Long Distance Calling
Das meint die Redaktion zu "The Flood Inside"
Special
Mit „The Flood Inside“ haben LONG DISTANCE CALLING unlängst ihr viertes Studio-Album veröffentlicht. Metal.de-Redakteur Matthias Olejnik bezeichnet die Platte in seiner Rezension als „bisherigen Höhepunkt in der Karriere der Band“. Grund genug, die Scheibe noch einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Lest in der Folge, was unsere Redaktion zu „The Flood Inside“ zu sagen hat:
Einen Sänger hatten sie ja eigentlich nie nötig – wenn es eine instrumentale Post-/Progressive-Rock-Band gab, bei der man Vocals irgendeiner Art dank der tollen, dynamischen Instrumentalarbeit (so gut wie) nie vermisst hat, dann LONG DISTANCE CALLING. Und doch stehen sie jetzt wieder mit Sänger da, der sogar bei mehr als dem einen Stück pro Album mitmischen darf, das normalerweise den Gastsängern zustand.
Doch bei aller irgendwo nachvollziehbaren Begeisterung des Kollegen Olejnik muss ich leider konstatieren: Ich werde LONG DISTANCE CALLING auch weiterhin bevorzugt ohne Gesang konsumieren. Nicht, dass Martin „Marsen“ Fischer einen schlechten Eindruck am Mikro hinterlassen würde, nein, eigentlich ganz im Gegenteil, aber das, was Matthias eigentlich nur einem der drei Marsen-Stücke („Tell The End“) attestiert, nämlich dass die Musik sehr songdienlich gehalten ist, unterstelle ich allen drei Stücken. Daran ist ja grundlegend nichts verkehrt, aber ich vermisse hier die instrumentalen Meisterleistungen, die Verspieltheit an den Instrumenten, die diese Band in der Vergangenheit ausgemacht haben und die ja auch auf den gesanglosen Stücken von „The Flood Inside“ durchaus noch hörbar sind. Ja, auch, wenn „Tell The End“ einen wirklich coolen Refrain hat – hier stehen die Erwartungshaltungen einfach im Weg, denn wenn ich so etwas hören will, dann greife ich eher zu anderen Bands. Das mag der Band (und dem Marsen) gegenüber nicht ganz gerecht sein, aber ich sehe ihre Stärken einfach woanders – zum Beispiel in solchen Über-Stücken wie dem Opener „Nucleus“ oder dem sehr emotionalen Rausschmeißer „Breaker“.
Also instrumentale Stücke = top; Songs mit Gesang = flop? Nein, ganz so schwarz-weiß möchte ich das auch nicht ausdrücken, denn dann gibt es ja noch „Welcome Change“, das von Matthias ganz zurecht als Überraschung bezeichnet wurde. Vincent Cavanagh (ANATHEMA) und Petter Carlsen machen hier einen ganz wunderbaren Job am Mikro. Und wenn die instrumentale Seite auch hier nicht ganz LDC-like ausgebaut wird – besonders die Cavanagh-Stimme passt zu dieser Musik einfach wie nichts anderes.
Ja, „The Flood Inside“ ist ein gutes Album. Meiner Meinung nach nicht unbedingt das beste der Band, aber Miesmacher wie meine Wenigkeit können die Marsen-Tracks ja skippen. Zumal ich ja auch die nicht wirklich schlecht finde. Sie spiegeln nur eben nicht das wieder, was ich persönlich an LONG DISTANCE CALLING schätze.
(Stephan Möller | 7/10 Punkte)
Nachdem LONG DISTANCE CALLING bekannt gaben, dass auf ihrem neuen Album bei mehr als einem Song ein Sänger vertreten sein wird, war ich anfangs durchaus etwas skeptisch. Würde Gesang nicht irgendwie stören? Würde der Sänger zu sehr im Vordergrund stehen? Gleichzeitig wurde durch diese Ankündigung natürlich auch das Interesse geweckt, da die Stücke mit Sänger auf den bisherigen Alben immer sehr überzeugend ausgefallen waren.
Nach dem Hören von „The Flood Inside“ kann ich feststellen – die Befürchtungen waren unbegründet. Das zweite Stück, „Inside The Flood“, bei dem der neue Sänger Marsen zum ersten Mal in Erscheinung tritt, steht exemplarisch dafür. Die angenehmen, zwar präsenten, sich aber nicht in den Vordergrund drängenden und dem musikalischen Fundament genügend Raum gebenden Vocals fügen sich hervorragend ein, die Musik klingt immer noch typisch nach LONG DISTANCE CALLING, wurde aber um eine Ebene erweitert. Dies gilt ebenso für die anderen beiden Stücke mit Marsen, insbesondere das treibende „The Man Within“ weiß sehr zu gefallen. Auf „Welcome Change“ geben sich dann zwei Gastsänger die Ehre: Vincent Cavanagh von ANATHEMA und Petter Carlsen geben dem Song mit ihren Stimmen eine emotionale, nachdenkliche Note, die durch die relativ kraftvolle Musik etwas zurückgenommen wird.
Für den puren instrumentalen Hörgenuss gibt es die andere Hälfte des Albums, welche ebenso hochkarätige Stücke anzubieten hat, wie z.B. das groovige „Nucleus“ oder das einnehmende „Ductus“, das wieder einmal diese harmonische Verschmelzung von elektronischen Elementen und rockigen Gitarrenparts schafft. Nur ab und zu hätte ich mir auf „The Flood Inside“ noch ein wenig mehr von der fragilen Entrücktheit gewünscht, die mir zum Beispiel an „Satellite Bay“ so gefallen hat. Aber das ist bekanntlich Geschmackssache und ändert nichts daran, dass das irgendwo zwischen Post-, Progressive-, Alternative- und sonstigem Rock pendelnde „The Flood Inside“ ein tolles, atmosphärisches Album geworden ist. Mit Gesang oder ohne, LONG DISTANCE CALLING beweisen erneut, dass sie es einfach drauf haben, spannende, vielseitige und schlichtweg packende Kompositionen zu kreieren!
(Jessica Heinen | 8/10 Punkte)