Tony Clarkin (Magnum)
"The Last Dance"

Special

Tony Clarkin, der Songschreiber und das Rückgrat einer Band mit einer mehr als 50-jährigen Geschichte hat die Bühne für immer verlassen. Grund genug für uns, einen Blick in die Geschichte des oft unscheinbar wirkenden Musikers zu werfen und sein Schaffen zu würdigen. Den gesamten Katalog seines musikalischen Wirkens können wir nicht betrachten, sodass die persönlichen Vorlieben für Alben und Songs eine Rolle spielen. Die Zusammenfassung wird lückenhaft sein und ist primär eine persönliche Rückschau der Schreiberlinge. Wir wollen an einen Musiker erinnern, der generationsübergreifend Menschen begeisterte, wo oft ganze Familien vor der Bühne standen und dem der ganz große Durchbruch verwehrt blieb. Die beiden metal.de- Schreiberlinge zeigen genau die generationsübergreifende Begeisterung für die Band auf. Der eine Schreiber ist Jürgen Fenske, der in den 80ern mit einer Band wie MAGNUM aufgewachsen ist. Der zweite Schreiberling ist Johanes Werner, als jemand, der buchstäblich mehr als sein halbes Leben MAGNUM-Fan, aber eine ganze Generation jünger ist.

Die Anfänge von Tony Clarkin

Tony Clarkin wird im Birmingham, in den englischen Midlands, kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs geboren. Aufgewachsen ist er im eher ländlichen Teil von Birmingham, dem Shared End. THE BOULEVARDS ist Clarkins erste Band, wo er gemeinsam mit Kollegen aus seiner Schule seine ersten musikalischen Erfahrungen sammelt. Ab 1972 gilt MAGNUM die volle Aufmerksamkeit von Tony. Zunächst spielen MAGNUM als Hausband im Rum Runner Nightclub. Der Laden wurde später vor allem durch DURAN DURAN berühmt. Eigene Songs gibt es ab 1976 zu hören, zunächst im The Railway Inn in der Curzon Street. Bereits zu der frühen Zeit ist Bob Catley an seiner Seite. Die Nest Studios in Birmingham werden der Ort, wo die ersten Demos von MAGNUM aufgenommen werden. Die Demos bilden die Grundlage für das Debütalbum „Kingdom Of Madness“.

Die Jet Records Jahre

Im November 1978 steht das Debüt von MAGNUM in den Plattenläden. Einflüsse von QUEEN, GENESIS oder JETHRO TULL blitzen bei den Songs auf „Kingdom Of Madness“ durch. Allen voran der Titeltrack wäre mit den Vocals von Ian Anderson problemlos bei den schottischen Folk-Rockern zu verorten. Platz 58 in den UK-Album-Charts ist ordentlich, aber weit entfernt von einem kommerziellen Durchbruch. Es ist zu hören, dass die Band bzw. Clarkin sich noch auf der Suche nach „ihrem“ Sound befinden. Die immense Kreativität Clarkins schimmert bereits durch und so strahlt „Kingdom Of Madness“ den zauberhaften Hunger einer jungen Band aus, die sich beweisen will.

Empfehlenswert: „Kingdom Of Madness“, „The Bringer“, „All Come Together“

Der Nachfolger „Magnum II“ ist im Oktober 1979 verfügbar, ist aber kommerziell ein Flop. Erneut bewegen sich MAGNUM in progressiven und melodischen Gefilden und sind weit entfernt von angesagten Bands wie FOREIGNER oder UFO. Dazu kommt die NWoBHM in England so langsam in Fahrt und Bands wie SAXON, SAMSON oder JUDAS PRIEST liefern den Sound für die junge Generation in England. „Magnum II“ steht sicher im Schatten seiner großen Nachfolger, geht aber im Gesamtwerk der Band zu Unrecht oft unter.

Empfehlenswert: „If I Could Live Forever“, „Reborn“, „Foolish Heart“. Auch „Changes“ ist eine Erwähnung wert, da es vermutlich nicht direkt als Inspiration diente, aber deutliche Ähnlichkeiten mit VAN HALENs Überhit „Jump“ aufweist.

Es folgt das Live-Album „Marauder“, bevor im Februar 1982 „Chase The Dragon“ das Licht der Welt erblickt. Mark Stanway ist erstmals am Keyboard zu hören und mit Platz 17 ist die Scheibe die bis dato erfolgreichste von MAGNUM. Tony und Co. bleiben progressiv, legen aber vom Härtegrad zu, ohne dass Melodie und Eingängigkeit vernachlässigt wird. Die DNA der Band kommt immer mehr zum Vorschein und die Einflüsse von QUEEN und Co. verschwinden.

Empfehlenswert: „Soldier Of The Line“, „On The Edge Of The World“, „Walking The Straight Line“, „The Lights Burned Out“. Die beiden Live-Standards „The Spirit“ und allen voran „Sacred Hour“ sind ebenfalls unbedingt zu nennen. Vielleicht das erste Über-Album der Band?

Ein Jahr später heißt es „The Eleventh Hour“. Die Produktion des Albums sorgt für Missstimmung zwischen Label und Band, was am Ende zum Bruch zwischen MAGNUM und Jet Records führt. Kommerziell bleibt „The Eleventh Hour“ mit Platz 38 in den UK-Charts ebenfalls hinter den Erwartungen. Musikalisch geht es eher zurück zu melodisch verspieltem Rock, den Härtegrad von der „Chase The Dragon“ erreicht Studioalbum Nummer vier aus dem Hause MAGNUM nicht. Trotzdem: gelungene Rock-Melodien sind auch auf „The Eleventh Hour“ mehr als genug zu finden. Neben „Magnum II“ ist “The Eleventh Hour“ die unterbewertetste Scheibe in der MAGNUM-Historie.

Empfehlenswert: „Hit And Run“, „The Price,“ „The Great Disaster“, „So Far Away“

Der Durchbruch – “On A Storyteller’s Night”

Zu der Scheibe hat der Kollege Johannes Werner bereits alles gesagt. “On A Storyteller’s Night” ist ein Hit, von der ersten bis zur letzten Note. Einen Song hervorzuheben oder einen Song nicht zu nennen, würde dieser Scheibe nicht gerecht werden. „How Far Jerusalem“?

Empfehlenswert: alles!

Wer nun denkt, dass MAGNUM sein Pulver mit „On A Storyteller’s Night” verschossen hat, den belehren Tony Clarkin und seine Mitstreiter eines Besseren. „Vigilante“ steht im September 1986 in den Plattenläden und wird von Polydor, damals eine Top-Adresse im Musikzirkus, veröffentlicht. An der Produktion wirkt unter anderem der QUEEN-Drummer Roger Taylor mit, was die Platte soundästhetisch nahe an QUEENs „A Kind Of Magic“-Phase rückt und die Chartplatzierungen und Verkaufszahlen stellen alle Beteiligten zufrieden. Erstmals landen MAGNUM auch in den deutschen Chart. Platz 56 ist nicht überragend, dafür sind MAGNUM in Schweden bereits mächtig angesagt und landen auf dem 16. Platz. Ein Song sticht auf der Scheibe besonders hervor: „When The World Comes Down“. Was für ein Schmachtfetzen, der vor Schmalz trieft, aber nicht kitschig oder peinlich wird. Wie würde der Song klingen, wenn zum Beispiel DORO das Ding Covern würde? Oder verursacht diese Vorstellung Albträume, wie beim Kollegen Johannes Werner?

Empfehlenswert: „When The World Comes Down“, „Midnight (You Won’t Be Sleeping)“, „Red On The Highway“, „Holy Rider“, „Vigilante“, „Back Street Kids“

Die “Wings Of Heaven” tragen MAGNUM nach oben

Gute LPs haben Tony Clarkin, Bob Catley und Co. mittlerweile in Serie auf den Tisch gelegt. Was fehlt, dass ist der große kommerzielle, weltweite Erfolg und die entsprechende Anerkennung. Zu diesem Erfolg verhilft der Band “Wings Of Heaven”.

Eigentlich sollte erneut der QUEEN-Drummer Roger Taylor die Scheibe produzieren, jedoch war er wegen anderer Termine nicht verfügbar. Es ging in die Niederlande, die Wisseloord Studios wurden für „Wings Of Heaven“ als Produktionsstandort ausgewählt. Platz zwei in den schwedischen Charts, Platz fünf in England, Top-Ten Plätze in der Schweiz und in Norwegen. MAGNUM sind eine angesagte Rockband, entgegen den Strömungen der späten 80er und frühen 90er. Selbst in Deutschland langt es für den 19. Platz. Eine gemeinsame Tour mit IRON MAIDEN durch die USA ist im Gespräch, kommt aber am Ende nicht zustande.

Die Musik kommt leichtfüßig daher, ist angepasster und kommerzieller geworden im Vergleich zu “On A Storyteller’s Night”. Aber selbst kommerzielle, stadionrocktaugliche Songs klingen im MAGNUM-Gewand erdiger als die Masse der Outputs Ende der 80er Jahre.

Empfehlenswert: „It Must Have Been Love“ und das alles überragende „Don’t Wake The Lion (Too Old To Die Young)“. Für die „Nach-Wende-Zeit“ ist „Pray For The Day“ auf der LP, das sich mit der innerdeutschen Grenze befasst, wichtig. „Start Talking Love“ ist zudem ein wunderbar leichtfüßiger Rocker, der wieder mal viel Romcom-Soundtrack-Potential aufweist.

“Goodnight L.A.” und Goodbye Polydoor

Eigentlich ist alles in Butter bei MAGNUM. Im Juli 1990 steht der Nachfolger des Top-Sellers “Wings Of Heaven” in den Plattenläden. Zur Produktion geht es – passend zum Albumtitel – nach Los Angeles in die Goodnight-L.A.-Studios von Keith Olsen. Den Erfolg des Vorgängers kann das achte Studioalbum nicht toppen, mit Platz 7 in Schweden und Platz 9 in UK ist die Scheibe aber auch kein kommerzieller Misserfolg. In den USA versuchen MAGNUM erst gar nicht Fuß zu fassen und verzichten auf eine Veröffentlichung. Eigentlich sieht es von den Rahmendaten recht zufriedenstellend aus. Jedoch gibt es nur noch ein Live-Album („The Spirit“), welches bei Polydor veröffentlicht wird. Anschließend verabschieden sich MAGNUM vom Top-Label.

Empfehlenswert: “Mama”, „Only A Memory“, „Heartbroke And Busted“, “No Way Out”

Tony Clarkin war mit der Zusammenarbeit mit dem Major-Label nicht mehr zufrieden und nimmt die Fäden wieder selbst in die Hand. Nach „The Elevent Path“ sind MAGNUM mit „Sleepwalking“ wieder an dem Punkt, wo die kommerzielle Reise gestartet wurde. Es geht dabei auch um das liebe Geld und Tony Clarkin versucht die Produktionskosten zu reduzieren. Kommerziell ist der Erfolg mäßig mit Platz 27 in UK und 29 in Schweden. Gleichzeitig zeichnet sich die Ermüdung Clarkins von MAGNUM Mitte der Neunziger ab, denn „Sleepwalking“ plätschert trotz tollem Rodney-Matthews-Artwork streckenweise ein wenig vor sich hin.

Empfehlenswerte Songs: „Too Much To Ask“, “The Flood”, “Sleepwalking”

„Rock Art“ and The Lights of MAGNUM Burned Out

Nach dem Akustik-Album “Keeping The Nite Light Burning” begeben sich Tony Clarkin und seine Mitstreiter 1994 in das bandeigene Studio in Birmingham um „Rock Art“ aufzunehmen. Wer kennt von SABATON den Song „Christmas Truce“? Das Thema haben MAGNUM mit „On Christmas Day“ bereits viele Jahre vor den schwedischen Kriegsgeschichtenerzählern bearbeitet. Insgesamt ist „Rock Art“ wenig erfolgreich und landet auf Platz 57 in UK. Auch in Schweden und der Schweiz erreicht das Album die Charts, spielt aber nur die zweite Geige. Auch „Rock Art“ lässt die Pause in den Neunzigern langsam notwendig erscheinen, denn trotz der unten genannten herausragenden Songs, wirkt die Platte – man traut sich’s kaum auszudrücken – leicht halbherzig.

Empfehlenswert: „We All Need To Be Loved“, “The Tall Ships”, “On Christmas Day”

Tony Clarkin ist ausgebrannt und damit der entscheidende Faktor von MAGNUM. 1995 teilt er den anderen Bandmitgliedern mit, dass er seine Tätigkeit bei MAGNUM beenden wird. Der Versuch Clarkin umzustimmen, scheitert genauso, wie Clarkin durch einen anderen Gitarristen zu ersetzen. Das Live-Album „The Last Dance“ dokumentiert die Farewell Tour von MAGNUM in UK und Europa. Nach dem Gig in Wolverhampton am 17. Dezember 1995 ist MAGNUM Geschichte. Tony Clarkin erklärt später in einem Interview, dass es in den vergangenen 22 Jahren keinen Tag gegeben hat, wo er nicht für MAGNUM tätig war.

HARD RAIN und auf zu neuen Ufern mit „Breath Of Life“

Die ehemaligen Bandmitglieder von MAGNUM gehen getrennte Wege, mit einer Ausnahme. Der langjährige Freund und Wegbegleiter von Tony Clarkin, Sänger Bob Catley, bleibt an seiner Seite. Ohne ein Label, und somit ohne Produktionsdruck, agieren die beiden Herren und nennen sich selbst HARD RAIN. Bereits 1997 haben die beiden das Debütalbum fertig. Das Material war primär bereits zu MAGNUM-Zeiten entstanden, blieb aber bisher unveröffentlicht. „When The Good Times Come“ folgt im Mai 1999, bevor ab 2001 die Pläne für eine MAGNUM-Reunion klare Konturen annehmen.

Clarkin und Catley sind die Initiatoren der Reunion, die von Clarkins Manger ins Gespräch gebracht wurde. Das Ziel, mit der Bandbesetzung aus dem Jahr 1995 neu zu starten, zerschlägt sich jedoch. Nur Keyboarder Mark Stanway kommt zur Reunion. Am Bass werden MAGNUM bei HARD RAIN fündig. Al Barrow bleibt an Clarkins Seite. Clarkin selbst übernimmt neben der Gitarre auch die Drums auf „Breath Of Life“. In den Mad Hat Studios, Wolverhampton, wird die CD aufgenommen und als Label landen MAGNUM bei SPV in Deutschland. Der Anfang einer langen und erfolgreichen Beziehung. Im Februar 2002 steht „Breath Of Life“ in den Plattenläden. Ein Blick auf die Charts: Platz 14 in UK ist nicht schlecht, Platz 67 in Deutschland mit einem deutschen Label jedoch eher hinter den Erwartungen.

Empfehlenswert: „Still“, „Breath Of Life“, „Let Somebody In“, „Night After Night“

Die Frischzellenkur oder „Brand New Morning“ nach einer Herzattacke

2002 erleidet Tony Clarkin eine Herzattacke. Alles, was nun kommt, fühlt sich wie ein brandneuer Tag an. „Steh auf mit der Sonne und lebe einfach“. Das sind Sätze von Sänger Bob Catley zum Album, das im Sommer 2004 veröffentlicht wird. Die Lyrics auf der LP verarbeiten die vergangenen Monate und verbinden MAGNUM der 90er Jahre mit den Einflüssen von HARD RAIN. Bereits der Opener klingt zum Anfang fast nach AC/DC oder STATUS QUO. Härter, trotzdem eingängig und märchenhaft, mit noch intensiveren Gitarrenspiel, starten MAGNUM in ihren zweiten Frühling.

Empfehlenswert: “Brand New Morning”, „It’s Time to Come Together“, “I’d Breathe for You“, “Hard Road”, „The Scarecrow“

Wer nicht so ganz genau auf das Artwork von „Princess Alice And The Broken Arrow“ achtet, der könnte der Meinung sein, es würde sich um „On A Storyteller’s Night“ handeln. Rodney Matthews hat das Artwork entworfen, erstmals seit 1992. Im März 2007 ist die neue CD verfügbar, landet auf Platz 90 in den UK-Charts und auch in Deutschland wächst die Fanbase. Platz 60 ist nicht vergleichbar mit den heutigen Platzierungen, vor fast 20 Jahren waren physische Verkäufe von Tonträgern auf einem ganz anderen Level. Clarkin lebt jeden brandneuen Tag und komponiert, die Melodien und die Saitenarbeit erinnert in Teilen an die Werke aus den 80ern. Egal wie schmalzig die Nummern sind, die Saitenarbeit und die Vocals veredeln die Nummern und liefern die spezielle MAGNUM-DNA. MAGNUM liefern mit „Princess Alice And The Broken Arrow“ das erste Album ihrer zweiten Karrierehälfte, das mit „Chase The Dragon“ und „On A Storyteller’s Night“ in einer Liga spielt.

Empfehlenswert: „Like Brothers We Stand“, „Out Of The Shadows“, “Thank You For The Day“, “Your Lies”, „Desperate Times“, „You’ll Never Sleep“. Dazu gesellt sich der überragende Gänsehaut-Opener „When We Were Younger“, der normalerweise mehrmals hintereinander abgespielt wird und die Hörerschaft in einer zauberhaften Endlosschleife fängt.

„Into The Valley Of The Moonking“ folgt im Juni 2009 und spiegelt die beiden Vorgänger-Werke wider. Von Hard Rock bis zur Ballade, vom Arena Rock bis zu träumerischen Melodien: MAGNUM bedienen ihre Fanbase und interessieren sich nicht für irgendwelche trendige Musik und finden generationsübergreifend Gehör bei Rock-Fans. Der Opa kommt mit seinem Enkel zur Show und trifft auf das gesetzte Ehepaar, die als „A Face In The Crowd“ zur Musik von Tony Clarkin und Co. vor sich hinträumen. MAGNUM wird nicht nur in der Sektflasche zu einem Genuss- und Suchtmittel.

Empfehlenswert: “All My Bridges”, “The Moon King”, „In My Mind’s Eye“, „If I Ever Lose My Mind“, „A Face In The Crowd“, „Blood On Your Barbed Wire Thorns“. Letzterer ist ein Beispiel für AEROSMITH-artige Groove-Rocker, wo die Meinungen der Fanbase unterschiedlich ausfallen, so auch bei den metal.de-Schreiberlingen.

Von schwarzen Wolken und Heimsuchungen – MAGNUM in einem weiteren Jahrzehnt

Im Januar 2011 liegt „The Visitation“ in den Plattenläden und MAGNUM machen genau dort weiter, wo die Herren mit „Into The Valley Of The Moonking“ aufgehört haben. „Black Skies“ klingt vom Titel bedrohlich, ist aber ein typischer Clarkin-Rocker, der erhaben melodisch das Werk eröffnet. Clarkin selbst sieht „The Visitation“ als rockiger und persönlicher an, als alles, was er bisher mit MAGNUM aufgenommen hat. Nach seiner Interpretation bietet die Scheibe eine große Bandbreite an Stilrichtungen und Atmosphären. Platz drei in den UK Rock- und Metal Charts ist der Lohn für das Album. Die sukzessiv zunehmende Härte, die auf dem Nachfolger noch deutlicher zutage tritt, tut der Band sehr gut und zeigt, dass MAGNUM relevant bleiben wollen, indem sie ihre Formel nicht in immer gleicher Weise wiederholen.

Empfehlenswert: „Doors To Nowhere“, „Wild Angels“, “The Last Frontier“, “Freedom Day”, „Midnight Kings“

Nach rockig und persönlich folgt noch rockiger mit einem Schuss Metal. Auf „On The 13th Day“ zeigen sich MAGNUM innovativ und weit entfernt davon, den Stiefel der drei Vorgängerwerke nochmal aufzutischen. Ob das Riffing bei „All The Dreamers“, der nach vorne gehendem Rocker „Broken Promises“, das galoppierende „See How They Fall“ oder der Metaller „Dance Of The Black Tattoo“: Clarkin und Co. liefern in einem Alter gekonnt ab, wo andere Menschen im Liegestuhl auf dem Balkon schaukeln. Im September 2012 schafft es das Album erneut auf den dritten Platz der UK Rock- und Metal-Charts, in Deutschland langt es für den 28. Platz. Auf der Limited Edition befindet sich mit „Those Were The Days“ ein Überbleibsel der „Wings Of Heaven“-Sessions – grandiose Nummer, die die 1988er-Scheibe zusätzlich veredelt hätte. Insgesamt ist „On the 13th Day“ neben „Princess Alice And The Broken Arrow“ die beste Post-Reunion-Platte der Briten.

Empfehlenswert: „All the Dreamers“, „On the 13th Day“, „Dance Of The Black Tattoo“, „Shadow Town“, „Broken Promises“, “From Within”

„Live ‚Til You Die“ und schau auf Deine Füße

Das“ Escape From The Shadow Garden“ bezüglich der Chart-Platzierungen eines der erfolgreichsten Alben von MAGNUM ist, liegt vor allem an den sich im Wandel befindlichen Musikmarkt. Streaming kommt mehr und mehr und Hardware verschwindet aus den Läden. Platz zwei in den UK-Rock – und Metal-Charts im März 2014 ist trotzdem eine Erwähnung wert. MAGNUM und Tony Clarkin werden nachdenklicher, was sich bei Songs wie „Live ‚Til You Die“, „Midnight Angel“ oder „The Valley Of Tears“ zeigt.

Die Geschichte einer jungen Prostituierten in Südamerika, die von einem berühmten Politiker missbraucht wird, der sie aus Angst ersticht und in einen Fluss wirft, dürfte auf eine wahre Begebenheit zurückzuführen sein und führt zu den Lyrics von „Midnight Angel“. Zu „The Valley Of Tears“ sagt Bob Catley: „Was ist der Sinn des Lebens? Sei glücklich mit allem, was um dich herum ist, deiner Familie, deinen Freunden und allem, was du im Leben tust. Schau nicht zu weit nach vorne, schau auf deine Füße und du hast wahrscheinlich alles, was du brauchst, genau dort.“

Empfehlenswert: „Too Many Clowns”, “Midnight Angel”, „The Art Of Compromise“, „The Valley Of Tears“

Im Februar 2016 heißt es bereits „Sacred Blood Divine Lies“. Das ein derartige Albumname eventuell etwas mit Religion und Glauben zu tun haben könnte, sorgte für Diskussionen. Bob Catley sagt, dass der Song im Gegensatz zu dem, was der Name des Titeltracks vermuten lässt, keine Religionskritik sei. Vielmehr geht es um Sektenführer, die die Unzulänglichkeiten ihrer Anhänger ausnutzen, um sich als überlegen darzustellen. Die Platte ist ebenfalls sehr stark und als Alters-Highlight zu werten. Knapp hinter „On The 13th Day“, knapp vor „Escape From The Shadow Garden“.

Empfehlenswert: „Crazy Old Mothers“, „Princess In Rags (The Cult)“, „A Forgotten Conversation“, „Quiet Rhapsody“, „Twelve Men Wise And Just“

Es geht Schlag auf Schlag im vergangenen Jahrzehnt bei Clarkin und Catley. Im Zweijahresrhythmus geht es weiter und „Lost On The Road To Eternity“ steht im Januar 2018 in den Regalen. Tobias Sammet hat sich auf dem Titeltrack des Longplayers verewigt, da Bob Catley Dauergast bei AVANTASIA ist. Gab es schon mal einen ersten Platz für einen MAGNUM-Longplayer? Zumindest landet „Lost On The Road To Eternity“ in den UK-Independent-Charts auf der Spitzenposition. Das Album erreicht das Niveau der drei Vorgänger nicht ganz, kann sich aber immerhin mit „Into The Valley Of The Moonking“ messen. Wirklich schlechte Alben haben MAGNUM aber niemals veröffentlicht.

Empfehlenswert: „Show Me Your Hands“, „Storm Baby“, „Without Love“

MAGNUM, die Pandemie und die 2020er Jahre

Es sieht so aus, als würden MAGNUM genau das richtige Drehmoment haben. Der Veröffentlichungsrhythmus bleibt und im Januar 2020 ist „The Serpent Rings“ erhältlich. Allerdings wird die geplante Tour von Covid-19 geschluckt. In UK räumen die Herren bei den Rock- und Metal-Alben erneut den ersten Platz ab. Die rüstigen Rentner scheinen auch mit über 70 Jahren einfach unverwüstlich.

Empfehlenswert: „You Can’t Run Faster Than Bullets“, „Not Forgiven“, “Man”, “Crimson On The White Sand”

Das Monster brüllt erneut zwei Jahre später. „The Monster Roars“ wird im Januar 2022 veröffentlicht. Als die Musik so langsam wieder in die Clubs und Hallen zurückkehrt, sind MAGNUM im Frühjahr 2022 mit GOTTHARD in Deutschland unterwegs. Für den ersten Platz reicht es nicht in UK, aber auch ein zweiter Platz ist aller Ehren wert. Selbst in Deutschland schaffen es die Alt-Rocker auf Platz fünf. Und was sagt Tony Clarkin zu dem Album? Die Antwort gibt es hier!

Empfehlenswert: “Remember”, „The Present Not The Past“, “No Steppin‘ Stones”, „The Day After The Night Before“, „Come Holy Men“

Tony Clarkin und die Wirbelsäule

Im Dezember 2023 teilt Tony Clarkin mit, dass er unter einer unheilbaren Wirbelsäulenerkrankung leidet. Die wäre nicht lebensbedrohlich, würde aber starke Schmerzen verursachen, weshalb er in Behandlung ist. Eine Gitarre lange halten, dass funktioniert gerade nicht. Daher sagen MAGNUM die für Frühjahr 2024 geplante Tour zum neuen Album „Here Comes The Rain“ ab. Keine vier Wochen später, am 07.01.2024, ist Tony Clarkin im Kreise seiner Familie mit 77 Jahren friedlich eingeschlafen und erlebt nicht mehr den Tag der Albumveröffentlichung. Die Nachricht, dass Tony Clarkin die Bühne des Lebens verlassen hat, erschüttert die Welt der Rockmusik. Die Kondolenz-Liste wirkt unendlich lang und alles, was Rang und Namen hat, meldet sich zu Wort. Wir verneigen uns vor dem Lebenswerk eines Musikers, der über mehr als fünf Jahrzehnte die Spielarten der Rockmusik geatmet und mitgestaltet hat. Ruhe in Frieden, Tony Clarkin!

Warum fehlen Worte zum 2024er Release „Here Comes The Rain“? Die Scheibe ist einfach vergriffen, egal wo, egal welches Format: Hardware ist gerade nicht verfügbar. So bekommt der Tod von Tony Clarkin noch eine besondere Tragik. Erst nach seinem Lebensende bekommt er die Aufmerksamkeit, die er zu Lebzeiten verdient hätte. In der ihm typischen bodenständigen Bescheidenheit, die vermutlich der Arbeitermentalität Birminghams entwachsen ist, wäre Tony, der stets hart für seine Musik gearbeitet hat, wohl trotzdem sehr stolz. Vielen Dank, Tony, für alles, was du uns mit deiner Musik geschenkt hast!

Magnum – Rock Hard Festival 2019

Wer etwas zu „Here Comes The Rain“ nachlesen möchte, wird beim Kollegen Werner fündig, der das letzte Werk von Tony Clarkin bereits im Dezember 2023 unter die Lupe genommen hat.

Johannes Werner & Jürgen Fenske

Quelle: Wikipedia, diverse Tonträger
19.01.2024

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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