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Die besten Alben 2020

Special

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es ist wieder soweit: Das Musikjahr 2020 neigt sich dem Ende zu – ganz zu schweigen vom regulären Jahr 2020, dessen Ende vermutlich bereits seit Mitte März herbeigesehnt wird. Doch mit dem Ende des Musikjahres wird es auch für uns langsam wieder Zeit, die musikalischen Ergüsse Revue passieren zu lassen. Aber wie? Sollte es wieder ein Adventskalender sein wie letztes Jahr? Wir haben uns dagegen entschieden, da dieser möglicherweise doch etwas übertrieben war, und uns stattdessen für eine Sortierung nach Genres entschieden.

Die metal.de-Redaktion kürt die besten Alben 2020

Das funktioniert so, dass sich Redakteure mit den gleichen Interessen-/Aufgabengebieten zusammengesetzt und über die Top-Alben der jeweiligen Genres abgestimmt haben. Dabei ist je nach Bedeutung des Genres entweder eine Top 3 oder Top 5 herausgekommen. Das arithmetische Mittel wurde aus allen Bewertungen (klassisch von 1/10 bis 10/10) und den jeweiligen Hörern errechnet. Bei Punkte-Gleichstand zählt die Anzahl an Redakteuren. Wenn diese ebenfalls gleich sein sollte, kommen mehrere Alben aufs Treppchen. Die durchschnittliche Punktzahl haben wir unter jeden Eintrag drunter geschrieben.

Diese Listen werden wir euch in den nächsten Tagen alphabetisch geordnet zeigen. Das bedeutet, dass es mit Black Metal losgeht, mit Death weitergeht und schließlich mit Thrash aufhört. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und Diskutieren.

Tag 1: Black Metal
Tag 2: Death Metal
Tag 3: Doom Metal
Tag 4: Gothic/Darkwave
Tag 5: Gothic Metal/Mittelalter
Tag 6: Hardcore/Grindcore
Tag 7: Heavy Metal
Tag 8: Industrial/Electronic
Tag 9: Modern Metal
Tag 10: Pagan/Viking Metal
Tag 11: Post-Rock/Metal
Tag 12: Progressive Rock/Metal
Tag 13: Punk
Tag 14: Rock
Tag 15: Thrash Metal

Eure metal.de-Redaktion.

Tag 1: Black Metal – Gevatter Tod, Albträume und Zerfall

Für dunkle Musik kommt ein Jahr wie 2020 ja eigentlich wie gerufen – und gerade im Schwarzstahl waren dieses Jahr auch echt starke Platten mit dabei, von alten Helden mit Old-School-Attitüde über orthodoxen Black Metal hin zu modernem Zeug. Es war so viel, dass es wirklich schwer gefallen ist, zum einen mit der Veröffentlichungsflut mitzuhalten, zum anderen leider bei dem Werten einen Haufen anderer guter Releases zwar unter den Tisch fallen zu lassen. Die hätten aber ebenso jede Ehre genossen, hier aufzutauchen zu dürfen. Aber der Hammer ist gefallen, die gnadenlose Redaktion hat entschieden… und nach langem Rütteln und Schütteln sind nach Punkten dann die folgenden Alben bei rum gekommen.

Texte: Alexander Santel, Michael Klaas

5. UADA – Djinn

UADA zum Dritten: Die US-amerikanischen Senkrechtstarter haben unsere Schreiber dieses Jahr zum dritten Mal in Folge restlos begeistern können. Der Weg, den sie mit „Djinn“ eingeschlagen haben, führt sie dabei zu deutlich mehr Verspieltheit wie man sie eher im traditionellen Metal kennt, einem hier und da deutlich rockigerem Sound und klassischer Black-Metal-Dramaturgie zwischen Spannung und Kartharsis. Das alles verpackt in leicht verdaulichen Melodien, und: Wohl bekomm’s.

Durchschnittswertung 7.5

4. PANZERFAUST – The Suns of Perdition – Chapter II

PANZERFAUST fahren 2020 auf „The Suns Of Perdition – Chapter II: Render Unto Eden“, dem zweiten Teil einer geplanten Tetralogie, wahrhaftig schwere Geschütze auf. Die Kanadier kreieren durch pure, finstere Heaviness einen massiven Sog, den man sich kaum entziehen kann. Und obwohl sie den Black-Metal-Thron um einige Platzierungen verfehlt haben, faszinieren sie nicht nur, sie zermürben und reißen gleichermaßen mit.

Durchschnittswertung: 7.6

3. WINTERFYLLETH – The Reckoning Dawn

WINTERFYLLETH muss man nicht mehr großartig vorstellen. Beschreiben muss man ihre Musik Kennern auch nicht mehr. Wenn man WINTERFYLLETH hört, weiß man was man bekommt. Große Klanglandschaften im Pagan-/Black Metal, Folkeinflüsse und Bilder von vernebelten englischen Feldern und Hügeln vor dem geistigen Auge. Da macht auch das neueste Album „The Reckoning Dawn“ keine große Ausnahme, wenn auch hier der Fokus wieder etwas mehr auf Angriff und auch auf große Orchestrierung gesetzt wurde. Sich eine Stunde Zeit nehmen, mit rauchigem Whiskey vielleicht, und in „The Reckoning Dawn“ eintauchen!

Durchschnittswertung: 7.75

ODRAZA – Rzeczom

ODRAZA waren vor ein paar Jahren mit „Esperalem Tkane“ wahre Shooting-Stars der polnischen Szene. Weder Deibel noch irgendwas anderes Außerweltliches stand hier auf dem Teller, sondern schlicht die Conditio Humana. Und das in der nihilistischen Variante. Auch musikalisch machten die Polen es den Hörern mit Einflüsseu aus Jazz und Post-Metal nicht einfach. Zerfahren, unausgegoren, unperfekt. Gleichzeitig aber auch zwischen verletzlich, tragikomisch und garstig (musikalisch) schwankend. Alles Attribute, die sicher auch ebenso auf „Rzeczom“ zutreffen. Aber die Atmosphäre und die Stimmung sind erneut geradezu einnehmend und verstörend und somit wirkt „Rzeczom“ mehr wie ein Vergrößerungs- und Brennglas über dieser verkorksten Existenz, die man Leben nennt. Schöner sterben – mit ODRAZA.

Durchschnittswertung: 7.75

AUÐN – Vökudraumsins Fangi

Die Isländer AUÐN sind ein wenig verschrien als die „intellektuellen“ Black Metaller. Gut, dass es nach dem stellenweise folkig-umschmeichelndem „Farvegir Fyrndar“ es wieder ein wenig mehr Härte auf „Vökudraumsins Fangi“ gibt. Ihr Gespür für schmeichelnde Melodien und progressive Elemente hat die Band aber auch auf dem neuesten Album nicht verlernt. Dieses Zusammenspiel macht „Vökudraumsins Fangi“ zu einem einnehmenden und abwechslungsreichem Album, das sich weniger für den täglichen Weg zur Arbeit und viel mehr zum Waldspaziergang eignet.

Durchschnittswertung: 7.75

2. THE COMMITTEE – Utopian Deception

THE COMMITTEE waren schon immer gut. Ganz unabhängig von ihrem interessanten Konzept, der ungewöhnlichen Bandkonstellation und der Bühnenaufmachung. Aber mit „Utopian Deception“ erhält nun Einzug, was vorher immer so ein wenig das Haar in der Suppe war: Mehr Abwechslung, ein größeres Händchen für nachhaltige Melodien, aber ohne die erdrückende Atmosphäre dabei zu vergessen. Die setzt sich mal aus Doom-Schwere, mal aus klirrend kalten Tremolo-Gewittern zusammen. Funktionieren tut das in beiderlei Disziplinen und somit liefern die Herren mit „Utopian Deception“ bislang schlicht ihr bestes Album ab, was bei uns für einen geteilten 2. Platz reicht.

Durchschnittswertung: 8

AKHLYS – Melinoë

AKHLYS ist als Tochter der Nacht (Nyx) die Verkörperung aus Elend und Traurigkeit und nach manchen griechischen mythologischen Strömungen die Göttin der ewigen Nacht. Diese reizende Persönlichkeit wird von Tausendsassa Naas Alcameth (NIGHTBRINGER, AORATOS) bereits seit einiger Zeit intoniert und auch das neueste Album „Melinoë“ schafft es einmal mehr, nun in Form der chthonischen Nymphe, die Albträume und den Wahnsinn greifbar zu machen. In traumtänzerischer Sicherheit weiß „Melinoë“ es, mittels druckvollem Black Metal und Ambient-Einflüssen bis zur Schlafparalyse zu fesseln und auch unseren Chefredakteur sehr zu begeistern (im wahrsten Sine des Wortes!). Schauerlich schön oder schön schauerlich – „Melinoë“ von AKHLYS ist es.

Durchschnittswertung: 8

1. BEGRAFVEN – Dödsriket

Während das Cover im MS-Paint-Stil sowie die Instrumentalfraktion noch einen drolligen, unbeholfenen Charme ausstrahlen, spielt die Musik und Atmosphäre auf „Dödsriket“ auf einer ganz eigenen Ebene: Old-School und definitiv an die Vorbilder der zweiten skandinavischen Welle angelehnt, aber auch mit eigener Note und auch einer gewissen Kauzigkeit und verdammt gutem Songwriting können BEGRAFVEN die unterschiedlichsten Geister in der Redaktion einen und hinsichtlich „Dödsriket“ sich in Superlativen gegenseitig überbieten. Es führt sogar bis zu der Frage, ob Black Metal Spaß machen darf. Wenn er so wie von BERGRAFVEN auf „Dödsriket“ zelebriert wird, gerne.

Durchschnittswertung: 8.25

Tag 2: Death Metal – Tod, Gedärme und Teufel

Satan, Blut und Gedärme, aber auch vielleicht einfach nur menschliche Leere… textlich wie auch musikalisch stilistisch vielfältig ist ebenfalls unsere Death-Metal-Bestenliste aufgestellt! Ebenfalls fiel es hier nicht leicht auf einen Nenner zu kommen und das ein oder andere ranzige Untergrund-Gerödel, was bei Fans definitiv auf Platz 1 vertreten wäre, ist es hier leider nicht. Seht es uns nach, am Ende bestimmt die Masse was oben landet. Aber trotzdem kann sich das Treppchen doch schon sehen lassen. Ist für jeden was dabei.

Texte: Alexander Santel, Michael Klaas

5. VADER – Solitude In Madness

VADER sind VADER und bleiben VADER. Großartige stilistische Überwerfungen hat man sich in der Vergangenheit gespart und so wie bei gutem Borschtsch von der lieben Oma weiß man auch bei den Polen, was man bekommt: Deftigen Eintopf aus Death und Thrash Metal, der im richtigen Einfallswinkel zu einem deftigen Kinnhaken ausholt. Aber auch rockige und groovige Einflüsse lassen sich Peter und Co. nicht nehmen. Somit ist auch „Solitude In Madness“ wieder ein Brecher vor dem Herren, der mit wenig Überraschungen und vielen Schlägen in die Magengrube auskommt und somit Platz 5 bei uns bekleiden kann.

Durchschnittswertung: 7.5

4. DARK TRANQUILITY – Moment

So ein bisschen nervös waren Melodeath-Fans ja schon, als Niklas Sundin seinen Ausstieg aus DARK TRANQUILLITY verkündete, nachdem schon zuvor Martin Henriksson im Vorfeld zu „Atoma“ seinen Hut nahm. Wie würden die Göteborger hiernach bloß klingen? Wie sich herausstellen sollte: Modern, melodisch und eingängig. Und: Mikael Stanne hat eindeutig an seinen Stimmbändern gearbeitet, denn der Anteil an Klargesang ist ordentlich nach oben geschraubt worden. Wie man es dreht und wendet: DARK TRANQUILLITY gehen 2020 auf’s Ganze, was Melodien und Eingängigkeit angehen. So kann man den Weggang von Gründungsmitgliedern durchaus auch verarbeiten.

Durchschnittswertung: 7.6

BENEDICTION – Scriptures

Die Birminghamer Zermalmer BENEDICTION liefern mit „Scriptures“ klassischen Death Metal ohne Schnickschnack, sprich: Das, was sie am besten können. Nachdem Dave Hunt seinen Hut genommen hat, ist Dave Ingram wieder eingestiegen und bellt standesgemäß kompetent zu den Riffwalzen, welche die Briten hier einmal mehr abfeuern. Und wer das und nichts anderes erwartet, für den werden wahre Old-School-Death-Metal-Träume wahr. Denn BENEDICTION bewahren sich ihre Qualitäten auch in einem Jahr wie diesem, in dem so vieles den Bach herunter gegangen ist – nicht aber britischer Todesstahl der alten Schule.

Durchschnittswertung: 7.6

SKELETAL REMAINS – The Entombment Of Chaos

 

Tja, wer hätte das gedacht… aus Thrash wurde nicht nur historisch der Death Metal geboren, auch den ehemaligen FUELED BY FIRE-Gitarristen Chris Monroy zog es  vom ehemaligen Brötchengeber hin zum Todesmörtel. Und den zelebrieren SKELETAL REMAINS in schönster Manier. Ein wenig MORBID ANGEL hier, ein bisschen CANNIBAL CORPSE da … „The Entombment Of Chaos“ bekommt gewiss keinen Originalitätspreis, aber drischt einfach so liebevoll und authentisch an die Vorbilder angelehnt, so vertraut, auch so souverän und unbarmherzig auf den Hörer ein, dass es eine wahre Freude ist. Zum Rübe-Schwingen und Party-Machen wie zum  Wohnzimmer-Zerlegen gleichermaßen geeignet.

Durchschnittswertung: 7.6

3. NECROPHOBIC – Dawn Of The Damned

Auf Deibel komm raus der Tradition verschrieben: Die Schweden NECROPHOBIC scheinen nach einigen Personalkarussell-Rotationen und auch recht durchschnittlichen Platten seit „Mark Of The Necrogramm“ wieder Feuer gefangen zu haben, so ist doch mit Atte Strokirk der originale Fronter und Ramstedt und Bergebäck das ikonische Gitarrenduo wieder zurück. „Dawn Of The Damned“ knüpft da einfach dran an, denn warum laufende und gut geschmierte Maschinen noch verschlimmbessern wollen? In schönster DISSECTION-Manier geben sich hier das Beste aus Black-, Death- und Heavy Metal die Klinke in die Hand und kommen mit wahrhaft infernalischen, aber auch rockigen, groovigen und ja, gar auch atmosphärischen Stücken um die Ecke. Ein passenderes Jahr als 2020 hätten sich mit NECROPHOBIC mit „Dawn Of The Damned“ zum Vertonen von pechschwarzer Düsternis gar nicht aussuchen können.

Durchschnittswertung: 7.8

2. DEMONICAL – World Domination

Wo bei manch anderen Bands der Sänger das Aushängeschild ist, haben DEMONICAL auf dem sechsten Album den vierten Frontmann am Start. Hinter DEMONICAL steht aber seit der Gründung 2006 Bassist Martin Schulmann, der nach dem Aus von CENTINEX ein neues Betätigungsfeld brauchte. Jetzt sind CENTINEX auch wieder am Start und haben mit „Death In Pieces“ im Mai ein starkes Album herausgebracht und fünf Monate später kamen dann DEMONICAL mit „World Domination“ um die Ecke. Ein Album, das wahrscheinlich stilprägend für den schwedischen Death Metal im Jahre 2020 gewesen wäre, wenn da nicht auch eine weitere Band ein Wort mitzureden gehabt hätte, nämlich…

Durchschnittswertung: 8

LIK – Misanthropic Breed

LIK kommen aus Stockholm und spielen Stockholm Death Metal. DISMEMBER und ENTOMBED wurden schon im Kindergarten angehört und seit 2014 ist das Stamm-Trio mit wechselndem Bassisten unterwegs. Man hat live ausgeholfen bei Bands wie BLOODBATH, KATATONIA, GRAVE, NIGHTRAGE und REPUGNANT und trommelt auch noch bei WITCHERY. Auf allen drei Alben wurde das HM-2 Distortion Pedal bis zum Anschlag durchgetreten und 25 Jahren nach den Großtaten von DISMEMBER und ENTOMBED wachsen LIK auf „Misanthropic Breed“ langsam in deren Schuhe rein.

Durchschnittswertung: 8

1. ULCERATE – Stare Into Death And Be Still

Die lärmenden Kiwis sind unhörbar – im besten Sinne der Worte. Vor allem dann, wenn es um den Death-Metal-Thron 2020 geht. Sie haben sich kontinuierlich in etwas verwandelt, was anno 2020 so etwas wie Melodien durchscheinen lässt. Aber Melodien ist nicht gleich DARK TRANQUILLITY und ULCERATE machen das auch mit „Stare Into Death And Be Still“ unmissverständlich klar. Wie ein Dickicht aus Lärm und Dissonanzen, das unvorbereitete Hörer definitiv nicht willkommen heißen möchte, breitet sich auch das neue, sechste Album unbarmherzig vor dem Hörer aus. ULCERATE bieten eine zerebrale wie körperliche Erfahrung, welche die Hörerschaft in beiden Wahrnehmungsebenen komplett verstört hinterlässt. Verstört und gefüllt mit dem Verlangen nach mehr.

Durchschnittswertung: 8.75

Tag 3: Doom Metal – D O O M & Gloom…

…, was einige vielleicht als Begriff benutzen würden um dieses Jahr zu beschreiben, beschreibt auch adäquat die diskutierbar melancholischste, traurigste und vielleicht auch langsamste Musikrichtung in der Hartwurst-Fraktion… und dabei auch eine der diversesten und spannendsten. Die stilistische Bandbreite zwischen OCEANS OF SLUMBER, PALLBEARER, ATRAMENTUS und etwa KATATONIA ist unbestreitbar ein schöner großer Strauß Friedhofsgewächse. Daher war es nicht sehr einfach, sich a) auf passende Alben zu einigen und b) nicht in endlosen Genre-Diskussionen unterzugehen… ist das neue KATATONIA-Album eigentlich noch „reiner“ Doom, oder eher Prog-Melo-Irgendwas-Death? Gar nicht so einfach… Daher wundert euch nicht, wenn manche Alben vielleicht sogar in zwei verschiedenen Listen auftauchen. Gerade in dieser Liste scheint es viel Uneinigkeit gegeben zu haben, so teilen sich nach Punkten und Anzahl sogar gleich ganze drei Alben den dritten und zwei Alben den Spitzenplatz.

Texte: Markus Endres, Alexander Santel, Michael Klaas

5. ATAVIST – III: Absolution

Atavismus. Ein Rückschlag, ein Überbleibsel aus anderen Zeiten, der heute „über“ ist. Mit „III: Absolution“ sind ATAVIST mit Sicherheit nicht „über“, sondern trotz Schleichgang stilsicher und mit Eleganz am Ziel, wie die Schildkröte gegen den Hasen etwa das Rennen macht. Für höhere Weihen fehlen den Doom-Monolithen eigentlich nur ein wenig Abwechslung. Auch wenn die mit Ambientpassagen und Keyboard-Outros rudimentär vorhanden ist. Trotzdem ein gelungenes Funeral-Doom-Lebenszeichen des WINTERFYLLETH-Fronters Chris Naughton.

7,2 (5 Bewertungen)

4. ATRAMENTUS – Stygian

Kanadier können alles. Grüßen immer freundlich, fahren von Elchen gezogen mit ihrem Schlitten zur Arbeit, eingeschmiert in Ahornsirup. Und Musik können Sie auch. Besonders verproggten Thrash, aber auch Black Metal und Death Metal. Die Nebenspielwiese von Phil Tougas (CHTE’ILIST, FIRST FRAGMENT) nimmt sich da mit Funeral Doom beinahe exotisch aus. ATRAMENTUS hauen trotz langem Bestehen nun erst mit „Stygian“ ihr Debüt heraus. Reichlich spät und mit 3 Songs auch mehr EP als Album zwar, aber immerhin. Wenn es in so einer Qualität weitergeht, darf auf eine großartige Zukunft gehofft werden. Nur nicht für den armen Schlonz auf dem Cover.

7,25 (4 Bewertungen)

3. OCEANS OF SLUMBER – Oceans Of Slumber

OCEANS OF SLUMBER markieren mit ihrem selbstbetitelten Album so etwas wie einen Neustart, wie gar nicht mal so wenige Bands es tun, wenn sie mitten in ihrer Diskografie ein Album nach sich selbst benennen. Bei den Texanern ist der Grund hierhinter ein ziemlich bedeutender Lineup-Wechsel, bei dem praktisch die komplette Saitenfraktion neubesetzt werden musste, nachdem die alten Mitstreiter nach „The Banished Heart“ nach und nach aus der Band ausschieden. Das Ergebnis jedoch ist eine rundum gelungene Angelegenheit, welche die Trademarks der Band einmal mehr zur Schau stellt: Vielschichtig arrangierte Prog-Doom-Epen, ein Schuss Death, instrumentale Höchstleistungen und eine Cammy Gilbert in Bestform mittendrin.

7,6 (5 Bewertungen)

PALLBEARER – Forgotten Days

PALLBEARER sind ein Phänomen. Eigentlich nur als emotionales Bewältigungsmittel ursprünglich von Joseph Rowland und Brett Campbell gegründet, haben sie scheinbar einen Nerv bei einem Haufen Menschen getroffen. Auch „Forgotten Days“ befasst sich wieder mit persönlichen Schicksalen der Musiker und geht ebenfalls musikalisch eher zurück zur Simplizität des Debüts. Wobei „Forgotten Days“ selbstverständlich alles andere als Easy-Listening ist! Moderne und Tradition finden auf diesem Album für PALLBEARER ihre Balance und das sichert Ihnen eine Pobacke auf dem dritten Platz zusammen mit den Kollegen.

7,6 (5 Bewertungen)

DRACONIAN – Under A Godless Veil

Nein, Stilbrüche braucht man bei DRACONIAN – auch nach der langen Pause, welche die Schweden seit „Sovran“ eingelegt haben – nicht zu befürchten. Vielmehr klingt „Under A Godless Veil“ genau so, wie man es von einer Band erwarten würde, die man beispielsweise mit „Arcane Rain Fell“ kennen und lieben gelernt hat. Als Hörer bekommt man Gothic Death Doom serviert, den die Herren und die Dame zur Sicherheit noch einmal schön tief in Moll tauchen, damit Frohsinn und Heiterkeit auch ja keine Chance bekommen. Wo kämen wir denn da auch hin? Glücklicherweise eine rhetorische Frage, denn DRACONIAN liefern in verlässlicher Manier den Stoff, der Trauerweiden glücklich macht.

7,6 (5 Bewertungen)

2. NULL – Entity

NULL rekrutieren sich aus Mitgliedern isländischer Black-Metal-Bands (CARPE NOCTEM, NAƉRA, MISÞYRMING) und daher kommt auch „Entity“ trotz definitiv im Doom zu verordnendem, schleppendem Grabesröcheln trotzdem mit einer Armkante Schwarzstahl um die Ecke. Wen das nicht stört, der kann zwischen ein bisschen Klopperei, eisigen Riffs und monolitischer Ödnis durchaus Spaß hiermit haben.

7,67 (3 Bewertungen)

1. MY DYING BRIDE – The Ghost Of Orion

MY DYING BRIDE muss niemand mehr vorstellen. Die Briten sind so etwas wie die Schablone von Death-Doom-Metal. Aber eine solche Rückkehr wie mit „The Ghost Of Orion“ hätte man den Mannen um Fronter Aaron Stainthorpe nach dem Krebsleiden seiner Tochter und dem Kippe-Stehen der Band doch wohl niemand zugetraut, ganz zu schweigen vom Charten in Deutschland! Dabei gibt es kleine neue Nuancen, neben ein wenig folkigen Einflüssen gibt man sich auch eingängiger als je zuvor, aber immer noch „very british“. Das überzeugt einen überwiegenden Teil der Redaktion und sichert MY DYING BRIDE den Thron… zumindest so halb.

8 (5 Bewertungen)

SORCERER – Lamenting Of The Innocent

Mit ihrem letzten Album „The Crowning Of The Fire King“ brachten SORCERER eines der stärksten Epic Doom Metal-Alben des Jahres 2017 raus und setzten damit ein riesiges Ausrufezeichen. Das neue Album „Lamenting Of The Innocent“ setzt dem nochmal einen drauf, indem es nicht nur sämtliche Stärken von SORCERER bündelt, sondern mit neuen Facetten die Klangwelten zusätzlich bereichert und den Epic Doom Metal perfektioniert. Alle enthaltenen Hymnen sind Volltreffer, mächtig, erhaben, episch. Das bisher beste Album von SORCERER ist eine Sternstunde des epischen Doom Metals, nicht nur im Jahr 2020! 

8 (5 Bewertungen)

Tag 4: Gothic/Darkwave – Dunkel, Düster, Sehnsuchtsvoll

Mit Gothic/Darkwave nähert sich das erste Thema innerhalb unserer Auszählung der besten Alben des Jahres, bei dem nur drei Plätze gekürt werden. Eigentlich ein wichtiges Genre, das geschichtlich relativ früh als Ableger der Punk-/New Wave-Bewegung entstanden ist, sind dieses Jahr, soweit wir das überblicken konnten, nur wenige nennenswerte Releases aus dieser Sparte erschienen. Aber dennoch haben wir die interessantesten in der folgenden Liste zusammengefasst – wohl bekomm’s.

Texte: Jannik Kleemann, Sven Lattemann

Platz 3: SHE HATES EMOTIONS – Melancholic Maniac

Chris Pohl, den man sonst eher bei BLUTENGEL verortet, hat still und heimlich ein 80er-Jahre-Synthwave-Album auf den Markt gebracht, welches er im Alleingang geschrieben, komponiert und eingespielt hat. SHE HATES EMOTIONS geht deutlich reduzierter als die pompösen BLUTENGEL zu Werk und soll laut Pohl von DEPECHE MODE und Konsorten inspiriert sein. „Melancholic Maniac“ ist ein leicht verdauliches Werk, welches auf Grund von Pohls unverwechselbarer Stimme natürlich auch BLUTENGEL-Assoziationen hervorruft, aber insgesamt doch deutlich erdiger ist und mit weniger Blut, Vampiren und Kitsch auskommt. Anspieltipp ist hier die wunderbar stimmungsvolle Single „See The Light“.

Durchschnittswertung: 7/10

NACHTMAHR – Flamme (7/10)

Thomas Rainers Projekt NACHTMAHR, welches seit über zehn Jahren sein zweites Standbein neben L’ÂME IMMORTELLE darstellt, ist sonst eher bekannt für seine stampfenden, aggressiven Beats, militaristischer Outfits und der dazugehörigen Erotika. Auf „Flamme“ lässt Rainer seine Beats jedoch im Synthesizer und hat elf seiner Songs in ein Neofolk-Gewand gepackt, in welchem der Wiener schon länger wildert, so waren doch ähnliche Bemühungen schon öfters auf vergangenen CDs der Band zu finden. NACHTMAHRs „Light“-Versionen funktionieren auch auf Albumlänge erstaunlich gut, die Auswahl der Songs passt (mit z.B. „Mein Name“ sind auch einige im Original echt brutale Stampfer dabei, die hier eher zart daher kommen) und, dass Rainer auch ruhig singen kann, hat er ja auch bereits bei L’ÂME IMMORTELLE bewiesen. Ein interessanter Blick über den Tellerrand seines Genres.

Platz 2: LORD OF THE LOST – Swan Songs III

Die Gothic-Metaller von LORD OF THE LOST haben den dritten Teil ihrer Neoklassikserie am Start und folgen dem gewohnten Konzept: halb neu, halb neu arrangiert. Auf CD 1 finden wir zehn neue Songs im Ensemble-Stil, welche vor allem von Chris Harms‘ wandelbarer Stimme getragen werden. Die zweite CD wartet dann mit einigen Ensemble-Arrangements des letzten Albums „Thornstar“ (2018) auf. Diese Versionen sind immer ein besonderes Schmankerl für Fans der Rockversionen. Zudem äußerst ergreifend: die Zusammenarbeit von LORD OF THE LOST mit dem „Heaven Can Wait“-Chor, welcher aus Sänger*innen besteht, die ausnahmslos über 70 Jahre alt sind. Die Kollaboration in Form von „We Were Young“ lässt, gerade mit dem dazugehörigen Video, die Haut schnell zur Erpelpelle werden.

Durchschnittswertung: 7,5/10

ULVER – Flowers Of Evil

Nach dem wunderbaren „The Assassination of Julius Caesar“ (2017) ist auch Album Nummer Vierzehn der norwegischen ex-Schwarzmetaller, ex-Industrial-Metaller und Gelegenheits-Ambient-Enthusiasten ein überaus gelungener Wurf. Wie ein stetiger Fluss an ohrenschmeichelnden Melodien ergießt sich „Flowers Of Evil“ aus der Musikanlage, Krystoffer Rygg säuselt – etwas brummend, stets markant – über die recht poppig geratenen Titel des Albums, die zwar zunächst unscheinbar daherkommen mögen, aber sich doch sehr nachhaltig im Hirn festsetzen („One Last Dance“, „Machine Guns And Peachock Feathers“).

Synth-Pop, Wave, Darkwave – ULVER stehen für einen ganz eigenen Stilmix: Modern, aber retro – DEPECHE MODE trifft SOFT CELL trifft ALPHAVILLE. Und mit dem verstörenden Cover liefert die Band ein Artwork, das selbst bei metal-frontdruck-erprobten Gemütern im Gedächtnis bleibt.

Platz 1: EISFABRIK – Kryothermalmusik Aus Der Eisfabrik

Hinter diesen frostig-schönen Synthie-Klängen stecken keine unbekannten Musiker. Charly Barth-Ricklefs (ex-SHADOW-MINDS) und Gerrit Thomas (FUNKER VOGT) stehen hinter den Reglern. Herausgekommen sind dabei schon einige schöne Alben für die Klänge elektronischer Düsterdiscos. Mit „Kryothermalmusik Aus Der Eisfabrik“ legen sie nun ihr fünftes Album vor, dem je eine EP vor- und nach folgte, welche die klangvollen Namen „Automatisierung In Der Eisfabrik“ und „Rotationsausfall In Der Eisfabrik“ tragen. Im Gegensatz zu den Albumtiteln gibt es bei EISFABRIK hauptsächlich englischsprachige Texte dargeboten, welche von wunderschönen Synthie-Klängen unterlegt sind, die auch an SOLITARY EXPERIMENTS erinnern. Genrefans und FUNKER-VOGT-Freunde sollten das Projekt auschecken.

Durchschnittswertung: 8/10

Tag 5: Gothic Metal – Zwischen Düster-Metal und Mittelalter-Kauzigkeit

Als der in gewisser Weise etwas lautere Bruder von Gothic/Darkwave kommt Gothic Metal daher, das wir traditionell zusammen mit allem Mittelalterlichen katalogisiert haben. Es erwartet uns also vor allem düstere Metal-Kost inklusive Dark Metal sowie schwungvolle Mittelalter-Kauzigkeit, beides geschnürt in einem Paket. Dabei haben es ein paar überraschende Kandidaten aufs Treppchen geschafft – überraschend deshalb, weil sich das in den entsprechend Reviews und/oder Soundchecks kaum abgezeichnet hat. Allerdings erklomm nur einer die Spitze. Aber seht selbst.

Texte: Jannik Kleemann

3: DIE KREATUR – Panoptikum

Wenn sich Chris Harms von LORD OF THE LOST und Dero Goi von OOMPH! zusammenschließen, dann horcht der geneigte Gothic-Fan erst einmal auf. Wenn das aufgenommene Album dann auch noch ziemlich genau wie ein Bastard aus den beiden Bands klingt, bekommt jener genau das, was er erwartet. Das musikalische Pendel schwingt zwar öfter in Richtung OOMPH! aus, da Dero verhältnismäßig öfter ans Mikro gelassen wird, aber nichtsdestototz werden Fans aus beiden Lagern zufrieden gestellt. Lediglich ein bisschen mehr Mut zum Individualismus hätte dem Projekt gut getan, aber vielleicht folgt das ja mit einem etwaigen zweiten Album.

Durchschnittsnote: 7/10

2: EISREGEN – Leblos

Der selbsternannte „Tod aus Thüringen“ hat es mittlerweile auf stattliche vierzehn Alben plus einige EPs, Kompilationen und ein Livealbum gebracht. Auf „Leblos“ erfindet sich das Rad nicht neu, EISREGEN gehen den Weg, den sie ab „Todestage“ eingeschlagen haben munter weiter. Das bedeutet, dass sie ihren Dark Metal wieder verstärkt in Richtung Black Metal führen und das Gaspedal noch deutlich öfter durchtreten als es beispielsweise auf einem „Rostrot“ der Fall war. Michael Roth erzählt dazu mit seiner unverwechselbaren Stimme die gewohnt blutig-düsteren, teils lustig-ironischen Mord- und Meuchelgeschichten. Positiv anzumerken sind die zwar platten, aber für eine bierselige Runde genau richtigen Trinklieder der zweiten Scheibe, welche EISREGEN unter einem Pseudonym namens DIE RÄUDIGEN RENNSTEIGREBELLEN veröffentlicht haben. Wohl bekomm’s!

Durchschnittswertung: 8/10

1: IN EXTREMO – Kompass zur Sonne

Die glorreichen Sieben sind wohl eine konstanten Größen des Mittelalter-Metals. Ähnlich wie ihre Genre-Kollegen SUBWAY TO SALLY und auch SALTATIO MORTIS haben sie sich lyrisch von den reinen Minnesängen und Geschichten über das Mittelalter verabschiedet und bedienen ein etwas breiteres Spektrum an Erzählungen. Dies ist aber auch gut so, würde doch sonst das recht eng gesteckte Korsett etwas fad werden. Und so bekommen wir vier Jahre nach dem wirklich guten „Quid Pro Quo“ ein Album präsentiert, welches zwar hinter seinem Vorgänger leicht zurückbleibt, aber insgesamt trotzdem alle Trademarks der Band in sich vereint und weiterführt.

Durchzschnittswertung: 8,5/10

Tag 6: Hardcore / Grindcore – Wer teilt eigentlich die Genres ein?

Ein weiser Mann legte einst die Einteilung der Genres bei metal.de fest und warf Hardcore und Grindcore in einen Topf. Genregrenzen sind fließend, Hardcore wabert mit dem Metalcore in den (Melodic) Death Metal rein. Grindcore und Brutal Death Metal sind nicht so verschieden und ist Band XY nicht eigentlich einem anderen Genre zuzuordnen? Hier kommt jetzt also die Liste der Alben aus dem Bereich Hardcore / Grindcore, die man sich mal mehr als einmal angehört haben sollte.

Texte: Dominik Rothe, Björn Gieseler

5. CRO-MAGS – In The Beginning

Harley Flanagan konnte sich 2019 die Namensrechte an seiner Band sichern und führt die CRO-MAGS mit „In The Beginning“ in die Gegenwart. Obwohl der New York Hardcore tief in der Vergangenheit verwurzelt ist und von einer Zeit erzählt als noch die Teenage Mutant Ninja Turtles in New York für Recht und Ordnung gesorgt haben, schafft es Flanagan, die Band und die Musik auch 2020 noch relevant zu machen. Hardcore ohne Geschwindigkeitsrekorde, dafür mit brutalen und intensiven Songs.

Durchschnittswertung 7.125

4. ANCST – Summit Of Despondency

Die Berliner ANCST schmeißen alles in einen Topf von dem sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten beeinflusst worden sind. Kenner sprechen von Crust, Hardcore und Post Black Metal, wir sprechen von frühen Versuchen der deutschen Metalcore-Szene. Nicht so stümperhaft und mit einem so schlechten Sound, sondern gerade hinaus, politisch und perfekt geeignet um es live umzusetzen. Tom Schmidts bisher bestes Werk, das aber auch noch Luft nach oben lässt.

Durchschnittswertung 7.2

3. VENOMOUS CONCEPT – Politics Versus The Erection

„A side project of several notable metal musicians“ – Metal Archives muss für die Engstirnigen immer schöne Begründungen bereit haben warum den jetzt diese Band auf der ehrenwerten Seite gelistet werden darf. Für uns ist es „politischer Krach“, der gerne auch Spaß machen darf. Man werfe NAPALM DEATH, LOCK UP, S.O.D., BRUTAL TRUTH und ’nen ganzen Haufen politischer Grindcore-Bands in einen Topf und schon bekommt das Hardcore-Punk-Gemisch aus dem Hause VENOMOUS CONCEPT, das pünktlich zum Wahljahr in den USA „Politics Versus The Erection“ unter das Volk gebracht hat. Hoch die Faust und Spaß haben.

Durchschnittswertung 7.3

2. NAPALM DEATH – Throes Of Joy In The Jaws Of Deafeatism

An welchem Konzert habt ihr vor der Corona-Pause zuletzt teilgenommen? Würdet ihr wieder hingehen oder hättet ihr euch für andere Bands entschieden? Bei Björn Gieseler waren es die an diesem Abend in Stuttgart bockstarken NAPALM DEATH, die ein halbes Jahr später dann „Throes Of Joy In The Jaws Of Deafeatism“ veröffentlicht haben. Kurz vor dem 40jährigen Geburtstag der Band weiß man was man bekommt. Trotzdem überraschen sie immer wieder mit kleinen Raffinessen und Neuerungen auf den Alben. Wie bei einer guten Ehe ist auch hier die Luft noch nicht raus und Album Nummer 16 macht Lust auf noch viele weitere Jahre mit den Herren aus Birmingham.

Durchschnittswertung 7.5

1. BODY COUNT – Carnivore

Nach „Murder 4 Hire“ aus dem Jahr 2006 war es um BODY COUNT lange ruhig. Doch mit „Manslaughter“ legte die Band 2014 ein Comeback nach Maß dar, welches sie drei Jahre später mit „Bloodlust“ gelungen fortsetzte. „Carnivore“ schließt nahtlos daran an. Es gibt wieder Abrissbirnen mit Mitgröl-Potential wie „Bum-Rush“, fiese Stampfer der Marke „The Hate Is Real“ und Moshpit-Garanten wie „Point The Finger“. Ice-Ts sozialkritische Lyrics legen wieder einmal den Finger in die Wunden unserer Gegenwart und mit dem melancholischen „When I’m Gone“ zeigt die Band, dass sie es immer noch versteht, ihren musikalischen Horizont gelungen zu erweitern. Und wer das totgenuldete „Ace Of Spades“ covert, ohne dass es albern wirkt, hat sowieso alles richtig gemacht.

Durchschnittswertung 7.625

Tag 7: Heavy Metal – Der Sound unserer Eltern?

Der Heavy Metal gilt als verstaubt und rückwärtsgewandt – völlig zu Unrecht. In unserer Top fünf ist nur eine Band dabei, die es auch schon in den 1980ern gab. Ansonsten tummeln sich in der Liste hauptsächlich junge Hüpfer, die ehrfurchtsvoll den Sound jener vergötterten Zeit zelebrieren, ihn dabei gleichzeitig aber auch für neue erfrischende Einflüsse öffnen. Angesichts der vielen Vorschläge, die es für diese Liste gab, bleibt festzustellen, dass der Heavy Metal auch 40 Jahre nach „British Steel“ noch quicklebendig ist.

Texte: Philipp Gravenhorst, Dominik Rothe, Alexander Santel

Platz 5: LORD VIGO – Danse De Noir

Die Rheinland-Pfälzer sind beileibe keine Unbekannten in der Szene. Seit 2014 aktiv, haben sie schon zwei Alben veröffentlicht, wurden aber immer belächelt. Das hat sich nun mit „Danse De Noir“ geändert. Die Scheibe basiert auf dem gleichnamigen Roman von Philip K. Dick und zeigt das Trio mit einer Ernsthaftigkeit und Tiefe, die man von ihnen bis dato nicht kannte. Die Melodiösität von ANGEL WITCH trifft auf die Experimentierfreudigkeit von WITCHFINDER GENERAL. Herzstück der Scheibe sind aber die ausgefeilten Arrangements, welche mit prägnanten Melodien und wohltuenden Breaks auf den befriedigenden Höhepunkt hinarbeiten. Mit „Danse De Noir“ haben LORD VIGO ihren Durchbruch geschafft.

BÜTCHER – 666 Goats Carry My Chariot

„Iron Bitch“, „45 RPM Metal“ und so weiter, BÜTCHER nehmen sich Metal-Klischees, blasen sie überlebensgroß auf und spielen sie 666% aus. Heraus kommt verdammt fieser, aber auch in Teilen hochmelodischer Speed Metal, der so direkt aus den Achtzigern von JUDAS PRIEST, AGENT STEEL oder SLAYER stammen könnte. Dabei sind die Belgier auch noch fantastische Songwriter. Zusammengefasst: Attitüde bis dort hinaus, instrumentales Können, überhöhtes Feiern der Metal-Klischees. BÜTCHER legen mit „666 Goats Carry My Chariot“ ein verdammt spaßiges Album mit Osmium-Cojones vor.

Durchschnittswertung: 7,25/10

Platz 4: LORD FIST – Wilderness Of Hearts

Klassischer wird unsere Liste mit dem Zweitwerk der Finnen. Auf ihrem Debüt 2015 haben sie noch den Pfad des konventionellen NWoBHM bestritten, aber auf ihrem Nachfolger „Wilderness Of Hearts“ nehmen sie eine Abzweigung. So folgen sie hier nicht stumpf dem Schema Heavy, sondern ordnen den Gesang den Gitarren unter. Das geht wunderbar auf, denn das Duo Kolehmainen/Koivunen versteht es, eingängige Melodien zu produzieren, ohne dass die Songs dabei langweilen. Mit „Wilderness Of Hearts“ haben die Finnen ein exzellentes Stück Gitarrenmusik vorgelegt.

Durchschnittswertung: 7,33/10

Platz 3: FURIES – Fortune’s Gate

Diese Debüt kommt von einer französischen Band, die schon seit 2013 besteht. Die Erfahrung hört man der Band aber an. „Fortune’s Gate“ klingt ziemlich ausgereift. Klassischer Heavy Metal mit Power- und Thrash-Einsprengseln wird von einer modernen Produktion eingerahmt. Die Sängerin Lynda Basstarde singt gefüchlsecht und das Gitarrenduo bringt fulminante Soli an den Start. Dazu kommen hitverdächtige Songs wie ‚You And I‘ und ‚Voodoo Chains‘. Ein Album das aus dem Nichts kam und voll eingeschlagen ist.

STÄLKER – Black Majik Terror

Neuseeland verbinden wohl immer noch die meisten mit Hobbits, Elben und „Der Herr der Ringe“. STÄLKER allerdings haben mit der Fantasy-Welt eines Tolkiens nichts gemeinsam. Stattdessen liefern sie auf „Black Majik Terror“ dem Albumtitel entsprechend fiesen Speed Metal, der sich ohne Gnade in die Gehörgänge fräst. Viel Hall auf den hohen Schreien, ein beständig knüppelndes Schlagzeug und messerscharfe Riffs lassen die Herzen aller Genrefans höherschlagen.

Durchschnittswertung: 7,4/10

Platz 2: STALLION – Slaves Of Time

Ein bisschen mehr Glam, ein bisschen mehr Heavy und dazu eine gehörige Portion Thrash. STALLION erweitern ihren Speed Metal auf „Slaves Of Time“ um zahlreiche Facetten, verwässern aber zu keiner Sekunde ihre ureigene Identität. Wenn eine Band dann noch zahlreiche astreine Hits wie „Brain Dead“, „Merchants Of Fear“ oder die gelungene Powerballade „Die With Me“ im Gepäck hat, bleibt nichts anderes übrig als immer wieder die Repeat-Taste zu bemühen.

SÖLICITÖR – Spectral Devastation

Nordamerika ist in den letzten Jahren zu dem Hotspot für junge klassische Heavy-Metal-Bands geworden. Mit SÖLICITÖR kommt wieder eine neue Band aus dem nichts. 2018 gegründet, eine EP veröffentlicht, haben sie dieses Jahr mit „Spectral Devastation“ ihr Debüt veröffentlicht. Sängerin Amy Lee Carlsson punktet mit ihrem giftigen, aber dennoch variablen Gesang. Im Sound finden sich allerlei Merkmale alter Helden: Maidenesque Melodien, Halfordsche Schreie und durchdachtes Gekloppe á la „Kill ‚Em All“. Dies vermischt das Quintett mit Blastbeats. Durch die dreckige Produktion entsteht ein natürlicher Hybrid, der all diese Elemente zusammenfügt. Wieder so ein Album, das aus dem Nichts kam und voll eingeschlagen ist.

Durchschnittswertung 7.5/10

Platz 1: RAVEN – Metal City

Eine Enttäuschung hat man im Vorfeld bei „Metal City“ sowieso nicht erwartet. Dafür war der Vorgänger „ExtermiNation“ aus dem Jahr 2015 einfach zu stark. Dennoch hat das 14. Studioalbum der NWoBHM-Legende alle Erwartungen übertroffen. Auf diesem Album zeigten sie sich so vital und frisch wie schon lange nicht mehr. Das liegt am neuen Schlagzeuger Mike Heller. Er erweitert den klassischen Heavy-Metal-Sound um modernes Drumming. So kommt es dazu, dass man auch schonmal Blastbeats hört. Mit „Metal City“ haben die Briten eine Erneuerung geschafft, die ihnen niemand zugetraut hat, aber gleichzeitig bewiesen, dass man auch 2020 trotz der vielen guten Newcomer noch mit alten Helden rechnen darf.

Durchschnittswertung: 7,6/10

Tag 8: Industrial/Electronic – Synthies, Beats und vielleicht noch ein bisschen Metal zwischendrin

Eigentlich hätten wir es uns an dieser Stelle leicht machen und einfach nur unseren mittlerweile alljährlichen Rückblick in Sachen Synth or Die! reinsetzen können. Denn die werten Kollegen – vornehmlich Sven Lattemann und Dominik Rothe – haben diesbezüglich bereits einiges an Vorarbeit geleistet, um einige der nennenswerteren Electronic- respektive Synthwave-Releases zu beleuchten. Aber wir katalogisieren Electronic zusammen mit Industrial, und mindestens eine Perle wäre uns (und damit vielleicht auch euch) auf diesem Wege ganz sicher entgangen. Also ran an den Speck – unsere Top-3-Platzierungen in Sachen Industrial/Electronic. Vorsicht: Es könnte an der ein oder anderen Stelle etwas lauter werden…

Texte: Michael Klaas

3. LOAD – SuperEgo

LOAD spielen Synthie-Pop, der die starke Verwurzelung seiner Inspiration in den Achtzigern kaum verleugnen kann. Aber das scheinen die Schweizer auch gar nicht verstecken zu wollen, im Gegenteil: Sie machen sich das zu eigen und erweitern den Sound an den richtigen Stellen, um ihn zu modernisieren, ohne ihn unnötig aus der Zeit der Neonfarben und der schrillen Frisuren fallen zu lassen. Möglicherweise macht sie das zu einer „echt“ retrofuturistischen Band? In jedem Falle macht das „SuperEgo“ zu einem heißen Tipp für all jene, die ein Herz für Synthie-Pop haben – und damit zu einem Genre-Schmankerl, dass sich besagte Fans nicht entgehen lassen sollten.

Durchschnittswertung: 7,5/10

CARPENTER BRUT – Blood Machines OST

Wenn zumindest redaktionsintern über Synthwave geschwärmt diskutiert wird, fällt über kurz oder lang der Begriff CARPENTER BRUT (oder Franck Hueso, um ihm seinen bürgerlichen Namen zu geben). Und mal ehrlich: Warum auch nicht? Mindestens mal seine drei schlicht durchnummerierten EPs dürften mittlerweile Kultstatus erreicht haben. Da ist es kein Wuder, dass auch sein diesjähriges, größeres Release „Blood Machines“ absolut gar nichts anbrennen lässt. Es ist zwar „nur“ ein Soundtrack zum gleichnamigen Kurzfilm und daher isoliert betrachtet vielleicht ein bisschen nicht ganz das, was die Qualität besagter EPs verspricht. Aber es ist immer noch der pumpende, diesmal eben etwas mehr auf cineastische Atmosphäre ausgelegte Qualitätssound des Franzosen. Funktioniert garantiert.

Durchschnittswertung: 7,5/10

2. DUMA – Duma

Aus Nairobi erheben sich DUMA, um mit ihrem selbstbetitelten Album eine wilde Krachorgie auf den Hörer loszulassen. Dabei handelt es sich um eines der kompromisslosesten, herausfordernsten Industrial-/Noise-Releases des Jahres, das seine Hörer mit bollernden Beats einem Presslufthammer gleich aufs Korn nimmt und die Herren sich dabei alles, was kein Miete zahlt, aus der Kehle schreien. Das Ding macht absolut keine Gefangenen. Die Tracks dürften allerdings immer noch gerade so als Songs durchgehen, weil zwischen all dem Lärm, all dem musikalischen Chaos irgendwie doch eine wenn auch sehr lose Ordnung herrscht. Ein Underground-Tipp aus Kenia, den man speziell als Connaisseur härterer Industrial-Klänge nicht verpassen sollte.

Durchschnittswertung: 8/10

GÖSTA BERLINGS SAGA – Konkret Musik

Was erwartet man von den Schweden GÖSTA BERLINGS SAGA? Die einen möchten eine Weiterführung des „Et Ex“-Sounds und damit einen Vorstoß tiefer in progressivere Gefilde. Kraft der rohen Energie, mit der sie die „Et Ex“-Songs auf dem entsprechenden Live-Release „Artefacts – Live“ unterfüttert haben, durchaus wünschenswert. Mit „Konkret Musik“ haben sie sich jedoch umgedreht und schlicht und ergreifend verdammt guten, größtenteils instrumentalen Electro Rock aufs Parkett gezaubert, der in stimmungstechnisch sinnhafte Häppchen paketiert worden ist. Sie bewahren sich dabei eine durchweg gute Tanzbarkeit bei zumeist gleichbleibend dichter Atmosphäre – und mit dem gewissen Quäntchen Schrägheit bleibt „Konkret Musik“ dabei durchweg spannend.

Durchschnittswertung: 8/10

1. MASTER BOOT RECORD – Floppy Disk Overdrive

Kein Wunder, dass die Diskette durchgebrannt ist: „Floppy Disk Overdrive“ ist ein Mix aus härterem Metal, Chiptune-Gezirpe und schneidenden Synthesizern mit barocken Intermezzi, die vage Assoziationen von modern inszenierten, romantisch-gotischen Horror in Erinnerung rufen. Auf dem Papier klingt das fast ein bisschen wie IGORRR, nur liefert MASTER BOOT RECORD diesen Mix ohne Gesang ab. „Floppy Disk Overdrive“ gerät vielleicht auch dadurch etwas weniger gaga, wobei der Verfasser dieser Zeilen in Sachen Schrägheit auch schon ein bisschen abgehärtet und damit wohl kein Maßstab ist. „Floppy Disk Overdrive“ bringt entsprechend all das mit, was Musikliebhaber, denen Drei-Akkorde-Schönwetter-Musik zu langweilig ist, schätzen, ohne gleich sämtliche Reize zu überfluten. Hämmert, klimpert, macht Spaß – und gleich nochmal!

Durchschnittswertung: 8,25/10

Tag 9: Modern Metal – Was ist das eigentlich?

Womit wir wieder bei dem Thema Genrebezeichnungen und Genregrenzen sind: Was ist denn jetzt Modern Metal? Eigentlich alles was nicht eindeutig irgendwo anders reinpasst und bei dem sich den Puristen die Fußnägel hochklappen. Fangen wir mit dem ersten Album an, denn das tauchte hier an anderer Stelle auch schon auf. Die Rede ist von …

Texte: Björn Gieseler

5. BODY COUNT – Carnivore

Platz 1 in der Kategorie „Hardcore / Grindcore“ und die zweithöchste Wertung in den Soundchecks im Jahr 2020, BODY COUNT haben mit „Carnivore“ viel richtig gemacht und sind damit gleich bei zwei Kategorien vorne rein gerutscht. Anfang März und damit kurz bevor Corona so richtig durchzünden konnte, startete „Carnivore“ bis auf Platz 5 der Deutschen Albumcharts durch. Durch intensive Livauftritte in Clubs oder auf Festivals konnten sich die Jungs aus Los Angeles wieder zurück in die Herzen der Redaktionsmitglieder spielen und irgendwann ist es auch mal an der Zeit „Carnivore“ auf die Bühne zu bringen.

Durchschnittswertung 7.2

4. LIKE MOTHS TO FLAMES – No Eternity In Gold

LIKE MOTHS TO FLAMES sind Arbeitstiere, denn fünf Alben seit der Bandgründung 2010 sprechen eine deutliche Sprache und für einen soliden Arbeitsrhythmus. Ging es zuletzt mit „Dark Divine“ eher in Richtung Radiotauglichkeit, haben sich die Jungs aus Ohio wieder auf ihre Stärke besonnen, amerikanischen Metalcore unter die Massen zu bringen.

Durchschnittswertung 7.33

LAMB OF GOD – Lamb Of God

Wenn eine Band ein selbst betiteltes Album herausbringt, glaubt sie an die Scheibe und geht keine Experimente ein, denn die Musik dieses Albums soll ja umso mehr den Stil der Band repräsentieren. Kollege Rothe sieht „Lamb Of God“ als Best Of der letzten 20 Jahre und das würde wohl auch die Band unterschrieben. Keine Experimente und einfach druckvollen Groove Metal oder Modern Thrash Metal rausdrücken. Irgendwann dann vielleicht in 2021 mit KREATOR auf Tour?

Durchschnittswertung 7.33

3. THE GHOST INSIDE – The Ghost Inside

Uns gibt es immer noch bzw. wir sind stark wie eh und je zurück. THE GHOST INSIDE haben noch einen Grund gefunden ein Album nach dem Bandnamen zu benennen. „The Ghost Inside“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Lebenszeichen der Kalifornier. Am 19. November 2015 stieß der Tourbus in Texas mit einem LKW zusammen, beide Fahrer verstarben, Schlagzeuger Andrew Tkaczyk verlor ein Bein und Gitarrist Zach Johnson zwei Zehen. THE GHOST INSIDE kämpften sich wieder hoch und zeigen der Welt mal wieder wo der Metalcore bzw. Melodic Hardcore Hammer hängt.

Durchschnittswertung 7.4

2. NEAERA – Neaera

Noch ein selbst betiteltes Album? Ja, die Redaktionslieblinge NEAERA sind zurück. Nach der Bandpause standen sie 2018 schon wieder auf der Bühne und da wurde folgerichtig entschieden auch mal wieder ein Album aufzunehmen. „Neaera“ ist der Bandbiographie ziemlich weit oben anzusiedeln und wie Kollege Wischkowski anmerkte, rasen NEAERA musikalisch durch ein Weltuntergangsszenario.

Durchschnittswertung 7,6

1. HEAVEN SHALL BURN – Of Truth & Sacrifice

HEAVEN SHALL BURN – die Rockergruppe aus dem Nichts. In der Metalszene muss man die Jungens mit dem lustigen Dialekt nicht mehr groß vorstellen, im Rest der Republik sieht das anders aus. Und so haben sich die Thüringer dann trotz dem ersten Shutdown und den damit verbundenen Lieferschwierigkeiten gegen Pietro Lombardi durchgesetzt und zum ersten Mal Platz 1 der Deutschen Albumcharts erklommen. „Of Truth & Sacrifice“ ist ein monumentaler Brocken, der sich im Soundcheck sensationelle 7,7 Punkte gesichert hat und bei den Modern Metal Fans 8,2 Punkte und damit wohl als Album des Jahres 2020 betitelt werden darf.

Durchschnittswertung 8,2

Tag 10: Pagan/Viking Metal – Götter, Met und große Schlachten

Verglichen mit der veröffentlichungsreichen Zeit vor zehn bis fünfzehn Jahren, ist es um den Pagan Metal verhältnismäßig still geworden. Können die launischen alten Götter in einem chaotischen Jahr wie diesem überhaupt Trost spenden? Fans und Gläubige antworten hier natürlich mit „Ja!“ und lassen unbeirrt das Trinkhorn kreisen. Sei es zu ernster Andacht oder zum ausgelassenen Fest mit sich selbst und den engsten Kontakten: 2020 sah die Rückkehr alter Genre-Veteranen und geräuschlose Debüts, die erwähnenswert sind.

Texte: Marc Thorbrügge, Michael Klaas

3. XIV DARK CENTURIES – Waldvolk

Um die Thüringer war es lange Zeit still geworden. Doch der neunjährige Winterschlaf hat der Band hörbar gutgetan. Mit frischer Energie, aber auch mit den bekannten Trademarks im Gepäck demonstrieren XIV DARK CENTURIES, dass mit ihnen immer noch zu rechnen ist. „Waldvolk“ ist keine bloße Nostalgie-Veranstaltung, sondern fasst klassische Pagan-Metal-Stärken kraftvoll zusammen. Auch wenn das Album nicht an die Klassiker der Genre-Kollegen heranreicht, ist es in diesem Jahr einer der besten Beiträge.

Durchschnittswertung: 7,75

FINNTROLL – Vredesvävd

Auch FINNTROLL haben lange auf sich warten lassen und gut sieben Jahre für ihr neues Album gebraucht. „Vredesvävd“ ist frei von Innovationen, konzentriert sich aber auf das wesentliche. Die melancholische Düsternis, die die Band seit über zwanzig Jahren begleitet, ist trotz feucht-fröhlicher Schunkelhymnen nie ganz verschwunden und tritt auf „Vredesvävd“ besonders stark hervor. Eingängige Hits sind stattdessen zwar Mangelware, aber wer braucht die auch schon in diesem Jahr?

Durchschnittswertung: 7,75

2. MARRASMIELI – Between Land and Sky

Noch ein Jahr ohne neues MOONSORROW-Album – aber für Ersatz ist massenweise gesorgt. Üblicherweise qualitativ relativ im Mittelfeld angesiedelt, gehört das Debüt „Between Land And Sky“ von den relativ jungen Herrschaften MARRASMIELI, ebenfalls aus Finnland, nicht zur Ausschussware. Im Gegenteil: Das Ding ist quasi aus dem Nichts gekommen und hat einfach mal so eines der besten Statements in Sachen folkigen Black Metal mit paganer Schlagseite abgegeben. Das Trio verwendet viele vertraute Elemente, vermengt diese jedoch zu epochalen, organisch fließenden Songs, ohne sich zu sehr in atmosphärisches Geschwurbel zu verhaspeln. Heftigere Momente á la „Those Who Are Long Gone“ gehören dabei ebenfalls zur Tagesordnung wie stimmungsvollere Stampfer der Marke „Karakorum“.

Durchschnittswertung: 8,25

1. HAVUKRUUNU – Uinuos Syömein Sota

Wenn ein Album schon in unserem alternativen Soundcheck die Pole Position holt, dann ist es wenig überraschend, dass es auch bei den Top-Alben insgesamt auftaucht. HAVUKRUUNU liefern mit „Uinuos Syömein Sota“ ein Werk ab, das von der ersten Sekunde an nach vorne prescht und sich ungezügelt in epische Höhen schraubt. Dass die Finnen sich nicht darauf beschränken, Black Metal mit ein bisschen Folk aufzupeppen, sondern auch klassisch-kreative Rhythmus-Gitarren und erhebende Soli in ihren Sound einbauen, macht sich bezahlt: Immer dann, wenn man denkt, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist, setzen HAVUKRUUNU noch einen drauf. So kommt man an die Spitze.

Durchschnittswertung: 9,25

Tag 11: Post-Rock/-Metal – Zwischen luftiger Verträumtheit und wuchtiger Wall Of Sound

Mit Post-Rock/-Metal nehmen wir uns heute der Sparte an, für die man sich neben Doom wohl am ehesten Zeit nehmen muss. Ob nun Post-rockig, gar Shoegaze-artig unterwegs, vertäumt mit dem Kopf in den Wolken und den Füßen im Sand, oder aber inmitten fetter Soundwände und noch fetterer Brat-Riffs, die unter tosendem Gebrüll (auch vom Sänger/von der Sängerin) über einen hereinbrechen – beides fordert Geduld für sich. Unsere geduldigsten Redakteure fanden sich daher zusammen, um die Top 3 zu küren.

Das Ergebnis: Die drei höchsten Platzierungen sahnten im Schnitt glatt 8 Punkte ab, sodass die nachfolgende Rangliste sozusagen im zweiten Wahlgang ermittelt worden ist. Sprich: Es wurde am Ende noch einmal richtig knapp. Am Ende hat aber nur einer gewonnen. Daher folgen hier die unserer Meinung nach drei besten Platten aus dem Genre Post-Rock/-Metal ausnahmsweise ohne Durchschnittsnote, aber dennoch auf dem Siegertreppchen verteilt.

Texte: Jan Ole Möller, Alex K., Mirko Pidde

3. CRIPPLED BLACK PHOENIX – Ellengæst

Schaut man sich das Besetzungskarussell um Justin Greaves einmal genauer an, so kann von Langeweile keine Rede sein. Dass CRIPPLED BLACK PHOENIX den Ausstieg fast aller Bandmitgliedern in den letzten Jahren aber so gut kompensieren, hätte aber wohl auch niemand geglaubt. Jedenfalls nicht, bevor er oder sie „Ellengæst“ gehört hätte. Denn wie so oft weiß sich Greaves in der Not zu helfen: Ein Gros der Instrumente spielt er selbst ein, für den ausgeschiedenen Sänger Daniel Änghede bittet er unter anderem Mitglieder von ANATHEMA und TRIBULATION ans Mikrofon. Und selbst Großmeister Gaahl schaut auf ein kurzes Gastspiel vorbei. Doomiger Endzeit-Rock der Extraklasse: Diese Geschichte ist noch nicht auserzählt. Ein Glück.

2. THE OCEAN – Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic

Robin Staps und Co. haben auch 2020 gezeigt, warum THE OCEAN zu den Größen der Post-Rock/Metal-Szene gehören. Die mit dem Vorgänger angefangene, musikalische Erzählung des 541 Millionen jahrelangen Phanerozoikum wurde mit dem diesjährigen „Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic“ beendet. Dieser Behemoth eines Albums glänzt mit seiner großen Palette verschiedener Einflüsse aus dem musikalischen Spektrum. THE OCEAN hangeln sich von astreinem Sludge zu New-Wave-Schüben bis hin zu Black-Metal-Einschlägen. Eine passendere Vertonung gegeben der behandelten Themenbandbreite der Platte existiert wohl selten. THE OCEAN nehmen uns auf eine wahrlich orgasmische Achterbahnfahrt der Gefühle mit. Ein großes Stück der Songwriting-Kunst.

1. TAV – I

Ván Records steht nicht nur für Qualität, sondern mittlerweile auch für ein sehr abwechslungsreiches Roster, weit außerhalb der Grenzen des Black Metal. Ein gutes Beispiel dafür sind TAV, von denen nicht viel mehr bekannt ist, als dass sie 2017 in München gegründet wurden und zu viert sind. Auf ihrem Debüt-Album – mal unter dem Namen „I“ und mal selbstbetitelt gelistet – schafft es die mysteriöse Formation direkt, einen äußerst eigenständigen Stil zu entwickeln. Irgendwo zwischen Post-Rock und Black Metal lässt sich das Ganze verorten, verschiedenste Einflüsse von RUSSIAN CIRCLES über SÓLSTAFIR und HARAKIRI FOR THE SKY bis zu Breitwand-Sound à la PINK FLOYD lassen sich ausmachen. Dabei fesseln die sechs überlangen Kompositionen durch die Bank weg und der Sound kommt erfreulich kantig daher. Glattgebügeltes, klinisch sauberes Gedudel war gestern – TAV zeigen, wie Post-Rock auch in kauzig geht. Großartig!

Tag 12: Progressive Rock/Metal

Prog ist immer ein wenig wie ein Gemischtwarenladen: Man hat eine ungefähre Ahnung davon was man bekommt. Aber wenn man damals im Kiosk eine bunte Tüte bestellt hat, konnten da durchaus auch mal Bonbons drinnen sein, die einem nicht so schmecken – oder einem gar die Schädeldecke gen Himmel katapultierten. Unsere Prog-Nasen haben sich jedenfalls durch sämtliche Empfehlungen des Prog-Jahres 2020 gehört und daraus eine Tüte zusammengestellt der besten Platten. Leckermäuler kommen auf ihre Kosten, von 70s-Psychedelic-PINK FLOYD-Rock bei MOTORPSYCHO über modernem, „viral“ gegangenen Prog Metal bei HAKEN und buchstäblich epochaler Wucht á la THE OCEAN hin zu der Zehrfeld’schen Wundermaschine PANZERBALLETT.

Texte: Alexander Santel, Alex K., Tobias Kreutzer, Michael Klaas

5. MOTORPSYCHO – The All Is One

Manchmal sind Klischees eine gute Sache: Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe, das wird meist mit Schlaghosentragenden und fuzzy rockenden 70er Jahre Epigonen assoziiert. MOTORPSYCHO sind auf „The All Is One“ jedenfalls sehr psychedelisch, entspannt und abwechslungsreich unterwegs und haben für unsere zerrissene Gesellschaft heute auch gleich die passende Diagnose parat: „Nobody talks anymore/ The public discourse is gone“ heißt es da. Etwas zum drüber reden haben wir mit Alben wie „The All Is One“ mit einer Laufzeit von eineinhalb Stunden und den vielschichtigen Kompositionen definitiv. Also gibt es besonders viel Liebe auch für MOTORPSYCHO bei uns mit einem verdienten 5ten Platz.

Durchschnittswertung: 7.3

4. THE HIRSCH EFFEKT – Kollaps

THE HIRSCH EFFEKT in kurz und knackig? 2020 ist einfach alles möglich. In kurzweiligen 48 Minuten spielt das Hannoveraner Trio all seine Stärken aus. „Kollaps“ schwankt zwischen Optimismus und Endzeit-Szenario, erhobenem Zeigefinger und versöhnlichen Momenten – und natürlich zwischen instrumentalem Wahnwitz und artpoppiger Attitüde. Greifbarer denn je, auf gewohnt höchstem musikalischen Niveau. Gütesiegel: Unerhört!

Durchschnittswertung: 7.5

3. THE OCEAN – Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic

Welch passenderes Jahr hätte es geben können, um das Ende der Erdenzeitalters zu vertonen? Wobei die Entstehungsgeschichte von THE OCEANs „Phanerozoic“-Doppel natürlich weit in Prä-Corona-Tage zurückreicht. Zwei Jahre nach dem gefeierten ersten Teil „Phanerozoic I: Palaeozoic“ veröffentlichte das Geologen-Kollektiv im Frühherbst einen Teil zwei, der sich gleich der besungenen und vertonten Genese der Arten in der zweiten Phase des Phanerzoikums klanglich stark ausdifferenziert und die meisterhaft beherrschte Post-Metal-Komfortzone bisweilen weit hinter sich lässt. THE OCEAN sind 2020 experimenteller und kompakter gleichermaßen. Was bleibt, ist ein schwindelerregendes Qualitätsniveau und die spannende Frage, welchem großen Thema unserer Zeit sich die Jungs als nächstes in welchen musikalischen Ausdrucksformen widmen werden.

Durchschnittswertung: 7.7

PSYCHOTIC WALTZ – The God-Shaped Void

Die Metal-Welt war verzückt, als PSYCHOTIC WALTZ ihre Rückkehr aus der Inaktivität verkündet und daraufhin ihre Live-Aktivitäten wieder aufgenommen haben. Trotzdem hat es danach noch eine ganze Weile gedauert, bis das neue Album nun endlich doch einmal in Form von „The God-Shaped Void“ erschienen ist. Nun ist es aber da und hält tatsächlich das Versprechen, das die lange Wartezeit und – wichtiger – der legendäre Backkatalog der US-Amerikaner gegeben hat. Das Album klingt auch so, als hätte es direkt im Anschluss an „Bleeding“ erscheinen können. Dessen psychedelischer Sound ist vor allem ästhetisch weiterentwickelt worden und klingt modern, schließt also direkt an das Werk der Neunziger an, ohne aus der heutigen Zeit zu fallen. So geht ein Comeback-Album.

Durchschnittswertung: 7.7

2. HAKEN – Virus

HAKEN schließen mit „Virus“ inhaltlich und musikalisch an den zuvor veröffentlichten „Vector“ an. Dass die beiden Alben Geschwister sind, dürfte sich dabei vor allem aus der ähnlichen Covergestaltung sowie den Albentiteln verstehen, die wie aus einer virologischen Wortwolke entnommen anmuten. Dabei legen die Briten um Goldkehlchen Ross Jennings mit dem jüngeren der beiden Alben, „Virus“, nicht nur eine Platte benannt nach DEM Buzzword 2020 vor, sondern trotz mehrerer, ironischerweise durch COVID verschuldete Aufschübe auch das weitaus bessere der beiden. Das ist moderner, straff inszenierter und doch stets zugänglicher Prog Metal, der sich auch nicht zu schade ist, seinen eigenen „Cockroach King“ musikalisch Revue passieren zu lassen. Die Briten haben’s drauf – und das haben sie mit „Virus“ einmal mehr gezeigt.

Durchschnittswertung: 8

1. PANZERBALLET – Planet Z

Das Münchner PANZERBALLETT tanzt wieder – wie gewohnt in allen möglichen und unmöglichen Taktarten, sodass einem Otto-Normal-Musikliebhaber, dessen Herz vorzugsweise im Viervierteltakt zu AC/DC pocht, schon mal schwarz vor Augen werden kann. Dass Maestro Zehrfeld jedoch nicht alleinig ein Fabile für komplexe, irrwitzige Jazz-Metal-Fusionen hat und dieses mit Wonne auslebt, beweist sich auf dem neuen Werk „Planet Z“, auf dem neben ihm ganze sechs weitere Komponisten mitgewirkt und gezeigt haben, wie ausgefuchst sie komponieren können. Dass mit Richard Wagners Walkürenenritt-Thema eine Verkrassung vertreten ist, gehört bei den Münchnern bekanntermaßen zum guten Ton, wie auch die Tatsache, dass „Planet Z“, trotz des diesmal durchweg rotierendem Personals (sechs Schlagzeuger!) ein derart konzises, krasses Werk geworden ist. Chapeau, Herr Zehrfeld, Chapeau!

Durchschnittswertung: 8.3

Tag 13: Punk – Ist das noch Punkrock?

Punk läuft bei metal.de immer so ein wenig unter dem Radar. Eigentlich konnte kein Punk Rock Album dieses Jahr bei uns überzeugen. ANTI-FLAG bekamen zwar für „20/20 Vision“ 8 Punkte im Review, im Soundcheck waren es dann aber 6,1 Punkte im Schnitt. Ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung von „The Ride“ dreht die Scheibe von BAD COP / BAD COP immer noch ihre Runden, ein klassischer Grower, der aber auch im Soundcheck abgestunken hat. SLIME haben zwar „Wem gehört die Angst“ veröffentlicht, sich danach aber – mal wieder – selbst zerlegt und stehen – mal wieder – ohne Sänger da.

Also gibt es jetzt drei Punk Empfehlungen, die 2020 bei uns noch nicht gewürdigt worden sind.

Texte: Björn Gieseler

3. COR – Friedensmüde

Spielen COR überhaupt Punk? Ist das nicht vielleicht Hardcore oder Metal oder vielleicht doch Schlager? Das trifft wahrscheinlich alles zu und noch viel mehr. Hört mal in den Opener „Was man von hieraus sehen kann“ rein und sagt mir ob die Gitarrenarbeit nicht auch Post Metal sein könnte.

„Kompromisslos, gradlinig und eigen. Kein Verstecken hinter Metaphern oder Pathos. Kein Einheitssound oder auf Kraft massenkompatibel produziert. Kein in Stellung gebrachter Nachfolger für die Chartbreaker von heute. Hier gibt es für den Mainstream ein Kontra. Politisch engagiert und dem DIY Gedanken zugetan. Musik aus Liebe zur Musik und aus Liebe zu einem selbstbestimmten Leben.“ – so beschreiben sich COR auf ihrer Bandcamp-Seite selbst und es trifft den Nagel auf den Kopf. Kategorisieren lassen sich COR nicht und jedes Album ist ein bunter Mix von Musik- und Gesangsstilen, aber immer wert sich etwas länger damit zu beschäftigen.

Kleiner Bonustipp von 2013, der mal wieder beweist, dass kein Grindcore Song die Realität übertreffen kann. Zurecht mit Altereinschränkung von YouTube.

2. LION’S LAW – The Pain, The Blood And The Sword

Als LION’S LAW im letzten Jahr für die „Cut The Rope“ EP den Clip zu „Get It All“ veröffentlichten, waren die Fragezeichen groß. War das doch relativ weit entfernt von den gewohnten Outputs der glatzköpfigen Franzosen. Doch mehr als ein Versuch mal einen Hardcore-Song zu veröffentlichen, war es nicht.

LION’S LAW sind und bleiben Oi! und sind seit der Bandgründung immer klar antirassistisch. Dieses Mal gibt es sogar wie bei den MARABOOTS endlich mal Songs mit französischem Text und wer mit Oi! grundsätzlcih was anfangen kann, sollte hier reinhören. LION’S LAW schaffen die Verbindung von Melodie und Härte und haben sich zu einer der weltweit besten Bands des Genres gemausert. Scheuklappen ab und reinhören.

1. DRITTE WAHL – 3D

Warum DRITTE WAHL mit ihrem Album 3D bei uns im September unter dem Radar durchgetaucht sind, lässt sich jetzt nicht mehr klären. Auf der einen Seite ist das elfte Album der Rostocker einfach nur das elfte Album der Band, auf der anderen Seite fügen sie auf jedem Album wieder kleine Überraschungen ihrem Sound dazu. Nehmen wir den Song „Fabelhafte Vorraussetzung“, wo man mal eben kurz anch VOLBEAT klingt um den Song dann mit viel Keyboard-Einsatz ausklingen zu lassen.

Bei DRITTE WAHL kann man auch im Jahr 2020 beruhigt zugreifen, die Band hat noch kein schwaches Album veröffentlicht und ist mit ihren Texten auch lange noch nicht belanglos. Leider muss man eigentlich sagen, denn „Brennt alles nieder“ handelt von den Ereignissen in Rostock-Lichtenhagen von vor 30 Jahren und ist leider immer noch vorstellbar.

Tag 14: Rock – Rock ‚N‘ Roll can never die

Eigentlich wäre diese Liste als Classic Rock besser beschrieben – so tummeln sich in der nachfolgenden Liste Siebziger-Hommagen, JOE BONAMASSA und der Boss. Einige sehen das als ein Anzeichen dafür, dass dem Rock nur wenig neues einfällt. Das mag stimmen, aber das ist nur ein Problem, wenn man Rock (und alle anhängigen Substile) als eine revolutionäre Kraft wahrnimmt, welche ständig einen irgendwie gearteten Mainstream herausfordern muss.

Er ist an einem Punkt, an dem er sich nur leicht weiterentwickelt und vor allem in Erinnerungen schwelgt. Gerade die angefügten Platten zeigen, dass er immernoch interessante Alben produziert, weswegen man ihn nicht für tot erklären muss. Tot ist eine Musikrichtung erst, wenn sie niemand spielen will. Und beim Rock sind wir glücklicherweise noch weit davon entfernt.

Texte: Philipp Gravenhorst, Dominik Rothe, Marc Thorbrügge

 

Platz 5: DEAD LORD – Surrender

DEAD LORD haben während der Pandemie nicht nur einen der unterhaltsamsten Livestreams aus dem Proberaum rausgehauen, sondern auch eines der energiereichsten Rock-Alben des Jahres veröffentlicht. „Surrender“ ist für die Schweden kein riesiger Schritt nach vorne, gibt aber einen guten Überblick über die musikalischen Fähigkeiten der Schweden. Die Band kommt zwar nicht immer treffsicher auf den Punkt, ist jedoch stets mit Leidenschaft bei der Sache. Das hört man jeder Note an.

Durchschnittswertung: 6,7/10

Platz 4: BRUCE SPRINGSTEEN – Letter To You

BRUCE SPRINGSTEEN ist so alt, dass er noch Briefe schreibt. Nichts an „Letter To You“ ist neu oder innovativ. Trotzdem ist das Album mutig. Das verdankt es seiner entwaffnenden Offenheit und Emotionalität, die so vermutlich nur ein erfahrener Musiker in den Äther bannen kann. Springsteen, so scheint es, schreibt keine Songs, sondern atmet sie regelrecht aus. „Letter To You“ zeigt, dass Musiker auch mit dem 20. Langspieler nichts anders machen müssen. Die in sich ruhende Melancholie, die dem Album innewohnt, ist zeitlos und hat nichts mit Nostalgie zu tun.

HORISONT – Sudden Death

Mit jeder Menge spürbarer Spielfreude präsentieren sich HORISONT auf „Sudden Death“. Statt den Sounds der 70er stehen diesmal die 60er im Vordergrund ihres Klangbildes. Die liebgewonnenen DEEP-PURPLE-Querverweise kommen trotzdem nicht zu kurz. Gleichzeitig beweisen sich die Schweden einmal mehr als versierte Songwriter. Aus dem Sumpf der ewig gleich klingenden Retrorockbands stechen HORISONT immer noch deutlich hervor.

Durchschnittswertung: 7/10

 

Platz 3: FREEWAYS – True Bearing

FREEWAYS haben mit „True Bearings“ eine der entspannteren Rock-Platten des Jahres abgeliefert. Genauso gemächlich wie sich das Wohnmobil auf dem Cover durch den Schnee schiebt, rollt das Album lässig aus den Boxen. Überragend ist das nicht. Doch immer dann, wenn man denkt: „Das habe ich doch schon einhundert Mal gehört“, kommen die Kanadier mit einer kleinen Überraschung um die Ecke, die den jeweiligen Songs etwas besonderes verleiht.

KAISER FRANZ JOSEF – III

Bei dem schlichten Albumtitel „III“ macht sich doch die Enttäuschung breit, hatte der Vorgänger noch den genialen Namen „Make Rock Great Again“. Man wäre allerdings schlecht beraten, wenn man sich von diesem ersten Impuls leiten lässt. Die Wiener verstehen es sehr gut, mit ihren stimmigen Hybrid, der sich an alten und neuen Helden orientiert, den Hörer in ihren Bann zu ziehen, auch wenn dieses Album eine düstere und weniger eingängigere Note hat. Gerade wenn letzteres nicht so ausgeprägt wäre, hätte mit diesem Album endlich die verdiente breite Aufmerksamkeit kommen können. Dann halt beim nächsten Mal.

Durchschnittswertung: 7,3/10

 

Platz 2: JOE BONAMASSA – Royal Tea

„Royal Tea“ klingt bisweilen tatsächlich nach einer Teestunde. Das allerdings nicht aufgrund vorherrschender Langeweile, sondern weil JOE BONAMASSA auf seinem 14. Soloalbum entspannt vorwärts rockt, als mache er sich dieser Tage endgültig keine Gedanken mehr darüber, was manche Bluespuristen von ihm halten mögen. Mit dem atmosphärisch dichten „Beyond The Silence“ gelingt ihm zudem einer der besten Songs seiner gesamten Karriere.

BLACK STONE CHERRY – The Human Condition

Nein, auch auf „The Human Condition” kehren BLACK STONE CHERRY nicht zu ihren Southern-Rock-Wurzeln zurück. Aber das schadet der Combo aus Edmonton, Kentucky kein bisschen. Der ebenso breitbeinige wie emotionale Hardrock hat dank Songs wie „Again“, „In Love With The Pain“ oder „Live This Way“ einen enormen Hitfaktor. Klar, das ist alles glattgebügelt und mainstreamtauglich ohne Ende. Aber das sei in diesem Fall als dickes Kompliment verstanden.

Durchschnittswertung: 7,5/10

Platz 1: BLUES PILLS – Holy Moly

BLUES PILLS verzeichneten im Vorfeld der Aufnahmen von „Holy Moly!“ einen großen Umbruch. Schließlich standen sie 2018 plötzlich ohne Gitarrenwunderkind Dorian Sorriaux da. Doch anstatt in eine Bandkrise zu verfallen, wechselte Bassist Zack Anderson an die Gitarrenposition. Qualitativ wiederum knüpfen BLUES PILLS nicht etwa an ihre ersten beiden Alben an, sondern überflügeln diese sogar noch. Mehr Soul, mehr Rock, mehr von allem, was den Sound der Band ausmacht bietet „Holy Moly!“. Und das verpackt in so zwingenden Songs, dass man einfach nicht genug davon bekommt.

Durchschnittswertung: 8/10

Tag 15: Thrash Metal – Der Fels in der Brandung

Zum Abschluss unseres Bestenlisten-Marathons 2020 präsentieren wir Euch die fünf besten Thrash-Metal-Alben des Jahres. Der Kampf um die Spitze war verdammt knapp. Sowohl in Sachen technisch versiertem Thrash als auch primitivem Gebolze erschienen dieses Jahr so zahlreiche Highlights, dass wir uns kaum auf eine Platte festlegen konnten. Zwischen einigen alten Legenden macht es sich dabei eine waschechte Newcomer-Band breit. Thrash ist eben alles andere als nur von gestern. Also viel Spaß mit unseren fünf besten Thrash-Platten des Jahres.

Texte: Alexander Santel, Dominik Rothe

Platz 5: ONSLAUGHT – Generation Antichrist

ONSLAUGHT sind keine Band, die schnell ihr Willkommen überstrapazieren. Wo andere Bands lange Midtempo-Stampfer oder Balladen integrieren, gibt’s hier mal schnell aufs Maul und dann zieht man weiter. Ein wenig mehr als eine halbe Stunde hinterlässt „Generation Antichrist“ und könnte passender nicht betitelt sein: So spielfreudig, fies und aggressiv hört man heutzutage, wo gefühlt alle progressiver werden wollen, nicht mehr oft Thrash Metal. ONSLAUGHT können auch Groove, ja es gibt sogar Passagen die an neue OVERKILL erinnern! Das macht „Generation Antichrist“ zu einem richtig starken Schlag aufs Fressbrett und sichert sich damit den fünften Platz.

Durchschnittswertung: 7.5

Platz 4: BONDED – Rest In Violence

Nachdem Bernemann und Makka bei SODOM gegangen wurden, dauerte es eine ganze Weile, bis die schnell angekündigte neue Band der beiden an den Start ging. Insbesondere die Suche nach einem passenden Sänger zog sich. Glücklicherweise fanden BONDED mit ASSASSIN-Frontmann Ingo Bajonczak die perfekte Stimme für ein wahres Thrash-Machtwerk. „Rest In Violence“ wirkt dabei in vielen Punkten wie der logische Nachfolger von SODOMs „Decision Day“. Gleichzeitig erarbeitet sich die Band dank Grunge-Querverweise in „No Cure For Life“ oder eine überraschend eingesetzte Mundharominika in „The Rattle & The Snake“ jede Menge Eigenständigkeit. Wann kommt Album Nummer zwei?

Durchschnittsbewertung 7.6

Platz 3: HEATHEN – Empire Of The Blind

Ganze 19 Jahre lagen zwischem kultischem Zweitwerk „Victims of Deception“ und dem Comebackalbum „The Evolution Of Chaos“. Dann dauerte es noch einmal ganze 10 Jahre, bis dieses Jahr „Empire Of The Blind“ erschien. Was soll man sagen: Wer HEATHEN erwartet, bekommt HEATHEN. Die Songs sind wieder ein wenig kompakter und auf den Punkt, es gibt fieses Shredding mit einem sehr fiesen Gitarrenton (hallo moderne EXODUS, hat Lee Altus hier ein wenig zu viel Einflüsse rüber getragen?), aber auch wieder die einschmeichelnden Melodien und etwa eine (Halb-)Ballade. HEATHEN sind auch auf ihre alten Tage mit „Empire Of The Blind“ abwechslungsreich und gut wie eh und je. Das reicht bei uns für einen wohlverdienten dritten Platz.

Durchschnittswertung: 7.8

Platz 2: SURGICAL STRIKE – Part Of A Sick World

Ein diesjähriges Thrash-Highlight sägt bereits seit Anfang des Jahres durch die Gehörgänge der Genrefans. SURGICAL STRIKE legten die Messlatte im Januar mit „Part Of A Sick World“ verdammt hoch. Knapp zwölf Monate später ist kaum eine Platte qualitativ an das herangekommen, was die Hannoveraner hier abliefern. Zwischen EXODUS-Groove und DEATH ANGEL-Technik schüttelt die Band zahllose Hits aus dem Ärmel und verbindet das mit einer klaren Haltung. Besser geht’s kaum.

Durchschnittswertung 8.2

Platz 1: TESTAMENT – Titans Of Creation

War „Brotherhood Of The Snake“ 2016 eine Eruption musikalischer Gewalt, gehen TESTAMENT vier Jahre später deutlich entspannter zugange. Von Altersmilde kann auf „Titans Of Creation“ deswegen noch lange keine Rede sein. Aber anstatt fast durchgehend mit durchgetretenem Gaspedal zu agieren, lässt die Band sich zu kleineren Experimenten in „Code Hammurabi“ oder „Ishtars Gate“ hinreißen. Schnelle Knüppelpassagen setzen sie derweil wohldosiert aus. Mit dieser Formel sticht die Band dieses Jahr die gesamte Genrekonkurrenz aus.

Durchschnittswertung 8.3

Quelle: metal.de-Redaktion
15.12.2020
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