Mayhem
Das meint die Redaktion zum neuen Album "Esoteric Warfare"
Special
Ein neues MAYHEM-Album ist immer Auslöser für viele Diskussionen – ob sich jemand wieder etwas mehr finstere Geradlinigkeit à la „De Mysteriis Dom Sathanas“ wünscht oder lieber noch mehr kaputtes Chaos der Marke „Grand Declaration Of War“ oder „Ordo Ad Chao“, alle Extreme sind vertreten. Und natürlich ganz viel Grau dazwischen. Mit „Esoteric Warfare“ bringen die Herren Csihar, Necrobutcher und Hellhammer sowie Neumitglied Teloch nach sieben Jahren endlich den „Ordo Ad Chao“-Nachfolger heraus, und auch hier sind ausufernde Diskussionen nicht nur vorprogrammiert, sondern auch schon lange vor Veröffentlichung des Albums in den Internetforen zu finden gewesen. Eine Selbstverständlichkeit also, dass auch wir nochmal ein paar Meinungen mehr einholen, nachdem Kollege André Gabriel in seiner Rezension zu „Esoteric Warfare“ bereits in aller Ausführlichkeit über das Werk berichtet hat. Das meint die Redaktion zu MAYHEMs fünftem Album „Esoteric Warfare“:
Vorbelastet mit einer gehörigen persönlichen Erwartungshaltung geht „Esoteric Warfare“ bei mir ins Rennen: Und kann diese erstmal nicht erfüllen. Denn wie man feststellen kann, ist „Esoteric Warfare“ tatsächlich ein Manifest der Dunkelheit geworden, aber eines das gewissen Gesetzmäßigkeiten gehorcht und in seiner Form, trotz aller Düsternis und Raserei, zu konform, zu vorhersehbar, zu angepasst ist.
Wenigen Kapellen traue ich zu, abgedrehten Wahnsinn und Extremität derart passend zu fokussieren, wie MAYHEM es auf „Ordo ad Chao“ oder „Grand Declaration Of War“ vermochten. Die Existenz derartiger Alben und damit der Beweis, dass MAYHEM in der Lage sind, etwas Derartiges schaffen zu können, belastet damit mein Verhältnis zu der Band nachhaltig: Denn nur durch dieses Potential, durch das Wissen, dass MAYHEM so befreit Grenzen überschreiten können, wird der Eindruck von „Esoteric Warfare“ gefärbt.
Ich finde es daher schade, keinen derartigen Abgrund vorzufinden, so sehr ich auch danach suche. Habe ich „Esoteric Warfare“ nach dieser Ernüchterung erstmal ein wenig mehr Zeit und mehrere weniger belastete Durchgänge gegeben, bleibt eine starke, aber keine überragende Platte, die sich, insbesondere zum Ende, doch ein wenig zieht.
Dass MAYHEM damit immer noch einen großen Teil des Genres an die Wand zimmern, ist trotzdem anzumerken. Ebenso, dass die spielerische Brillianz, angefangen vom vernichtenden Schlagzeugspiel eines Hellhammer bis zu den unmenschlichen, gutturalen Ausdrücken eines Attila Csihar (vermessen, das ganze „Gesang“ nennen zu wollen), wahrlich unvergleichlich sind.
Dass „Esoteric Warfare“ es aber leider auch im direkten Vergleich mit sämtlichen vier Vorgängeralben nicht schafft, diese zu übertrumpfen oder auszustechen, bedauere ich dennoch sehr. Denn für eine weitere ordentliche Black-Metal-Platte vergeuden MAYHEM ihr Talent.
(Sven Lattemann | 7/10 Punkten)
Ich geb’s ja zu: Ich fand Rune ‚Blasphemer‘ Eriksens Gitarrenstil immer schon besser als Øystein ‚Euronymous‘ Aarseths. Daher war ich nach dem meiner Meinung nach besten MAYHEM-Album „Grand Declaration Of War“ (noch ein Frevel!), dem nur zur Hälfte gelungenen „Chimera“ und dem nur schwer zugänglichen Brocken „Ordo Ad Chao“ einigermaßen skeptisch, ob MAYHEM sich nach dem Ausstieg Eriksens für mich persönlich noch lohnen würden. Überraschung: Morten ‚Teloch‘ Iversen hat offenbar – auch wenn ich gern bei jeder Gelegenheit betone, dass der rein kognitive Zugang zu Black Metal im Allgemeinen und gewissen Bands im Speziellen nicht funktionieren kann – begriffen, worum es bei MAYHEM geht.
„Esoteric Warfare“ vereint fast alle MAYHEM-Alben (naja, mit Ausnahme meines Lieblingsalbums …): Komplexe Songstrukturen und der … naja … ziemlich analoge Klang schreien „Ordo Ad Chao“, die gebrochenen Akkorde Iversens erinnern an „Chimera“s Schokoladenseiten, in „Corpse Of Care“ klingt gar „De Mysteriis Dom Sathanas“ an. Zusätzlich höre ich hier und dort THORNS und VED BUENS ENDE heraus – kurzum: MAYHEM können auch ohne Blasphemer und mit Teloch als Songwriter richtig fies! Dass die Ur-Mitglieder Necro-„Fuck them!“-butcher und Trommelhure Hellhammer außer als Abnicker und ausführende Musiker für die Entstehung „Esoteric Warfare“s keinerlei Rolle spielten, ist dabei gar nicht weiter schlimm – zumindest nicht, so lange sie solch fähige Gitarristen finden und sich auf Attila als Sänger und Schreiber der Songtexte verlassen können.
(Falk Wehmeier | 8/10 Punkten)
Wer MAYHEM nur als sündhaften Black Metal bezeichnet, der erzählt nicht die ganze Geschichte. MAYHEM beweisen auf „Esoteric Warfare“ erneut, dass Black Metal nicht nur aus Doublebass und „böse gucken und Satan töfte finden“ besteht, sondern auch einen sehr hohen künstlerischen Anspruch hat, der lediglich zum Morbiden tendiert und deshalb nicht minder beeindruckend sein darf.
Natürlich können Attacke-Songs wie das böse ratternde „Psywar“ auch vollends überzeugen, aber die richtigen knisternden Momente entstehen dann, wenn MAYHEM die Spannung rauskritzeln, beinahe zum Stillstand kommen und die Bedrohung zwar erahnen, aber eben nicht ausbrechen lassen. Attila Csihar zeigt sich variabel wie nie, keift, wimmert, brüllt und spricht sich drohend und irre durch die Platte, definitiv eine Weiterentwicklung. Hellhammer poltert ohne Gnade übers Schlachtfeld und auch Neu-Gitarrist Teloch fällt ausschließlich durch angenehm fieses und abwechslungsreiches Spiel auf. „Pandaemon“ in richtiger Atmosphäre und voller Lautstärke lässt angenehme Angstgefühle hochkommen und jagt wohlige Schauer über den Rücken. Gleiches gilt für „Mylab“ – mein Highlight auf „Esoteric Warfare“-, sphärisch, andersartig und packend. Necrobutcher gibt dem Stück einen ganz speziellen Takt, der erotisch und gleichzeitig anwidernd klingt. Kleine Feinheiten, wie der irre Orgelsound in Kombination mit Attilas quietschendem Gekeife, runden das ruchlose Kunstwerk ab. Leider stehen den beeindruckenden Szenen auch einiges an Mittelmaß und vorherhörbarem Material entgegen, sodass „Esoteric Warfare“ zwar sehr gut, aber eben nicht überragend ist.
Ja, MAYHEM sind nicht einfach und nicht leicht zu verstehen. Man muss sich durchbeißen, hier wird nicht gelacht und dem Hörer wird nichts geschenkt – bist du zu schwach, ist die Platte zu MAYHEM, so soll es auch sein. Wenn man aber nicht gerade ein Black-Metal-Fan ist, der „rain or shine“ am besten den ganzen Tag bei runtergelassenem Rolladen der Dunkelheit frönt, dann bleibt einem in den nächsten Monaten lediglich die Nacht für „Esoteric Warfare“. Aber in der trüben Herbstzeit wird die neue Scheibe von MAYHEM garantiert wieder rausgekramt.
(Nadine Schmidt | 7/10 Punkten, mit Tendenz zur 8/10)