metal.de
avantgarde-Metal.com – wo sich "Murky Black Avant Grimness", "Bipolar Cheerleader Hard Noise" und "Assorted Early Progressive Death/Doom Ramblings" zum Fünfuhrtee treffen...

Special

In gewisser Hinsicht stehen sich die beiden Online-Magazine metal.de und avantgarde-metal.com, um die es im Folgenden gehen soll, diametral gegenüber: metal.de behandelt so ziemlich alles, was (wer hätte es gedacht?) die Bezeichnung „Metal“ verdient, beschränkt sich aber auf den deutschsprachigen Raum; im Gegensatz dazu spricht avantgarde-metal.com als englischsprachiges Magazin ein weitaus größeres Publikum an, richtet seine Aufmerksamkeit aber nur auf einen Bruchteil der metallisch klingenden Veröffentlichungen. Was liegt also näher, als diese beiden vermeintlich gegensätzlichen Herangehensweisen miteinander zu verknüpfen? In den nächsten Wochen und Monaten werdet ihr auf diesen Seiten daher immer mal wieder den einen oder anderen Artikel aus dem AGM-Universum zu lesen bekommen…

…und um euch in genau dieses Universum ein paar Einblicke zu gewähren, hatte ich die Gelegenheit, mit AGM-Gründer und -Chefredakteur Chrystof Niederwieser ein interessantes Gespräch führen, in dessen Rahmen er mich (und hiermit auch euch) mit allerlei Informationen rund um avantgarde-metal.com versorgte:

Hallo Chrystof! Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, ein paar Fragen zu beantworten! Erzähl doch bitte zunächst ein bisschen was zur Geschichte von AGM.com. Wann kam die Idee eines Online-Magazins, das sich auf avantgardistische Tendenzen im Metal-Bereich spezialisiert, zum ersten Mal auf? Wie lange hat es gedauert, diese Idee angemessen umzusetzen?

Mit einer derartigen Idee ging ich bereits in der ersten Hälfte der 1990er schwanger. Damals war es für ExperiMetal-Bands nahezu unmöglich, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Die Szenenstruktur mit Labels, Vertrieben und Zeitschriften ließ kaum Platz für Künstler, welche nicht in herkömmliche Metal-Schubladen passten. Lediglich über Tape-Trading konnte man in sehr kleinen Kreisen an ein paar Schätze gelangen.

AGM-Fans ohne Kontakte mussten sich somit mit den paar Bands begnügen, welche mit Standard-Metal bekannt geworden waren und erst später avantgardistisch wurden (z. B. MR. BUNGLE/FANTOMAS durch FAITH NO MORE, CYNIC mit ihren Session-Tätigkeiten bei DEATH als Trägerrakete, späte PESTILENCE mit ihren frühen DM-Scheiben usw.).

Dank Internet ist man heutzutage glücklicherweise nicht mehr auf diese herkömmlichen Marktstrukturen angewiesen, weder als Musiker, noch als Zuhörer. Wo immer auf dem Globus jemand abgefahrene Musik macht und wo immer jemand sowas hören will – beide können sich finden, ohne zahllose Torwächter dazwischen. Was liegt da näher als eine Plattform wie avantgarde-metal.com ins Leben zu rufen?

Die Vorbereitung hat etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen vom ersten Konzept bis zum Launch der fertigen Site im Juli 2007.

Kannst du ein paar statistische Daten angeben, was die Besuche/Klicks auf eure Seite angeht? Gab es beispielsweise einen Effekt durch euren Beitritt zum Myspace?

Die ersten Wochen haben wir über Myspace, dem wir zeitgleich zum Launch der Hauptseite beigetreten sind, sehr intensiv Werbung für AGM.com gemacht – ohne Spam, rein mit gezieltem Ansprechen von jenen Bands, Labels und Fans, welche offensichtlich an einer solchen Seite interessiert waren. Dadurch hatten wir bereits im ersten Monat ca. 5000 Besucher. Mittlerweile hat sich die Zahl vervielfacht.

Als international agierendes Magazin habt ihr in eurer Redaktion AGM-Fans und Musiker aus aller Welt versammelt (momentan zähle ich 25 auf AGM.com). Kannst du ein bisschen was zu eurer Redaktion erzählen?

AGM.com war von Anfang an als internationales Netzwerk konzipiert. Schließlich wollen wir in jeglicher Hinsicht Grenzen überschreiten und möglichst exquisite Metal-Novarien entdecken. Da muss man zwangsläufig mal über Rhein oder Oder schwimmen. Bei uns schreiben Leute von Amerika über Skandinavien bis Israel oder Pakistan. Dennoch gibt es bezüglich Internationalität noch einiges zu tun. Vor allem Asien und Südamerkia sind Regionen, in welchen wir sicherlich noch Nachholbedarf haben.

Die Redaktion funktioniert weitgehend als selbststeuerndes Netzwerk. Wir haben ein Crew-Forum, in welchem wir sämtliche Aktivitäten gemeinsam besprechen, abstimmen und organisieren. Die Seite funktioniert also auch dann sehr gut weiter, wenn ich mal eine Zeitlang gar nicht ins Internet komme. Das ist möglich dank dem Eigen-Engagement unserer tollen Crew und den äußerst transparenten Abläufen und Entscheidungsgrundlagen. Es gibt ein paar offene Leitsätze, z. B. für die Auswahl von Bands und Reviews: „Frage Dich selbst: Ist diese Band / dieses Album wirklich innovativ und neuartig?“ Der Rest obliegt der Eigenverantwortung jedes einzelnen. Zudem gibt es keinerlei Verpflichtungen. Jeder schreibt nur dann, wenn er auch Lust und Inspiration verspürt. Im Vorfeld gab es noch viele Stimmen, die gemeint haben, dass das nicht funktionieren kann. Doch die zweieinhalb Jahre Erfahrung zeigen: Es funktioniert hervorragend. Das ist kein Utopismus, sondern eine effektive, moderne Form der (Selbst-)Organisation.

Ihr habt, anders als andere Magazine (z. B. eben metal.de) keine festgelegten Genres, in die ihr die rezensierten Alben kategorisiert – was für ein Avantgarde Metal-Magazin natürlich auch seltsam wäre. Ihr verzichtet aber außerdem auch auf eine Punkteskala, mit der ihr die Platten bewertet, was sicherlich Nachteile für ungeduldige oder der englischen Sprache weniger mächtige Leser hat. Habt ihr irgendwann mal über die Einführung einer Punkteskala nachgedacht – und wenn ja, was sind eure Gründe, darauf zu verzichten?

Bei uns gibt es das so genannte „Avantgenre“, welches die herkömmlichen Genres nach dem dreifachen dialektischen Prinzip „aufhebt“ („aufheben“ im Sinne von „bewahren“, im Sinne von „für ungültig erklären“ und im Sinne von „auf eine höhere Ebene hinaufheben“). Das „Avantgenre“ soll einerseits die herkömmlichen Genres und deren Wildwuchs in der Metal-Szene persiflieren (z. B. „Symphonic Shoegaze Doom“, „Grand Orchestral Kamikaze Metal“ oder „Polymorphous Jazz-Crust Fusion“). Andererseits geben diese Avantgenres den Lesern aber auch eine kurze, knackige Beschreibung dessen, was sie auf dem jeweiligen Album erwartet.

Die Einführung einer Punkteskala haben wir niemals ernsthaft in Erwägung gezogen. Wie Du richtig feststellst, wäre dies ein gewisser Widerspruch zum freigeistigen Ansatz unserer Site. Zudem sehen wir unsere Review-Section als eine Art „Best of innovative Metal“. Alben, welche wir reviewen, würden sowieso zumeist 9-11 von 10 Punkten bekommen. Alles andere ist uns nicht die Arbeit eines Artikels wert.

Dennoch gibt es auch bei uns ein Mal im Jahr ein Rating – die „Top 10 Avantgarde Metal Alben des Jahres“, welche von unseren Lesern gewählt werden. So haben AGM-Einsteiger einen gewissen Anhaltspunkt, wo in diesem Meer sie gezielt nach Perlen tauchen können und was (zumindest nach Meinung vieler) die großen Klassiker sind.

Ihr habt neben der Review-Abteilung auch einen Bereich auf eurer Seite, in dem Bands, die der Bezeichnung AGM würdig sind, vorgestellt werden. Auch darin unterscheidet ihr auch von anderen Magazinen, die neben den Reviews meist nur Interviews mit den rezensierten Bands beinhalten. Worin siehst du/seht ihr die Vorteile einer solch umfassenden Vorstellung der Bands?

Wie Du richtig vermutest, geht es hierbei vor allem darum, wichtige Künstler und ihr Werk hervorzuheben, mit praktischen Links zu allen entsprechenden Artikeln, Reviews und Interviews auf AGM.com. Diese Section ist hervorragend besucht, was beweist, dass die Leser eine solche Einrichtung durchaus zu schätzen wissen.

Ein wichtiger Teil von AGM.com ist das Forum, in dem die meisten Redakteure auch aktiv sind. War es von Anfang an geplant, dass das Forum so massiv zum Gelingen von AGM.com beiträgt?

Ja, die Möglichkeit zur direkten Interaktion ist uns sehr wichtig. Das soll auch den Charakter von Avantgarde Metal als nach allen Seiten offene Szene unterstreichen. Es ist ja nicht so, daß man in jeder Stadt ein AGM-Lokal besuchen kann, um Gleichgesinnte zu treffen (wie bei Gothic oder herkömmlichen Metal-Arten). Umso wichtiger ist es uns, allen rund um den Globus verstreuten AGM-Lunatics die Möglichkeit des Austausches zu bieten. Ich bin selbst oft überrascht über die große Bandbreite an spannenden und äußerst anregenden Diskussionen. Insofern sind auch viele von unserer Crew dort gerne Stammgäste. Sieh die „Freak Zone“ als Mischung aus verruchter Kneipe, Kuriositätenkabinett und magischer Bibliothek, in welcher sich die Metal-Freigeister und -Freaks aus aller Welt zum geistigen Austausch treffen. Vorbeischauen lohnt sich!

In dem Forum ist zum Beispiel die Diskussion „What is AGM?“ losgetreten worden, die letztendlich auch ihren Weg auf die Hauptseite gefunden hat. Könntest du den metal.de-Lesern kurz die Resultate dieser Diskussion schildern? Habt ihr tatsächlich eine Art „Definition“ von Avantgarde Metal gefunden?

Das Ergebnis dieser intensiven Diskussionen war eine Vielzahl unterschiedlichster Definitionen, welche allesamt etwas für sich haben. Es würde wohl viel zu weit führen und die Leser allzu sehr langweilen, wollte ich mich nun nur durch die wichtigsten dieser Definitionen hangeln.

Es ging uns auch gar nicht um ein konkretes Ergebnis oder eine „allgemeingültige Definition“. Diese Möglichkeit hatten wir bereits im Vorfeld aufgrund methodologischer Überlegungen ausgeschlossen. Die Diskussion sollte vielmehr der gegenseitigen Befruchtung und geistigen Bereicherung aller zuträglich sein. Sie sollte jedem neue Blickwinkel und Denkmöglichkeiten aufzeigen, sowohl den Lesern als auch uns selbst.

Wir unterhalten uns ja im Rahmen eines AGM-Specials, das auf metal.de erscheinen wird. Hintergrund ist eine Zusammenarbeit zwischen AGM.com und metal.de – was versprichst du dir/versprecht ihr euch davon?

Die Zusammenarbeit mit metal.de ist eine hervorragende Gelegenheit, einer breiten Öffentlichkeit den Charme abgefahrener Metal-Klänge näherzubringen. Es gibt im Metal wahrlich wonnige Wundertüten voller Fabelwesen und Anderswelten, welche nur darauf warten, entdeckt zu werden! Einerseits sehen wir durch die Zusammenarbeit eine gute Möglichkeit, diese Wunderwelten des „Avantgarde Metal“ im Szenebewusstsein breiter zu verankern und dadurch genialen Bands etwas Gutes zu tun. Andererseits wollen wir auch den Lesern von metal.de etwas Gutes tun, indem wir ihnen exotische Leckerbissen kredenzen. Und drittens wollen wir damit der Metalszene im Allgemeinen was Gutes tun. Denn es kann doch nicht sein, dass der Metal in den 1990er Jahren steckenbleibt und lediglich Equipment und Friseur erneuert! Wir wollen eine Musik-Revolution entfachen wie sie der Rock in den späten 1960ern oder Death Metal in den späten 1980ern gebracht hat!

Metal.de ist dafür der ideale Partner. Schließlich deckt ihr die gesamte Bandbreite des Metal flächendeckend ab, publiziert auf qualitativ hohem Niveau und gehört zu Recht zu den populärsten deutschsprachigen Metal-Seiten. Und manchmal seid ihr uns auch in avantgardistischen Gefilden etwas voraus, wenn ich z. B. an das Review der neuen DORNENREICH-DVD denke 😉

Zu guter Letzt: Natürlich möchte ich keinen unserer metal.de-Redakteure animieren, zu AGM.com „überzulaufen“ ;-), aber ich frage dennoch: Gesetzt den Fall, man würde bei AGM.com als Schreiberling einsteigen wollen, welche Qualifikationen, welche Persönlichkeitsmerkmale, müsste man mitbringen?

Das handhaben wir unbürokratisch. Wer Interesse hat, regelmäßig oder unregelmäßig bei uns zu schreiben, der sendet uns ein Test-Review zu einem AGM-Album freier Wahl. Dieses prüfen wir einerseits nach sprachlichen und stilistischen Kriterien, andererseits wird auch der persönliche Zugang zur experimentellen Musik beachtet. Erfüllt dieses die grundlegenden Qualitätskriterien und weist zudem Originalität und Eigenständigkeit auf, so steht einer Mitarbeit nichts mehr im Wege.

www.avantgarde-metal.com

Rezension: THY CATAFALQUE – Tuno Ido Tarlat
Rezension: THY CATAFALQUE – Roka Hasa Radio

01.11.2009
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