Memoriam
"The Silent Vigil" - Die Listening-Session
Special
Noch nicht mal ganz ein Jahr ist es her, dass sich MEMORIAM – die Erben der legendären BOLT THROWER – mit ihrem Full-Length-Debüt „For The Fallen“ zurückgemeldet und sich in wahrhaft fulminanter Manier auf die Bildfläche katapultiert haben. Kollege Popp zeigte sich überwältigt von der Leistung, welche die alten britischen Haudegen des Death Metal noch aufs Parkett zu legen vermochten und nannte es „vom Kriegspanzer überrollt werden“. Doch MEMORIAM wollen mehr sein als die Verwalter des eigenen Erbes. Und das zeigt sich deutlich bei der Listening Session zum kommenden Album „The Silent Vigil“, zu der Nuclear Blast in ihre Headquarters eingeladen haben und bei der die Band auch zugegen ist.
Die Stimmung innerhalb der Meute, die sich zu diesem denkwürdigen Termin in Donzdorf eingefunden hat, ist gelassen und entspannt und alle freuen sich, die neuen Ergüsse ihrer Helden exklusiv vorab hören zu können. Unsereins hat den Weg von Frankfurt hin gefunden, aber da ich noch am selben Tag zweieinhalb Stunden Rückfahrt vor mir habe, ist mir die Bierseligkeit leider verwehrt, sodass ich hauptsächlich auf Kaffee laufe. Doch wie sich herausstellen wird, braucht es beim Hören des neuen MEMORIAM-Albums die volle, ungeteilte und unbenebelte Aufmerksamkeit. Die Briten haben sich ein gutes Stück von den Wurzeln gelöst und ein Album von brennender Relevanz veröffentlicht, das sich mit den sonst so gerne bemühten Kriegsmetaphern nur unzureichend beschreiben lässt und das irgendwie auch nicht so recht in die Nostalgieblase passen möchte.
Ein fröhlicher Karl Willets lässt es sich nicht nehmen, vor der Vorstellung des Albums noch einige eröffnende Worte zu dem zu verlieren, was das Publikum erwarten wird. „The Silent Vigil“ sei der zweite Teil einer Trilogie, die mit „For The Fallen“ begonnen habe, während die Band schon am dritten Teil arbeite. Dieser zweite Teil, die „Mahnwache“, beschreibe eine fortgeschrittene Phase im Prozess der Trauer und komme emotionaler und bitterer daher. Dazu kommt eine kleine Warnung: „The Silent Vigil“ sei „a bit of a shock“, heißt: Die Band habe sich vom auf dem Vorgänger etablierten Sound gelöst und neues Territorium betreten. Am ehesten äußere sich das in den Texten, die nicht mehr mit der bekannten Kriegsthematik beladen worden seien, sondern deutlich konkreter auf das Zeitgeschehen eingehen.
Das ist doch schon mal eine ganze Menge interessanter Fakten, angesichts derer die Ohren gleich doppelt gespitzt werden.
Die Songs vom neuen MEMORIAM-Album „The Silent Vigil“ – der erste Eindruck
1. Soulless Parasite
Schon der erste Track „Soulless Parasite“ gibt einen Vorgeschmack auf das, was sich über das gesamte Album ziehen wird. Bei „The Silent Vigil“ geht es deutlich sperriger und finsterer zur Sache als noch zuvor bei „For The Fallen“. Ein für MEMORIAM-Verhältnisse geradezu theatralischer Auftakt leitet in einen klassischen BOLT THROWER-Stampfer über, der jedoch deutlich nach unten zieht. Ein guter Opener, der schon mal andere Saiten aufzieht, sich seiner Hörerschaft dennoch bewusst ist und diese kompetent abzuholen imstande ist.
2. Nothing Remains
Es wird flotter und aggressiver mit leichter Thrash-Schlagseite. Es groovt und kracht, doch plötzlich wird der Song aufgebrochen und die Aggressivität macht Platz für sinistre Gitarrenmelodien, die einen gewissen, unheilvollen Charakter haben. Zum Ende hin findet der Song dann wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück.
3. From The Flames
Der mit Abstand sperrigste Track der Platte stapft im aggressiven Midtempo dahin und hält dabei den Druck konstant hoch. Der Song zieht regelmäßig runter, nur um dann erneut wieder nach vorne zu drücken. Das erzeugt einiges an Dynamik und verleiht dem Song Gewicht.
4. The Silent Vigil
Ein atmosphärischer, melodischer Happen für zwischendurch. MEMORIAM platzieren hier geschickt eine kleine, aber dennoch stimmige Verschnaufpause für ihre Hörer.
5. Bleed The Same
Auch hier sind die Melodien etwas stärker vertreten. Wir reden allerdings immer noch von MEMORIAM-/BOLT THROWER-Verhältnissen, also keine Angst, die Briten sind nicht weich geworden. Ebenfalls zieht der Doom-Anteil an. Oder runter, wie man möchte. Hier macht sich auch ein leichter Hauch Sludge breit, der dem Track in Zusammenarbeit mit den unregelmäßigen Takten eine gewisse, erfrischende Grobschlächtigkeit verleiht.
6. As Bridges Burn
Der Song beginnt wieder wie ein klassischer BOLT THROWER-Stampfer, macht dann aber einen Satz hinein ins Death-Thrashige. Von allen vertretenen Songs noch der eingängigste und abwechslungsreichste, hätte sich auch gut als Opener gemacht.
7. The New Dark Ages
Wir bleiben beim klassischen Death Metal, der nun mit einer besonderen Gewichtung auf offensive Grooves daherkommt. MEMORIAM halten sich hier wieder mehr mit den Melodien zurück, werfen dafür aber einen der intensivsten Breaks der Platte hinein.
8. No Known Grave
Es wird stimmungsvoller. Der Track kommt mit leicht melancholischen Melodien und kräftig schrubbenden Gitarren daher. Besonders gelungen ist der fast schon vorsichtig hoffnungsvolle Downtempo-Einschub, und die Melodiearbeit gerade gegen Ende des Songs lässt ebenfalls aufhorchen. Wohlgemerkt – ich wiederhole – wir reden weiterhin von MEMORIAM-/BOLT THROWER-Verhältnissen, was Melodien angeht.
9. Weaponised Fear
Das beste haben sich MEMORIAM für den Schluss aufgehoben. Der Rausschmeißer kommt SEHR heavy daher und punktet mit schöner Struktur und einer guten Balance zwischen bratenden Riffwänden und sägenden Melodien. Hat wieder eine Portion Doom intus und gibt sich mit seinen einleitenden bzw. abschließenden Riffs fast schon lautmalerisch.
Eine todesmetallische Mahnwache
Bleibt zu sagen, dass das neue Album der Birminghamer schon einen ordentlichen Ersteindruck hinterlassen hat. Doch mit einem Hördurchgang ist „The Silent Vigil“ definitiv nicht verdaut. Das gilt übrigens nicht nur für den musikalischen Gehalt der Platte, sondern tatsächlich auch für den lyrischen Kern. Die Subtilität von einst ist einer deutlich zwingenderen Relevanz gewichen, die natürlich Bezug auf die jüngeren, politischen Entwicklungen unserer Zeit nimmt.
Das Album wird am 23. März 2018 erscheinen.
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Stile | Death Metal, Old School Death Metal |
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