TOOL. „Lateralus“ muss ich gar nicht zwingend hören. Die kann ich mir auch einfach nur anschauen. Einen Ehrenplatz in der Kategorie „Bestes Artwork“ erhalten bei mir dann noch THE OFFSPRING für“Americana“. Ich kenne wirklich niemanden aus meinem und den beiden angrenzenden Geburtsjahrgängen, der von sich behauptet, ein Musikfan zu sein und dieses Album nicht hat. Und ich kenne niemanden, der es im Original besitzt. Entsprechend habe ich das Cover schon in den unglaublichsten Ausführungen gesehen: Von schlecht kopiert
über von Hand nach gemalt bis „stattdessen ein Foto von der Oma in die Kassettenhülle gesteckt“, scheint das Repertoire unerschöpflich. Meine eigene Edition war übrigens eine Raubkopie auf Tape, die ich beim Schüleraustausch in der neunten Klasse auf einem Markt in der Ukraine gekauft habe. Die Titel standen teilweise in kyrillisch drauf – leider ist das Ding bei irgendeinem Umzug verloren gegangen, ein herber Verlust.
Wotzefack – seltsame Ansagen auf Konzerten
DEVIN TOWNSEND fragte bei einem Konzert in der Luxemburger Kulturfabrik freundlich nach, wer von den anwesenden Damen denn regelmäßig masturbiere. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten konnte er dem penislosen Teil des Publikums durchaus enthusiastische Bekennerinnenschreie abringen. Schön, dass das mal jemand geklärt hat.
Fauler Kern, coole Schale
DOWN können mich musikalisch so richtig überzeugen, sind seit meinem ersten Livekontakt mit der Band auf dem Rock Hard 2011 für mich jedoch nur noch verbrannte Erde. Das war natürlich keine Überraschung, dass
Phil Anselmo viel Scheiße labert – aber sowas Abgründiges hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Ein Abend beim Musikantenstadl würde mich vermutlich nicht so aggressiv machen, wie eine halbe Stunde Phil Anselmo (in der er ein Lied singt und den Rest der Zeit unglaublich viel dummes Zeug redet). Dazu dieser inflationäre Gebrauch des Wortes „Fuck“ und dieses Testosteron-Gehampel, das mir vor lauter Fremdscham selbst im strömenden Regen das Blut ins Gesicht steigen lässt. Da hilft all das Talent, die ganze Beitragerei zur Musikgeschichte nicht – der Typ ist einfach lange Fingernägel auf einer Schiefertafel. (Und ja, ich habe mir das mehrfach gegeben und ja, ich finde ihn immer wieder grausam.)
Nostalgie-Band
Ein pinkes Albumcover, androgyner Frontmann (der natürlich irgendwo in meinem Zimmer an der Wand hing) und mein erstes „richtiges“ Hallenkonzert – HIM hatten mit „Razorblade Romance“ mein pubertäres Herz ergriffen. Heute erschließt sich mir nicht mehr, warum ausgerechnet dieser Haufen fähig war, meine Aufmerksamkeit zu binden. Ich finde die Musik nicht unbedingt schlecht – sondern nichtssagend. „Join Me In Death“ wird allerdings auch in 20 Jahren noch nostalgische Erinnerungen an peinliche Palmero-Exzesse und den Geruch von Clerasil
heraufbeschwören. Es hätte schlimmer sein können!
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